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Eigenkündigung einer Geschäftsunfähigen – Unwirksamkeit der Eigenkündigung

LAG Berlin-Brandenburg, Az.: 19 Sa 953/16, Urteil vom 06.09.2016

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 06.04.2016 – 21 Ca 16522/15 – abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Klägerin vom 06.03.2015 nicht beendet wurde.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Registratur- bzw. Verwaltungsfachangestellte in Vollzeit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits weiter zu beschäftigen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten insbesondere um die Rechtswirksamkeit einer von der Klägerin erklärten ordentlichen Kündigung.

Eigenkündigung einer Geschäftsunfähigen - Unwirksamkeit der Eigenkündigung
Symbolfoto: Mazirama/Bigstock

Die am …1968 geborene Klägerin ist seit 09.06.1992 bei der Beklagten beschäftigt. Bei ihr wurde im Jahr 2013 eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert. Ende 2013 wurde sie in eine psychiatrische Anstalt untergebracht. Nach Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit arbeitete sie bei der Beklagten bis Anfang März 2015 weiter. Mit Schreiben vom 06.03.2015 (Bl. 26 f. d.A.) erklärte die Klägerin die Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses. Mit Schreiben vom 09.03.2015 (Bl. 28 d.A.) bestätigte die Beklagte die Kündigung der Klägerin mit Wirkung zum 30.09.2015. Gleichzeitig stellte die Beklagte die Klägerin bis zur Beendigung unter Fortzahlung der Vergütung und unter Anrechnung von Urlaub widerruflich von der Arbeitsverpflichtung frei.

Seit 23.05.2015 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung in der F. v. B.-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Mit Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 27.07.2015 (Bl. 42 f. d.A.) wurde die Unterbringung der Klägerin auf einer geschlossenen psychiatrischen Station eines Krankenhauses bis zum Ablauf des 06.09.2015 genehmigt. Mit weiterem Beschluss selben Datums wurde Frau Rechtsanwältin C. W. (im Folgenden: Betreuerin) endgültig zur Betreuerin der Klägerin bestellt, mit den Aufgabenkreisen: Aufenthaltsbestimmung zwecks psychiatrischer Heilbehandlung, Gesundheitssorge im psychiatrischen Bereich, Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten, Vertretung vor Behörden und Gerichten, Entgegennahme und Bearbeitung der den Aufgabenkreis betreffenden Post.

Die Betreuerin nahm Kontakt zu der Beklagten auf, die Beklagte teilte ihr mit Schreiben vom 24.08.2015 (Bl. 46 d.A.) mit, dass die Klägerin am 06.03.2015 ihr Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 30.09.2015 gekündigt habe.

Die Betreuerin bat mit Schreiben vom 01.09.2015 um Übersendung der Kündigung der Klägerin. Am 06.09.2015 wurde die Klägerin aus der psychiatrischen Station eines Krankenhauses entlassen. Mit Schreiben vom 09.09.2015 (Anlage K 12, Bl. 47 d.A.) übersandte die Betreuerin der Beklagten die ärztliche Stellungnahme der F. v. B.-Klinik für Psychiatrie und Psychiatrie vom 09.09.2015 (Bl. 48 d.A.), in der es heißt:

“Frau B. befindet sich seit dem 23.05.2015 in unserer Behandlung. Anhand des Krankheitsbildes und des bei uns bekannten Vorlaufes gehen wir fest davon aus, dass zum Zeitpunkt der Kündigung (06.03.2015) krankheitsbedingt keine Geschäftsfähigkeit vorlag. Der Zustand der Patientin hat sich nun deutlich gebessert so dass derzeit wieder eine Geschäftsfähigkeit vorliegt und Sie in absehbarer Zeit auch wieder arbeitsfähig sein wird.“

Mit Schreiben vom 11.09.2015 (Anlage B1, Bl. 85 d.A.) übersandte die Beklagten der Betreuerin wunschgemäß eine Fotokopie des Kündigungsschreibens der Klägerin vom 06.03.2015.

