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Einrichtungsbezogene Impfpflicht – Tätigkeitsverbot – unbezahlte Freistellung

Pflegehelferin verlangt Vergütung von Arbeitgeber nach Freistellung wegen fehlendem Impfnachweis.

Die Klägerin arbeitet seit November 2011 bei der beklagten Pflegeheimbetreiberin als Pflegehelferin. Im Dezember 2021 forderte die Beklagte ihre Mitarbeiter auf, sich impfen zu lassen, um der Einrichtungspflicht nachzukommen. Am 16. März 2022, als die Klägerin keinen Impfnachweis erbracht hatte, stellte die Beklagte sie unter Berufung auf § 20a Abs. 1 IfSG ab dem 16. März 2022 von der Erbringung der Arbeitsleistung widerruflich frei und zwar ohne Fortzahlung der Vergütung. Mit Schreiben vom 20. April 2022 lehnte die Beklagte die Forderung der Klägerin ab, sie zu beschäftigen und ihr die Vergütung zu bezahlen. Die Klägerin fordert nun ihre vertragsgemäße Vergütung für den Zeitraum vom 16. März 2022 bis 31. Juli 2022, da eine unbezahlte Freistellung nicht zulässig sei. Die Beklagte verweist auf § 20a Abs. 1 IfSG, der vorschreibt, dass Beschäftigte in Pflegeeinrichtungen mit Ablauf des 15. März 2022 geimpft oder genesen sein müssen. Eine Ausnahme für die „Alt-Arbeitnehmer“, wie die Klägerin, besteht nicht, jedoch kann ein Tätigkeitsverbot vom Gesundheitsamt auferlegt werden, was hier bisher nicht geschehen ist. Die Klägerin hält die Regelung des § 20a IfSG für nicht verfassungsgemäß. Das Arbeitsgericht hat der Klage der Pflegehelferin auf Vergütung stattgegeben. […]

ArbG Stuttgart – Az.: 15 Ca 2557/22 – Urteil vom 12.10.2022

Klägerin fordert Beschäftigung und Vergütung trotz fehlender Corona-Impfung
Klägerin verlangt Beschäftigung als Pflegehelferin und Vergütung während der Freistellung aufgrund von Impfpflicht. (Symbolfoto: nitpicker/Shutterstock.com)

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin ab sofort zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Pflegehelferin zu beschäftigen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Vergütung für den Monat März 2022 (für den Zeitraum vom 26. März 2022 bis 31. März 2022) in Höhe von 404,13 EUR brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener Ansprüche in Höhe von 148,44 EUR netto zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. April 2022 zu bezahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Vergütung für die Monate April 2022 und Mai 2022 in Höhe von 4.176,00 EUR brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener Ansprüche in Höhe von 1.484,40 EUR netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.088,00 EUR brutto abzüglich 742,20 EUR netto seit dem 5. Mai 2022 und aus 2.088,00 EUR brutto abzüglich 742,20 EUR netto seit dem 5. Juni 2022 zu bezahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Vergütung für die Monate Juni 2022 und Juli 2022 in Höhe von 4.176,00 EUR brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener Ansprüche in Höhe von 1.484,40 EUR netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.088,00 EUR brutto abzüglich 742,20 EUR netto seit dem 5. Juli 2022 und aus 2.088,00 EUR brutto abzüglich 742,20 EUR netto seit dem 5. August 2022 zu bezahlen.

5. Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 34 %, die Beklagte 66 % zu tragen.

6. Der Streitwert wird auf 7.726,89 EUR festgesetzt.

7. Die Berufung wird gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten zuletzt, sie als Pflegehelferin zu beschäftigen, hilfsweise – bei einem Fortbestand ihrer Freistellung – die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, sie zu bis zu einem Tätigkeitsverbot durch das Gesundheitsamt zu vergüten. Ferner verlangt die Klägerin zuletzt von der Beklagten die Zahlung von Annahmeverzugsvergütung für den Zeitraum vom 26. März 2022 bis zum 31. Juli 2022.

Die am xx.xx.xxxx geborene, verwitwete, keinen Unterhaltspflichten unterliegende Klägerin ist seit dem 1. November 2011 bei der bundesweit Pflegeheime betreibenden Beklagten (bzw. deren Rechtsvorgängerin) als Pflegehelferin in der Altenpflege in deren Pflegeeinrichtung in A. angestellt. Ihre monatliche Bruttovergütung betrug zuletzt 2.088,00 EUR brutto (2.058,00 EUR brutto Grundvergütung zuzüglich 30,00 EUR brutto Schichtzulage).

Die Klägerin ist nicht gegen das Coronavirus geimpft, ohne dass bei ihr eine medizinische Kontraindikation vorliegt. Auch ein Genesenenstatus bestand und besteht – jedenfalls im streitgegenständlichen Zeitraum – bei ihr nicht.

Mit Schreiben vom 16. Dezember 2021 (Anlage B 1, Bl. 32 f. der Akte) informierte die Beklagte die Klägerin über die Geltung der sog. einrichtungsbezogenen Impfpflicht ab dem 16. März 2022, appellierte an sie, sich impfen zu lassen, und wies ua. wie folgt auf die Folgen hin, sollte sich die Klägerin nicht impfen lassen:

„(…)

Wer ab diesem Tag keine vollständige Corona-Schutzimpfung vorweisen kann, darf bundesweit in keiner Pflegeeinrichtung mehr beruflich tätig sein.

(…)

Wir dürfen Sie dann ab dem 16. März 2022 nicht mehr einsetzen, und auch andere Pflegeheimbetreiber dürfen Sie nicht mehr einstellen.

(…)

Das bedeutet ab dem 16. März für Ungeimpfte: Kein Gehalt mehr, in der Folge eine arbeitgeberseitig umzusetzende Kündigung aufgrund der beschlossenen Gesetzesgrundlage und unter Umständen Arbeitslosigkeit, die der Gesetzgeber vermutlich als „selbst verschuldet“ titulieren wird. Darüber kann man sich aufregen, aber selbst verschuldet bedeutet auch: Im Einzelfall bis zu drei Monaten Sperre, bevor die erste Arbeitslosengeld-Zahlung erfolgt.

(…)“

Mit Schreiben vom 14. März 2022 (Anlage K 1, Bl. 5 f. der Akte) stellte die Beklagte die Klägerin unter Berufung auf § 20a Abs. 1 IfSG ab dem 16. März 2022 von der Erbringung der Arbeitsleistung widerruflich frei und zwar ohne Fortzahlung der Vergütung. In dem Schreiben heißt es:

„(…) hiermit stellen wir Sie, beginnend ab dem 16.03.2022, von Ihrer Verpflichtung zur Arbeitsleistung bis auf weiteres widerruflich frei. Nach derzeitiger Gesetzeslage erfolgt diese Freistellung jedoch nach heutigem Stand längstens bis zum 31.12.2022. Hintergrund ist die für uns als Arbeitgeber mit Ablauf des 15.3.2022 zwingend gesetzlich vorgeschriebene Einhaltung der Impfpflicht aller Beschäftigten in Pflegeeinrichtungen.

Diese Freistellung erfolgt ohne Fortzahlung Ihres Arbeitsentgelts.

Unberührt von dieser Freistellung verbleibt die gesetzliche Möglichkeit des Gesundheitsamtes, darüber hinaus ein Betretungs- und Tätigkeitsverbot auszusprechen.

Wie oben bereits erwähnt, ist der Hintergrund für unsere Freistellungserklärung der Umstand, dass nach § 20a Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes Personen, die in Pflegeeinrichtungen oder ambulanten Pflegediensten tätig sind, ab dem 15.03.2022 grundsätzlich geimpft oder genesen sein müssen.

Sie haben uns bedauerlicherweise bis zum Ablauf des 15.03.2022 den gesetzlich geforderten Nachweis gemäß § 20a Abs. 2 Infektionsschutzgesetz hierfür nicht vorgelegt. Uns fehlt von Ihnen somit weiterhin ein gültiger Impfnachweis im Sinne der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung, ein Genesenennachweis oder ein ärztliches Zeugnis darüber, dass Sie aufgrund medizinischer Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden können.

Wir bedauern es außerordentlich, deshalb nunmehr Ihre unbezahlte Freistellung umsetzen zu müssen. Angesichts der Tatsache, dass das Infektionsschutzgesetz in § 20a Abs. 1 mit der Immunitätspflicht (geimpft / genesen) eine gesetzliche Tätigkeitsvoraussetzung regelt, sind uns zur Erfüllung des gesetzlichen Schutzauftrages für unsere Bewohner nach derzeitiger Rechtslage leider die Hände gebunden.

Wir bitten Sie eindringlich, auch im eigenen Interesse, unverzüglich Ihre Einrichtungsleitung oder Pflegedienstleitung telefonisch oder schriftlich darüber zu informieren, sobald Sie einen entsprechenden Nachweis besitzen, um kurzfristig über eine Aufhebung der Freistellung entscheiden zu können. Ihre Tätigkeit dürfen Sie allerdings frühestens dann wieder aufnehmen, wenn dieser Nachweis von Ihnen tatsächlich erbracht und Ihnen dies von Ihrer Einrichtungsleitung schriftlich bestätigt wurde.

Abschließend möchten wir Sie darauf hinweisen, dass wir Sie nach einem Monat der Freistellung ohne Arbeitsentgelt von allen Sozialversicherungszweigen abmelden müssten; Folge dieser Aussteuerung wäre, dass Sie ab diesem Zeitpunkt auf öffentliche Leistungen z.B. Arbeitslosengeld) angewiesen wären und für Ihren eigenen Versicherungsschutz (z.B. Krankenversicherung) Sorge tragen müssten.“

Für den Monat März 2022 bezahlte die Beklagte an die Klägerin anteilig, für den Zeitraum vom 1. März 2022 bis zum 15. März 2022, noch Vergütung in Höhe von 1.010,33 EUR brutto. Für den Zeitraum vom 16. März 2022 bis zum 31. März 2022 und die Folgemonate erfolgte keine Vergütungszahlung mehr.

Mit Rechtsanwaltsschreiben vom 11. April 2022 (Anlage K 2, Bl. 7 ff. der Akte) forderte die Klägerin die Beklagte auf, sie zu beschäftigen und ihr die Vergütung zu bezahlen. Mit Schreiben vom 20. April 2022 (Anlage K 3, Bl. 10 der Akte) lehnte die Beklagte dies unter Berufung auf § 20a Abs. 1 IfSG ab.

Mit Bescheid vom 21. Juli 2022 (vgl. die im Kammertermin vom 12. Oktober 2022 von der Klägerin übergebene Anlage) wurde der Klägerin ab dem 26. März 2022 Arbeitslosengeld bewilligt mit einem täglichen Leistungsbetrag in Höhe von 24,74 EUR. Für den Zeitraum vom 26. März 2022 bis zum 31. März 2022 betrug der Auszahlungsbetrag laut dem Bescheid 148,44 EUR, für die weiteren Monate, so auch die streitgegenständlichen Monate April 2022 bis Juli 2022 betrug der Auszahlungsbetrag monatlich laut dem Bescheid 742,20 EUR.

