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Dynamische Verweisung auf Tarifverträge im Arbeitsvertrag

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 6 Sa 374/17 – Urteil vom 06.03.2018

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 14. Januar 2016 – 2 Ca 1089/15 – wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 457,50 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 28. Februar 2014 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 963,68 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit 11. September 2015 zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz und zweiter Instanz trägt die Beklagte.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch der klagenden Partei auf eine Tariflohnerhöhung.

Die Klägerin, die Mitglied der Gewerkschaft ver.di ist, wurde kraft schriftlichen Arbeitsvertrages vom 17. Januar 2002 (Bl. 9 f. d. A.; im Folgenden: AV) ab 01. Januar 2002 von der Rechtsvorgängerin der Beklagten als Auffüllerin/ Bereich Food II eingestellt. Ziff. 3 und 5 AV lauten:

„3. Auf das Arbeitsverhältnis finden die jeweils geltenden Tarifverträge des Einzelhandels und die Gesamtbetriebsvereinbarungen bzw. die Betriebsvereinbarungen in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.

5. Der Mitarbeiter erhält ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von EUR 991,80.

Tarifentgelt: EUR 991,80 Tarifgruppe L3

im ./. Tätigkeitsjahr

Der über das Tarifentgelt hinausgehende und nicht ausdrücklich als nicht anrechenbar bezeichnete Betrag ist eine freiwillige Leistung von Z.,- und kann auf Erhöhungen des Tarifentgelts angerechnet werden. …“

Zum 01. Juli 2008 erfolgte ein Betriebsübergang auf die Beklagte. Zuvor hatte die tarifgebundene Rechtsvorgängerin der Beklagten ihre Mitarbeiter mit Schreiben vom 08. Mai 2008 nach § 613a Abs. 5 BGB über den bevorstehenden Betriebsübergang informiert und dabei ua. mitgeteilt, die Beklagte sei tarifgebunden.

Die Beklagte, die nicht tarifgebunden ist, vergütete die klägerische Partei auch nach dem Betriebsübergang zunächst nach den Lohnsätzen der Lohngruppe L 3 des jeweiligen Lohntarifvertrages im Einzelhandel X., geschlossen vom Landesverband Einzelhandel X. eV. und der Gewerkschaft ver.di.

Mit Schreiben vom 16. Juni 2011 (Bl. 11 d. A.), wegen dessen weiterer Einzelheiten auf den Akteninhalt Bezug genommen wird, teilte die Beklagte der klagenden Partei mit, ein im August 2009 angesichts ihrer fehlenden Tarifgebundenheit mit dem Betriebsrat geschlossenes Betriebliches Bündnis, in dem ua. die Anwendung des x-Einzelhandelstarifvertrages vereinbart worden sei, ende am 30. Juni 2011 und obgleich bislang weder mit ver.di, noch mit dem Betriebsrat eine gemeinsame Lösung zu finden gewesen sei, gebe sie freiwillig folgende Zusicherung:

„1. Wir werden Sie auch nach dem 30. Juni 2011 entsprechend den Regelungen des gültigen x-Einzelhandelstarifvertrages vergüten.

2. Sobald in 2011 ein neuer Gehalts- und Lohntarifvertrag für den x-Einzelhandel abgeschlossen sei, werde auch dieser neue Tarifvertrag mit den darin enthaltenen Regelungen – insbesondere den Lohn- und Gehaltserhöhungen – Anwendung auf Ihr Arbeitsverhältnis finden.“

Dynamische Verweisung auf Tarifverträge im Arbeitsvertrag
(Symbolfoto: Romeo Pj /Shutterstock.com)

Eine von der Gewerkschaft ver.di unter dem 17. Dezember 2013 vereinbarte Tariflohnerhöhung zum 01. August 2013 in Höhe von 3 % und die zum 01. Mai 2014 vereinbarte Tariflohnerhöhung um 2,1% hat die Beklagte nicht an die Klägerin weitergeben.

Mit Schreiben vom 21. Februar 2014 (Bl. 13 d. A.) hat die Klägerin unter der Überschrift „Geltendmachung des aktuellen Tarifvertrages Einzelhandel X- Tariferhöhung rückwirkend zum 01.08.2013 von 3 %, sowie die zu erwartende Erhöhung von 2,1 % ab 01.05.2014“ um Auszahlung der Tariflohnerhöhung gebeten. Wegen der Einzelheiten des Geltendmachungsschreibens wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Nachdem die außergerichtliche Geltendmachung erfolglos blieb, hat die klagende Partei am 04. September 2015 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern Zahlungsklage erhoben, die der Beklagten am 10. September 2015 zugestellt worden ist. Die Klägerin macht Vergütungsdifferenzen zwischen von ihr bezogener Vergütung und den tariflichen Lohnsätzen in zuletzt rechnerisch unstreitiger Höhe von 457,50 Euro brutto für die Monate August 2013 bis Februar 2014 und 963,68 Euro brutto für die Monate März 2014 bis Juni 2015 geltend.

