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Eintritt des Versicherungsfalls bei arbeitsrechtlicher Kündigungsangelegenheit

AG Hamburg-St. Georg, Az.: 918 C 16/07, Urteil vom 12.04.2007

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar, der Klägerin bleibt nachgelassen, die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des Kostenbetrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Eintritt des Versicherungsfalls bei arbeitsrechtlicher Kündigungsangelegenheit
Symbolfoto: fizkes/Bigstock

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Freistellung von einer Rechnung ihrer Prozessbevollmächtigten aus einer arbeitsrechtlichen Angelegenheit.

Die Klägerin ist Versicherungsnehmerin der Beklagten und unterhält bei dieser seit 1998 eine Privat-, Berufs- und Verkehrsrechtsschutzversicherung.

Die Klägerin war bei der Landesbank Berlin angestellt. Mit Schreiben vom 13.8.2004 wurde ihr mitgeteilt, dass betriebsbedingte Kündigungen bevorstehen und dass sie von einer betriebsbedingten Kündigung betroffen sein könnte. Sie wurde aufgefordert, die Geschäftsleitung zu kontaktieren, um die Möglichkeiten und Bedingungen einer einvernehmlichen Aufhebung zu erörtern. Hierauf reagierte die Klägerin nicht. Daraufhin erhielt sie von der Landesbank Berlin ein Schreiben vom 13.9.2004. In dem Schreiben heißt es unter anderem:

„Um den erforderlichen Personalbestand zu erreichen, müssen nach heutigem Datenstand in ihrer Tätigkeitsvergleichsgruppe leider Ende September 2004 betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden. Eine endgültige Entscheidung darüber wird der Vorstand Ende September fällen.

Sie gehören gemäß aktueller Datenlage zu der Gruppe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, für die eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem freien vergleichbaren zumutbaren Arbeitsplatz weder jetzt besteht noch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist gegeben sein wird. Eine weitere Prüfung einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit gemäß Ziffer 1.1 der Sozialauswahlrichtlinien sowie die vor Fertigstellung dieses Schreibens dienststellenweit durchgeführte soziale Auswahl fiel in ihrem Fall ebenfalls negativ aus. Sie werden hiermit deshalb davon unterrichtet, dass am 13.9.2004 Ihre Unterlagen an den Personalrat übergeben wurden mit der Aufforderung, die Zustimmung gemäß §§ 79 i. V. m. § 87 Nr. 9 PersVG Berlin zu einer betriebsbedingten Kündigung zu erteilen.

Bitte beachten Sie: dieses Schreiben ist keine Kündigung!!

Bis Ende September werden Austritte und der Abschluss weiterer freiwilliger Maßnahmen mit kapazitätsreduzierender Wirkung zum 1.1.2005 in ihrer Tätigkeitsvergleichsgruppe dazu beitragen die Anzahl möglicher betriebsbedingter Kündigungen zu reduzieren. Wir möchten Sie daher an dieser Stelle noch einmal auf die Möglichkeiten zum Abschluss einer SEV-Vereinbarung, auf die Sprint-Prämie sowie auf die Regularien zu erweiterten Vorruheständen hinweisen.“

Nach Erhalt des Schreibens begab sich die Klägerin zur Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten und beauftragte diese zunächst mit der außergerichtlichen Wahrnehmung ihrer Interessen gegenüber der Landesbank Berlin. Als Ergebnis der außergerichtlichen Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten wurde am 24.09.2004 eine Aufhebungsvereinbarung geschlossen, in welcher sich die Landesbank zu einer Abfindung in Höhe von 58.337,97 Euro gegenüber der Klägerin verpflichtete. Im Gegenzug wurde das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2004 beendet.

Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin berechneten ihr gegenüber für die außergerichtliche Tätigkeit einen Gesamtbetrag von 1731,65 Euro. Die Beklagte lehnte auf Anfrage eine Kostenübernahme ab.

Die Klägerin ist der Ansicht, der Versicherungsfall sei zum Zeitpunkt der Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin bereits eingetreten gewesen, da bereits die konkrete und unmissverständliche Ankündigung einer Kündigung verbunden mit dem Hinweis auf die Möglichkeit eines Aufhebungsvertrages einen Rechtsverstoß im Sinne des § 4 ARB darstelle.

Die Klägerin behauptet, die ihr von der Bankgesellschaft angedrohte Kündigung wäre rechtswidrig gewesen, da nach der Klägerin etliche weitere Arbeitnehmer mit schlechteren Sozialdaten eingestellt worden seien, die zunächst zu kündigen gewesen wären.

Die Klägerin stellt den Antrag, die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von der Rechnung der Rechtsanwaltskanzlei … und … vom 29.10.2004 über 1731,65 Euro freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, ein Rechtsschutzfall liege erst dann vor, wenn der Arbeitgeber eine rechtswidrige oder zumindest möglicherweise rechtswidrige Kündigung tatsächlich ausgesprochen habe.

Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass die der Klägerin angedrohte Kündigung gegebenenfalls rechtswidrig gewesen wäre.