Das zuständige Gesundheitsamt sprach gegenüber der Klägerin bislang kein Tätigkeits- oder Betretungsverbot aus.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte habe sie als Pflegehelferin zu beschäftigen und ihr seit dem 16. März 2022 ihre vertragsgemäße, derzeit bis zum 31. Juli 2022 geltend gemachte Vergütung nachzubezahlen. Eine unbezahlte Freistellung sei nämlich nicht in Betracht gekommen. Die gesetzliche Regelung (§ 20a IfSG) statuiere keinen Impfzwang, auch dürften die Mitarbeiter nicht unter Androhung eines Zwangsgeldes zu einer Corona-Impfung bewegt werden. „Alt-Arbeitnehmer“ wie die Klägerin, dh. solche die schon vor dem 16. März 2022 beschäftigt gewesen seien, unterlägen entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht automatisch einem Tätigkeitsverbot. Ein solches müsse erst vom Gesundheitsamt ausgesprochen werden, woran es hier fehle. Bis dahin bestehe ein Beschäftigungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten und sei diese von ihr auch zu vergüten.

§ 20a Abs. 1 IfSG schreibe lediglich vor, dass die in den genannten Einrichtungen tätigen Personen mit Ablauf des 15. März 2022 über einen Impf- oder Genesenennachweis verfügen müssten. Ein ausdrückliches Beschäftigungsverbot sei in § 20a Abs. 3 Sätze 4, 5 IfSG aber nur für diejenigen Personen vorgesehen, die erst ab dem 16. März 2022 in den genannten Einrichtungen tätig würden und über keinen Impf- oder Genesenennachweis verfügten oder diesen nicht vorlegten. Es sei also sehr wohl eine Unterscheidung zwischen Bestandsmitarbeitern und Neueinstellungen vorzunehmen.

Für „Alt-Arbeitnehmer“, wie die Klägerin, habe der Gesetzgeber die Anordnung eines Tätigkeitsverbotes von einer ermessensgeleiteten Einzelfallentscheidung des Gesundheitsamts abhängig gemacht. Das Gesundheitsamt könne den bereits zum 15. März 2022 Beschäftigten im Rahmen seines Ermessens im Übrigen nicht nur ein Tätigkeitsverbot auferlegen, sondern – als milderes Mittel – auch lediglich untersagen, eine Einrichtung oder ein Unternehmen zu betreten; nicht geimpften und nicht genesenen Mitarbeitern wäre dann eine weitere berufliche Tätigkeit möglich. Bezüglich der „Alt-Arbeitnehmer“, wie der Klägerin, sei in § 20a Abs. 2 IfSG lediglich die Verpflichtung des Arbeitgebers normiert, dem Gesundheitsamt bei Nichtvorlage eines Impf- oder Genesenennachweises die entsprechenden personenbezogenen Daten zu übermitteln. Dieses habe dann die Möglichkeit ein – sofort vollziehbares – Betretungs- oder Tätigkeitsverbot auszusprechen. Da dies vorliegend nicht geschehen sei, habe die Beklagte die Klägerin zu beschäftigen. Der Gesetzgeber habe es angesichts der aktuellen Situation gerade vermeiden wollen, dass mit einem Beschäftigungsverbot für ungeimpfte, bereits in den Einrichtungen beschäftigte Personen die Funktionsfähigkeit derselben unter Umständen nicht mehr gegeben sei. Die § 20a IfSG zu Grunde liegende gesetzliche Wertung, vulnerable Personen, zu denen insbesondere Bewohner von Seniorenheimen gehörten, vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus zu schützen, sei zwar anzuerkennen, es müsse aber berücksichtigt werden, dass die Omikronvariante auch bei Geimpften und Genesenen leichter übertragbar und die Impfstoffwirksamkeit reduziert sei. Auch sei nicht wissenschaftlich gesichert, in welchem Maße die etwaige Schutzwirkung einer Impfung mit der Zeit abnehme. Im Übrigen werde die Regelung des § 20a IfSG seitens der Klägerin für nicht verfassungsgemäß erachtet.

Die aufgrund der unwirksamen Freistellung nachzuzahlenden Annahmeverzugsvergütungsansprüche der Klägerin gegen die Beklagte errechneten sich wie folgt: Für den Zeitraum vom 26. März 2022 bis zum 31. März 2022 404,13 EUR brutto (6/31 von 2.088,00 EUR brutto) abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener Ansprüche in Höhe von 148,44 EUR netto, für die Monate April 2022 bis Juli 2022 jeweils 2.088,00 EUR brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener Ansprüche in Höhe von jeweils 742,20 EUR netto.

Annahmeverzugsvergütung für den Zeitraum vom 16. März 2022 bis zum 25. März 2022 hat die Klägerin zuletzt wegen eines in diesem Zeitraum unklaren Anspruchsüberganges nicht mehr geltend gemacht und die Klage insoweit teilweise zurückgenommen.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

1. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin ab sofort zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Pflegehelferin zu beschäftigen; hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem Klagantrag Ziff. 1,

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin bei Fortbestehen der widerruflichen Freistellung das vertraglich vereinbarte Arbeitsentgelt zu bezahlen, bis zu einem entsprechenden Tätigkeitsverbot durch das Gesundheitsamt gegenüber der Klägerin;

4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Zeitraum vom 26. März 2022 bis 31. März 2022 404,13 EUR brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener Ansprüche in Höhe von 148,44 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 5. April 2022 zu bezahlen;

5. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.176,00 EUR brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener Ansprüche in Höhe von 1.484,40 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.088,00 EUR brutto abzüglich 742,20 EUR netto seit 5. Mai 2022 und aus 2.088,00 EUR brutto abzüglich 742,20 EUR netto seit 5. Juni 2022 zu bezahlen;

6. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.176,00 EUR brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener Ansprüche in Höhe von 1.484,40 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.088,00 EUR brutto abzüglich 742,20 EUR netto seit 5. Juli 2022 und aus 2.088,00 EUR brutto abzüglich 742,20 EUR netto seit 5. August 2022 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die von der Klägerin geltend gemachten Beschäftigungs- und Annahmeverzugsvergütungsansprüche seien nicht gegeben. Sie habe diese rechtmäßig ab dem 16. März 2022 von der Erbringung der Arbeitsleistung unbezahlt freigestellt.

Die Beschäftigung der Klägerin sei der Beklagten seit dem 16. März 2022 nicht mehr möglich, weil § 20a Abs. 1 IfSG seitdem eine gesetzliche Tätigkeitsvoraussetzung regle, die die Klägerin nicht erfülle. Die Unmöglichkeit der Erbringung der Arbeitsleistung aufgrund der gesetzlichen Tätigkeitsvoraussetzung habe zu einem Wegfall ihres Vergütungsanspruchs geführt.

Nach § 20a Abs. 1 IfSG müssten Personen, die in einer der im Gesetz genannten Einrichtungen, so auch in der vorliegenden Pflegeeinrichtung in A., tätig seien, seit dem 16. März 2022 entweder über einen Impf- oder Genesenennachweis nach § 22a Abs. 1, 2 IfSG verfügen, es sei denn eine Person könne aufgrund einer medizinischen Kontradiktion nicht geimpft werden. Dabei handle es sich um eine gesetzliche Tätigkeitsvoraussetzung; erfülle ein Mitarbeiter, wie hier die Klägerin, diese nicht, dürfe der Arbeitgeber, hier die Beklagte, diesen nicht einsetzen.

Für eine Auslegung des Gesetzes als gesetzliche Tätigkeitsvoraussetzung spreche bereits der eindeutige Wortlaut des § 20a Abs. 1 IfSG („Müssen“-Formulierung), der nicht zwischen Mitarbeitern, die vor dem 16. März 2022 beschäftigt gewesen seien und solchen, die ab dem 16. März 2022 tätig geworden seien, unterscheide.

Der Wortlaut entspreche, wie die Gesetzesmaterialien belegten (vgl. BT-Drs. 20/188, S. 40), auch dem Willen des Gesetzgebers. In den Materialien sei ausdrücklich von einer gesetzlichen Tätigkeitsvoraussetzung die Rede.

Die Systematik des Gesetzes stehe im Einklang mit dem Wortlaut und dem Willen des Gesetzgebers. Während § 20a Abs. 1 IfSG den Impf- und Genesenenstatus als gesetzliche Tätigkeitsvoraussetzung normiere, regelten die weiteren Absätze das Vorgehen bezüglich des Nachweises über diese Tätigkeitsvoraussetzung. Abs. 1 unterscheide, wie bereits erwähnt, nicht zwischen Bestandsmitarbeitern und neuem Personal, die gesetzliche Tätigkeitsvoraussetzung gelte für alle Personen. Falls der Gesetzgeber in den Abs. 2 und 3 zwischen Bestandsmitarbeitern und neuen Mitarbeitern habe unterscheiden wollen, betreffe dies nur die darin geregelte Nachweispflicht. Die sich im Übrigen lediglich aus der Gesetzesbegründung ergebende Unterscheidung beziehe sich ausschließlich auf das behördliche Verfahren. Als inhaltlich abgeschlossene Regelung gelte § 20a Abs.1 IfSG – systematisch vor die Klammer gezogen – für beide Mitarbeitergruppen gleichermaßen.

Die Unterscheidung der Abs. 2 und 3 gelte nicht für Abs. 1, der die grundsätzliche Immunisierungspflicht als gesetzliche Tätigkeitsvoraussetzung vorschreibe. Die Abs. 2 bis 5 regelten nur den behördlichen, dh. öffentlich-rechtlichen Umgang mit fehlenden Nachweisen bzw. Zweifeln an der Richtigkeit der Nachweise. Das Gesundheitsamt könne insoweit im Rahmen der Gefahrenabwehr nur öffentlich-rechtliche Maßnahmen ergreifen, jedoch nicht über das vertragliche Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien entscheiden. Auf eine behördliche Entscheidung komme es daher nicht an, denn die Frage, ob die Klägerin die Voraussetzung des § 20a Abs. 1 IfSG erfülle oder erfüllen wolle, sei mit Nein zu beantworten.

Bestätigt werde dieses Normverständnis durch den Sinn und Zweck des Gesetzes und die in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebrachten Motive des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 20/188, S. 4, 28, 30, 37), nämlich den Schutz vulnerabler Personengruppen. Der Gesetzgeber stelle auf die höhere Infektionsgefahr ab, die von ungeimpften Personen ausgehe, und begründe damit die Entscheidung, dass Personen mit Kontakt zu vulnerablen Personen geimpft oder genesen sein müssten. Eine Auslegung des Gesetzes dahingehend, dass die Nichtbeschäftigung von einer Meldung an das Gesundheitsamt, einer weiteren Prüfung durch dieses und letztlich von einer Ermessensentscheidung durch das Gesundheitsamt abhängig sein solle, stehe offensichtlich diesem Zweck entgegen. Dann wäre nicht annähernd sichergestellt, dass ein baldiger Schutz des vulnerablen Personenkreises vor Kontakt mit ungeimpften und nicht genesenen Personen eintrete. Wenn der Zweck des Gesetzes der Schutz vulnerabler Gruppen durch eine sehr hohe Impfquote des Personals in der Pflegebranche sei, könne es vom Gesetzgeber nicht gewollt sein, dass ein ungeimpfter oder nicht genesener Mitarbeiter in Kontakt mit einer besonders schutzwürdigen Person gerate, nur weil er zufällig am 15. März 2022 bereits in einer Einrichtung tätig gewesen sei. Dem Willen des Gesetzgebers nach habe kein ungeimpftes oder nicht genesenes Personal mehr eingesetzt werden sollen, unabhängig davon, wann das Vertragsverhältnis mit dem konkreten Mitarbeiter begonnen habe.