Die Klägerin hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, ihr stehe auch die von der Gewerkschaft ver.di unter dem 17. Dezember 2013 vereinbarte Tariflohnerhöhung zum 01. August 2013 in Höhe von 3 % und die zum 01. Mai 2014 um 2,1% zu. Die arbeitsvertragliche dynamische Verweisung auf die jeweils gültigen Tarifverträge des Einzelhandels gelte auch nach dem Betriebsübergang weiterhin, ohne dass eine Statischstellung erfolgt sei. Unabhängig vom Informationsschreiben der Rechtsvorgängerin der Beklagten zum Betriebsübergang habe auch die Beklagte im Vorfeld des Betriebsübergangs ihre Tarifbindung betont. Vor diesem Hintergrund erkläre sich auch das Schreiben vom 16. Juni 2011 und ein Schreiben vom 12. September 2011 in Bezug auf den Manteltarifvertrag. Ihr stünden daher die geltend gemachten Beträge aus im Einzelnen in der Klageschrift nebst Anlage und dem Schriftsatz vom 04. November 2015 dargelegter Höhe zu, wegen deren Berechnung auf den Akteninhalt verwiesen wird.

Die Klägerin hat erstinstanzlich – nach geringfügiger Reduzierung der Klageforderung – zuletzt beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 457,50 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 28. Februar 2014 zu zahlen.

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 963,68 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, es bestehe keine Rechtsgrundlage für den klägerischen Anspruch. Sie sei auch im August und Dezember 2013 nicht tarifgebunden gewesen, als nach klägerischem Vortrag die Tariflohnerhöhung zwischen der Gewerkschaft ver.di und dem Landesverband Einzelhandel X eV. vereinbart worden sei. Aus dem Arbeitsvertrag ergebe sich der Anspruch wegen Statischstellung der Bezugnahmeklausel durch den Betriebsübergang ebenfalls nicht, da die dynamische Bindung eines nicht tarifgebundenen Erwerbers gegen Europarecht verstoße. Ebenso wenig könne der Anspruch aus dem Informationsschreiben ihrer Rechtsvorgängerin zum Betriebsübergang hergeleitet werden, das nur Wissens-, jedoch nicht Willenserklärung sei. Auch die bisherige Weitergabe von Tariflohnerhöhungen und die Schreiben vom 16. Juni 2011 oder 12. September 2011 begründeten keinen Anspruch auf Weitergabe künftiger Tariflohnerhöhungen für die Zukunft kraft betrieblicher Übung oder Zusage. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz teile in seinen Entscheidungen in den Verfahren 4 Sa 481/14 und 4 Sa 478/14 ihre Auffassung. Da die Ansprüche ab März 2014 nicht vom Geltendmachungsschreiben der Klägerseite umfasst seien, seien diese nach der sechs-monatigen Ausschlussfrist aus der statischen Verweisung auf den Manteltarifvertrag für den Einzelhandel X verfallen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 14. Januar 2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen angeführt, ein unmittelbarer Anspruch aus den maßgeblichen Gehaltstarifverträgen bestehe mangels Tarifbindung der Beklagten und Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrags nicht. Auch aus dem Überleitungstarifvertrag zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und der seiner Zeit zuständigen Gewerkschaft HBV vom 13. Dezember 1993 lasse sich der Anspruch nicht herleiten, es werde auf das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. Oktober 2015 – 4 Sa 478/14 – Bezug genommen. Auch auf Ziff. 4 des Arbeitsvertrags könne sich die Klägerin nicht berufen, da eine sog. Gleichstellungsabrede vorliege und die dynamische Anwendung der tariflichen Entgeltbestimmungen aufgrund des Wegfalls der arbeitgeberseitigen Tarifgebundenheit infolge des Betriebsübergangs auf die Beklagte geendet habe. Auch eine betriebliche Übung liege nicht vor und aus dem Schreiben vom 16. Juni 2011 ergäben sich keine Anhaltspunkte für einen Willen der Beklagten auf dauerhafte Übernahme der Tariflohnerhöhungen durch die Beklagte; auch insofern werde der Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz gefolgt. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 158 f. d. A. verwiesen.

Die Klägerin hat gegen das am 10. Februar 2016 zugestellte Urteil mit am gleichen Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 09. März 2016 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 08. April 2016, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am Montag, den 11. April 2016, begründet.

