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Einsatzort des Arbeitnehmers – Umfang des Direktionsrechts des Arbeitgebers

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 2 Sa 424/18 – Urteil vom 13.02.2020

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 14.11.2018 – 12 Ca 1483/18 – abgeändert und die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits (1. und 2. Instanz) hat die Klägerin zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Änderungskündigung.

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 1. November 2014 als pädagogische Fachkraft in Teilzeit auf der Grundlage des Arbeitsvertrags der Parteien vom 18. November 2014 (Bl. 13, 14 d. A.) beschäftigt, der u.a. folgende Regelungen enthält:

„(…)

§ 3

Die Kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) für das Bistum X. – einschließlich der Anlagen – ist in ihrer jeweiligen Fassung Bestandteil dieses Vertrages, es sei denn, dass sich aus diesem Vertrag etwas anderes ergibt.

§ 4

(1) Die Mitarbeiterin wird unbeschadet der Vorschriften in § 8 KAVO in Gesamteinrichtung M.-U. eingesetzt.

(2) Der Beschäftigungsumfang beträgt:

50,0 % eines Vollbeschäftigen, das sind zurzeit 19,5 Std./Woche.

§ 7

Sonstige Vereinbarungen:

Frau A. wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Arbeitsleistung an wechselnden Einsatzorten innerhalb der Gesamteinrichtung M.-U. der KiTa gGmbH K., hierzu gehören M., P., L. und O., zu erbringen ist.

Der Wechsel des Einsatzortes wird Frau A. spätestens 1 Tag im Voraus mitgeteilt.

Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis ordentlich kündbar ist. Die Kündigungsfrist ergibt sich aus § 40 KAVO.“

Die Beklagte organisiert die von ihr getragenen Kindertagesstätten in sog. Gesamteinrichtungen. In jeder Gesamteinrichtung ist mindestens eine Springerkraft beschäftigt. Hierzu gehörte bis Ende 2017 auch die Gesamteinrichtung „M.-U.“ mit ihren vier Kindertagesstätten in M., P., L. und O., in denen die Klägerin je nach Bedarf als sog. Springerkraft eingesetzt wurde. Mit Wirkung zum 1. Januar 2018 und anlässlich der Übernahme weiterer Einrichtungen entschied sich die Beklagte dafür, die Anzahl der Gesamteinrichtungen mit ihren jeweiligen Einrichtungen neu zu strukturieren und zu vergrößern. Die Gesamteinrichtung, in der die Klägerin beschäftigt ist, nennt sich nun Gesamteinrichtung „Rhein-M./M.“ und umfasst neben den bisherigen vier Kindertagesstätten nunmehr auch die Kindertagesstätten in R. und W..

Mit Schreiben vom 25. April 2018 (Bl. 36 d. A.) unterrichtete die Beklagte die zuständige Mitarbeitervertretung über die von ihr beabsichtigte Änderungskündigung; wegen der Einzelheiten wird auf das Anhörungsschreiben vom 25. April 2018 Bezug genommen. Mit Schreiben vom 27. April 2018 (Bl. 37 d. A.) machte die Mitarbeitervertretung Einwendungen gegen die Änderungskündigung geltend; hinsichtlich der angegebenen Gründe wird auf das Schreiben der Mitarbeitervertretung vom 27. April 2018 verwiesen. Daraufhin wurde die Mitarbeitervertretung von der Beklagten mit Schreiben vom 4. Mai 2018 (Bl. 148 d. A.) zu einer gemeinsamen Sitzung am 15. Mai 2018 zur Besprechung der im Schreiben vom 27. April 2018 aufgeführten Punkte eingeladen, die an diesem Tag auch stattfand; diesbezüglich wird auf das vorgelegte Kurzprotokoll der Sitzung vom 15. Mai 2018 (Bl. 150 d. A.) verwiesen.

Sodann sprach die Beklagte gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 15. Mai 2018 (Bl. 11, 12 d. A.) eine ordentliche Änderungskündigung zum 30. Juni 2018 aus, in der es heißt:

„Ordentliche Arbeitgeberkündigung zum 30.06.2018

Sehr geehrte Frau A.,

wir sehen uns leider gezwungen, Ihr Arbeitsverhältnis aus den bereits zurückliegend umfangreich mit Ihnen erörterten und beschriebenen Gründen unter Einhaltung der bei Ihnen bestehenden Kündigungsfristen zu kündigen.

Ihr Arbeitsverhältnis endet demzufolge am 30.06.2018.