Hinsichtlich der Einzelheiten der Argumentation der Beklagten zur Auslegung des § 20a IfSG wird auf die Seiten 2 bis 8 der Klageerwiderung (Bl. 20 ff. der Akte) und auf die Seiten 1 bis 6 des Schriftsatzes vom 23. August 2022 (Bl. 67 ff. der Akte) Bezug genommen.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21 – stehe der Auslegung stehe der Auslegung des § 20a Abs. 1 IfSG als gesetzliche Tätigkeitsvoraussetzung nicht entgegen (näher hierzu vgl. die Seiten 3 f. des Schriftsatzes vom 23. August 2022, Bl. 69 f. der Akte).

Weiter sei anzumerken, dass bei der Auslegung von Gesetzen, die Äußerungen von Ministerien keine Berücksichtigung finden könnten. Die Exekutive sei nicht zur Auslegung von Gesetzen berufen, so dass die gewandelte Ansicht des Bundesgesundheitsministeriums nicht maßgeblich sei. Es gelte vielmehr das, was vom Gesetzgeber im Dezember 2021 beschlossen worden sei, nämlich dass in den besagten Einrichtungen nur Personen tätig werden dürften, die entweder geimpft oder genesen seien (näher hierzu vgl. die Seite 10 der Klageerwiderung, Bl. 28 der Akte).

Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, dass ein gesetzliches Beschäftigungs- und Tätigkeitsverbot für Bestandsmitarbeiter auch aus § 20a Abs. 3 Sätze 4, 5 IfSG hergeleitet werden könne (näher hierzu vgl. die Seiten 8 ff. der Klageerwiderung, Bl 26 ff. der Akte).

Da die Klägerin die gesetzliche Tätigkeitsvoraussetzung des § 20a Abs. 1 IfSG nicht erfülle, sei die Beklagte auch nicht in Annahmeverzug geraten. Die Klägerin sei seit dem 16. März 2022 aus rechtlichen Gründen außer Stande, ihre Arbeitsleistung zu erbringen; nach § 297 BGB scheide ein Annahmeverzug aufgrund von Unmöglichkeit aus. Annahmeverzugslohn aus § 615 BGB könne deshalb von ihr nicht verlangt werden.

Die unbezahlte Freistellung der Klägerin sei aber auch ungeachtet der gesetzlichen Regelung in § 20a Abs. 1 IfSG nach den allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen gerechtfertigt. Es bestehe insoweit sowohl eine Unmöglichkeit als auch eine Unzumutbarkeit der Beschäftigung, die die Beschäftigungs- und Annahmeverzugsvergütungsansprüche der Klägerin entfallen lasse. Jedenfalls überwiegten die Interessen der Beklagten an ihrer Nichtbeschäftigung dem Beschäftigungsinteresse der Klägerin.

Der Beschäftigung der Klägerin und ihrer Vergütung stehe Unmöglichkeit aufgrund von Leistungsunwilligkeit entgegen. Die Leistungswilligkeit müsse auch in Bezug die vertraglich vorgesehenen Bedingungen, dh. auch im Hinblick auf die Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises, gegeben sein, was bei der Klägerin nicht der Fall sei. Der Arbeitgeber könne zur Umsetzung arbeitsschutzrechtlicher Maßnahmen Weisungen nach § 106 Satz 2 GewO hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb erteilen. In konsequenter Umsetzung des § 20a Abs. 1 IfSG und vor dem Hintergrund der Schaffung eines wirksamen Schutz- und Hygienekonzeptes gegen eine Ausbreitung des Covid-19-Virus habe die Beklagte eine solche Weisung erteilt, indem sie entschieden habe, nur noch geimpfte oder genesene Mitarbeiter in ihren Einrichtungen zu beschäftigen. Das Konzept sehe vor, dass der gesetzgeberische Wille mit Blick auf § 20a IfSG und auf die gesetzlichen Verpflichtungen als Träger einer Pflegeeinrichtung bestmöglich zum Schutze der Bewohner umgesetzt werde. Die Gesundheit und Zufriedenheit derselben seien die höchsten Güter, die die Beklagte zu schützen habe. Dies tue sie insbesondere dadurch, dass sie Mitarbeiter wie die Klägerin, die die Voraussetzungen des arbeitgeberseitigen Schutzkonzeptes nicht erfüllten und daher keine abnahmefähige Arbeitsleistung nach § 297 BGB anbieten könnten, zum Schutz der Bewohner freistelle.

Daneben sei der Beklagten die Beschäftigung der Klägerin nach der vorzunehmenden Interessenabwägung unzumutbar. Ihr stehe das überwiegende schutzwerte Interesse der Beklagten entgegen, die Gesundheit und das Leben der Bewohner der von ihr betriebenen Einrichtung zu schützen. Es entspreche weiterhin der Risikobewertung des RKI, dass die Corona-Schutzimpfungen das Risiko von Übertragungen reduzierten. Es sei nach wie vor davon auszugehen, dass sich vulnerable Personen bei der Beschäftigung Ungeimpfter leichter infizieren könnten und dass im Falle einer Infektion ein erhöhtes Risiko eines schweren oder tödlichen Verlaufs bestehe. Das insoweit von der Beklagten verfolgte Ziel, einen Infektionsausbruch in der Einrichtung zu verhindern und die Gesundheit und das Leben der Bewohner zu schützen, sei als vorrangig gegenüber dem Interesse der Klägerin, ihrer vertraglichen Tätigkeit nachzugehen, einzustufen (näher hierzu vgl. die Seiten 8 f. des Schriftsatzes vom 23. August 2022, Bl. 74 f. der Akte).

Der Auffassung der Beklagten, dass die unbezahlte Freistellung ungeimpfter und nicht genesener Mitarbeiter rechtmäßig erfolgt sei, hätten sich im Übrigen zwischenzeitlich eine Reihe von Gerichten, ua. das Sächsische Landesarbeitsgericht, angeschlossen (vgl. hierzu das Anlagenkonvolut B 2, Bl. 34 ff. der Akte, und die Anlagen B 3 bis B 6, Bl. 76 ff. der Akte).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst sämtlichen Anlagen und das Protokoll des Termins zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer vom 12. Oktober 2022 Bezug genommen.

Den ursprünglichen Klagantrag Ziff. 2 mit dem Begehren, die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu allen Sozialversicherungszweigen anzumelden, hat die Klägerin auf den gerichtlichen Hinweis einer fehlenden Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen im Gütetermin zurückgenommen. Weitere Teilklagrücknahmen sind im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer vom 12. Oktober 2022 aufgrund dort geklärter und bezüglich der Zeitraumes vom 16. März 2022 bis zum 25. März 2022 ungeklärter Anspruchsübergänge erfolgt.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist, soweit die zuletzt gestellten Klaganträge zur Entscheidung des Gerichts anfallen, zulässig und auch in der Sache vollumfänglich begründet. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten sowohl den mit Klagantrag Ziff. 1 geltend gemachten Beschäftigungsanspruch als auch die mit den Klaganträgen Ziff. 4 bis Ziff. 6 zuletzt verfolgten Zahlungsansprüche. Der Klagantrag Ziff. 3 fällt nicht zur Entscheidung des Gerichts an.

1. Der zulässige Klagantrag Ziff. 1, mit dem die Klägerin die Verurteilung der Beklagten erstrebt, sie ab sofort zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Pflegehelferin zu beschäftigen, ist auch in der Sache begründet. Das Gesetz, hier insbesondere § 20a Abs. 1 IfSG, steht dem arbeitsvertraglichen Beschäftigungsanspruch nicht entgegen. Die von der Beklagten der Klägerin gegenüber erklärte Freistellung ist rechtsunwirksam.

a) Der Arbeitnehmer hat im bestehenden Arbeitsverhältnis grundsätzlich einen Anspruch auf vertragsgemäße tatsächliche Beschäftigung. Rechtsgrundlage des durch die höchstrichterliche Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung entwickelten allgemeinen Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers – der Gegenstand des Klagantrages Ziff. 1 ist – sind die §§ 611a, 613 BGB iVm. der Generalklausel des § 242 BGB, die durch die Wertentscheidungen der Art. 1 und Art. 2 GG zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht ausgefüllt wird. Der Arbeitnehmer soll – als Ausdruck und in Achtung seiner Persönlichkeit und seines Entfaltungsrechts – tatsächlich arbeiten können. Korrespondierend mit dem Beschäftigungsanspruch ist der Arbeitgeber zur vertragsgemäßen Beschäftigung verpflichtet, wenn der Arbeitnehmer diese verlangt (st. Rspr., vgl. etwa BAG 15. Juni 2021 – 9 AZR 217/20 – Rn. 43).

b) Der allgemeine Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses gemäß §§ 611a, 613 iVm. § 242 BGB unterliegt allerdings Begrenzungen (st. Rspr., vgl. etwa BAG 15. Juni 2021 – 9 AZR 217/20 – Rn. 44). Er besteht zum einen nicht, wenn ein gesetzliches oder behördliches Tätigkeitsverbot einer Beschäftigung des Arbeitnehmers entgegensteht bzw. der Arbeitnehmer nicht über eine gesetzliche oder behördliche Tätigkeitsvoraussetzung verfügt, und zum anderen – ggf. unabhängig davon – nicht, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtswirksam von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt hat. Beides ist vorliegend nicht der Fall. Die Regelung des § 20a Abs. 1 IfSG normiert weder ein gesetzliches Tätigkeitsverbot für schon vor dem 16. März 2022 beschäftigte Pflegekräfte in einem Seniorenheim (iSd. § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IfSG), wenn diese nicht über einen Impf- oder Genesenennachweis nach § 22a Abs. 1, Abs. 2 IfSG verfügen, wie dies bei der Klägerin der Fall ist, noch stellt die Norm für diese Beschäftigtengruppe eine entsprechende gesetzliche Tätigkeitsvoraussetzung auf. Ein behördliches Tätigkeitsverbot – in Gestalt eines Betretungs-/Tätigkeitsverbotes durch das Gesundheitsamt iSd. § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG – wurde gegenüber der Klägerin vorliegend nicht ausgesprochen, ebenso wenig wurde eine behördliche Tätigkeitsvoraussetzung aufgestellt. Eine rechtswirksame Freistellung der Klägerin durch die Beklagte liegt – auch unabhängig davon nach allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen – nicht vor. Dies hat zur Folge, dass die Beklagte die Klägerin, wie von ihr beantragt, als Pflegehelferin ab sofort wieder zu beschäftigen hat.

aa) Zunächst sei darauf hingewiesen, dass im Folgenden nicht mehr zwischen einem (gesetzlichen/behördlichen) Tätigkeitsverbot und einer (gesetzlichen/behördlichen) Tätigkeitsvoraussetzung differenziert werden, sondern nur noch der Begriff des Tätigkeitsverbots Verwendung finden soll. Denn auch eine entsprechende Tätigkeitsvoraussetzung untersagt demjenigen, der nicht über die Voraussetzung verfügt, die Tätigkeit, was einem Tätigkeitsverbot gleichkommt, so dass eine solche Differenzierung, wie sie die Beklagte zum Teil vornimmt, obsolet ist.