Die Betreuerin beauftragte die jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin. Diese wandte sich mit Schreiben vom 07.10.2015 (Anl. K 13 Bl. 49 f. d.A.) an die Beklagte und reklamierte die von ihr angenommene Nichtigkeit der Eigenkündigung der Klägerin unter Hinweis auf § 105 Abs. 2 BGB und unter nochmaligem Hinweis auf die ärztliche Stellungnahme vom 09.09.2015. Ferner formulierte sie:

„Vor diesem Hintergrund bitten wir Sie, uns gegenüber unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 15.10.2015, zu klären, dass Sie die Kündigung unserer Mandantin vom 06.03.2015 als gegenstandslos betrachten und zu bestätigen, dass das seit 1992 mit unserer Mandantin bestehende Arbeitsverhältnis weiterhin fortbesteht und Sie unsere Mandantin vertragsgemäß beschäftigen werden. (…). Sollten Sie innerhalb der oben gesetzten Frist den Bestand des Arbeitsverhältnisses mit unserer Mandantin nicht bestätigen, werden wir unserer Mandantin raten, Klage gegen Sie zu erheben (…).“

Mit Schreiben vom 15.10.2015 (Anl. K 14, Bl. 51 d.A.), welches den Eingangsstempel der Klägervertreterin vom 22.10.2015 trägt, teilte die Beklagte der Klägervertreterin mit, dass sie die verlangte Erklärung nicht abgebe.

Im weiteren Verlauf des Rechtsstreits legt die Klägerin eine ärztliche Bescheinigung der F. von B.-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie vom 01.04.2016 vor (Anl. K 29, Bl. 200 d.A.), mit der bescheinigt wird, dass sich die Klägerin regelmäßig in der ambulanten Behandlung befinde und sie aus ärztlicher Sicht aktuell keine Symptome ihrer Grunderkrankung zeige und daher arbeitsfähig sei.

Mit Schriftsatz vom 27.11.2015, bei Gericht per Telefax vorab am 30.11.2015 eingegangen, und der Beklagten am 10.12.2015 zugestellt (Bl. 54 d.A.), hat die Klägerin ua. den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht. Denn sie sei zum Zeitpunkt der Abgabe der Kündigungserklärung geschäftsunfähig gewesen. Die Klageerhebungsfrist in § 4 S. 1 KSchG sei auf die Eigenkündigung des Arbeitnehmers nicht anwendbar und das Recht zur Geltendmachung der Unwirksamkeit der Kündigung sei auch nicht verwirkt.

Die Klägerin hat beantragt,

1.

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Klägerin vom 06.03.2015 nicht beendet wurde;

2.

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern ungekündigt fortbesteht;

3.

die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Registratur- bzw. Verwaltungsfachangestellte in Vollzeit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits weiter zu beschäftigen.

Ferner hat die Klägerin im Termin vom 06.04.2016 (Bl. 222 d.A.) hilfsweise zum Antrag zu 3 den Antrag gestellt, die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu unveränderten Arbeitsbedingungen mit Tätigkeiten der Entgeltgruppe 5 TVöD in Vollzeit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hält die Klageerhebungsfrist des §§ 4 S. 1 KSchG für anwendbar und meint, dass unabhängig davon das Recht zur Geltendmachung der Unwirksamkeit der Kündigung jedenfalls verwirkt sei, da die Klägerseite nach Kenntniserlangung von der Kündigung monatelang abgewartet habe. Überdies hat sie das Vorliegen der Geschäftsunfähigkeit iSd. § 105 Abs. 2 BGB zum Zeitpunkt der Abgabe der Kündigung bestritten.

Mit Urteil vom 06.04.2016 (Bl. 224 ff. d.A.) hat das Arbeitsgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin unterstelle, dass sie zum Zeitpunkt der Abgabe der Kündigungserklärung geschäftsunfähig im Sinne des §§ 105 Abs. 2 BGB gewesen sei, habe sie das Recht, die Unwirksamkeit ihrer eigenen Kündigung gerichtlich feststellen zu lassen, verwirkt. Es bedürfe keiner Entscheidung, ob die Klageerhebungsfrist des § 4 S. 1 KSchG auf Kündigungen von Arbeitnehmern anzuwenden sei.

Für den Fristbeginn im Zusammenhang mit der Frage der Verwirkung sei auf die Kenntnis der Betreuerin von der Eigenkündigung der Klägerin infolge der Unterrichtung durch die Beklagte mit Schreiben vom 24.08.2015 abzustellen.