Sie trägt zweitinstanzlich nach Maßgabe ihrer Berufungsbegründungsschrift vom 08. April 2016, hinsichtlich deren weiteren Inhaltes auf Bl. 186 ff. d. A. ergänzend Bezug genommen wird, im Wesentlichen vor,

dem erstinstanzlichen Gericht sei zuzustimmen, dass eine direkte Anwendbarkeit des Tarifvertrages ausscheide, da keine beiderseitige Tarifbindung vorliege, es habe aber übersehen, dass ihr Arbeitsvertrag nach der Schuldrechtsreform abgeschlossen sei und die arbeitsvertraglichen Regelungen als dynamische Verweisung ihm daher einen direkt aus dem Arbeitsvertrag ableitbaren Anspruch auf tarifliche Vergütung und Teilnahme an der Tarifentwicklung gewähren. Darüber hinaus sei anzumerken, dass das Schreiben der Beklagten vom 16. Juni 2011 entgegen den Ausführungen des Gerichts aus im Einzelnen genannten Gründen nur dahingehend ausgelegt werden könne, dass er künftig dauerhaft an der Tarifentwicklung teilnehmen solle. Hilfsweise könne sie sich auf eine betriebliche Übung stützen. Zwar habe das Gericht zutreffend rechtlich ausgeführt, dass dem Verhalten des Arbeitgebers, der nicht Mitglied des Arbeitgeberverbandes ist, ohne weitere Anhaltspunkte kein Erklärungswert dahingehend entnommen werden könne, dass er unabhängig von einer eigenen Tarifbindung den Tarifvertrag für die Zukunft immer anwenden wolle, es habe aber zu Unrecht solche Anhaltspunkte verneint, nachdem die Beklagte im Rahmen der gesamten Historie im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang Tarifbindung suggeriert habe. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer hat die Klägerseite ausdrücklich klargestellt, dass sie Ansprüche auf die zwischen der Gewerkschaft ver.di und dem Landesverband Einzelhandel X eV, zuletzt firmierend unter Handelsverband M. eV, vereinbarte Tariflohnerhöhung geltend mache und dass es sich beim zugrundeliegenden Tarifvertrag um einen Folgetarifvertrag zu den in der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel in Bezug genommenen Tarifverträgen handele.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 14. Januar 2016 – 2 Ca 1090/15 –

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 457,50 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 28. Februar 2014 zu zahlen.

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 963,68 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Klagezustellung zu zahlen

Die Beklagte beantragt,

1. die Berufung wird als unzulässig verworfen.

2. hilfsweise, die Berufung wird zurückgewiesen.

Sie verteidigt das von der Klägerin angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 17. Mai 2016 und ihres Schriftsatzes vom 26. Februar 2018, hinsichtlich deren Inhaltes auf Bl. 200 ff. und Bl. 267 ff. d. A. Bezug genommen wird, unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrages zweitinstanzlich im Wesentlichen wie folgt,

die Berufung sei bereits unzulässig, da sich die Berufungsbegründung nicht auf die Urteilsbegründung im angegriffenen Urteil, sondern auf die Entscheidungsgründe eines anderen Urteils (ggf. eines Parallelverfahrens) beziehe. Die Berufungsbegründung schreibe der Urteilsbegründung – im Einzelnen dargestellte – Aussagen zu, die in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils nicht enthalten seien. Mit der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. Oktober 2015 – 4 Sa 478/14 -, auf die sich das angegriffene Urteil vollständig bezogen und daher die Entscheidungsgründe auf weniger als einer Seite abgehandelt habe, habe sich die Klägerin überhaupt nicht befasst. Die Berufung sei jedenfalls unbegründet. Es fehle an einer normativen Tarifanwendung, an einer Allgemeinverbindlichkeit der Einzelhandelstarifverträge für den geltend gemachten Zeitraum und auch aus dem Überleitungstarifvertrag zwischen der Gewerkschaft HBV und der Rechtsvorgängerin der Beklagten lasse sich der Anspruch nicht herleiten. Auch aus dem Arbeitsvertrag ergebe sich der Anspruch nicht, da die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach es sich bei Bezugnahmeklauseln nach dem 31. Januar 2001 um echte dynamische Bezugnahmeklauseln handele, gegen die Rechtsprechung des EuGH verstoße. Aus den Schreiben vom 16. Juni und 12. September 2011 folge keine andere Wertung. Eine betriebliche Übung dahingehend, tarifliche Gehaltserhöhungen stets voll zu übernehmen, sei ebenfalls nicht entstanden. Hilfsweise berufe sie sich auf die tarifliche Ausschlussfrist von sechs Monaten im Manteltarifvertrag für den Einzelhandel X. Danach seien die Ansprüche März 2014 bis Februar 2015 verfallen, da diese erstmals mit Klageerhebung am 04. September 2015 geltend gemacht worden seien. Schließlich habe die darlegungs- und beweispflichtige Klagepartei entgegen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts weder ausreichend dargelegt, welcher Tarifvertrag bei Arbeitsvertragsschluss bzw. Entstehung der Bezugnahmeklausel von den Arbeitsvertragsparteien in Bezug genommen worden sei, noch welcher Tarifvertrag konkret als Rechtsgrundlage dienen solle oder warum dies der Nachfolgetarifvertrag des damals in Bezug genommenen Tarifwerks sein solle. Dies gelte umso mehr, als auch in X mehrere Akteure auf Verbands- und Gewerkschaftsseite Tarifverträge im Bereich Einzelhandel abgeschlossen hätten.

Das Berufungsgericht hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 31. Mai 2016 im Einvernehmen mit den Parteien bis zur Entscheidung des EuGH in Sachen C-680/15 ua. ausgesetzt.

Im Übrigen wird wegen des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A

Die zulässige Berufung ist auch in der Sache erfolgreich.