bb) Die Norm des § 20a Abs. 1 IfSG regelt kein gesetzliches Tätigkeitsverbot für schon vor dem 16. März 2022 beschäftigte Arbeitnehmer im oben genannten Sinne, wenn diese nicht über einen Impf- oder Genesenennachweis nach § 22a Abs. 1, Abs. 2 IfSG verfügen. Dies ergibt die Auslegung der gesetzlichen Regelung.

aaa) Vorab sei angemerkt, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21 – die von ihm geprüften Regelungen des § 20a IfSG verfassungsrechtlich nicht beanstandet hat. Soweit die Klägerin vorgetragen hat, sie erachte die Norm für nicht verfassungsgemäß, ist das Gericht vor diesem Hintergrund gehindert, deren Verfassungsmäßigkeit in Zweifel zu ziehen. Die Norm des § 20a IfSG muss als wirksam angesehen werden, sie ist aber – hinsichtlich der Frage, ob sie ein gesetzliches Tätigkeitsverbot für die genannten Personen normiert – auslegungsbedürftig.

bbb) Maßgebend für die Gesetzesauslegung ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den die Regelung hineingestellt ist. Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte. Unter diesen Methoden hat keine unbedingten Vorrang. Welche Regelungskonzeption der Gesetzgeber mit dem von ihm gefundenen Wortlaut tatsächlich verfolgt, ergibt sich uU. erst aus den anderen Auslegungsgesichtspunkten. Wird daraus der Wille des Gesetzgebers klar erkennbar, ist dieser zu achten (st. Rspr., vgl. etwa BAG 26. April 2022 – 9 AZR 228/21 – Rn. 47).

ccc) Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang und Sinn und Zweck des Gesetzes mehrere Deutungen zu, von denen jedenfalls eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt, so ist eine Auslegung geboten, die mit dem Grundgesetz in Einklang steht. Die verfassungskonforme Auslegung darf jedoch zu dem Wortsinn und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht in Widerspruch treten (st. Rspr., vgl. etwa BAG 30. März 2004 – 1 AZR 7/03 – Rn. 47).

ddd) Handelt es sich bei dem auszulegenden Gesetz um ein solches, das ein zur Unmöglichkeit der Arbeitsleistung führendes Tätigkeitsverbot normieren soll, setzt ein solches nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine nach Voraussetzungen und Rechtsfolgen eindeutige Regelung voraus (vgl. BAG 18. März 2009 – 5 AZR 192/08 – Leitsatz). Soll also eine Rechtsnorm das rechtliche Unvermögen zur Berufsausübung begründen, muss sie diese Rechtsfolge klar und deutlich zum Ausdruck bringen. Die Voraussetzung für die Berufsausübung muss aus rechtsstaatlichen Gründen eindeutig geregelt sein. Unabhängig davon, ob ein Eingriff in die Freiheit der Berufswahl oder der Berufsausübung vorliegt, bedarf es einer vorhersehbaren und berechenbaren Grundlage hinsichtlich Voraussetzungen und Folgen. Nach dem Gebot der Rechtssicherheit ist im Zweifel kein die Berufsausübung untersagendes Tätigkeitsverbot anzunehmen. Vielmehr muss der Betroffene eine derart einschneidend wirkende Rechtslage erkennen und sein Verhalten danach einrichten können. Das Tätigkeitsverbot muss wegen seiner einschneidenden Auswirkung auf die Freiheit der Berufsausübung nach dem verfassungsrechtlichen Gebot der Normenklarheit in der Gesetzesnorm klar und deutlich zum Ausdruck gebracht werden (vgl. BAG 18. März 2009 – 5 AZR 192/08 – Rn. 15; 1. Juni 2022 – 5 AZR 407/21 – Rn. 20, 25).

eee) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe und Anwendung der genannten Auslegungskriterien kann § 20a Abs. 1 IfSG kein gesetzliches Tätigkeitsverbot für schon vor dem 16. März 2022 beschäftigte Arbeitnehmer im oben genannten Sinne entnommen werden, wenn diese nicht über einen Impf- oder Genesenennachweis nach § 22a Abs. 1, Abs. 2 IfSG verfügen.

(1) Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die in Rechtsprechung und Literatur höchst umstritten ist, ob für besagten Personenkreis ein gesetzliches Tätigkeitsverbot oder eine gesetzliche Tätigkeitsvoraussetzung aus § 20a Abs. 1 IfSG abzuleiten ist und der Arbeitgeber diesen unbezahlt freistellen kann. Teils wird dies bejaht (vgl. ArbG Köln 21. Juli 2022 – 8 Ca 1779/22, ArbG Offenbach 12. Juli 2022 – 3 Ca 124/22; im einstweiligen Verfügungsverfahren vgl. Sächsisches LAG 10. Mai 2022 – 3 SaGa 3/22, LAG Hessen 11. August 2022 – 5 SaGa 728/22, wobei die Entscheidungsgründe dieser Entscheidung noch nicht vorliegen, ArbG Gießen 12. April 2022 – 5 Ga 1/22, ArbG Dresden 18. Juli 2022 – 1 Ga 24/22; Weigert NZA 2022, 166 ff., Bonitz/Schleiff NZA 2022, 233 ff., Oberthür ArbRB 2022, 80 ff., Müller ArbRAktuell 2022, 55 ff.), teils wird dies verneint (vgl. ArbG Bonn 18. Mai 2022 – 2 Ca 2082/21; im einstweiligen Verfügungsverfahren ArbG Dresden – 9 Ga 10/22; Stöbe PersR 2022, 23 ff. und AuR 2022, 159 ff.; Gerhardt IfSG § 20a Rn. 49; Beden NZA 2022, 611 ff., Harländer/Otte NZA 2022, 160 ff., Chama/Noll MDR 2022, 406 ff.). Nach Ansicht der erkennenden Kammer ist der letztgenannten Auffassung zu folgen. Dies ergibt die Auslegung der Gesetzesnorm.

(2) Der Wortlaut von § 20a Abs. 1 IfSG lässt das Eintreten eines gesetzlichen Tätigkeitsverbotes für einen bereits vor dem 16. März 2022 beschäftigten, nicht geimpften oder genesenen Arbeitnehmer („Altarbeitnehmer“) offen. Zwar „müssen“ diese nach dem Wortlaut der Regelung über einen Impf- oder Genesenennachweis verfügen und diesen ihrem Arbeitgeber bis zum Ablauf des 15. März 2022 nach § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG vorlegen. Ein Tätigkeitsverbot als Rechtsfolge der Nichtvorlage ist für die bereits beschäftigten Arbeitnehmer aber weder im Wortlaut des Abs. 1 noch des Abs. 2 des § 20a IfSG ausdrücklich vorgesehen, im Gegensatz zu § 20a Abs. 3 Satz 4 IfSG für die neu eingestellte Arbeitnehmer (vgl. ArbG Bonn 18. Mai 2022 – 2 Ca 2082/21 – Rn. 82 und die nachfolgenden Ausführungen zur Systematik). Soweit zum Teil vertreten wird, ein Tätigkeitsverbot sei zu bejahen, der Wortlaut sei insofern eindeutig, eine diesem entgegenstehende Auslegung erscheine kaum möglich (so ArbG Köln 21. Juli 2022 – 8 Ca 1779/22 – Rn. 55), ist dem mitnichten so. Der Wortlaut ist gerade uneindeutig bzw. unklar (so zutreffend Sächsisches LAG 10. Mai 2022 – 3 SaGa 3/22; Weigert NZA 2022, 166, 169).

(3) Die Gesetzessystematik streitet deutlich gegen die Annahme eines automatischen Tätigkeitsverbotes auch für nicht geimpfte oder genesene „Altarbeitnehmer“. Denn die gesetzliche Regelung differenziert, was die Gesetzesmaterialien unterstreichen (vgl. BT-Drucksache 20/188, Seite 39 f. und die nachfolgenden Ausführungen zur Entstehungsgeschichte), in den Absätzen 2 und 3 deutlich zwischen den Rechtsfolgen für bereits vor dem 15. März 2022 beschäftigte und ab dem 16. März 2022 neu eintretende Arbeitnehmer. Der Gesetzgeber hat für nicht geimpfte bzw. genesene Personen, die ab dem 16. März 2022 neu in ein Unternehmen eintreten, in § 20a Abs. 3 Satz 4 IfSG ausdrücklich geregelt, dass diese Personen nicht beschäftigt werden dürfen. Eine solche Regelung findet sich für die bereits vor dem 15. März 2022 beschäftigten Arbeitnehmer gerade nicht. In diesem Fall ist als Rechtsfolge der Nichtvorlage des Nachweises nach § 20a Abs. 2 Satz 2 IfSG für den Arbeitgeber lediglich eine Benachrichtigungs- und Übermittlungspflicht an das zuständige Gesundheitsamt vorgesehen. Für diese Personengruppe besteht in der Folge nur dann ein Tätigkeitsverbot, wenn ein solches gemäß § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG von dem zuständigen Gesundheitsamt angeordnet wird. Wollte man § 20a Abs. 1 IfSG bereits ein automatisches Tätigkeitsverbot entnehmen, machte diese nach „Altarbeitnehmern“ und Neueingestellten ausdifferenzierte Regelung keinen Sinn. Es bedürfte keiner behördlichen Untersagung der Tätigkeit nach angemessener Fristsetzung zur Vorlage des Nachweises, wie sie § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG verlangt, mehr, wenn das Tätigkeitsverbot ohnehin schon kraft Gesetzes „fristlos“, dh. mit Inkrafttreten desselben, gegeben wäre (vgl. ArbG Bonn 18. Mai 2022 – 2 Ca 2082/21 – Rn. 82; ArbG Dresden 29. März 2022 – 9 Ga 10/22; differenzierend Weigert NZA 2022, 166, 169; aA ArbG Köln 21. Juli 2022 – 8 Ca 1779/22 – Rn. 60 ff.).