Die erst am 30.11.2015 bei Gericht eingegangene Klage sei der Beklagten erst am 10.12.2015 zugegangen, also 3 Monate nach der Übersendung des Kündigungsschreibens der Klägerin an deren Betreuerin, einer Rechtsanwältin. Das für die Annahme der Verwirkung erforderliche Zeitmoment sei ohne weiteres gegeben. Aber auch das Umstandsmoment sei vorliegend erfüllt. Dabei sei zu beachten, dass bereits mit der Übermittlung des Kündigungsschreibens am 11.09.2015 an die als Betreuerin fungierende Rechtsanwältin die Beklagte habe erwarten dürfen, dass eine zeitnahe Reaktion erfolgen werde, wenn diese Rechtsanwältin die Kündigung nicht mehr zu Lasten der betreuten Klägerin habe gelten lassen wollen. Weiter sei zu beachten, dass auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.09.2015 nicht unmittelbar Klage erhoben worden sei, sondern wiederum erst 2 Monate später. Die jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe auch eine Frist gesetzt bis zum 15.10.2015 zur Bestätigung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses innerhalb derer die Beklagte abschlägig geantwortet habe. Auch nach dieser Antwort, mit der die Beklagte deutlich gemacht habe, dass sie an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die klägerseitige Kündigung festhalte, seien nochmals anderthalb Monate bis zur Klageerhebung vergangen. Die Gesamtdauer der Zeit und die Summe der Umstände führe zu der zwingenden Annahme, dass die Beklagte nicht mehr mit der gerichtlichen Inanspruchnahme habe rechnen müssen. Denn die Klage sei knapp 9 Monaten nach Zugang der Kündigung, 3 Monate ab Kenntnis der Betreuerin, einer Anwältin, hiervon über zweieinhalb Monate nach Erhalt einer Kopie des Kündigungsschreibens, 2 Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und anderthalb Monate nach Ablauf der klägerseits selbst gesetzten Frist mit abschlägiger Antwort der Beklagten erhoben worden. Setze man dies ins Verhältnis zu der vom Gesetzgeber als angemessen angesehenen Frist von 3 Wochen, sei hier ein Vertrauenstatbestand unantastbar anzunehmen. Angesichts der Gesamtumstände sei somit nicht nur das Zeitmoment, sondern auch das Umstandsmoment der Verwirkung erfüllt.

Gegen dieses der Klägerin am 13.05.2016 zugestellte Urteil hat diese am 10.06.2016 Berufung eingelegt und diese am 13.07.2016 begründet.

Die Klägerin trägt weiter vor, seit ca. Anfang des Jahres 2015 habe sie ihre Medikamente zunächst unregelmäßig genommen und sodann völlig abgesetzt, was von Familienangehörigen bemerkt worden sei. Krankhafte Verhaltensweisen, geprägt von Verfolgungsängsten, seien ab Februar 2015 zu beobachten gewesen. Während dieses Schubes der paranoiden Schizophrenie habe sie, abgesehen von der Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses, mehrere Vertragsverhältnisse gekündigt. An die Beklagte habe sie sich nach ihrer Kündigung zeitnah mit weiterem Schreiben vom 12.03.2015 (Anl. K4, Bl. 305 ff. d.A.) und 08.04.2015 (Anlage K 18, Bl. 176 ff. d.A.) gewandt, auf die Bezug genommen wird. Ebenfalls im März 2015 habe sie die Einzugsermächtigung für die Mietzahlungen widerrufen, worauf hin ab April 2015 keine Miete mehr gezahlt worden sei und sogar die Beendigung des Mietverhältnisses der Klägerin gedroht habe, was schließlich jedoch durch die Betreuerin der Klägerin habe abgewendet werden können. Auch habe sie die Krankenversicherung für sich und ihre Tochter gekündigt. Die Beschlüsse des Amtsgerichts Charlottenburg vom 27.07.2015 seien auf einen Antrag des Bruders der Klägerin, Herrn J. B., vom 23.02.2015 zurück gegangen. So habe sich etwa der Bruder auch mit Schreiben vom 09.03.2010 (Anlage K 21, Bl. 210 ff. d.A.) an das Amtsgericht Charlottenburg gewandt und im Einzelnen die Krankheit bedingten Verhaltensweisen der Klägerin geschildert. Im Mai 2015 sei es ua. zu fremdgefährdenden Verhalten der Klägerin in einer Bankfiliale gekommen, wie auch in der ärztlichen Stellungnahme zum Antrag auf Zwangsbehandlung vom 27.05.2015 (Anlage K 17, Bl. 170 ff. d.A.) geschildert worden sei. Am 23.05.2015 sei die Klägerin in stationäre Behandlung in der F. von B.-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie aufgenommen worden. Hinsichtlich der Einzelheiten der Darstellung der Klägerin bzgl. ihres Krankheitsverlaufs wird auf die Darstellung aus der Berufungsschrift Bezug genommen.