Zur Ergänzung des Tatbestandes verweist das Gericht auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kl. steht gegen die Beklagte ein Anspruch aus dem Versicherungsverhältnis nicht zu, da ein Rechtsschutzfall noch nicht eingetreten ist. Gemäß § 4 ARB 94 besteht Rechtsschutz von dem Zeitpunkt an, in dem der Versicherungsnehmer oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll. Dies war vorliegend zum Zeitpunkt der Einschaltung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin noch nicht der Fall. Das Schreiben der Landesbank Berlin vom 13.9.2004 stellt noch keinen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften dar. Unstreitig handelt es sich bei dem Schreiben nicht um eine Kündigung.

Es handelt sich aber auch nicht um ein vorgelagertes Verhalten der Bankgesellschaft, das als Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften anzusehen wäre. Zwar bestehen in einem Dauerschuldverhältnis und insbesondere im Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besondere (Leistungs-) Treuepflichten, gegen die nach Ansicht dieses Gerichts bereits dann verstoßen wird, wenn ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer eine rechtswidrige Kündigung unmittelbar androht, insbesondere dann, wenn er hierdurch ein bestimmtes Verhalten des Arbeitnehmers beabsichtigt. Ein solcher Fall lag hier aber (noch) nicht vor.

Voraussetzung ist nämlich, dass aus der Mitteilung an den Arbeitnehmer deutlich wird, dass der Arbeitgeber bereits fest entschlossen ist, das Arbeitsverhältnis auf jeden Fall zu beenden (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 19.07.2006, 5 U 719/05 – 107). Das war hier aber nicht der Fall.

Das entscheidende Schreiben der Landesbank vom 13.09.2004 stellt noch keine Drohung mit (rechtswidriger) Kündigung dar. In dem Schreiben wird der Klägerin lediglich mitgeteilt, dass betriebsbedingte Kündigungen nach aktueller Datenlage in ihrer Tätigkeitsvergleichsgruppe ausgesprochen werden müssen und sie nach aktueller Datenlage zu denjenigen gehört, für die eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht gegeben ist. Es wird aber zugleich darauf hingewiesen, dass noch bis Ende September Austritte und der Abschluss weiterer freiwilliger Maßnahmen dazu beitragen werden, die Anzahl möglicher betriebsbedingter Kündigungen in ihrer Tätigkeitsvergleichsgruppe zu reduzieren. Dementsprechend wird darauf hingewiesen, dass der Vorstand eine endgültige Entscheidung über betriebsbedingte Kündigungen erst Ende September fällen wird. Nach Ansicht des Gerichts ist dieses Schreiben nur dahingehend zu verstehen, dass für die Landesbank eben gerade noch nicht endgültig feststand, dass der Klägerin letztlich gekündigt werden würde. Vielmehr bestand noch die Möglichkeit, dass durch andere Maßnahmen die Kapazitäten in der Tätigkeitsvergleichsgruppe der Klägerin so reduziert würden, dass der Ausspruch einer Kündigung gegenüber der Klägerin nicht erfolgen muss. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Unterlagen der Klägerin bereits dem Personalrat übergeben wurden. Für den Fall, dass die Kündigung Ende September würde ausgesprochen werden müssen, war es notwendig die erforderliche Zustimmung des Personalrates bereits vorab einzuholen.

Mit dieser Mitteilung hat die Bankgesellschaft selbst dann nicht gegen eine der Klägerin gegenüber bestehende Treuepflicht verstoßen, wenn die von der Bankgesellschaft durchgeführte Sozialauswahl fehlerhaft gewesen sein sollte. Wie oben dargelegt, wird aus dem Schreiben hinreichend deutlich, dass die bereits durchgeführte Sozialauswahl nicht in jedem Fall zu einer betriebsbedingten Kündigung führen würde und damit noch gar nicht feststand, dass die Sozialauswahl sich für die Klägerin negativ auswirken würde, so dass dem Schreiben auch in diesem Falle das erforderliche Drohpotential fehlte.

Unabhängig von der Frage, ob ein Verstoß gegen Rechtspflichten bereits vorlag ist die Frage, ob die Klägerin bereits Rechtsberatungsbedarf hatte. Dass es in der Situation der Klägerin angeraten war, taktische Überlegungen dahingehend anzustellen, ob bereits ein Aufhebungsvertrag geschlossen werden sollte oder eine mögliche Kündigung abgewartet und hiergegen ggfs. vorgegangen werden sollte und dass es angeraten war, insoweit auch rechtliche Beratung einzuholen, soll nicht in Abrede gestellt werden. Nach den ARB 94 ist aber nicht jeder Rechtsberatungsbedarf auch ein Rechtsschutzfall, sondern nur derjenige, der durch die (behauptete) Verletzung einer Rechtspflicht ausgelöst wird. So mag auch die Überprüfung eines abzuschließenden Arbeitsvertrages durch einen Rechtsanwalt angeraten sein, einen Rechtsschutzfall stellt dies dennoch nicht dar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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