(4) Der Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung dürfte demgegenüber eher für ein automatisches Beschäftigungsverbot auch für die bereits vor dem 15. März 2022 beschäftigten Arbeitnehmer sprechen. Ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 20a IfSG ist Ziel der gesetzlichen Regelung, für Einrichtungen und Unternehmen, in denen sich typischerweise eine Vielzahl von besonders vulnerablen Gruppen aufhalten, dass dort tätige Personen geimpft oder genesen sein müssen, um die besonders gefährdeten Personengruppen zu schützen (vgl. BT-Drucksache 20/188, Seite 37). Diesem gesetzlichen Schutzzweck wäre mit einem möglichst weitgehenden Tätigkeitsverbot für nicht geimpfte bzw. nicht genesene Arbeitnehmer am ehesten gedient (vgl. ArbG Bonn 18. Mai 2022 – 2 Ca 2082/21 – Rn. 83; ArbG Köln 21. Juli 2022 – 8 Ca 1779/22 – Rn. 64; Weigert NZA 2022, 166, 169), wollte man mit dem Gesetzgeber von der Prämisse ausgehen, dass Impfung/Genesung dazu führen, dass ein höherer Schutz vor Ansteckung und/oder Weitergabe des Virus gegeben ist, als dies bei ungeimpften/nicht genesenen Personen der Fall ist. Auf der anderen Seite erscheint aber auch eine Differenzierung zwischen „Altarbeitnehmern“, dh. bereits vor dem 16. März 2022 beschäftigten Arbeitnehmern, und ab dem 16. März 2022 Neueingestellten nicht ohne Sinn und Zweck, da zum einen eine Bestandsschutzregelung gegeben sein kann (so Gerhardt IfSG § 20a Rn. 49) und zum anderen auch dem Gesetzgeber nicht verschlossen geblieben sein dürfte, dass ein sofortiges Tätigkeitsverbot auch für die beträchtliche Gruppe der ungeimpften/nicht genesenen Altarbeitnehmer in ohnehin von chronischer Personalnot geprägten Branchen, wie etwa der Altenpflege, zu erheblichen Problemen mit ihrerseits erheblichen Folgen, wie bspw. einer unzureichenden, ihrerseits dem Gesundheitsschutz abträglichen Versorgung der Bewohner in den Heimen, hätte führen können, denen durch eine ermessensgeleitete Einzelfallentscheidung des Gesundheitsamtes begegnet werden kann.

(5) Auch die Entstehungsgeschichte der Norm – unter Zugrundelegung der Gesetzesmaterialien – liefert kein eindeutiges Bild. Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass es dort in der Gesetzesbegründung zu § 20a Abs. 2 IfSG – unter den Ausführungen zum Datenschutzrecht – heißt, dass es sich bei der Pflicht, in den in Abs. 1 genannten Einrichtungen nur mit Impf- oder Genesenennachweis tätig zu sein, um eine „gesetzliche Tätigkeitsvoraussetzung“ und damit eine rechtliche Pflicht aus dem Arbeitsrecht iSd. § 26 Abs. 3 Satz 1 BDSG handle (vgl. BT-Drucksache 20/188, Seite 40). Auf der anderen Seite differenzieren die Gesetzesmaterialien, wie bereits erwähnt, deutlich zwischen Personen, die in den genannten Einrichtungen bereits tätig sind, und Personen, die dort ab dem 16. März 2022 neu tätig werden wollen (vgl. BT-Drucksache 20/188, Seite 39 f.), und werden nur in Bezug auf die letztgenannte Gruppe und die Gruppe derjenigen, gegenüber denen das Gesundheitsamt ein Tätigkeitsverbot anordnet, die arbeitsrechtlichen Rechtsfolgen, wie ein Tätigkeitsverbot und der Entfall der Lohnzahlungspflicht, konkret benannt (vgl. BT-Drucksache 20/188, Seite 41 f.). Eine derartige (arbeitsrechtliche) Folgenbenennung in Bezug auf die „Altarbeitnehmer“, gegenüber denen das Gesundheitsamt kein Tätigkeitsverbot angeordnet hat, bleibt demgegenüber in den Gesetzesmaterialien aus, so dass allein aus der Verwendung des Begriffes „gesetzliche Tätigkeitsvoraussetzung“ an besagter Stelle keine eindeutigen Rückschlüsse gezogen werden können (vgl. ArbG Bonn 18. Mai 2022 – 2 Ca 2082/21 – Rn. 83;Weigert NZA 2022, 166, 169; aA Sächsisches LAG 10. Mai 2022 – 3 SaGa 3/22;ArbG Köln 21. Juli 2022 – 8 Ca 1779/22 – Rn. 59).

(6) In der Gesamtschau der klassischen Auslegungskriterien, allem voran in Anbetracht der aufgezeigten differenzierenden gesetzlichen Regelungssystematik, muss nach Auffassung des Gerichts davon ausgegangen werden, dass der objektivierte Wille des Gesetzgebers nicht auf ein Tätigkeitsverbot für ungeimpfte/nicht genesene „Altarbeitnehmer“ gerichtet war, sondern diese auch über den 15. März 2022 hinaus fortbeschäftigt werden durften und weiterhin dürfen, solange das zuständige Gesundheitsamt kein Betretungs-/Tätigkeitsverbot verhängt. Die Richtigkeit dieses Ergebnisses wird nach Überzeugung des Gerichts durch die nachfolgend geschilderten Umstände und Überlegungen unterstrichen und bekräftigt.

(7) Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die seitens des Gerichts vertretene Auffassung – anders als die Ansicht der Beklagten – in Einklang mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21 – steht und dessen diesbezügliche Auffassung teilt (vgl. auch ArbG Bonn 18. Mai 2022 – 2 Ca 2082/21 – Rn. 86).

(a) Das Bundesverfassungsgericht führt in Rn. 215 der zitierten Entscheidung nämlich explizit aus:

„Für bereits zum 15. März 2022 in den genannten Einrichtungen und Unternehmen tätige Personen hat der Gesetzgeber zudem kein sich unmittelbar kraft Gesetzes ergebendes Betretungs- oder Tätigkeitsverbot geregelt, sondern dessen Anordnung von einer ermessensgeleiteten Einzelfallentscheidung des Gesundheitsamts abhängig gemacht (vgl. § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG). Zuvor muss das Gesundheitsamt Betroffene unter angemessener Fristsetzung auffordern, den Nachweis nach § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG ihm gegenüber zu erbringen. Zudem kann es den bereits zum 15. März 2022 Beschäftigten im Rahmen seines Ermessens nicht nur ein Tätigkeitsverbot auferlegen, sondern auch – als milderes Mittel – lediglich untersagen, eine Einrichtung oder ein Unternehmen zu betreten. Nicht geimpften und nicht genesenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wäre dann – soweit dies in Betracht kommt – eine weitere berufliche Tätigkeit etwa im Home-Office möglich.“

(b) In Rn. 220 der zitierten Entscheidung heißt es ua. noch:

„Gleichzeitig nimmt der Gesetzgeber Personen mit einer medizinischen Kontraindikation von der Pflicht, eine Impfung oder Genesung nachzuweisen, aus und lässt die Anordnung eines Betretungs- oder Tätigkeitsverbots für die bereits zum 15. März 2022 in den Einrichtungen tätigen Personen nur als ermessensgeleitete Einzelfallentscheidung zu. Dies lässt erkennen, dass der Gesetzgeber jedenfalls nicht einseitig allein den Belangen vulnerabler Personen Vorrang eingeräumt hat, sondern auch die Interessen der von der Nachweispflicht Betroffenen im Blick hatte.“

(c) In Rn. 253 der zitierten Entscheidung heißt es ua. schließlich noch einmal:

„Zwar droht weder als Folge einer individuellen Entscheidung gegen eine COVID-19-Impfung noch bei Nichtvorlage eines Nachweises bis zum 15. März 2022 (vgl. § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG) ein berufliches Betretungs- oder Tätigkeitsverbot unmittelbar kraft Gesetzes. Das Gesundheitsamt kann aber, wenn der Nachweis auch ihm gegenüber nicht auf entsprechende Anforderung (vgl. § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG) innerhalb einer angemessenen Frist vorgelegt wird, nach Maßgabe des § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG im Rahmen einer Ermessensentscheidung ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot anordnen.“

(d) Das Bundesverfassungsgericht geht also im Rahmen der Prüfung der Intensität der Grundrechtseingriffe für von der sog. einrichtungsbezogenen Impfpflicht Betroffene (bei der Prüfung von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) davon aus, dass diese durch im Normenprogramm des Gesetzgebers enthaltene Umstände teilweise abgemildert worden seien, ua. auch dadurch, dass der Gesetzgeber gerade kein sich unmittelbar kraft Gesetzes ergebendes Tätigkeitsverbot geregelt, sondern dessen Anordnung von einer ermessensgeleiteten Einzelfallentscheidung des Gesundheitsamts abhängig gemacht habe (Rn. 215). Im Rahmen der Abwägung der entgegenstehenden Grundrechtspositionen, dh. derjenigen von der sog. einrichtungsbezogenen Impfpflicht Betroffenen und derjenigen der vulnerablen Personengruppen, betont das Bundesverfassungsgericht dann, dass der Gesetzgeber Tätigkeitsverbote für die bereits zum 15. März 2022 in den Einrichtungen tätigen Personen nur als ermessensgeleitete Einzelfallentscheidung (des Gesundheitsamts) zugelassen habe und damit jedenfalls nicht einseitig allein den Belangen vulnerabler Personen Vorrang eingeräumt habe, sondern auch die Interessen der von der Nachweispflicht Betroffenen im Blick gehabt habe (Rn. 220). Im Rahmen der Prüfung von Art. 12 Abs. 1 GG der von der sog. einrichtungsbezogenen Impfpflicht Betroffenen betont das Bundesverfassungsgericht dann noch einmal, dass bei Nichtvorlage eines Nachweises bis zum 15. März 2022 kein berufliches Tätigkeitsverbot unmittelbar kraft Gesetzes drohe, aber das Gesundheitsamt, wenn der Nachweis auch ihm gegenüber nicht auf entsprechende Anforderung innerhalb einer angemessenen Frist vorgelegt werde, im Rahmen einer Ermessensentscheidung ein solches anordnen könne (Rn. 253). Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts spricht sich also klar und deutlich gegen eine Auslegung aus, die ein automatisches Tätigkeitsverbot für Altarbeitnehmer aus § 20a Abs. 1 IfSG ableiten will. Eine solche Auslegung wäre auch verfassungsrechtlich höchst problematisch, da dann der vom Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber attestierte, die Grundrechtseingriffe abmildernde Umstand nicht gegeben wäre, in der erforderlichen Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen die Interessen der von der Nachweispflicht Betroffenen außer Blick gerieten und es gerade an einer ermessensgeleiteten Einzelfallentscheidung fehlte. Es wurde bereits erwähnt, dass gerade eine Auslegung geboten ist, die mit dem Grundgesetz in Einklang steht, dh. eine verfassungskonforme Auslegung, die die von der Kammer vertretene Auffassung gerade gewährleistet. Soweit die Beklagte in ihrem schriftsätzlichen Vortrag den Versuch unternimmt, die klaren Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zu relativieren, kann dies nicht nachvollzogen werden.

(8) Ein weiterer Aspekt, durch den sich das erkennende Gericht in seiner Sichtweise bestätigt sieht, ist die bereits zitierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 18. März 2009 – 5 AZR 192/08 – Leitsatz und Rn. 15), wonach die Normierung eines gesetzlichen Tätigkeitsverbotes – vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Gebotes der Normenklarheit – eine nach Voraussetzungen und Rechtsfolgen eindeutige Regelung voraussetzt. Dass § 20a Abs. 1 IfSG im Hinblick auf ein Tätigkeitsverbot keine nach Voraussetzungen und Rechtsfolgen eindeutige Regelung beinhaltet, sondern gelinde ausgedrückt handwerklich nicht besonders gelungen ist, zeigt bereits der Streit in Rechtsprechung und Literatur über die Auslegung dieser Bestimmung, im Übrigen wurde die fehlende Eindeutigkeit bereits ausführlich aufgezeigt. In einem solchen Fall ist – auch bei einer Auslegung – im Zweifel, so das Bundesarbeitsgericht explizit in besagter Entscheidung, kein die Berufsausübung untersagendes Tätigkeitsverbot anzunehmen. Auch vor diesem Hintergrund gewährleistet die vom Gericht vertretene, das Gebot der Normenklarheit achtende Ansicht die Verfassungskonformität der gesetzlichen Regelung.