I. Die Berufung ist zulässig.

a) Sie ist statthaft, wurde nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 10. Februar 2016 mit am 09. März 2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 519 Abs. 1 und 2 ZPO) und mit Schriftsatz vom 08. April 2016, bei Gericht eingegangen am Montag, den 11. April 2016, rechtzeitig begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 222 Abs. 2 ZPO).

b) Die Berufung entspricht hinsichtlich ihrer Begründung den Anforderungen des § 64 Abs. 6 ArbGG S. 1 iVm. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO.

aa) Eine Berufungsbegründung muss gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergeben. Die Berufungsbegründung muss auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will; eine schlüssige, rechtlich haltbare Begründung kann zwar nicht verlangt werden; für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es aber nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG 26. April 2017 – 10 AZR 275/16 – Rn. 17, mwN, zitiert nach juris). Textbausteine und Schriftsätze aus anderen Verfahren genügen nicht (vgl. BGH 27. Mai 2008 – XI ZB 41/06 – Rn. 12 ff, zitiert nach juris). Enthält die Berufungsbegründung immerhin zu einem Streitpunkt eine § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO genügende Begründung, ist die Berufung insgesamt zulässig, wenn die bezeichneten Umstände geeignet sind, der angegriffenen Entscheidung insgesamt die Grundlage zu entziehen (vgl. BGH 06. Dezember 2011 – II ZB 21/10 – Rn. 7, zitiert nach juris).

bb) Gemessen hieran ist die Berufung nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO ordnungsgemäß begründet. Die Klägerin hat in der Berufungsbegründung mit ausreichender Deutlichkeit gerügt, das Arbeitsgericht habe übersehen, dass ihr Arbeitsvertrag nach der Schuldrechtsreform abgeschlossen sei und ihr daher aufgrund der dynamischen Verweisung im Arbeitsvertrag der geltend gemachte Anspruch aus Tarifvertrag zustehe. Damit hat die Klägerin, die in der Berufungsbegründungsschrift auf ihren gesamten erstinstanzlichen Vortrag und damit auch auf ihre Ausführungen zum fehlenden Verstoß gegen Europarecht Bezug genommen hat, jedenfalls zu einem Streitpunkt Umstände bezeichnet, die geeignet sind, der erstinstanzlichen Entscheidung die Grundlage zu entziehen. Dass sie nicht ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. Oktober 2015 – 4 Sa 478/14 – (zitiert nach juris), an der sich das Arbeitsgericht orientiert hat, demgegenüber ein sog. „Altfall“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zugrunde gelegen hat, ist hierbei unerheblich, zumal die erstinstanzliche Entscheidung an dieser Stelle auch eigene Ausführungen enthält, die die Klägerin ausdrücklich angegriffen hat. Inwieweit die Auseinandersetzung der Klägerin mit den weiteren möglichen Anspruchsgrundlagen allein geeignet gewesen wären, die Berufung ordnungsgemäß zu begründen, kann dahinstehen.

II. Die Berufung ist auch begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Klägerin steht für die Monate August 2013 bis Juni 2015 die geltend gemachte Differenzvergütung in aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu. Die erstinstanzliche Entscheidung unterlag der Abänderung.

1. Die Klägerin kann von der Beklagten gemäß § 611 Abs. 1 BGB iVm. Ziff. 3, 5 AV die Nachzahlung von Arbeitsvergütung verlangen in Höhe der zuletzt rechnerisch unstreitigen Differenzbeträge von insgesamt 457,50 Euro brutto (August 2013 bis Februar 2014) und 663,68 Euro brutto (März 2014 bis Juni 2015) zwischen der tariflichen Vergütung nach Lohngruppe L 3 des im streitigen Zeitraum gültigen Lohntarifvertrages im Einzelhandel X vom 17. Dezember 2013, geschlossen vom Landesverband Einzelhandel X eV. und der Gewerkschaft ver.di (im Folgenden: LohnTV) und des der Klägerin von der Beklagten tatsächlich ausgezahlten Lohns.

1.1. Die Parteien des im Januar 2002 geschlossenen Arbeitsvertrags haben in den Ziff. 3 und 5 AV eine zeit- und inhaltsdynamische Bezugnahme von tariflichen Entgeltbestimmungen vereinbart.

aa) Bei dem zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrag handelt es sich um einen Formularvertrag, dessen Ziff. 3 und 5 als Allgemeine Geschäftsbedingungen nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen sind, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 13. Februar 2013 – 5 AZR 2/12 – Rn. 14 f. mwN; 19. Mai 2010 – 4 AZR 796/08 – Rn. 15, zitiert nach juris).

