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Ehrenkränkende Äußerungen – Unterlassung von Äußerungen

LAG Berlin-Brandenburg – Az.: 15 SaGa 2250/10 – Urteil vom 21.09.2011

I. Die Berufung der Verfügungskläger gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 06.10.2010 – 18 Ga 14087/10 – wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits der I. Instanz hat die Verfügungsklägerin zu 1) allein zu tragen. Die Berufungskosten trägt die Verfügungsklägerin zu 1), wobei 4/10 dieser Kosten gesamtschuldnerisch mit den Verfügungsklägern zu 2) und 3) zu tragen sind.

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gem. § 313 a I 1 i. V. m. § 69 IV ArbGG abgesehen, da gegen das hiesige Urteil unstreitig ein Rechtsmittel nicht gegeben ist.

Gründe

I.

Die Berufung der Verfügungsklägerin zu 1) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist daher zulässig.

II.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Berlin hinsichtlich der Anträge zu 1. – 3. den Erlass einer einstweiligen Verfügung abgelehnt.

Mit diesen Anträgen begehrt die Verfügungsklägerin zu 1) von ihrer ehemaligen Arbeitnehmerin, der Verfügungsbeklagten, dass diese bestimmte Äußerungen künftig zu unterlassen hat. Diese Äußerungen hatte die Verfügungsbeklagte ursprünglich zumindest in ähnlicher Form in dem Telefax vom 3. September 2010 (Bl. 18f d. A.) und im weiteren Telefax vom 8. Mai 2010 (Bl. 20ff d. A.) erhoben. Diese Schreiben waren adressiert an die Verfügungsklägerin zu 1) bzw. deren Prozessbevollmächtigten. Nach Seite 2 des Tatbestandes des angefochtenen Urteils erfolgte das Schreiben vom 8. Mai 2010 im Zusammenhang mit mehreren Rechtsstreitigkeiten, die zwischen beiden Parteien geführt wurden. Gleiches muss für das Schreiben vom 3. September 2010 gelten, denn dort wird schon in der Betreffzeile angeführt „Nichtbeantwortung meines Schreibens vom 08.05.2010“. Auch in der letzten Zeile dieses Schreibens verlang die Klägerin die Beantwortung ihres Schreibens vom 8. Mai 2010 bis spätestens 14. September 2010.

Die Klägerin kann nicht nach §§ 1004, 823 Abs. 1, 2, 824 BGB i. V. m. § 175 ff. StGB Unterlassung dieser Äußerungen von der Verfügungsbeklagten verlangen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH können ehrenkränkende Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder -verteidigung in einem Gerichtsverfahren oder dessen konkreter Vorbereitung dienen, in aller Regel nicht mit Ehrenschutzklagen abgewehrt werden. Dies wird damit begründet, dass das so genannte Ausgangsverfahren nicht durch eine Beschneidung der Äußerungsfreiheit der daran Beteiligten beeinträchtigt werden soll (BGH 16.11.2004 – VI ZR 298/03 – NJW 2005, 279). Da die Verfügungsbeklagte die hier beanstandeten Äußerungen ebenfalls im Zusammenhang mit den zwischen den Parteien geführten Rechtsstreitigkeiten getätigt hatte, kann die Verfügungsklägerin zu 1) die Unterlassung dieser Äußerungen nicht verlangen. Insofern kann auch offen bleiben, ob entsprechend der Rechtsansicht des Arbeitsgerichts Berlin auch deswegen eine Untersagung der Äußerungen zu verneinen ist, weil die Verfügungsbeklagte sich mit ihren Telefax-Schreiben nicht an Dritte gewandt hatte. Ebenfalls kann offen bleiben, ob die Äußerungen der Verfügungsbeklagten im Hinblick auf die in Art. 5 GG verbürgte Meinungsfreiheit in Abwägung mit den Interessen der Verfügungsklägerin als zulässig angesehen werden könnten.

III.

Soweit die Verfügungsklägerin zu 1) zusammen mit den Verfügungsklägern zu 2) und 3) erstmals im Schriftsatz vom 12. September 2011 mit den Anträgen zu 4. und 5. die Untersagung weiterer Äußerungen der Verfügungsbeklagten begehrt, ist dies unzulässig.