Gleichzeitig bieten wir Ihnen an, das Arbeitsverhältnis zu folgenden Arbeitsbedingungen in unserem Unternehmen fortzusetzen:

Sie werden ab 01.07.2018 als pädagogische Fachkraft mit einem wöchentlichen Beschäftigungsumfang von 50,00 % = 19,5 Stunden, eingruppiert entsprechend der Anlage 4c der KAVO in die Entgeltgruppe S 8a Fallgruppe 1, in der Gesamteinrichtung R.-M./M. der C. unbefristet weiterbeschäftigt. Wir weisen Sie ausdrücklich darauf hin, dass die Arbeitsleistung an wechselnden Einsatzorten innerhalb der Gesamteinrichtung Rhein.-M./M. der C., hierzu gehören M., P., L., O., R. und W., zu erbringen ist.

Im Übrigen gelten die Bedingungen Ihres Arbeitsvertrages unverändert fort.

(…)“

Die Klägerin nahm das ihr unterbreitete Änderungsangebot unter dem Vorbehalt an, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist.

Mit ihrer am 25. Mai 2018 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Änderungsschutzklage wendet sich die Klägerin gegen die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 15. Mai 2018.

Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 14. November 2018 – 12 Ca 1483/18 – und die erstinstanzlich eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 15. Mai 2018 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 14. November 2018 – 12 Ca 1483/18 – hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.

Gegen das ihr am 21. November 2018 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2018, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 18. Februar 2019 mit Schriftsatz vom 18. Februar 2019, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.