bb) Bereits nach Ziff. 3 AV sollen ausdrücklich die jeweils geltenden Tarifverträge des Einzelhandels in der jeweils gültigen Fassung Anwendung finden. Darüber hinaus ist in Ziff. 5 AV ein Tarifentgelt vereinbart und bestimmt, dass ein darüber hinausgehender und nicht ausdrücklich als nicht anrechenbar bezeichneter Betrag eine freiwillige Leistung sei und auf künftige Tariflohnerhöhungen angerechnet werden könne. Ungeachtet der zeit- und inhaltsdynamischen Regelung in Ziff. 3 AV darf der durchschnittliche Arbeitnehmer jedenfalls bei einer Verknüpfung von einem festen Entgeltbetrag und dessen Bezeichnung als Tarifgehalt wie vorliegend idR redlicherweise davon ausgehen, der in der Klausel festgehaltene Betrag werde nicht für die Dauer des Arbeitsverhältnisses statisch sein, sondern solle sich entsprechend den tariflichen Entwicklungen des maßgebenden Tarifvertrags verändern; ein redlicher Arbeitgeber würde – wenn er die von ihm gestellte Klausel nicht so verstanden wissen wollte – die Bezeichnung als Tarifentgelt unterlassen, um klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen (vgl. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB), dass er nicht „nach Tarif“ zahlen will, sondern sich das vereinbarte Entgelt ausschließlich nach den konkret bezifferten Parteivereinbarungen richten soll (vgl. BAG 25. Januar 2017 – 4 AZR 521/15 – Rn. 36, mwN, zitiert nach juris).

1.2. Die dynamische Bezugnahmeklausel in Ziff. 3, 5 AV umfasst nach dem in ihr zum Ausdruck kommenden Willen der Arbeitsvertragsparteien die jeweils zwischen der Gewerkschaft ver.di und dem Landesverband Einzelhandel X eV. (aktuell firmierend unter Handelsverband M. eV.) abgeschlossenen Lohntarifverträge. Zwischen den Parteien war erstinstanzlich zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens in Streit, dass die klägerische Partei – in Entsprechung der Bezugnahmeklausel – von der Rechtsvorgängerin der Beklagten seit Beginn des Arbeitsverhältnisses und zunächst auch von der Beklagten nach Lohngruppe L 3 des jeweils gültigen Lohntarifvertrages im Einzelhandel X, abgeschlossen zwischen der Gewerkschaft ver.di und dem Landesverband Einzelhandel X eV. vergütet worden ist. Erst die Weitergabe der am 17. Dezember 2013 von den genannten Tarifvertragsparteien vereinbarten Tariflohnerhöhung von 3 % rückwirkend zum 01. August 2013 und von 2,1 % ab 01. Mai 2014 hat die Beklagte verweigert. Auch die Beklagte hat in ihrer erstinstanzlichen Klageerwiderung auf die im Dezember 2013 von den genannten Tarifvertragsparteien vereinbarte Tariflohnerhöhung Bezug genommen. Damit steht für die Berufungskammer fest, dass die arbeitsvertragliche Anbindung durch die Bezugnahmeklausel an die von den bezeichneten Tarifvertragsparteien abgeschlossenen Lohntarifverträge im Einzelhandel X erfolgt ist und als Folgetarifvertrag im Sinne der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel auch der letztgenannte Tarifvertrag zu verstehen ist. Der Verweis der Berufung im Schriftsatz vom 28. Februar 2018 auf die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 25. Januar 2017 – 4 AZR 521/15 – ua. ändert hieran nichts. Auch die Berufungskammer geht davon aus, dass es grundsätzlich nicht die Aufgabe des Gerichts ist, von sich aus zu ermitteln, welche Gewerkschaften und welche Arbeitgeberverbände das Entgelt von Arbeitnehmern regelnde Tarifverträge abgeschlossen haben und welcher der in Betracht kommenden Tarifverträge nach seinem persönlichen Geltungsbereich der für die Klagepartei einschlägige ist, dh. welchen die Klagepartei richtigerweise gemeint haben könnte (vgl. BAG 25. Januar 2017 – 4 AZR 521/25 – Rn. 16, aaO). Insbesondere ergibt sich eine solche Pflicht des Gerichts bei einer einzelvertraglichen Inbezugnahme – anders als bei normativer Wirkung eines Tarifvertrags nach § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 4 TVG – nicht aus § 293 ZPO (vgl. BAG 25. Januar 2017 – 4 AZR 521/25 – Rn. 17, aaO). Zu derartigen „Ermittlungen“ bestand vorliegend jedoch bereits deshalb kein Anlass, weil zwischen den Parteien nicht streitig war, an welche Tarifverträge sich die Arbeitsvertragsparteien durch die Bezugnahmeklausel binden wollten und um welche Tariflohnerhöhung sie stritten, nachdem im gesamten Verfahren die von der Berufung zuletzt ins Feld geführten „anderen Akteure auf Verbands- und Gewerkschaftsseite“, die im Bereich Einzelhandel Tarifverträge in X abschließen, keinerlei Rolle gespielt haben. Ungeachtet dessen hat die Klägerseite im Termin zur mündlichen Verhandlung ausdrücklich klargestellt, dass mit der Klage die Weitergabe der für den Streitzeitraum im Einzelhandel X von der Gewerkschaft ver.di und dem Landesverband Einzelhandel X eV. vereinbarte Tariflohnerhöhung geltend gemacht wird und dass sie den zugrunde liegende Tarifvertrag der genannten Tarifvertragsparteien als Folgetarifvertrag zu den im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen Tarifverträgen betrachtet.