(9) Schließlich, um auf den objektivierten Willen des Gesetzgebers zurückzukommen, wäre es bemerkenswert, wenn dieser zum Schutz vulnerabler Personengruppen ab dem 16. März 2022 ein automatisches Tätigkeitsverbot auch für „Altarbeitnehmer“ hätte regeln wollen, nun aber seit vielen Monaten – ohne einzuschreiten – eine Praxis tolerieren würde, in der dieses nicht umgesetzt wird. Es ist bekannt, dass die allermeisten Arbeitgeber, in den von der sog. einrichtungsbezogenen Impfpflicht betroffenen Branchen, weiterhin ihre ungeimpften und nicht über einen Genesenenstatus verfügenden „Altarbeitnehmer“ beschäftigen, solange das Gesundheitsamt kein Betretungs-/Tätigkeitsverbot verhängt, was seinerseits nur selten erfolgt. Die Beklagte ist hier eine Ausnahme, dem Gericht die einzig bekannte Ausnahme. Träfe die Auffassung der Beklagten zu, handelten die anderen Arbeitgeber allesamt rechtswidrig. Wäre seitens des Gesetzgebers tatsächlich ein automatisches, aus § 20a Abs. 1 IfSG abzuleitendes gesetzliches Tätigkeitsverbot auch für „Altarbeitnehmer“ gewollt gewesen, wäre zu erwarten gewesen, dass dieser die in diesem Fall flächendeckend rechtswidrige Praxis, zumal in Anbetracht des hohen Gutes der Gesundheit vulnerabler Personengruppen, dessen Schutz Ziel des Gesetzes ist, durch eine Klarstellung im Gesetz alsbald beendet. Dass dies unterblieben ist, untermauert die Ansicht der Kammer, dass ein gesetzliches Beschäftigungsverbot für „Altarbeitnehmer“ vom Gesetzgeber gerade nicht gewollt war und weiterhin auch nicht ist.

(10) Die sachgerechte Auslegung der Gesetzesnorm, zumal unter Berücksichtigung der soeben unter (7) bis (9) angestellten zusätzlichen Erwägungen, führt im Ergebnis für das Gericht zu einem recht klaren Bild: § 20a Abs. 1 IfSG enthält kein gesetzliches Tätigkeitsverbot für die schon vor dem 15. März 2022 beschäftigten ungeimpften und nicht über einen Genesenenstatus verfügenden Arbeitnehmer. Das IfSG behält den Ausspruch eines solchen dem zuständigen Gesundheitsamt vor. Dieser Auffassung ist – was für die Auslegung freilich nicht erheblich ist, aber gleichwohl angemerkt sein soll – im Übrigen, jedenfalls zwischenzeitlich auch das Bundesministerium für Gesundheit. So heißt es auf dessen Internetseite www.wirzusammengegencorona.de bei den FAQs (https://www.zusammengegencorona.de/faqs/spezifische-personengruppen/einrichtungsbezogene-impfpflicht; Stand: 10. Oktober 2022) bei der Frage „Welche arbeitsrechtlichen Folgen können sich für die betroffenen Personen ergeben, wenn keine Nachweise vorgelegt werden?“ ua.:

„Im Hinblick auf Personen, die bereits in den betroffenen Einrichtungen und Unternehmen tätig sind, sind mögliche arbeitsrechtliche Rechtsfolgen abhängig von der Entscheidung des Gesundheitsamtes.

Bis das Gesundheitsamt über den Fall entschieden hat und ggf. ein Betretungs- bzw. Tätigkeitsverbot ausgesprochen hat, ist eine Weiterbeschäftigung der betroffenen Person möglich. Die öffentlich-rechtliche Vorschrift des § 20a IfSG begründet kein Recht des Arbeitgebers zur Freistellung. (…)

In den Fällen, in denen das Gesundheitsamt ein Tätigkeits- oder Betretensverbot ausgesprochen hat, kann die betroffene Arbeitnehmerin bzw. der betroffene Arbeitnehmer in der Einrichtung nicht mehr tätig werden. Damit dürfte für betroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Vergütungsanspruch in der Regel entfallen. (…)“

Die anderslautende Auffassung der Beklagten ist demgemäß nicht nur juristisch unzutreffend, sondern wirkt – diese Bemerkung sei gestattet – nach dem Eindruck der Kammer in zunehmendem Maße auch reichlich praxisfern, erst recht, wenn man sich den chronischen Personalmangel in der Branche vergegenwärtigt.

cc) Ein behördliches Tätigkeitsverbot existiert im vorliegenden Fall nicht. Eine Betretungs- oder Tätigkeitsverbot des zuständigen Gesundheitsamtes nach § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG, nach welchem es der Klägerin untersagt wäre, die Einrichtung der Beklagten zu betreten bzw. in dieser tätig zu werden, liegt nämlich nicht vor.

dd) Eine rechtswirksame unbezahlte Freistellung der Klägerin durch die Beklagte liegt – auch unabhängig davon, dass § 20a Abs. 1 IfSG kein Tätigkeitverbot zu entnehmen ist, dh. nach allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen – nicht vor mit der Folge, dass die Klägerin von der Beklagten, wie beantragt, ihre weitere tatsächliche Beschäftigung als Pflegehelferin gemäß §§ 611a, 613 iVm. § 242 BGB verlangen kann.

aaa) Ohne gesetzliche/behördliche, kollektiv- oder individualvertragliche Rechtsgrundlage kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer grundsätzlich nicht unter Fortfall der Vergütung von der Erbringung der Arbeitsleistung einseitig freistellen (vgl. etwa Küttner/Kreitner Personalbuch 2021, Freistellung von der Arbeit 192, Rn. 13 f.). An einer derartigen Rechtsgrundlage fehlt es hier.

(1) Eine individualvertragliche Rechtsgrundlage für die erfolgte Freistellung besteht nicht. Dass eine wirksame arbeitsvertragliche Freistellungsklausel vorläge, die auf arbeitsvertraglicher Grundlage eine Freistellung der Klägerin, erst recht eine Freistellung unbezahlter Art, ermöglichen könnte, ist nicht ersichtlich. Der Arbeitsvertrag der Klägerin liegt dem Gericht bereits nicht vor.

(2) Eine kollektivvertragliche Rechtsgrundlage für die erfolgte Freistellung besteht ebenfalls nicht. Es ist nicht erkennbar, dass eine Regelung in einem anwendbaren Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung existierte, die als Rechtsgrundlage hierfür dienen könnte.

(3) Eine behördliche Rechtsgrundlage für die erfolgte Freistellung scheidet ebenfalls aus. Insbesondere hat das Gesundheitsamt, wie bereits erwähnt, vorliegend kein Betretungs-/Tätigkeitsverbot nach § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG gegenüber der Klägerin verfügt.

(4) Schließlich fehlt es auch an einer gesetzlichen Rechtsgrundlage für die erfolgte unbezahlte Freistellung. Die Beklagte vermag deren Berechtigung nicht daraus abzuleiten, dass der Klägerin die Erbringung der Arbeitsleistung unmöglich wäre (§ 275 Abs. 1 BGB) oder der Beklagten deren Entgegennahme unzumutbar wäre (§ 242 BGB).

(a) Eine Unmöglichkeit der Erbringung der Arbeitsleistung durch die Klägerin iSv. § 275 Abs. 1 BGB kann nicht bejaht werden, insbesondere kein – hier einzig in Betracht kommendes – rechtliches Unvermögen.

(aa) Bei der Frage eines rechtlichen Unvermögens zur Ausübung der geschuldeten Tätigkeit ist zu differenzieren, ob es um das materielle, auf die Erlangung von Arbeitsentgelt gerichtete oder um das ideelle, auf tatsächliche Beschäftigung gerichtete Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers geht. Für die finanzielle Absicherung bei Nichtbeschäftigung sorgt § 615 Satz 1 BGB, der dem Arbeitnehmer unter den Voraussetzungen der §§ 293 ff. BGB den Entgeltanspruch trotz Nichtarbeit aufrechterhält. Dabei kommt der Arbeitgeber nach § 297 BGB nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die Arbeitsleistung zu bewirken. Die Leistungsfähigkeit ist – neben der Leistungswilligkeit – eine vom Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzung, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen muss. Geht es wie bei Klagantrag Ziff. 1 ausschließlich um das ideelle Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers, kann die Frage des (Nicht-)Bestehens eines Anspruchs auf tatsächliche vertragsgemäße Beschäftigung nicht mit § 297 BGB beantwortet werden. Der von der Rechtsprechung entwickelte Beschäftigungsanspruch ist vielmehr gemäß § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen, wenn die Beschäftigung dem Arbeitgeber unmöglich ist. Das ist ua. dann der Fall, wenn die Rechtsordnung dem Arbeitgeber verbietet, den Arbeitnehmer mit der vereinbarten Tätigkeit (weiterhin) zu beschäftigen (vgl. etwa BAG 1. Juni 2022 – 5 AZR 407/21 – Rn. 19 ff.).