Nachdem die Beklagte ihrer Betreuerin mit Schreiben vom 24.08.2015 mitgeteilt habe, dass die Klägerin selbst ihr Arbeitsverhältnis gekündigt habe, habe diese schon mit Schreiben vom 01.09.2015 unter Beifügung einer Aufenthaltsbescheinigung der psychiatrischen Klinik unter anderem darauf hingewiesen, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Verfassung des Kündigungsschreibens nicht mehr geschäftsfähig gewesen sei (Anlage K 32, Bl. 310 f. d.A.). Es sei sodann das schon erwähnte Schreiben vom 09.09.2015 nebst ärztlicher Stellungnahme selben Datums gefolgt. Die Beklagte sei in ihrem Schreiben vom 11.09.2015, mit dem sie in Kopie das Kündigungsschreiben der Klägerin an die Betreuerin übersandt habe, mit keinem Wort auf die Mitteilung der Betreuerin hinsichtlich der Geschäftsunfähigkeit der Klägerin eingegangen. Sie habe sich auch nicht darauf berufen dass die Kündigung dennoch wirksam sei. Dies sei erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Oktober 2015 erfolgt.

Erst nachdem die Klägerin die Klinik am 06.09.2015 verlassen habe, habe die Betreuerin Kontakt zu ihr aufnehmen können und die Kündigungsangelegenheit mit ihr besprechen können, was zur Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 30.09.2015 geführt habe. Nachdem die Ablehnung seitens der Beklagten mit Schreiben vom 15.10.2015 erfolgt sei, sei nach mehrfachen weiteren Gesprächen mit der Klägerin, Auswertung diverser ärztlicher Gutachten und Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin nebst Anlagen mit Schreiben vom 27.11.2015, beim Arbeitsgericht Berlin eingegangen am 30.11.2015, die Klage erhoben worden. Die Klägerin habe sich vom 23.05.2015 bis zum 31.08.2015 in stationärer und vom 31.08.2015 bis 06.11.2015 in teilstationärer Behandlung in der F. von B.-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie befunden. Ausweislich der ärztlichen Stellungnahme vom 01.04.2016 sei sie derzeit wieder arbeitsfähig.

Die Voraussetzungen für eine Verwirkung seien nicht erfüllt. Zeitablauf und Untätigkeit eines Anspruchsberechtigten reichten allein für einen Verwirkungstatbestand nicht aus. Die Betreuerin habe auf das Schreiben der Beklagten vom 24.08.2015 unverzüglich mit Schreiben vom 01.09.2015 reagiert und der Beklagten mit Schreiben vom 09.09.2015 die ärztliche Stellungnahme der Klinik übersandt, woraus sich die Geschäftsunfähigkeit der Klägerin ergebe. Darauf habe die Beklagte nicht reagiert und auch die mitgeteilte Geschäftsunfähigkeit der Klägerin nicht bestritten. Sie habe lediglich auf Bitte der Betreuerin hin eine Kopie des Kündigungsschreibens mit Schreiben vom 11.09.2015 übersandt.

Weshalb die Beklagte unter diesen Umständen darauf habe vertrauen dürfen, die Klägerin werde sich nicht auf die Unwirksamkeit der Kündigung berufen, wenn sich doch die Betreuerin ausdrücklich darauf berufen habe, sei nicht nachvollziehbar. Knapp drei Wochen nachdem die Beklagte die Kopie des Kündigungsschreibens an die Betreuerin der Klägerin übersandt habe, habe die spätere Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 07.10.2015 den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und die Unwirksamkeit der Eigenkündigung durch die Klägerin geltend gemacht. Hierin sei ausdrücklich mit der Erhebung einer Klage gedroht worden. Die nach dem 15.10.2015 bis zur Klageerhebung verstrichene Zeit sei auch nicht als außergewöhnlich lang zu bewerten, existierten doch in tarifvertraglichen Ausschlussfristen häufig längere Klagefristen. Das schlichte Untätigsein über längere Zeit begründe nicht das für die Verwirkung notwendigen Umstandsmoment. Die Klägerin als seinerzeit Geschäftsunfähige sei auch besonders schutzbedürftig gewesen. Die Beklagte habe sich selbst auch Klarheit über die Frage der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der klägerischen Kündigung verschaffen können, was sie nicht getan habe. – Die Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG gelte im Übrigen nicht für eine Eigenkündigung eines Arbeitnehmers.