Im Gegensatz zur Auffassung der Verfügungskläger liegt nicht ein Fall des § 264 Nr. 2 ZPO vor. Danach ist keine Klageänderung gegeben, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird. Dies wird von der Rechtsprechung bei Erweiterungen oder Beschränkungen des Klageantrages angenommen, die den bisherigen Streitgegenstand bei unverändertem Sachverhalt lediglich quantitativ oder qualitativ modifizieren und nicht durch einen anderen ersetzen (BAG 19.08.2010 – 8 AZR 315/09 – NZA 2010 Rn 25). Dies ist vorliegend nicht der Fall, da ein neuer Streitgegenstand eingeführt wird. Die von den Verfügungsklägern beanstandeten Äußerungen waren im Schreiben der Verfügungsbeklagten an Dritte unter dem Datum vom 20. August 2011 (ASt 25 = Bl. 340ff d. A.) und vom 26. August 2011 (Ast 27 = Bl. 344f. d. A.) enthalten. Schon allein deswegen liegt ein unterschiedlicher Streitgegenstand vor im Verhältnis zu den Anträgen zu 1. – 3.

Wegen der Einführung eines neuen Klagegrundes liegt eine nachträgliche objektive Klagehäufung vor, die nach § 533 ZPO zu beurteilen ist (BAG a. a. O. Rn. 25 ff.).

In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wird teilweise generell die erforderliche Sachdienlichkeit der Klagehäufung verneint (OLG Köln 06.01.2009 – 15 U 174/08 – NJW-RR 2009, 697 Rn. 9).

Doch selbst wenn man dem nicht folgen will, ist vorliegend die erforderliche Sachdienlichkeit nach § 533 ZPO nicht gegeben.

Die Beurteilung der Sachdienlichkeit erfordert eine Berücksichtigung, Bewertung und Abwägung der beiderseitigen Interessen. Hierbei kommt es nach ständiger Rechtsprechung des BGH allein auf die objektive Beurteilung an, ob und inwieweit die Zulassung der Klageänderung den sachlichen Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits ausräumt und einem anderen drohenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt. Maßgebend ist insofern der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit. Die Sachdienlichkeit kann bei der gebotenen prozesswirtschaftlichen Betrachtungsweise im Allgemeinen nur dann verneint werden, wenn ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt werden soll, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden kann (BGH 27.09.2006 – VIII ZR 19/04 – NJW 2007, 2414 zitiert nach juris Rn. 10; BGH 30.11.1999 – VI ZR 219/98 – NJW 2000, 800). Diese Grundsätze gelten auch unverändert nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGH 27.09.2006 a. a. O. Rn. 11).

Bei Anwendung dieser Kriterien fehlt es an der erforderlichen Sachdienlichkeit. Die Anträge zu 1. – 3. waren allein schon deswegen abzuweisen, weil die getätigten Äußerungen im Zusammenhang mit den zwischen den Parteien geführten Rechtsstreitigkeiten erfolgten. Mit den Telefax-Schreiben vom 20. August 2011 und 26. August 2011, die den Äußerungen in den Anträgen zu 4. und 5. zugrunde liegen, wandte sich die Verfügungsbeklagte an außenstehende Dritte und in diesen Fällen kann der grundsätzliche Ausschluss von Ehrenschutzklagen jedoch nicht gerechtfertigt werden (BGH vom 16.11.2004 a. a. O. Rn. 19). Bei Beurteilung der Begründetheit der Unterlassungsanträge zu 4. und 5. kann daher das Ergebnis der bisherigen Prozessführung gerade nicht verwertet werden. Vielmehr wäre insofern zu prüfen, ob ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb oder ein unzulässiger Angriff auf die Geschäftsehre und die persönliche Ehre der Verfügungskläger zu 1) – 3) durch diese Äußerungen erfolgte, wobei all dies mit dem Recht der Klägerin auf freie Meinungsäußerung (Art 5 Abs. 1 GG) abzuwägen wäre. Im Rahmen der Schranken nach Art. 5 Abs. 2 GG wäre auch die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme auf die Interessen der anderen Vertragspartei gem. § 241 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen (BAG 24.06.2004 – 2 AZR 63/03 – NZA 2005, 158, 161). Ebenfalls wäre zu prüfen, ob die Meinungsäußerung eher im Rahmen einer öffentlichen oder einer privaten Auseinandersetzung gefallen ist (BAG a. a. O.).

IV.

Über den Ordnungsgeldantrag, der erstmals im Schriftsatz vom 20.9.2011 gestellt wurde, war nicht zu entscheiden. Dieser war erkennbar nur für den Fall gestellt, dass die Anträge zu 1. – 5. Erfolg gehabt hätten.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 100 ZPO.

Gegen die hiesige Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

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