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Druckkündigung – Weigerung der Belegschaft zur Zusammenarbeit mit Arbeitnehmer

ArbG Magdeburg – Az.: 3 Ca 1917/11 – Urteil vom 25.01.2012

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung mit Schreiben vom 17.06.2011 nicht aufgelöst wurde.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den im Arbeitsvertrag vom 09.07.2010 geregelten Arbeitsbedingungen als Mitarbeiter für Beton- und Fassadensanierung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag unter Ziffer 1) weiter zu beschäftigen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 6.878,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten sich über die Wirksamkeit einer ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung. Der Kläger begehrt zudem seine Weiterbeschäftigung.

Druckkündigung - Weigerung der Belegschaft zur Zusammenarbeit mit Arbeitnehmer
Symbolfoto:Von sirtravelalot/Shutterstock.com

Der 1963 geborene Kläger ist seit dem 12.07.2010 auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 09.07.2010 (Bl. 5 – 7 d.A.) an 40 Stunden in der Woche als Mitarbeiter B.- und F. GmbH tätig und erzielte dabei durchschnittlich 1.719,50 € brutto im Monat. Die Beklagte, welche ohne Auszubildende mehr als 10 Arbeitnehmer vollzeitig beschäftigt, befasst sich überwiegend mit der Anbringung von Wärmeverbundsystemen, im geringeren Umfang auch mit Beton- und Brückensanierung, Brückenabdichtung, Fassadensanierung, statischer Verstärkung und Bauwerksabdichtung. Sie setzt hierzu insgesamt 4 Kolonnen mit 2 – 3, bei Wärmeverbundarbeiten mit bis zu 6, Mitarbeitern ein. Kolonnenführer sind die Mitarbeiter L., G., J. und R.. Die übrige personelle Zusammensetzung der Kolonnen unterliegt einem häufigen Wechsel. Die Kolonnen L. und G. sind ausschließlich im Bereich der Wärmeverbundsysteme tätig, die anderen beiden Kolonnen auch in den übrigen o.g. Bereichen. Der Einsatz des Klägers erfolgte in der Vergangenheit im Bereich Wärmeverbundsysteme sowie zeitweise im Bereich der Balkonsanierung. Er war schon in allen Kolonnen tätig, vor allem in der Kolonne L., am seltensten in der Kolonne G.

Die Beklagte stört sich an den häufigen krankheitsbedingten Ausfallzeiten sowie an dem Arbeitstempo und der Arbeitsqualität des Klägers. Darüber hinaus liegt der Kläger -aus, wie er selber sagt, persönlichen Gründen- mit dem Kolonnenführer L. im Streit.

Mit Schreiben vom 17.06.2011 (Bl.9 d.A.), dem Kläger noch am gleichen Tag zugegangen, kündigte die Beklagten diesem zum 01.07.2011. Sie begründete diese hierin im Wesentlichen damit, dass sich die anderen Mitarbeiter aufgrund des geringen Arbeitstempos und der geringen Arbeitsleistung des Klägers weigern würden, weiterhin mit diesem zusammenzuarbeiten und einige, insbesondere die Kolonnenführer L. und G., erklärt hätten, nicht mehr arbeiten zu wollen, wenn der Kläger weiterhin beschäftigt würde.

Mit am 01.07.2011 beim Arbeitsgericht eingegangener und am 08.07.2011 der Beklagten zugestellter Klage wendet sich der Kläger gegen diese Kündigung.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte habe insbesondere weder die notwendigen Voraussetzungen für eine verhaltensbedingte Kündigung, noch für eine Druckkündigung ausreichend vorgetragen, geschweige denn unter Beweis gestellt. Die Arbeitsleistung des Klägers sei nicht näher spezifiziert und nicht zu einer solchen mittlerer Art und Güte ins Verhältnis gesetzt worden. Dass sich mehr Mitarbeiter, als lediglich der Kolonnenführer L., über ihn beklagt hätten, bestreite er. Eine ernsthafte Gefahr der Arbeitsverweigerung oder Kündigung seitens anderer Mitarbeiter habe nie bestanden bzw. wäre ohne Weiteres mit für den Kläger milderen Mitteln abwendbar gewesen. Sogar die Beklagte selber habe eingeräumt, dass jedenfalls noch in der Kolonne R. ein Einsatz möglich wäre.