Sie trägt vor, der Ausspruch der Änderungskündigung sei insoweit vorsorglich erfolgt, als sie davon ausgehe, dass hier ein Direktionsrecht bestehe, weil die Klägerin als Springerin in einem Betrieb eingesetzt werde, der sich schlicht vergrößert habe mit den entsprechenden Folgen. Ihrer Auffassung nach sei die Argumentation des Arbeitsgerichts nicht haltbar, weil zum einen der zwischen den Parteien abgeschlossene Arbeitsvertrag nicht sachgerecht ausgelegt werde und zum anderen insbesondere die Unternehmensstrukturierung, d.h. die Aufteilung in einzelne Betriebe nicht beachtet worden sei. Soweit das Arbeitsgericht seine Entscheidung damit begründe, dass der Beschäftigungsbedarf der Klägerin nicht entfallen sei, sondern sich vielmehr sogar um zwei Einsatzorte erweitert hätte, sei diese Argumentation nicht nachvollziehbar. Abgestellt werde hier nur auf die zunächst im „Betrieb M.-U.“ genannten Kindertagesstätten. Vollkommen unbeachtet bleibe, dass es diesen Betrieb nicht mehr gebe und die Klägerin nach der Unternehmensumstrukturierung nun in dem Betrieb „Rhein-M./M.“ beschäftigt sei, der eben zwei weitere Kindertagesstätten erfasse. Würde man der Argumentation des Arbeitsgerichts folgen, so könnte kein Arbeitgeber bei einer Betriebsvergrößerung die bisherigen Arbeitnehmer in dem neuen Betriebsteil einsetzen, sofern der bisherige Arbeitsplatz noch existiere. Im Ergebnis habe das Arbeitsgericht gar nicht entschieden, ob vorliegend ein Direktionsrecht bestehe, sondern seine Entscheidung damit begründet, dass von dem Direktionsrecht arbeitgeberseitig kein Gebrauch gemacht worden sei. Dem sei zu widersprechen. Dem Kündigungsschreiben sei der unmissverständliche Hinweis zu entnehmen, dass der Sachverhalt zunächst mehrfach und umfangreich mit der Klägerin erörtert worden sei, um die Aussprache einer Kündigung zu vermeiden. Nachdem die Klägerin mit den entsprechend geänderten Arbeitsbedingungen jedoch nicht einverstanden gewesen sei, habe sie sich sodann vorsorglich zur Aussprache der Änderungskündigung veranlasst gesehen. Das Arbeitsverhältnis sei entsprechend der Vorgabe der Arbeitgeberseite sodann fortgeführt worden, was nichts anderes bedeute, als dass von dem Direktionsrecht selbstverständlich ganz praktisch Gebrauch gemacht worden sei. Allerdings sei aufgrund der nicht eindeutigen Rechtslage äußerst vorsorglich eine Änderungskündigung erfolgt. Der Arbeitgeber handele nicht unverhältnismäßig, wenn er in Zweifelsfällen statt der einseitigen Leistungsbestimmung den Weg der Änderungskündigung bestreite. Seien die Arbeitsbedingungen, die der Arbeitgeber durch die Änderungskündigung herbeiführen wolle, bereits vorhanden und nehme der Arbeitnehmer das an sich überflüssige Änderungsangebot wenn auch nur unter Vorbehalt an, könne er nach zutreffender Ansicht des Bundesarbeitsgerichts den Kündigungsrechtstreit nicht gewinnen. Das Arbeitsverhältnis sei nach der Unternehmensumstrukturierung selbstverständlich entsprechend „gelebt“ worden. Im Arbeitsvertrag der Klägerin würden zwar die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Gesamteinrichtung gehörenden Kindertagesstätten benannt. Jedoch enthalte § 4 des Arbeitsvertrages unter Absatz 1 die eindeutige und unmissverständliche Regelung, dass die Mitarbeiterin „unbeschadet der Vorschriften in § 8 KAVO“ eingesetzt werde. Danach könne die Mitarbeiterin aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen versetzt oder abgeordnet werden. In einem Parallelfall habe das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz ausweislich des vorgelegten Sitzungsprotokolls vom 25. Juni 2018 – 6 Sa 313/18 – unmissverständlich darauf hingewiesen, dass vieles dafür spreche, dass §§ 4, 7 des Arbeitsvertrages angesichts des ausdrücklichen Hinweises darauf, dass § 8 KAVO unbeschadet bleiben solle, dahingehend auszulegen seien, dass keine Festlegung auf den Arbeitsort der Klägerin vereinbart, sondern lediglich die aktuellen Einsatzorte der Klägerin geregelt worden seien. Danach dürfte feststehen, dass die Klägerin verpflichtet sei, als Springerin auch in den neuen Kindertagesstätten zu arbeiten. Die vorsorglich ausgesprochene Änderungskündigung, welche unter Vorbehalt angenommen worden sei, sei grundsätzlich nicht notwendig zur Durchsetzung der entsprechenden Einsatztätigkeit der Klägerin. Auch die Mitarbeitervertretung sei ordnungsgemäß beteiligt worden.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des am 14. November 2018 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz – 12 Ca 1483/18 – die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, die Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt ihr gegenüber die Weisung erteilt, in den Kindertagesstätten in R. oder W. ihre Arbeitstätigkeit zu leisten. Nach ihren Ausführungen in der Berufungsbegründung habe die Beklagte „rein vorsorglich“ eine Änderungskündigung ausgesprochen, obwohl nach ihrem eigenen Vortrag ein Direktionsrecht bestehe. Eine Änderungskündigung verstoße jedoch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn es ihrer nicht bedürfe. Der Vortrag der Beklagten sei auch widersprüchlich, soweit sie einerseits „auf Vorrat“ ihr Direktionsrecht im Wege der Änderungskündigung erweitern wolle und auf der anderen Seite konstatiere, dass sich ihr Betrieb lediglich „etwas vergrößert“ habe. Das lasse darauf schließen, dass es einer Erweiterung ihrer Einsatzmöglichkeit als Springerin nicht bedürfe. Diese Annahme stehe auch im Einklang mit der Tatsache, dass die Beklagte im Hinblick auf einen etwaigen Einsatz in R. und W. zu keinem Zeitpunkt auf sie zugegangen sei, erst recht eine solche Weisung nicht erteilt habe. Die Beklagte habe nicht dargelegt, welche Auswirkungen die behauptete Unternehmensumstrukturierung auf ihr Arbeitsverhältnis haben solle. Ein von der Beklagten behaupteter Mehrbedarf an Arbeitskraft dergestalt, dass nunmehr zu den im Arbeitsvertrag vereinbarten Einsatzorten auch die Kindertagesstätten in R. und W. als Einsatzorte hinzukommen würden, müsse zu Lasten der Beklagten als Unternehmen gehen. Vergrößere ein Arbeitgeber sein Unternehmen, entspringe diese Entscheidung seiner Risikosphäre. Er sei gehalten, die Vergrößerung anhand der bestehenden Arbeitsverträge auszurichten und müsse sich an den Grundsatz halten, dass geschlossene Verträge einzuhalten seien. Die Beklagte sei daher darauf zu verweisen, am Arbeitsmarkt eine Erziehungskraft zu rekrutieren, die bereit sei, sich einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung im Hinblick auf den Einsatzort auch der Ortschaften R. und W. zu unterwerfen. Demgegenüber sei der Arbeitsbedarf in dem bisher in ihrem Arbeitsvertrag definierten vier Ortschaften nicht weggefallen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Klägerin wird auf ihre Schriftsätze vom 26. März 2019 und 9. Januar 2020 verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle und den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b und c ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. 519, 520 ZPO.).