1.3. Die arbeitsvertraglich vereinbarte dynamische Verweisungsklausel ist durch den Betriebsübergang von ihrer Rechtsvorgängerin auf die Beklagte zum 1. Juli 2008 unverändert auf die Beklagte übergegangen.

a) Gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB gehen die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis auf den Erwerber über. Der Erwerber wird so gestellt, als hätte er die dem Arbeitsverhältnis zugrunde liegenden Willenserklärungen, also auch die, ein bestimmtes Tarifwerk in seiner jeweiligen Fassung zum Inhalt des Arbeitsvertrags zu machen, selbst gegenüber dem übernommenen Arbeitnehmer abgegeben (st. Rspr., vgl. nur BAG 30. August 2017 – 4 AZR 95/14 – Rn. 42 mwN, zitiert nach juris). Dass im Streitfall die Tatbestandsvoraussetzungen von § 613a Abs. 1 BGB vorliegen, steht außer Streit. Damit ist auch die zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und der Klagepartei vertraglich vereinbarte dynamische Verweisung auf die Gehaltstarifverträge für die Angestellten des Einzelhandels X, abgeschlossen zwischen der Gewerkschaft ver.di und dem Landesverband Einzelhandel X eV. Bestandteil des ab dem 1. Juli 2008 zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses geworden. Eine dynamische Bezugnahmeklausel geht als vertragliche Vereinbarung zwischen dem Veräußerer und dem Arbeitnehmer regelmäßig auf das nach dem Betriebsübergang bestehende Arbeitsverhältnis mit dem Erwerber nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB unter Aufrechterhaltung der Dynamik über (st. Rspr., ausf. BAG 23. September 2009 – 4 AZR 331/08 – Rn. 14 ff., zitiert nach juris).

b) Entgegen der vom Arbeitsgericht vertretenen Auffassung handelte es sich bei der Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag nicht um eine sog. Gleichstellungsabrede. Nach früherer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts waren bei Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an den in einer arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel bezeichneten Tarifvertrag – anders als bei nicht tarifgebundenen Arbeitgebern – diese Klauseln in aller Regel als sog. Gleichstellungsabreden auszulegen, auch ohne dass dies im Wortlaut der Vereinbarung irgendeinen Niederschlag hätte finden müssen. Dies beruhte auf der Vorstellung, dass mit einer solchen von einem tarifgebundenen Arbeitgeber gestellten Vertragsklausel lediglich die möglicherweise fehlende Gebundenheit des Arbeitnehmers an die im Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge ersetzt werden soll, um jedenfalls zu einer vertraglichen Anwendung des einschlägigen Tarifvertrags zu kommen und damit – bei deren genereller Verwendung – zu dessen Verbindlichkeit für die Arbeitsverhältnisse aller Beschäftigten. Danach reichte die vereinbarte Dynamik des Tarifvertrags nur so weit wie die normative Geltung im Arbeitsverhältnis eines tarifgebundenen Arbeitnehmers. Sie endete daher dann, wenn der Arbeitgeber wegen Wegfalls der eigenen Tarifgebundenheit nicht mehr normativ an künftige Tarifentwicklungen gebunden war. Gleiches galt für den Fall eines Übergangs des Arbeitsverhältnisses auf einen nicht tarifgebundenen Erwerber. Ab diesem Zeitpunkt waren die in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch anzuwenden (st. Rspr., vgl. nur BAG 30. August 2017 – 4 AZR 95/14 – Rn. 20, mwN, zitiert nach juris). Seit 2007 hält das Bundesarbeitsgericht, dem sich die Berufungskammer anschließt, an dieser Auslegungsregel nicht mehr fest, wendet sie jedoch aus Gründen des Vertrauensschutzes weiterhin auf die Verweisungsklauseln in Arbeitsverträgen an, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 1. Januar 2002 abgeschlossen worden sind (st. Rspr., vgl. nur BAG 30. August 2017 – 4 AZR 95/14 – Rn. 20, aaO). Um einen solchen „Altfall“ handelt es sich vorliegend – anders als in der vom Arbeitsgericht zitierten Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 04. Oktober 2015 – 4 Sa 478/14 – angesichts des im Januar 2002 geschlossenen Arbeitsvertrages jedoch nicht.