Der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung mit Schreiben vom 17.06.2011 nicht aufgelöst worden ist,

2. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu Ziffer 1) zu den im Arbeitsvertrag vom 09.07.2010 geregelten Arbeitsbedingungen als Mitarbeiter für Beton- und Fassadensanierung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen.

Die Beklagt beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, dass viele ihrer Mitarbeiter, insbesondere die dringend von ihr benötigten, da die tragenden Leistungen erbringenden, Kolonnenführer, sich weigern würden, weiterhin mit dem Kläger zusammenzuarbeiten. Einsätze in den Kolonnen L., G. und R. seien bereits gescheitert. Ständig seien Fehlleistungen des Klägers auszugleichen, könnten Zielstellungen nicht erreicht werden, würden die Leistungen der anderen in Mitleidenschaft gezogen, werde das Betriebsklima gestört. Eine Zusammensetzung der Kolonnen ohne Mitarbeiter, welche schon negative Erfahrungen mit dem Kläger gemacht hätten, sei nahezu unmöglich. L. und G. hätten gedroht, ihre Arbeitsleistung so lange zurückzuhalten, wie der Kläger weiterhin beschäftigt wäre. R. sei allenfalls noch unter Druck bereit, den Kläger in seiner Kolonne zu dulden. Ein Einsatz des Klägers außerhalb des Bereiches Wärmeverbundsysteme käme aufgrund dessen geringer Fertigkeiten ohnehin nicht in Betracht. Versuche, den Kläger zu einer Verhaltensänderung zu bewegen oder die Mitarbeiter umzustimmen, seien gescheitert. Soweit der Kläger in seinem letzten Schriftsatz unter neuem Tatsachenvortrag versucht habe, weiterhin bestehende Beschäftigungsmöglichkeiten aufzuzeigen, begehre sie Schriftsatznachlass, um dem entgegentreten zu können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Terminsprotokolle und die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Schriftsatznachlass war dem Beklagten mangels Entscheidungserheblichkeit der Ausführungen des Klägers zu verbleibenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten nicht zu gewähren.

I.

Die Kündigung mit Schreiben vom 17.06.2011 hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht rechtswirksam beendet. Der Beklagten ist es nicht gelungen -wie es für die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung erforderlich gewesen wäre- deren soziale Rechtfertigung i.S.v. § 1 KSchG ausreichend darzulegen.

1) Die Kündigung mit Schreiben vom 17.06.2011 gilt nicht bereits mangels rechtzeitiger Erhebung einer Kündigungsschutzklage nach Maßgabe von §§ 4, 7 KSchG als rechtswirksam.

Der Kläger hat die Kündigung rechtzeitig binnen drei Wochen gerichtlich angegriffen (§ 4 KSchG). Fristbeginn war der Zugang der Kündigung am 17.06.2011, die Frist endet dementsprechend nicht vor Ablauf des 08.07.2011. Die Klageschrift ist noch vor dem 08.07.2011 im Gericht eingegangen (01.07.2011) und wurde der Beklagten genau am 08.07.2011 und damit innerhalb dieser Frist auch noch zugestellt. Es bedurft daher nicht einmal eines Rückgriffs auf § 167 ZPO.

2) Eine ordentliche Kündigung des Klägers ist nur unter den Voraussetzungen des § 1 KSchG sozial gerechtfertigt und damit rechtswirksam.