Die Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Die zulässige Änderungsschutzklage ist unbegründet. Die von der Beklagten ausgesprochene Änderungskündigung, die die Klägerin unter Vorbehalt angenommen hat, war „überflüssig“. Es liegt auch kein Mangel in der Kündigungserklärung vor. Die Mitarbeitervertretung ist ordnungsgemäß beteiligt worden.

I.

Die von der Klägerin begehrte Feststellung, die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 15. Mai 2018 sei sozial ungerechtfertigt (§ 4 Satz 2 Alt. 1 KSchG), kann nicht getroffen werden, weil das von ihr unter Vorbehalt angenommene „Änderungsangebot“ der Beklagten in Wirklichkeit gar nicht auf eine Änderung der Arbeitsbedingungen abzielte.

1. Hat der Arbeitnehmer – wie hier die Klägerin – das Änderungsangebot des Arbeitgebers unter Vorbehalt angenommen und Änderungsschutzklage nach § 4 Satz 2 KSchG erhoben, streiten die Parteien nicht über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern nur noch über die Berechtigung des Angebots auf Änderung der Arbeitsbedingungen. Vom Arbeitgeber erstrebte Änderungen, die sich schon durch die Ausübung des Weisungsrechts gemäß § 106 Abs. 1 GewO durchsetzen lassen, halten sich im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen und sind keine „Änderung der Arbeitsbedingungen“ i.S.v. § 2 Satz 1, § 4 Satz 2 KSchG. Soll der bestehende Vertragsinhalt nicht geändert werden, liegt in Wirklichkeit kein Änderungsangebot vor, die vermeintlich erst herbeizuführenden Vertragsbedingungen gelten bereits. Eine Änderungskündigung ist „überflüssig“. Eine Änderungsschutzklage ist dann unbegründet (BAG 19. Juli 2012 – 2 AZR 25/11 – Rn. 21, NZA 2012, 1038).

2. Im Streitfall ist die von der Beklagten durch die Änderungskündigung erstrebte Änderung der Arbeitsbedingungen darauf gerichtet, dass die Klägerin – über die bisherigen vier Kindertagesstätten hinaus – in zwei weiteren Kindertagesstätten in R. und W. eingesetzt werden kann, die nach der Unternehmensumstrukturierung zu der entsprechend erweiterten Gesamteinrichtung gehören, die sich nunmehr Gesamteinrichtung „Rhein-M./M.“ nennt. Um der Klägerin als sog. Springerkraft auch Einsätze in diesen beiden weiteren Kindertagesstätten zuweisen zu können, bedurfte es keiner Änderungskündigung. Die Auslegung der in §§ 4 und 7 des Arbeitsvertrages der Parteien getroffenen Regelungen ergibt, dass der Einsatz der Klägerin nicht auf die im Zeitpunkt der Einstellung vorhandenen vier Einsatzorte bzw. Kindertagesstätten der damaligen Gesamteinrichtung M.-U. vertraglich beschränkt worden ist.

a) Die Bestimmung eines Ortes der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung. Es macht keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Ortes der Arbeitsleistung verzichtet und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 GewO vorbehalten bleibt oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, aber die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird. In diesem Fall wird lediglich klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte bestehen soll (BAG 13. November 2013 – 10 AZR 1082/12 – Rn. 26, juris). Fehlt es an einer Festlegung des Inhalts oder des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an. Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, unterliegt dies der Ausübungskontrolle gemäß § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB (BAG 30 November 2016 – 10 AZR 11/16 – Rn. 19, NZA 2017, 1394; BAG 13. November 2013 – 10 AZR 1082/12 – Rn. 27, juris).