Die Berufungsklägerin und Klägerin beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 06.04.2016 – 21 Ca 16522/15 – abzuändern und

1.

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Klägerin vom 06.03.2015 nicht beendet wurde;

2.

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern ungekündigt fortbesteht;

Für den Fall des Obsiegens mit den Anträgen zu 1. bzw.2.

3.

die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Registratur- bzw. Verwaltungsfachangestellte in Vollzeit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits weiter zu beschäftigen.

Die Berufungsbeklagte und Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Das Arbeitsgericht habe die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Verwirkung in zutreffender Weise bejaht. Insbesondere sei die Klägerin nach der von ihr selbst gesetzten Frist bis zum 15.10.2015 und der von der Beklagten ausdrücklich erfolgten Ablehnung der gewünschten Erklärung eineinhalb Monate untätig geblieben. Die Beklagte habe daher nicht mehr mit einer gerichtlichen Inanspruchnahme rechnen müssen. § 4 KSchG verdeutliche die Bedeutung der Rechtssicherheit über den Bestandsschutz von Arbeitsverhältnissen. Unabhängig davon erweise sich die Kündigung der Klägerin auch wegen Versäumung der Klagefrist nach § 4 S. 1 KSchG als wirksam.

Nach wie vor sei zu bestreiten, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Abgabe der Kündigungserklärung geschäftsunfähig im Sinne des § 105 Abs. 2 BGB gewesen sein. Die ärztlichen Stellungnahmen bezögen sich nicht genau auf den Zeitpunkt der Kündigungserklärung am 06.03.2015. Die gutachterliche Äußerung vom 09.09.2015 formuliere in lediglich vermutender Weise, wenn es heiße: „ (…) gehen wir fest davon aus, dass (…) “. Die angeblichen und ausdrücklich zu bestreitenden Bekundungen der Geschwister und des ehemaligen Lebensgefährten sowie der Tochter der Klägerin seien nicht nur vage und ohne konkrete zeitliche Angaben und bereits deshalb unerheblich, sie stellten vielmehr auch hinsichtlich des gesundheitlichen Zustandes jeweils gesicherter medizinischer Beurteilung letztlich nur Vermutungen dar.

Das Kündigungsschreiben selbst sei ordentlich, sorgfältig und einwandfrei verfasst, an die zuständige Stelle gerichtet, und erlaube nicht den Rückschluss auf eine Geisteskrankheit. Das gelte auch für die konkreten Hinweise der Klägerin etwa bzgl. auf zu löschende Vertreterrechte. Schließlich hätten die Amtsgerichte Charlottenburg und Cottbus im März 2015 auch noch keinen Anlass zur Bestellung eines Betreuers für die Klägerin gesehen, die Bestellung sei erst mit Beschluss vom 27.07.2015 des Amtsgerichts Charlottenburg erfolgt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 b ArbGG statthaft und frist- und formgerecht iSd. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung der Klägerin ist überwiegend begründet.

1.

Soweit die Klägerin mit dem Antrag zu 2 einen allgemeinen Feststellungsantrag verfolgt, ist die Klage bereits unzulässig. Außer der streitgegenständlichen Eigenkündigung der Klägerin vom 06.03.2015 steht hier kein weiterer möglicher Beendigungstatbestand in Rede. Der Klägerin wäre es auch zuzumuten, einen möglichen weiteren Beendigungstatbestand in den Prozess einzuführen und zum Gegenstand ihrer konkreten Anträge zu machen. Dem Antrag zu 2 fehlt es daher hier an dem notwendigen Feststellungsinteresse iSd. § 256 Abs. 1 ZPO. Im Ergebnis ist daher die Klageabweisung hinsichtlich des Antrags zu 2 zu Recht erfolgt.

2.

a) Hinsichtlich des Antrags zu 1 ist hingegen die zulässige Klage begründet, so dass insoweit das arbeitsgerichtliche Urteil entsprechend abzuändern ist.

aa) Die Klage ist nicht deshalb bereits unbegründet, weil die Klägerin später als drei Wochen als nach Ausspruch ihrer (Eigen-)Kündigung vom 06.03.2016 Feststellungsklage erhoben hat. Denn die Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG (in der ab 01.01.2004 geltenden Fassung) findet keine Anwendung auf die vom Arbeitnehmer selbst ausgesprochene Kündigung.