Denn der Kläger war zum Zugangszeitpunkt der streitgegenständlichen Kündigung unstreitig seit mehr als sechs Monaten ununterbrochen im Betrieb der Beklagten tätig. Die Anzahl der von dieser beschäftigten Mitarbeiter überschreitet zudem unstreitig den Schwellenwert nach § 23 KSchG.

3) Die Voraussetzungen nach § 1 KSchG liegen hier nicht vor.

a) Soweit der Beklagte die Kündigung auf Pflichtverletzungen seitens des Klägers zurückführt, gilt folgendes.

Eine Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine Vertragspflichten erheblich verletzt hat, das Arbeitsverhältnis dadurch auch künftig konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen, eine weitere Störung zuverlässig ausschließenden Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint (BAG 28.10.2010 – 2 AZR 293/09 zitiert über Juris; 10.09.2009 – 2 AZR 257/08 AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60; 31.05.2007 – 2 AZR 200/06 – Rn. 14, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 57). Der Arbeitnehmer muss dazu keine Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt haben. Auch die erhebliche Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht kann eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen sozial rechtfertigen (BAG 28.10.2010 – 2 AZR 293/09; 10.09.2009 – 2 AZR 257/08 aaO; 02.03.2006 – 2 AZR 53/05 AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14).

Fehlerhafte Arbeit, wiederholte Leistungsmängel sind erst dann, wenn die Fehlerquote über das auch von anderen Arbeitnehmern zu erwartende hinausgeht, der Fehler auf besondere Pflichtvergessenheit zurückzuführen ist oder dessen Folgen besonders nachhaltig sind -nach vorheriger Abmahnung- an sich geeignet, eine ordentliche Kündigung und nur im Ausnahmefall eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (vgl. BAG 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, NZA 2004, 784; Dörner in Ascheid/Preis/Schmidt Kündigungsrecht 3.Aufl. (APS) § 1 KSchG Rdn.278-281 und § 626 BGB Rdn.258; Hako-Fiebig § 1 KSchG Rdn.383-385). Ein Arbeitnehmer schuldet nicht unbedingt schnellstmögliche und fehlerfreie Arbeit, auch nicht objektiv durchschnittliche Leistungen. Er muss vielmehr eine, bei angemessener Anspannung seiner individuellen Kräfte und Fähigkeiten, normale Arbeitsleistung von mittlerer Art und Güte erbringen. Bleibt seine Leistung bezüglich Qualität und/oder Qualität wesentlich hinter dem Durchschnitt zurück, so hat sich der Arbeitnehmer zu entlasten (vgl. BAG 17.01.2008 – 2 AZR 536/06, NZA 2008, 693). Um im Einzelfall die von jedem, auch dem sorgfältigsten Arbeitnehmer von Zeit zu Zeit zu erwartende Fehler von einer kündigungsrelevanten Arbeitsweise abgrenzen zu können, ist es in der Regel erforderlich, den herangezogenen Vergleichsmaßstab, die besonderen Folgen oder die besondere Pflichtvergessenheit substantiiert vorzutragen, damit das Gericht in die Lage versetzt wird, selbständig feststellen zu können, dass die Erheblichkeitsschwelle überschritten ist und eine nicht mehr zu tolerierende Fehlerquelle vorliegt. Die lediglich allgemeine Beschreibung fehlerhafter Arbeitsleistungen genügt diesen Anforderungen regelmäßig nicht (APS-Dörner a.a.O. Rdn. 281).

Der Arbeitgeber hat alle tatsächlichen Voraussetzungen, für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes (BAG 06.08.1987 – 2 AZR 226/87, EzA § 626 BGB n.F. Nr.109; Reinecke NZA 1989, 584ff;) und gegebenenfalls für den Ausspruch wirksamer vorheriger Abmahnungen darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen. Vom Arbeitnehmer vorgetragene Rechtfertigungsgründe für das beanstandete Verhalten sind vom Arbeitgeber gegebenenfalls zu widerlegen (BAG 24.11.1983 – 2 AZR 327/82, AP Nr.76 § 626 BGB; Becker/Schaffner BB 1992, 562). Entsprechendes gilt, soweit der Arbeitnehmer Umstände vorträgt, die einen zunächst ausreichenden Indizwert des Sachverhaltes entkräften (BAG 14.09.1994 – 2 AZR 164/94 zitiert über Juris).