c) Die Bindung des Erwerbers eines Betriebs an die von dessen Veräußerer mit dem Arbeitnehmer individualrechtlich vereinbarte dynamische Bezugnahme auf einen Tarifvertrag verstößt nicht gegen unionsrechtliche Regelungen, namentlich Art. 3 RL 2001/23/EG iVm. Art. 16 GRC. Nachdem der EuGH auf die Vorlage das Bundesarbeitsgerichts vom 17. Juni 2015 (- 4 AZR 95/14) mit Urteil vom 27. April 2017 (- C-680/15 und C-681/15 – [Asklepios Kliniken Langen-Seligenstadt]) entschieden hat, dass die RL 2001/23/EG iVm. Art. 16 GRC der dynamischen Fortgeltung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel im Verhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem Betriebserwerber nicht entgegensteht, sofern das nationale Recht sowohl einvernehmliche als auch einseitige Anpassungsmöglichkeiten für den Erwerber vorsieht, hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 30. August 2017 – 4 AZR 95/14 – (zitiert nach juris) entschieden, dass die deutsche Rechtsordnung in diesem Sinne solche sowohl einvernehmlichen Änderungsmöglichkeiten als auch einseitige Anpassungsmöglichkeiten in Gestalt einer Änderungskündigung nach § 2 KSchG vorsieht (vgl. Bundesarbeitsgericht vom 30. August 2017 – 4 AZR 95/14 – Rn. 46 ff., aaO). Die Berufungskammer schließt sich der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vollumfänglich an und verweist hinsichtlich der Darstellung der Gründe im Einzelnen zur Vermeidung von Wiederholungen auf dessen Ausführungen im Urteil vom 30. August 2017 – 4 AZR 95/14 – (Rn. 46 bis 58, aaO).

1.4. Nach alledem kann die Klägerin, die unstreitig die tariflichen Voraussetzungen für eine Eingruppierung in Lohngruppe L 3 LohnTV erfüllt, von der Beklagten Differenzvergütung zwischen der von ihr tatsächlich bezogenen Vergütung und der ihr zustehenden tariflichen Vergütung in zuletzt unstreitiger Höhe für die Monate August 2013 bis Februar 2014 in Höhe von insgesamt 457,50 Euro brutto und 963,68 Euro brutto für die Monate März 2014 bis Juni 2015 verlangen. Entgegen der von der Beklagten noch in der Berufung vertretenen Auffassung sind die Ansprüche für die zuletzt genannten Monate auch nicht verfallen. Nach § 16 Ziff. 1 Buchst. c des Manteltarifvertrags für den Einzelhandel in X sind die betreffenden Ansprüche innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Die Klägerin hat diese zum damaligen Zeitpunkt noch nicht entstandenen und fälligen Ansprüche mit ihrem Geltendmachungsschreiben vom 21. Februar 2014 rechtzeitig schriftlich geltend gemacht und damit die – infolge der dynamischen Bezugnahmeklausel in Ziff. 3 AV anwendbare – tarifliche Ausschlussfrist gewahrt.

a) Zur Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen gehört, die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufzufordern. Der Anspruchsinhaber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht. Die Geltendmachung setzt voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und die Höhe des Anspruchs sowie der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Deutlichkeit ersichtlich gemacht wird; die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, müssen erkennbar sein. Eine Bezifferung der Forderung ist nicht erforderlich, wenn dem Schuldner die Höhe bekannt oder für ihn ohne weiteres errechenbar ist und die schriftliche Geltendmachung erkennbar hiervon ausgeht. Dies ist besonders bei Lohnklagen regelmäßig der Fall; hier ist der Arbeitgeber aufgrund seiner besonderen Sachkenntnis zur genauen Bezifferung regelmäßig eher in der Lage als der Arbeitnehmer (BAG 16. Januar 2013 – 10 AZR 863/11 – Rn. 24, mwN, zitiert nach juris).

b) Danach hat die Klagepartei mit ihrem Geltendmachungsschreiben vom 21. Februar 2014 die sechsmonatige Ausschlussfrist auch für die künftigen Ansprüche von März 2014 bis Juni 2015 gewahrt.

aa) Bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des Schreibens vom 21. Februar 2014 ergibt sich, dass die Klägerseite mit der „Geltendmachung des aktuellen Tarifvertrags Einzelhandel X“ nicht nur die „Tariferhöhung rückwirkend zum 01. August 2013 von 3 %“, sondern auch „die zu erwartende Erhöhung von 2,1 % ab 01. Mai 2014“ geltend gemacht hat. Zur Begründung des Anspruchs auf die genannten Tariferhöhungen wird darauf verwiesen, dass der Arbeitsvertrag eine dynamische Verweisungsklausel enthält. Damit geht aus dem Schreiben eindeutig hervor, dass nicht nur die bereits fälligen, sondern auch die künftigen Ansprüche geltend gemacht werden sollten, die sich aus den angeführten Tariferhöhungen zum 01. August 2013 und 01. Mai 2014 ergeben. Die Geltendmachung ist mithin ersichtlich nicht auf eine bestimmte zukünftige Zeitspanne beschränkt, sondern schließt die Abrechnung künftiger Ansprüche auf dieser Grundlage erkennbar ein. Eine Bezifferung war entbehrlich, da die Höhe der Ansprüche auch über Februar 2014 hinaus für die Beklagte ohne weiteres errechenbar war (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 28. Juni 2016 – 8 Sa 528/15 – Rn. 81, LAG Rheinland-Pfalz – 2 Sa 253/17 – Rn. 57, jeweils zitiert nach juris). Dass der genannte „Gesamtbetrag der Geltendmachung“ sich nur auf die bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen und fälligen Ansprüche bezieht und der Geltendmachung darüber hinaus gehender Ansprüche nicht entgegensteht, erklärt sich angesichts der der Beklagten bekannten Differenzbeträge ohne weiteres von selbst.

bb) Aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls war es der Klagepartei möglich, die Ansprüche für die Monate März 2014 bis Juni 2015 schon vor ihrer Entstehung und Fälligkeit durch das Schreiben vom 21. Februar 2014 gegenüber der Beklagten geltend zu machen.