Der Gesetzgeber wollte die dreiwöchige Klagefrist nur in den Fällen anordnen, in denen der Arbeitnehmer die Rechtsunwirksamkeit einer Arbeitgeberkündigung geltend machen will (BAG 5. Februar 2009 – 6 AZR 151/08 – Rn. 42, zit. nach juris). Zu den „anderen Gründen“ nach § 4 S. 1 KSchG zählen daher nicht die zivilrechtlichen Nichtigkeitsgründe, die den Arbeitgeber einseitig schützen. Sie können nicht davon abhängig sein, ob der Arbeitnehmer innerhalb von 3 Wochen Klage einreicht oder die Kündigung nach § 7 KSchG wirksam werden lässt. Die Frist bezweckt Rechtssicherheit für den Arbeitgeber der nach deren Ablauf darauf vertrauen darf, dass eine von ihm ausgesprochene Kündigung das Arbeitsverhältnis aufgelöst hat. Die Kündigung durch einen Dritten ist ihm nicht zurechenbar und in den Schutzzweck des § 4 S. 1 KSchG nicht einbezogen (ErfK/Kiel § 4 KSchG Rn. 6; mwN).

Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des LAG Köln vom 29.06.2006 (- 5 Sa 377/06 – zit. nach juris) hinweist, ist die Frage der fehlenden Bedeutung der Frist des § 4 S. 1 KSchG für nicht vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigungen durch das Bundesarbeitsgericht zum einen zwischenzeitlich beantwortet worden (BAG 5. Februar 2009 – 6 AZR 151/08 – Rn. 42, zit. nach juris; so auch LAG Mecklenburg-Vorpommern 17.Januar 2007 – 2 Sa 207/06 – Rn. 32, zit. nach juris). Zum anderen beruht diese Entscheidung des LAG Köln nicht in entscheidungserheblicher Weise auf der Frage der Anwendbarkeit der Dreiwochenfrist auf Arbeitgeberkündigungen, denn das LAG Köln ergänzt die von ihm für zutreffend gehaltenen Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts ua. lediglich um die Erwägung, dass nach seiner Auffassung die Klage auch gemäß § 4 KSchG verfristet sei.

bb) Die Eigenkündigung der Klägerin vom 06.03.2015 ist gem. § 105 Abs. 2 BGB nichtig, da sie von der Klägerin in einem Zustand der vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit abgegeben worden ist.

Zu der Einschätzung der fehlenden Geschäftsunfähigkeit gelangt zum einen die die Klägerin seit 23.05.2015 behandelnde Klinik, indem sie sie in ihrer ärztlichen Stellungnahme vom 09.09.2015 (Bl. 48 d.A.) bescheinigt, dass sie fest davon ausgehe, dass zum Zeitpunkt der Kündigung (06.03.2015) krankheitsbedingt keine Geschäftsfähigkeit vorgelegen habe. Die Formulierung, dass die Klinik fest von der fehlenden Geschäftsfähigkeit ausgehe, mag dem Umstand geschuldet sein, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt in der Klinik noch nicht Patienten gewesen ist. Die Formulierung führt aber – entgegen der Auffassung der Beklagten – zumindest in der Zusammenschau mit den hier vorliegenden Gesamtumständen nicht zu Zweifeln an der fehlenden Geschäftsfähigkeit der Klägerin zum Zeitpunkt der Kündigung.

So war die Klägerin ausweislich der von ihr eingereichten Anlage K15 (Epikrise des Carl-Thieme-Klinikums vom 21.10.2013) schon zuvor, im Jahr 2013, an Schizophrenie erkrankt und musste medikamentös behandelt werden.

Die Betreuung der Klägerin ist, wie die Antwort des Amtsgerichts Charlottenburg vom 02.03.2015 rückschließen lässt (Anl. K 20, Bl. 209 d.A.) seitens des Bruders der Klägerin auch schon am 23.02.2015 angeregt worden. Zugleich zeigen das Schreiben des Amtsgerichts Charlottenburg vom 02.03.2015 und das vom 11.03.2015 (Anl. K 22, Bl. 212 d.A.), dass jedenfalls das Betreuungsverfahren zum Geschäftszeichen des Amtsgerichts 53 XVII 29/15 deshalb zunächst stockte, weil zunächst der Aufenthalt der Klägerin nicht zu ermitteln war.