Pflichtverletzungen des Klägers, die danach eine Kündigung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Zwar rügt die Beklagte ganz allgemein die Arbeitsleistung des Klägers in Bezug auf Tempo und Fehlerhaftigkeit. Sie untermauert diese Behauptung jedoch nicht durch konkreten Tatsachenvortrag. Eindeutige Angaben zu Zeit, Ort, Arbeit, Arbeitsmenge, Arbeitsqualität etc. fehlen. Darüber hinaus macht sie auch keine Angaben, die dem Gericht eine vergleichende Betrachtung und einen Rückschluss darauf, ob sich Tempo und Fehlerquote noch im Rahmen des normalen bewegen bzw. der Kläger nicht seine volle Leistungsfähigkeit ausschöpft, ermöglichen würden. Die bloße Behauptung oder selbst der Nachweis, dass gegebenenfalls auch Dritte bzw. ihre Mitarbeiter in Bezug auf die Arbeitsleistung des Klägers möglicherweise die negative Auffassung der Beklagten teilen, kann einen solchen Vortrag nicht ersetzen. Entscheidend sind nicht subjektive Auffassungen und Wertungen noch so vieler weiterer Personen, sondern objektive Tatsachen, welche dem Gericht einen eigenen Schluss ermöglichen.

b) Soweit die Beklagte die häufigen Erkrankungen des Klägers rügt gilt folgendes.

Die Krankheit eines Arbeitnehmers als solche ist kein Kündigungsgrund, steht aber dessen Kündigung auch nicht entgegen. Kündigungsgrund kann die mit einer Erkrankung (also einer personenbedingten Ursache) verbundene Nicht- oder Schlechterfüllung der vertraglich geschuldeten Leistungen sowie die dadurch verursachte erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen und wirtschaftlichen Belange des Arbeitgebers sein. Dabei geht es nicht darum, Fehlzeiten in der Vergangenheit zu sanktionieren, sondern die betriebswirtschaftlich unvertretbare Besetzung eines Arbeitsplatzes für die Zukunft zu verhindern. Die Überprüfung einer krankheitsbedingten Kündigung hat in drei Stufen zu erfolgen. Zunächst bedarf es einer negativen Prognose hinsichtlich des weiteren Gesundheitszustandes des zu kündigenden Arbeitnehmers. Im Anschluss daran ist zu prüfen, ob die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen – 2. Stufe. In der 3. und letzten Stufe wird dann nach Maßgabe einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung geprüft, ob die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinnehmbaren betrieblichen und wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen (vgl. Dörner in Ascheid/Preis/Schmidt 2.Aufl. § 1 KSchG Rdn.136, 138 m.w.N.). Es besteht eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast (vgl. APS-Dörner a.a.O. Rdn.204ff.).

Erkrankungen des Klägers, die danach eine Kündigung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Beklagte hat nicht einmal nähere Angaben dazu gemacht, von wann bis wann der Kläger krankheitsbedingt ausgefallen ist. Erst recht fehlen alle übrigen, einen Rückschluss auf die drei oben genannten Stufen ermöglichenden, Angaben.