b) Nach § 3 des Arbeitsvertrages der Parteien ist die Kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) für das Bistum in ihrer jeweiligen Fassung Bestandteil dieses Vertrages, es sei denn, dass sich aus diesem Vertrag etwas anderes ergibt. Sodann ist in § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrages vereinbart, dass die Mitarbeiterin „unbeschadet der Vorschriften in § 8 KAVO“ in der Gesamteinrichtung M.-U. eingesetzt wird. In § 8 Abs. 1 KAVO ist geregelt, dass die Mitarbeiterin aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen versetzt oder abgeordnet werden kann. Soweit die Klägerin in § 7 unter „sonstige Vereinbarungen“ ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass die Arbeitsleistung an wechselnden Einsatzorten innerhalb der Gesamteinrichtung M.-U. mit den damals hierzu gehörenden Einsatzorten M., P., L. und O. zu erbringen ist, liegt darin keine vertragliche Beschränkung des Direktionsrechts auf die genannten Einsatzorte. Vielmehr wird die Klägerin lediglich auf ihre bei Vertragsbeginn aktuellen Einsatzorte hingewiesen. Mit dem in § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrages enthaltenen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass § 8 KAVO unbeschadet bleiben soll, ist hinreichend klargestellt, dass die Bestimmung der Einsatzorte im Vertrag lediglich die erstmalige Ausübung des Weisungsrechts darstellt und die in § 8 KAVO geregelte Befugnis zur Versetzung oder Abordnung aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen davon unberührt bleibt. Mithin ergibt die Auslegung des Arbeitsvertrags, dass mit dem Hinweis auf die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur damaligen Gesamteinrichtung M.-U. gehörenden Einsatzorte keine das Direktionsrecht beschränkende Festlegung vertraglich vereinbart worden ist. Danach bedurfte es keiner Änderungskündigung, um der Klägerin im Wege des Direktionsrechts auch eine Tätigkeit in den weiteren Kindertagesstätten in R. und W. der entsprechend erweiterten Gesamteinrichtung Rhein-M./M. zuweisen zu können.

II.

Die Änderungskündigung ist auch nicht nach § 34 Abs. 5 der Ordnung für Mitarbeitervertretungen im Bistum (Mitarbeitervertretungsordnung – MAVO) unwirksam.

Zwar kann ein Mangel in der Kündigungserklärung auch dann zum Erfolg einer Änderungsschutzklage entsprechend der zweiten Alternative des § 4 Satz 2 KSchG führen, wenn die Änderungskündigung „überflüssig“ war und der Arbeitnehmer das „Änderungsangebot“ unter Vorbehalt angenommen hat (BAG 22. Oktober 2015 – 2 AZR 124/14 – Rn. 28, NZA 2016, 225). Die Mitarbeitervertretung ist aber hier ordnungsgemäß beteiligt worden.

Die Beklagte hat die Mitarbeitervertretung mit ihrem Schreiben vom 25. April 2018 ordnungsgemäß über die Gründe der Änderungskündigung unterrichtet (§ 34 Abs. 1 MAVO). Dabei ist die Mitteilung der Kündigungsgründe „subjektiv determiniert“. Der Arbeitgeber muss nur diejenigen Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss bestimmt haben. Im Anhörungsschreiben vom 25. April 2018 hat die Beklagte der Mitarbeitervertretung sowohl die ihren Kündigungsentschluss bestimmenden Gründe für die Änderung der Arbeitsbedingungen als auch die angebotene Vertragsänderung, der die Klägerin nicht zugestimmt habe, mitgeteilt. Im Hinblick darauf, dass es sich bei der Klägerin um die einzige Springerkraft der betreffenden Gesamteinrichtung handelt, hat sie eine Sozialauswahl erkennbar nicht durchgeführt. Auf die Frage, ob unter Einbeziehung weiterer Gesamteinrichtungen eine Sozialauswahl hätte durchgeführt werden müssen, kommt es hier nicht an. Die Beklagte hat sich nach ihrer für die Anhörung der Mitarbeitervertretung maßgeblichen subjektiven Sicht im Anhörungsschreiben erkennbar nicht auf eine Auswahl nach sozialen Kriterien berufen, weil die angestrebte Vertragsänderung nur die Klägerin als einzige Springerkraft der betreffenden Gesamteinrichtung betroffen hat. Weiterhin hat die Beklagte auch das in § 30 Abs. 2 Satz 3 und 4 MAVO geregelte Verfahren nach den von der Mitarbeitervertretung mit Schreiben vom 27. April 2018 erhobenen Einwendungen eingehalten. Sie hat die Mitarbeitervertretung mit Schreiben vom 4. Mai 2018 zu einer gemeinsamen Sitzung zur Besprechung der gerügten Punkte am 15. Mai 2018 eingeladen, die an diesem Tag auch stattgefunden hat. Mithin ist die sodann ausgesprochene Änderungskündigung auch nicht nach § 34 Abs. 5 MAVO unwirksam.

Auf die Frage, ob die Beklagte der Klägerin zwischenzeitlich einen Einsatz in den Kindertagesstätten in R. und W. wirksam durch Ausübung ihres Direktionsrechts zugewiesen hat, kommt es im Streitfall nicht an, weil dies nicht Streitgegenstand der vorliegenden Änderungsschutzklage ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

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