Das Kündigungsschreiben vom 06.03.2015 wirkt zwar äußerlich noch geordnet und im Sprachduktus höflich und „normal“. Es ist aber inhaltlich schon auffällig insoweit, als die die Klägerin darauf hinweist, dass jegliche Vertretungsrechte (und ähnliches) ihre Gültigkeit verlieren würden und dies nuancenreich in vielerlei Aspekten ausführt, was den wesentlichen Teil des Schreibens ausmacht. Noch auffälliger ist das nur wenige Tage später an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 11.03.2015 (Anl. K 30, Bl. 305 ff. d.A.), mit dem die Klägerin versucht, sämtliche Kontakte bei der Beklagten zu „verwischen“ und noch deutlicher das auch nur wenig später klägerseits erstellte Schreiben vom 08.04.2015 (Anl. K 18, Bl. 176 ff. d.A.).

Schon aus diesen vorgenannten Umständen ergibt sich für die Kammer aus der Gesamtschau, dass keine Ansatzpunkte vorliegen, die Anlass dazu geben, vernünftigerweise an der ärztlichen Einschätzung vom 09.09.2015 zu zweifeln, so dass die Kammer davon auszugehen hatte, dass die Klägerin bei Abgabe ihrer Kündigungserklärung nicht geschäftsfähig war.

Keiner Vertiefung bedarf es daher, dass die Klägerin weitere Einzelheiten vorträgt, die geeignet wären, die Annahme der fehlenden Geschäftsfähigkeit der Klägerin bei Kündigungsausspruch noch zu vertiefen, die allerdings von der Beklagten bestritten werden, wobei offenbleiben kann, inwieweit das Bestreiten in den Einzelaspekten in zulässiger Weise erfolgt.

cc) Die Klägerin ist auch nicht unter Gesichtspunkt der Verwirkung daran gehindert, die Unwirksamkeit ihrer Eigenkündigung gerichtlich geltend zu machen.

Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Mit ihr wird ausgeschlossen, Rechte illoyal verspätet geltend zu machen Ein Recht darf nicht mehr ausgeübt werden, wenn seit der Möglichkeit, es in Anspruch zu nehmen, längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Inanspruchnahme als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde; der Berechtigte muss unter Umständen untätig geblieben sein, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen zu werden pflegt. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde.

Die Verwirkung beschränkt sich nicht auf materiell-rechtliche Rechtspositionen des Berechtigten. Auch die Möglichkeit zur gerichtlichen Klärung einer Rechtsposition ist eine eigenständige Befugnis, die verwirken kann. Geht es um eine Verwirkung des Klagerechts, muss aus rechtsstaatlichen Gründen (Art. 19 Abs. 4 GG) darauf geachtet werden, dass durch die Annahme einer Verwirkung der Weg zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert wird (BAG 25. November 2010 – 2 AZR 323/09 – Rn. 20 ff., zit. nach juris, mwN).

Das die Verwirkung der gerichtlichen Geltendmachung der Kündigung konstituierende sog. Zeitmoment hinsichtlich der Kündigung vom 06.03.2015, die der Betreuerin der Klägerin seitens der Beklagte mit Schreiben vom 24.08.2015 mitgeteilt und mit weiterem Schreiben vom 11.09.2015 in Kopie übersandt worden ist, liegt hier unzweifelhaft vor. Denn es dauerte nach dieser maßgeblichen Kenntnis der Betreuerin noch etwa drei Monate, ehe klägerseits Klage mit der erstrebten Feststellung erhoben worden ist, dass ist die Eigenkündigung der Klägerin unwirksam sei.

Allerdings ist hier nach Auffassung der Kammer das sog. Umstandsmoment, das ebenfalls für die Verwirkung der gerichtlichen Geltendmachung der Unwirksamkeit der Eigenkündigung vorliegen muss, nicht gegeben.

Denn es ist nicht so, dass die Betreuerin der Klägerin nach ihrer Bestellung mit Beschluss vom 27.07.2015 gänzlich untätig gewesen wäre. So schrieb die Betreuerin schon mit Schreiben vom 01.09.2015 (Anl. K 32, Bl. 310 d.A.) unter Übersendung einer Aufenthaltsbescheinigung, dass sich die Klägerin in der psychiatrischen Klinik befinde und dass sie bereits zum Zeitpunkt der Verfassung des Kündigungsschreibens nicht mehr geschäftsfähig gewesen sei. Aufgrund dieses Schreibens konnte die Beklagte Anfang September 2015 nicht davon ausgehen, dass in Bezug auf die Frage der Wirksamkeit/Unwirksamkeit der Kündigung der Klägerin „nichts mehr kommen werde“. Dieser Eindruck musste sich für die Beklagte aufrecht erhalten und ggf. verstärken dadurch dass die Betreuerin mit Schreiben vom 09.09.2015 (Bl. 47 f. d.A.) die ärztliche Stellungnahme vom 09.09.2015 übersandt hat.