c) Soweit die Beklagte sich durch Äußerungen ihrer Mitarbeiter unter Druck gesetzt fühlt, gilt folgendes.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts liegt eine sog. Druckkündigung vor, wenn Dritte, d.h. Mitarbeiter, Betriebsrat, Geschäftspartner, Kunden etc., unter Androhung von Nachteilen für den Arbeitgeber, von diesem die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers verlangen. Es sind dabei zwei Fallgestaltungen zu unterscheiden: Das Verlangen des Dritten kann gegenüber dem Arbeitgeber durch ein Verhalten des Arbeitnehmers oder durch einen in dessen Person liegenden Grund objektiv gerechtfertigt sein. In diesem Fall liegt es im Ermessen des Arbeitgebers, ob er eine personen- oder verhaltensbedingte Kündigung ausspricht. Fehlt es an einer objektiven Rechtfertigung der Drohung, kommt eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen in Betracht (BAG 26.06.1997 – 2 AZR 502/96 zitiert über Juris; BAG 31.01.1996 – 2 AZR 158/95, AP Nr. 13 zu § 626 BGB Druckkündigung; BAG 18.09.1975 – 2 AZR 311/74, BAGE 27, 263; BAG 26.01.1962 – 2 AZR 244/61, BAGE 12, 220; LAG Hamm 20.01.2011 – 15 Sa 20/10 zitiert über Juris; Hess. LAG 29.10.2010 – 19 Sa 275/10, LAGE § 626 BGB 2002 Nr.29a).

Entscheidungserheblich wird die sog. Druckkündigung damit regelmäßig nur in ihrer betriebsbedingten Form. Denn diese schließt eine Lücke, indem sie auch Fälle erfasst, die mangels ausreichender personen- oder verhaltensbedingter Gründe auf Seiten des Arbeitnehmers, sonst eine wirksame Kündigung nicht ermöglichen würden. Erst das Hinzutreten oder sogar ausschließlich das Verhalten Dritter verursacht hier eine kündigungsrelevante Störung. Nachdem unter a) und b) andere Möglichkeiten, soweit hier denkbar, bereits ausgeschlossen wurden, bleibt auch im vorliegenden Fall nur noch der betriebsbedingte Ansatz. Gerade in diesem Fall ist allein das Verlangen Dritter, einen bestimmten Arbeitnehmer zu kündigen, aber noch nicht ohne Weiteres geeignet, dessen Kündigung zu begründen. Ein solches kann für sich genommen zunächst einmal nicht mehr Kündigungsrelevanz haben, als das bloße Verlangen des Arbeitgebers selbst. Vielmehr werden an die Zulässigkeit einer solchen Kündigung strenge Anforderungen gestellt.

Die angedrohten bzw. drohenden Nachteile, für den Fall, dass der Arbeitgeber dem Druck nicht nachgibt, müssen von erheblichem Gewicht sein, etwa schwere wirtschaftliche Schäden ernsthaft drohen (BAG 04.10.1990 – 2 AZR 201/90, NZA 1991, 468; LAG Hamburg 03.04.2009 – 6 Sa 47/08 zitiert über Juris; LAG Rheinland-Pfalz 18.02.2008 – 5 Sa 381/07, zitiert über Juris). Als Beispiele kommen anderenfalls tatsächlich zu erwartende/r Streiks, Massenkündigungen, Entzug wichtiger Aufträge in Betracht. Des Weiteren darf der Arbeitgeber die Drucksituation nicht in vorwerfbarer Weise selbst herbeigeführt haben (BAG 04.10.1990 – 2 AZR 201/90 a.a.O.; LAG Rheinland-Pfalz 18.02.2008 – 5 Sa 381/07, zitiert über Juris). Zudem hat sich der Arbeitgeber beim Fehlen eines objektiven Kündigungsgrundes schützend vor den Arbeitnehmer zu stellen und alles ihm Zumutbare zu versuchen, um Dritte von deren Drohung abzubringen (BAG 31.01.1996 – 2 AZR 158/95 a.a.O; BAG 19.06.1986 – 2 AZR 562/85, AP Nr. 33 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Nur dann, wenn diese Versuche des Arbeitgebers erfolglos bleiben, also etwa die Belegschaft weiterhin ernsthaft die Zusammenarbeit mit dem betroffenen Arbeitnehmer ablehnt, kann eine Kündigung gerechtfertigt sein (BAG 04.10.1990 – 2 AZR 201/90 a.a.O.; LAG Hamm 20.01.2011 – 15 Sa 20/10 zitiert über Juris; LAG Hamburg 03.04.2009 – 6 Sa 47/08 zitiert über Juris). Zudem gilt auch bei der Druckkündigung das Ultima-Ratio-Prinzip. Die betriebsbedingte Druckkündigung muss das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel sein, um Schäden abzuwenden (Hess. LAG 08.09.2010 – 3 Sa 2008/09 zitiert über Juris).