(1) Die Geltendmachung eines Anspruchs setzt regelmäßig dessen Bestehen voraus. Anderenfalls liegt kein Anspruch vor, der geltend gemacht werden könnte. Eine Geltendmachung vor Entstehung des Anspruchs widerspricht grundsätzlich auch dem Sinn und Zweck von Ausschlussfristen. Der Anspruchsgegner soll vor der Verfolgung von Ansprüchen bewahrt werden, mit deren Geltendmachung er nicht rechnet und auch nicht zu rechnen braucht. Er soll sich auf offene Forderungen einstellen, Beweise sichern und vorsorglich Rücklagen bilden können. Sind die rechtserzeugenden Tatsachen noch nicht eingetreten, können diese Ziele regelmäßig nicht erreicht werden. Es bleibt ungewiss, ob und in welchem Umfang Ansprüche entstehen. Auch wird die rasche Klärung von Ansprüchen nicht erreicht. In Ausnahmefällen können Sinn und Zweck der Ausschlussfrist aber die Möglichkeit der Geltendmachung eines Anspruchs auch schon vor dessen Entstehen gebieten. Wenn ein bestimmter Anspruch jeweils aus einem ständig gleichen Grundtatbestand entsteht, kann der Zweck der tariflichen Ausschlussfrist, dem Schuldner zeitnah Gewissheit verschaffen, mit welchen Ansprüchen er zu rechnen hat, auch durch eine einmalige Geltendmachung erreicht werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn allein ein bestimmtes Element einer bestimmten Art von Ansprüchen im Streit steht; in einem solchen Fall besteht für den Schuldner kein Zweifel darüber, was von ihm verlangt wird und der Gläubiger darf ohne weiteres davon ausgehen, dass er seine Obliegenheit zur Geltendmachung Genüge getan hat (vgl. BAG 03. Juli 2013 – 4 AZR 476/12 – Rn. 44 f. mwN. zitiert nach juris; LAG Rheinland-Pfalz – 2 Sa 253/17 – Rn. 59, aaO; LAG Rheinland-Pfalz 28. Juni 2016 – 8 Sa 528/15 – Rn. 85, aaO).

(2) Vorliegend ist ein Ausnahmefall im dargestellten Sinne gegeben. Die Parteien streiten allein darüber, ob die in Ziff. 2 und 5 AV enthaltene Bezugnahmeklausel zu einer dynamischen Anwendung der bezeichneten Tarifverträge mit der Folge führt, dass die Klagepartei die im Geltendmachungsschreiben vom 21. Februar 2014 bezeichneten Tariferhöhungen zum 01. August 2013 von 3 % sowie von weiteren 2,1 % ab 01. Mai 2014 beanspruchen kann. Im Übrigen waren und sind die für die Berechnung der Klageforderung maßgeblichen Faktoren zwischen den Parteien unstreitig. Zur Erreichung des mit der Ausschlussfrist verfolgten Zwecks war deshalb die einmalige Geltendmachung der – auch künftigen – Ansprüche ausreichend. Das Schreiben vom 21. Februar 2014 wahrt daher auch die Ausschlussfrist für die künftigen Ansprüche des Klägers auf die geltend gemachten Tariferhöhungen. Für die Beklagte bestand ersichtlich keinerlei Zweifel darüber, was von ihr verlangt wurde. Sie musste ohne ständig wiederholte Geltendmachung damit rechnen, auf Gewährung dieser Leistung verklagt zu werden. Sie konnte sich auf die Forderung einstellen und vorsorglich Rücklagen bilden; eine wiederholte Geltendmachung hätte der Beklagten keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn gebracht und wäre lediglich eine überflüssige Förmelei gewesen. Die Beklagte konnte auch nicht davon ausgehen, die Klägerin habe zwischenzeitlich von ihrer Forderung Abstand genommen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz – 2 Sa 253/17 – Rn. 60, aaO; LAG Rheinland-Pfalz 22. Januar 2014 – 4 Sa 325/13 – Rn. 57 f., zitiert nach juris; LAG Rheinland-Pfalz 25. April 2016 – 3 Sa 529/15 – Rn. 80, zitiert nach juris; LAG Rheinland-Pfalz 28. Juni 2016 – 8 Sa 528/15 – Rn. 85, aaO).

2. Der Ausspruch zu den Zinsen ergibt sich aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 291 BGB.

B

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 Abs. 1 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision sind mangels Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen nach § 72 Abs. 2 ArbGG nicht gegeben.

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