Abgesehen von der bloßen Übersendung der Kündigung durch die Beklagte mit Anschreiben vom 11.09.2015 (Anl. B1, Bl. 85 d.A.) durch die Beklagte, ist sodann bis zu dem Schreiben der jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 07.10.2015 längere Zeit nichts gesehen. Dieser Phase zischen dem klägerischen Schreiben vom 09.09.2015 bis zu dem klägerischen Schreiben vom 07.10.2015 (Anl. K 13, Bl. 49 f. d.A.) konnte die Beklagte allerdings noch nicht die Bedeutung zumessen, die Klägerin werde von der gerichtlichen Geltendmachung absehen, weist doch die Übersendung der ärztlichen Stellungnahme für sie erkennbar eher in die andere Richtung. Auch hat die Beklagte nicht sogleich der klägerseits angenommen Prozessunfähigkeit widersprochen, so dass infolge eines solchen Widerspruchs eine frühere Reaktion der Klägerin ggf. veranlasst gewesen wäre.

Nach Verstreichen der in dem Schreiben vom 07.10.2015 gesetzten Frist bis zum 15.10.2015 hat die Beklagte der geforderten Erklärung mit Schreiben vom 15.10.2015 (Bl. K 14, Bl. 51 d.A.) ausdrücklich nicht abgegeben. Dieses Schreiben dürfte bei der Klägerseite wohl erst am 22.10.2015 eingegangen sein, wie der Eingangsstempel der Klägervertreterin vom 22.10.2015 vermuten lässt, was aber letztlich als nicht entscheidungserheblich dahinstehen kann.

Der Umstand, dass zwischen Ablauf der Frist des 15.10.2015 bzw. möglichem Eingang des Schreibens der Beklagten vom 15.10.2015 am 22.10.2015 einerseits und dem Klageeingang vorab per Fax am 30.11.2015 bzw. Klagezustellung am 10.12.2015 andererseits ein Zeitraum von längstens acht Wochen und wenigstens fünf Wochen und vier Tagen (bei entsprechender Anwendung des § 167 ZPO zu Gunsten der Klägerin) vergangen ist, kann hier allerdings nach Auffassung der Kammer noch nicht zur Annahme des Umstandsmoments einer Verwirkung führen. Denn die Klägerin hatte, wie oben dargestellt, schon zuvor deutlich machen lassen, dass sie von einer Unwirksamkeit der Eigenkündigung wegen Geschäftsunfähigkeit ausgehe. Auch enthält das Schreiben vom 07.10.2015 ja gerade die Androhung, Klage nach Fristablauf zu erheben, wenn die verlangte Erklärung seitens der Beklagten nicht erfolge. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des durch § 105 Abs. 2 BGB bezweckten Schutzes konnte die Beklagte nicht darauf vertrauen, dass bei Ablauf (längstens) von acht Wochen nach Fristablauf bis zur Klagezustellung die Klägerin davon absehen werde, die Unwirksamkeit ihrer Kündigung gerichtlich geltend zu machen.

Die Klägerin war daher hier nicht unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung daran gehindert, die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung vom 06.03.2016 zu erheben.

b) Der für den Fall des Obsiegens mit Antrag zu 1 gestellte zulässige Antrag zu 3 ist ebenfalls begründet. Dies ergibt sich aus den vom BAG entwickelten Grundsätzen zum allgemeinen Weiterbeschäftigungsantrag (BAG NZA 1985, 702), denen die Kammer folgt. Der im arbeitsgerichtlichen Verfahren im Kammertermin gestellte Hilfsantrag ist in der Berufungsinstanz nicht mehr gestellt worden (vgl. Bl. 275a d.A.), er hätte auf Grund der Begründetheit des Antrags zu 3 auch nicht zur Entscheidung gestanden.

III. Die Kosten des Rechtsstreits hat die die Beklagte als weitgehend unterlegene Partei zu tragen (§§ 91 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

IV. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

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