Die Voraussetzungen einer danach zulässigen Druckkündigung sind hier nicht ausreichend vorgetragen. Es erscheint bereits fraglich, ob die Beklagte damit überhaupt den richtigen Ansatz gewählt hat. Schließlich stellt sich für die Kammer der Sachverhalt eher so dar, dass nicht der „Druck Dritter“, sondern die vermeintlich „Schlechte Arbeitsleistung“ des Klägers den Kündigungsgrund bilden, der mühsamere Vortrag einer kündigungsrelevanten Schlechtleistung jedoch gescheut wird. In jedem Falle aber ist die Kündigung des Klägers keineswegs das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel, um den Druck abzuwenden und damit einhergehende schwere wirtschaftliche Schäden zu vermeiden.

Nach Angaben der Beklagten soll der Druck von den anderen Mitarbeitern, insbesondere den, für ihn besonders wichtigen, Kolonnenführern ausgehen. Diese sollen eine weitere Zusammenarbeit ablehnen, sogar mit Eigenkündigung gedroht haben. Wie ernsthaft gemeint diese Drohungen waren, wenn sie denn so erfolgt sind, kann dabei zunächst dahingestellt bleiben. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass deren Beweggründe hierfür darin liegen, dass sie Unfallgefahren, Belästigungen, Beleidigungen, Bedrohungen, Vermögensdelikte o.ä. durch den Kläger bzw. dessen Aktivitäten während der Arbeitszeit befürchten. Die Ursachen sollen vielmehr eben in der besagten schlechten Arbeitsleistung des Klägers zu suchen sein.

Ernsthaft belastende Auswirkungen für die anderen Mitarbeiter können in solchen Fällen in der Regel jedoch nur dann entstehen, wenn hierdurch ein vom Arbeitgeber vorgegebener Gruppenakkord bzw. eine durch den Arbeitgeber vom Baustellenergebnis abhängig gemachte Prämie verdorben wird oder der Arbeitgeber, hieraus resultierend, nach Inhalt, zeitlicher Lage oder Entlohnungshöhe belastende Nacharbeiten anordnet. Warum dies im vorliegenden Fall anders sein sollte, erschließt sich der Kammer anhand des Vortrags der Beklagten nicht. D.h. aber, der Arbeitgeber hat den Umfang der Auswirkungen für seine Mitarbeiter, die aus der Arbeitsleistung des Betroffenen resultieren, im Wesentlichen selbst in der Hand. Die Beklagte kann folglich einer eventuell entstehenden Unzufriedenheit über den Kläger, aufgrund dessen Arbeitsleistung, keineswegs nur mit beschwichtigenden Äußerungen oder dessen Kündigung begegnen. Vielmehr kann sie auch mit anderen, die übrigen Mitarbeiter maßgeblich entlastenden, Maßnahmen reagieren (Herausrechnung der Arbeitsleistung des Klägers, Erhöhung der Anzahl der Mitarbeiter der Kolonne, Mehrarbeitszuschläge etc). Ob diese selbst dann noch ernsthaft eine Eigenkündigung der Weiterbeschäftigung des Klägers vorziehen würden, erscheint mehr als fraglich. Entsprechende vergebliche Versuche sind von der Beklagten jedenfalls nicht vorgetragen worden. Als bei einer Weiterbeschäftigung des Klägers unvermeidbar kann nicht etwa die mögliche Arbeitsverweigerung und/oder Eigenkündigung anderer Mitarbeiter angesehen werden. Als unvermeidbar im Falle schlechter Arbeitsleistung und Weiterbeschäftigung des Klägers ist lediglich die hieraus entstehende Störung des Gleichgewichts zwischen Arbeitsleistung und Entlohnung anzusehen.