(bb) Dies ist hier nicht der Fall. Dass der gesetzlichen Regelung des § 20a Abs. 1 IfSG kein Tätigkeitverbot entnommen werden kann, wurde bereits ausführlich erörtert, hieraus kann also kein rechtliches Unvermögen abgeleitet werden. Aber auch unabhängig davon vermochte die Beklagte der Klägerin die Tätigkeit nicht rechtmäßig zu verbieten und damit die Freistellung zu rechtfertigen. Eine solche Maßnahme kann nämlich nicht auf das Weisungs-/Direktionsrecht des Arbeitgebers gemäß § 106 GewO gestützt werden, auch nicht auf Satz 2 dieser Norm. Bei einem Tätigkeitsverbot und einer damit einhergehenden unbezahlten Freistellung handelt es sich nämlich – ganz anders als bspw. bei der Anordnung von Corona-Tests (vgl. hierzu BAG 1. Juni 2022 – 5 AZR 28/22) – um einen besonders gravierenden Eingriff in das Vertragsgefüge, dh. in die Hauptleistungspflichten (vgl. ArbG Dresden 29. März 2022 – 9 Ga 10/22). Der Arbeitnehmer kann nicht nur nicht von einem Tag auf den anderen seine Tätigkeit nicht mehr ausüben, sondern verliert mit seinem Arbeitsentgelt zugleich die Grundlage für seinen Lebensunterhalt und ggf. für den Lebensunterhalt seiner Familie. Ob die Bundesagentur für Arbeit in einem derartigen Fall Arbeitslosengeld gewährt, wie dies im Falle der Klägerin nachträglich rückwirkend erfolgte, steht im Zeitpunkt der Freistellung nicht fest, auch eine Sperrzeit kann ggf. verhängt werden. Eine derart einschneidende Maßnahme sprengt ersichtlich den Rahmen des in § 106 GewO verankerten Direktionsrechts. Mit einer Direktionsrechtsmaßnahme kann der Arbeitgeber nach Satz 1 des § 106 GewO Inhalt, Ort und Zeit näher bestimmen, nicht aber einseitig beide Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses suspendieren. Dies gilt auch im Hinblick auf Ordnung und Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb iSd. Satzes 2 des § 106 GewO. Die Beklagte konnte daher nicht – ohne eine gesetzliche Ermächtigung in § 20a IfSG – über § 106 GewO ein arbeitgeberseitiges, rechtliches Unvermögen iSd. § 275 Abs. 1 BGB auslösendes Tätigkeitsverbot gegenüber der Klägerin statuieren, das geeignet wäre, deren unbezahlte Freistellung zu rechtfertigen. Unabhängig davon, dass eine solche Maßnahme den Rahmen des Direktionsrechts schon nicht wahrt, lägen hier auch die übrigen Voraussetzungen für eine wirksame Direktionsrechtsmaßnahme nicht vor. Denn die Norm des § 106 GewO verlangt eine Entscheidung nach billigem Ermessen, dh. eine Entscheidung nach Abwägung der beiderseitigen Interessen im Einzelfall (näher hierzu vgl. etwa BAG 10. August 2022 – 5 AZR 154/22 – Rn. 44), nicht aber eine generelle, bundesweite Maßnahme, wie sie hier von der Beklagten, offenbar gerade ohne Interessenabwägung im Einzelfall, mit den unbezahlten Freistellungen der Betroffenen erfolgt ist. Im Übrigen, dies kommt hier noch hinzu, soll die ermessensgeleitete Einzelfallentscheidung durch das Gesundheitsamt und nicht durch den Arbeitgeber erfolgen (vgl. ArbG Bonn 18. Mai 2022 – 2 Ca 2082/21 – Rn. 86). Ein rechtliches Unvermögen der Erbringung der Tätigkeit als Pflegehelferin lag und liegt bei der Klägerin daher, geht man wie die Kammer nicht von einem Tätigkeitsverbot nach dem IfSG aus, definitiv nicht vor.

(b) Eine Unzumutbarkeit der Entgegennahme der Arbeitsleistung der Klägerin durch die Beklagte, die im Rahmen des § 242 BGB erörtert werden kann, ist ebenfalls – wie auch die Praxis nahezu aller anderen Arbeitgeber der Branche zeigt – nicht gegeben. Zwar kommt dem von der Beklagten mit ihrer Maßnahme intendierten Schutz der vulnerablen Personengruppen, was das Gericht nicht verkennt, ein hoher Stellenwert zu, dieser rechtfertigt es indes nicht, fundamentale arbeitsrechtliche Prinzipien, wie den Grundsatz, dass eine unbezahlte Freistellung eines Arbeitnehmers ohne einschlägige gesetzliche/behördliche, kollektiv- oder individualvertragliche Regelung grundsätzlich nicht möglich ist, über den „Notanker“ des § 242 BGB pandemiebedingt „über Bord zu werfen“, zumal es zum einen mittlerweile, wie bereits erwähnt, fachwissenschaftlich unbestritten ist, dass geimpfte Arbeitnehmer sich ebenso infizieren, das Virus übertragen und so einen Ausbruch des Virus in einer Pflegeeinrichtung auslösen können, und zum anderen dort ein hohes Schutzniveau bereits durch die bestehenden anderweitigen Maßnahmen, insbesondere durch die geltenden Test- und Maskenpflichten, ohnehin gegeben ist. Die von der Beklagten behauptete Unzumutbarkeit der Beschäftigung einer Ungeimpften wie der Klägerin scheint der längst überholten, ehemals propagierten Anschauung verhaftet, es handle sich um eine „Pandemie der Ungeimpften“, die sich schlicht als unzutreffend erwiesen hat.

bbb) Da die unbezahlte Freistellung der Klägerin durch die Beklagte ergo mangels tauglicher Rechtsgrundlage hierfür rechtsunwirksam ist, verbleibt es im Ergebnis vorliegend bei dem Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf tatsächliche Beschäftigung gemäß §§ 611a, 613 iVm. § 242 BGB mit der Folge, dass dem Klagantrag Ziff. 1 stattzugeben war.

2. Der Klagantrag Ziff. 3, mit dem die Klägerin festgestellt wissen will, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr bei Fortbestehen der widerruflichen Freistellung das vertraglich vereinbarte Arbeitsentgelt zu bezahlen bis zu einem entsprechenden Tätigkeitsverbot durch das Gesundheitsamt ihr gegenüber, fällt nicht zur Entscheidung des Gerichts an. Bei diesem Antrag handelt es sich, wie die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer vom 12. Oktober 2022 klargestellt hat, um einen echten, für den Fall des Unterliegens mit dem Klagantrag Ziff. 1 gestellten Hilfsantrag. Da die Klägerin mit dem Klagantrag Ziff. 1 obsiegt hat, ist die Bedingung für einen Anfall des Hilfsantrages zur gerichtlichen Prüfung nicht eingetreten.

3. Die zulässigen Klaganträge Ziff. 4, Ziff. 5 und Ziff. 6, mit denen die Klägerin die Verurteilung der Beklagten verlangt, an sie 404,13 EUR brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener Ansprüche in Höhe von 148,44 EUR netto (für den Zeitraum vom 26. März 2022 bis zum 31. März 2022), weitere 4.176,00 EUR brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener Ansprüche in Höhe von 1.484,40 EUR netto (für April 2022 und Mai 2022) und nochmals weitere 4.176,00 EUR brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener Ansprüche in Höhe von 1.484,40 EUR netto (für Juni 2022 und Juli 2022), jeweils nebst Verzugszinsen aus den Differenzbeträgen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem jeweiligen Fünften des jeweiligen Folgemonats, zu bezahlen, sind in der Sache ebenfalls begründet. Der Klägerin stehen die genannten Differenzbeträge als Annahmeverzugsvergütung zu.

a) Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf die zuletzt von ihr geltend gemachten Hauptforderungen für den Zeitraum vom 26. März 2022 bis zum 31. März 2022 in Höhe von 404,13 EUR brutto abzüglich 148,44 EUR netto, für die Monate April 2022 und Mai 2022 in Höhe von 4.176,00 EUR brutto abzüglich1.484,40 EUR netto und für die Monate Juni 2022 und Juli 2022 in Höhe weiterer 4.176,00 EUR brutto abzüglich1.484,40 EUR netto besteht.Der Klägerin stehen diese Differenzbeträge gemäß § 615 Satz 1 BGB als Annahmeverzugsvergütung zu, denn die Beklagte befindet sich seit dem 16. März 2022 im Annahmeverzug.

aa) In § 615 Satz 1 BGB ist geregelt, dass der Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug kommt, die vereinbarte Vergütung für die infolge des Verzuges nicht geleistete Arbeit verlangen kann. Gemäß § 293 BGB kommt der Arbeitgeber in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Ob der Annahmeverzug ein Angebot der Arbeitsleitung durch den Arbeitnehmer voraussetzt oder dieses ausnahmsweise entbehrlich ist, regeln die §§ 294, 295 und 296 BGB. Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer von der Erbringung der Arbeitsleistung frei, ist ein Angebot entbehrlich. Denn die Aufhebung der Arbeitspflicht bedeutet einen Verzicht auf das Angebot der Arbeitsleistung (st. Rspr., vgl. etwa BAG 15. Mai 2013 – 5 AZR 130/12 – Rn. 25).

bb) Unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen gerät der Arbeitgeber gemäß § 297 BGB nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu bewirken. Die Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit des Arbeitnehmers sind vom Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzungen, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen müssen. Bei Anwendung des § 297 BGB ist zwischen den Fällen abzugrenzen, in denen die Nichtannahme der Arbeit ausschließlich auf dem Willen des Arbeitgebers beruht, so dass er gemäß § 615 Satz 1 BGB zur Fortzahlung des Entgelts verpflichtet ist, und den Konstellationen, in denen mangels Leistungsbereitschaft oder Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers kein Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs besteht. Der Arbeitgeber hat darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außer Stande oder subjektiv nicht bereit war (st. Rspr., vgl. etwa BAG 10. August 2022 – 5 AZR 154/22 – Rn. 18 f.).

cc) Unter Zugrundlegung dieser Maßstäbe befindet sich die Beklagte seit dem Tag der – wie dargelegt rechtsunwirksamen – Freistellung der Klägerin, dh. seit dem 16. März 2022, im Annahmeverzug und es ist, da es sich um eine unbezahlte Freistellung handelt, ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte gemäß § 615 Satz 1 BGB auf Nachzahlung des vertragsgemäßen Entgelts entstanden. Sämtliche Voraussetzungen für die Entstehung eines Annahmeverzugsvergütungsanspruches liegen vor.

aaa) Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestand im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum fort (und besteht nach wie vor).

bbb) Ein Angebot der Arbeitsleistung durch die Klägerin an die Beklagte war aufgrund der Freistellungserklärung derselben entbehrlich. Die Beklagte hat mit ihrer Erklärung auf ein Angebot verzichtet.

ccc) Die Regelung des § 297 BGB steht dem Annahmeverzugsvergütungsanspruch der Klägerin nicht entgegen. Sie war im Streitzeitraum nicht außerstande, die geschuldete Leistung zu bewirken. Der Klägerin kann weder die Leistungswilligkeit noch die Leistungsfähigkeit abgesprochen werden.

(1) Die Klägerin war im streitgegenständlichen Zeitraum nicht leistungsunwillig. Ihr kann kein fehlender Leistungswille attestiert werden, weil sie nicht über den iSd. § 20a Abs. 1 IfSG erforderlichen Nachweis verfügte. Der Leistungswille hat sich nämlich auf die iSv. § 294 BGB zu bewirkende Beschäftigung zu beziehen. Diese ist identisch mit der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit des Arbeitnehmers, wenn diese im Arbeitsvertrag konkret bestimmt ist (vgl. etwa BAG 10. August 2022 – 5 AZR 154/22 – Rn. 19; 21. Juli 2021 – 5 AZR 543/20 – Rn. 14). Die arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeit der Klägerin und damit die zu bewirkende Beschäftigung ist die einer Pflegehelferin. Diese Tätigkeit wollte die Klägerin erbringen, bis die rechtsunwirksame Freistellung durch die Beklagte sie daran hinderte, und will dies weiterhin. Die Leistungswilligkeit kann ihr demgemäß nicht aberkannt werden, insbesondere muss sich diese nicht, wie die Beklagte meint, auf die Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises erstrecken (aus der Entscheidung des BAG vom 1. Juni 2022 – 5 AZR 28/22 – Rn. 20 – vermag dies nicht abgeleitet zu werden, da dort anders als hier eine wirksame Direktionsrechtsmaßnahme angenommen wurde).

(2) Die Klägerin war im streitgegenständlichen Zeitraum auch leistungsfähig.Ihr kann keine fehlende Leistungsfähigkeit attestiert werden, weil sie nicht über den iSd. § 20a Abs. 1 IfSG erforderlichen Nachweis verfügte.

(a) Leistungsfähigkeit setzt voraus, dass der Arbeitnehmer tatsächlich und rechtlich zur geschuldeten Arbeitsleistung in der Lage ist (vgl. BAG 10. August 2022 – 5 AZR 154/22 – Rn. 21).