II.

Die Beklagte ist nach Maßgabe von §§ 611, 613, 242 BGB i.V.m. Art. 1, 2 GG verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits vertragsgemäß weiterzubeschäftigen (sog. allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch).

Während des Bestandes seines Arbeitsverhältnisses hat ein Arbeitnehmer nach einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Literatur grundsätzlich einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung. Dieser Anspruch entfällt nicht ohne Weiteres allein deswegen, weil ein Prozess über die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit eines Beendigungstatbestandes geführt wird. Schließlich kann sich in dessen Ergebnis herausstellen, dass das Arbeitsverhältnis die ganze Zeit unverändert fortbestand. Solange jedoch noch keine dahingehende rechtskräftige Entscheidung vorliegt und der Arbeitnehmer dennoch seine Weiterbeschäftigung zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen auch nach Ablauf der Kündigungsfrist verlangt, kann nur mit Hilfe einer Interessenabwägung, bei der insbesondere die Prozesschancen und die tatsächliche Beschäftigungsmöglichkeit eine Rolle spielen, eine angemessene Entscheidung getroffen werden. In der Regel überwiegt das Interesse des Arbeitgebers bei Unsicherheit über den Bestand des Arbeitsverhältnisses den Arbeitnehmer nicht unverändert weiterbeschäftigen zu müssen (BAG 27.02.1985 – GS 1/84, NZA 1985 S.702ff.). Dies ist jedoch anders zu sehen, wenn zum einen das angerufene Gericht zuvor oder gleichzeitig zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der streitgegenständliche Beendigungstatbestand das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat und zum anderen bisher kein anderer Beendigungstatbestand in Rede steht. Liegen diese Voraussetzungen vor, stellt dies, auch wenn noch nicht feststeht, ob die gerichtliche Entscheidung später auch in Rechtskraft erwächst, zunächst ein so starkes Indiz für den letztendlichen unveränderten Weiterbestand des Arbeitsverhältnisses dar, dass es dem Arbeitgeber regelmäßig zumutbar ist, ab diesem Zeitpunkt den Arbeitnehmer auch während des Laufes der Bestandsstreitigkeit zu den alten vertraglichen Bedingungen zu beschäftigen (BAG 27.02.1985 a.a.O.). Im vorliegenden Fall ist mit der Stattgabe des Klageantrags zu 1. erstinstanzlich festgestellt worden, dass die Kündigung mit Schreiben vom 17.06.2011 das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht beendet hat.

Ein besonderes Interesse der Beklagten, dennoch bis dahin keine Weiterbeschäftigung unter den bisherigen Bedingungen vornehmen zu müssen, ist von ihr nicht ausreichend substantiiert und unter Beweisantritt vorgetragen worden.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits hat nach Maßgabe von § 91 Abs.1 ZPO die Beklagte als unterlegene Partei zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes, der gemäß § 61 Abs.1 ArbGG festzusetzen war, bestimmt sich nach Maßgabe von §§ 3ff. ZPO.

Ausschlaggebend ist der wirtschaftliche Wert der Klageforderungen unter Außerachtlassung der als Nebenforderung anzusehenden Zinsen. In entsprechender Heranziehung von § 42 Abs.3 GKG war danach der Klageantrag zu 1 mit drei Bruttomonatsverdiensten des Klägers zu bewerten. Der Weiterbeschäftigungsantrag (Klageantrag zu 2) ist regelmäßig mit einem weiteren Bruttomonatsverdienst zu berücksichtigen.

 

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