(aa) Ob Leistungsfähigkeit besteht, bestimmt sich nach objektiven Kriterien. Grundsätzlich unerheblich ist die Ursache für eine Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers. Das Unvermögen kann auf tatsächlichen Umständen (wie zB Arbeitsunfähigkeit) beruhen oder seine Ursache im Rechtlichen haben, etwa wenn ein gesetzliches Beschäftigungsverbot besteht oder eine erforderliche Erlaubnis für das Ausüben der geschuldeten Tätigkeit fehlt. In diesen Fällen steht der Erbringung der Arbeitsleistung ein objektives Leistungshindernis entgegen (vgl. BAG 10. August 2022 – 5 AZR 154/22 – Rn. 22).

(bb) Annahmeverzug tritt allerdings dann ein, wenn der Gläubiger die tatsächliche oder rechtliche Leistungsunfähigkeit des Schuldners herbeiführt. § 615 Satz 1 BGB soll immer, aber auch nur dann eingreifen, wenn die Ursache der Nichterbringung der Arbeitsleistung auf Seiten des Arbeitgebers liegt und dieser die zu bewirkende Leistung des Arbeitnehmers nicht annehmen will oder kann. Denn bereits der Wortlaut des § 615 Satz 1 BGB verlangt für die Aufrechterhaltung des Vergütungsanspruchs des Arbeitnehmers nur, dass der Arbeitgeber die vom leistungswilligen und leistungsfähigen Arbeitnehmer angebotene Arbeitsleistung nicht annimmt. Aus welchen Grund dies geschieht und ob der Arbeitgeber dies verschuldet hat, ist – anders als beim Schuldnerverzug (§ 286 Abs. 4 BGB) – ohne Bedeutung. Die Annahme der Arbeitsleistung ist arbeitsvertraglich keine Pflicht, sondern lediglich eine Obliegenheit des Gläubigers (Arbeitgebers). Jedes den Erfüllungseintritt verhindernde Verhalten des Arbeitgebers ist letztlich eine Nichtannahme der Leistung. Ausreichend ist die „nackte Tatsache“ der Nichtannahme. Das hat zur Konsequenz, dass nur dann, wenn der Arbeitnehmer wegen eines objektiven Leistungshindernisses außer Stande ist, die Leistung zu bewirken, Leistungsunvermögen iSv. § 297 BGB vorliegt. Vom Geltungsbereich dieser Bestimmung nicht erfasst werden Umstände auf Seiten des Gläubigers. Handelt es sich um Leistungshindernisse, die ihre Ursache in dem vom Arbeitgeber bereitzustellenden Sachsubstrat oder der von ihm zu regelnden Arbeitsorganisation haben, ist er deshalb grundsätzlich zur Zahlung der Annahmeverzugsvergütung verpflichtet (vgl. BAG 10. August 2022 – 5 AZR 154/22 – Rn. 24).

(b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Einwand der Beklagten, die Klägerin sei im Streitzeitraum nicht leistungsfähig gewesen, unbegründet. Die Klägerin wäre rechtlich in der Lage gewesen, ihre Arbeitsleistung als Pflegehelferin zu erbringen. Weder das Gesetz (§ 20a Abs. 1 IfSG), wie ausführlich begründet wurde, noch das Gesundheitsamt (§ 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG) verboten ihr die Tätigkeit. Das arbeitgeberseitige, mit der Freistellung der Klägerin verbundene Tätigkeitsverbot führte nicht zu einem Unvermögen zur Erbringung der Arbeitsleistung iSd. § 297 BGB. Die Beklagte hat hiermit selbst die Ursache dafür gesetzt, dass die Klägerin nicht an ihren Arbeitsplatz gelangen konnte. Das Leistungshindernis hat damit seine Ursache in der von ihr geregelten Arbeitsorganisation. Auch wenn man davon ausginge, dass die Beklagte vertretbare arbeitsschutzrechtliche Gründe für das Tätigkeitsverbot angeführt haben sollte, schließt das die Verpflichtung zur Vergütungsfortzahlung nicht aus, denn für Ansprüche aus § 615 Satz 1 iVm. § 611a Abs. 2 BGB ist grundsätzlich unerheblich, aus welchem Grund dies geschieht und ob der Arbeitgeber dies verschuldet hat. Der Arbeitgeber ist deshalb auch dann, wenn er aus Präventionsgründen oder den hier von der Beklagten angeführten Haftungsgründen – ohne infektionsschutzrechtliche gesetzliche oder behördliche Anordnung – den Arbeitnehmer freistellt, diesem für die Zeit der Freistellung zur Vergütungsfortzahlung verpflichtet (vgl. BAG 10. August 2022 – 5 AZR 154/22 – Rn. 37).

ddd) Die unbezahlte Freistellung, aufgrund derer die Beklagte die Arbeitsleistung der Klägerin ab dem 16. März 2022 nicht mehr angenommen hat, ist im Übrigen rechtsunwirksam, so dass sämtliche Voraussetzungen für die Entstehung von Annahmeverzug vorliegen. Weshalb dem so ist, wurde ausführlich erläutert, insoweit kann vollumfänglich auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Auch im Rahmen der Prüfung der Annahmeverzugsvergütungsansprüche kann vor allem nicht von einer ausnahmsweisen Unzumutbarkeit der Entgegennahme der Arbeitsleistung der Klägerin ausgegangen werden.

(1) Der Arbeitgeber kommt zwar trotz Nichtannahme der Arbeitsleistung nicht in Annahmeverzug, wenn ihm nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Arbeitslebens die Annahme der Arbeitsleistung unzumutbar ist (st. Rspr., vgl. etwa BAG 10. August 2022 – 5 AZR 154722 – Rn. 39).

(2) Dies ist hier aber nicht der Fall. Weshalb der Beklagten eine Beschäftigung der Klägerin nicht unzumutbar war und nicht unzumutbar ist, wurde im Rahmen der Prüfung des Beschäftigungsanspruches erörtert. Im Rahmen der Annahmeverzugsvergütungsansprüche gilt nichts anderes, so dass auf die obigen Ausführungen Bezug genommen wird.

cc) Der dem Grunde nach für den Zeitraum ab der Freistellung der Klägerin (ab 16. März 2022) folglich im gesamt streitgegenständlichen Zeitraum (bis 31. Juli 2022) entstandene Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Annahmeverzugsvergütung gemäß § 615 Satz 1 BGB beläuft sich der Höhe nach für den Zeitraum vom 26. März 2022 bis zum 31. März 2022 auf 404,13 EUR brutto (6/31 von 2.088,00 EUR brutto = 404,13 EUR brutto; der Zeitraum vom 16. März 2022 bis zum 25. März 2022 wurde aufgrund unklarer Anspruchsübergänge zuletzt nicht mehr geltend gemacht) und für die Folgemonate April 2022 bis Juli 2022 auf jeweils auf 2.088,00 EUR. Dass zu der im Rahmen des § 615 Satz 1 BGB geschuldeten Annahmeverzugsvergütung neben der monatlichen Grundvergütung in Höhe von 2.058,00 EUR brutto auch die monatliche Schichtzulage in Höhe von 30,00 EUR brutto gehört, steht außer Frage.

dd) Der nach alledem für den Zeitraum vom 26. März 2022 bis zum 31. März 2022 entstandene Annahmeverzugsvergütungsanspruch in Höhe von 404,13 EUR brutto, der für die Monate April 2022 und Mai 2022 entstandene Annahmeverzugsvergütungsanspruch in Höhe von 4.176,00 EUR brutto und der für die Monate Juni 2022 und Juli 2022 entstandene Annahmeverzugsvergütungsanspruch in Höhe von weiteren 4.176,00 EUR brutto ist gemäß § 115 Abs. 1 SGB X aufgrund Anspruchsüberganges erloschen, soweit die Klägerin im Zeitraum vom 26. März 2022 bis zum 31. Juli 2022 Arbeitslosengeld bezogen hat. Dieses belief sich für den Zeitraum vom 26. März 2022 bis zum 31. März 2022 ausweislich des Arbeitslosengeldbescheides vom 21. Juli 2022 auf 148,44 EUR netto und für die Monate April 2022 bis Juli 2022 jeweils auf 742,20 EUR netto pro Monat. Wie zuletzt beantragt waren daher beim Klagantrag Ziff. 4 (26. März 2022 bis zum 31. März 2022) von den 404,13 EUR brutto 148,44 EUR netto in Abzug zu bringen und bei den Klaganträgen Ziff. 5 (April 2022 und Mai 2022) und Ziff. 6 (Juni 2022 und Juli 2022) von den jeweiligen 4.176,00 EUR brutto jeweils 1.484,40 EUR netto (jeweils 2 x 742,20 EUR netto).

b) Der Anspruch auf die zuletzt geltend gemachten Nebenforderungen aus den nach alledem bestehenden Hauptforderungen in Gestalt von Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz besteht ebenfalls wie zuletzt beantragt. Er folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1 iVm. Abs. 1 Satz 1 BGB. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte muss davon ausgegangen werden, dass das Entgelt der Klägerin gemäß § 614 Satz 2 BGB jeweils mit Ende des jeweiligen Monats fällig wurde, dasjenige für März 2022 also mit Ablauf des 31. März 2022, dasjenige für April 2022 also mit Ablauf des 30. April 2022,dasjenige für Mai 2022 also mit Ablauf des 31. Mai 2022, dasjenige für Juni 2022 also mit Ablauf des 30. Juni 2022 und dasjenige für Juli 2022 also mit Ablauf des 31. Juli 2022. Zum Zeitpunkt des von der Klägerin beantragten Zinsbeginns, dem Fünften des jeweiligen Folgemonats, befand sich die Beklagte also bereits in Zahlungsverzug.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 ZPO iVm. 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Danach waren die Kosten im Verhältnis des Unterliegens der Beklagten – insoweit trägt diese die Kosten – und der Teilklagerücknahmen – insoweit trägt die Klägerin die Kosten – zu teilen. Dies führt zu der tenorierten Kostenquotelung.

III.

Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes ergibt sich aus §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 3 ZPO. Der hier maßgebliche Rechtsmittelstreitwert setzt sich zusammen aus den mit den mit den Klaganträgen Ziff. 4 bis Ziff. 6 zuletzt beziffert eingeklagten Beträgen (insgesamt 5.638,89 EUR) und dem mit einem Bruttomonatsverdienst der Klägerin (2.088,00 EUR) zu bewertenden Beschäftigungsantrag (Klagantrag Ziff. 1). Der Klagantrag Ziff.3 führt nicht zu einer Erhöhung des Streitwertes, weil über diesen Hilfsantrag nicht zu entscheiden war. Insgesamt beläuft sich der Rechtsmittelstreitwert deshalb auf 7.726,89 EUR.

IV.

Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung folgt aus § 64 Abs. 3a Satz 1 ArbGG. Die Berufung, die gemäß § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG für die Beklagte kraft Gesetzes statthaft ist, war darüber hinaus für die Beklagte gemäß § 64 Abs. 2 Buchst. a, Abs. 3 ArbGG gesondert zuzulassen, da sowohl der Zulassungsgrund des § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG als auch derjenige des § 64 Abs. 3 Nr. 3 ArbGG nach Auffassung des Gerichts gegeben sind.

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