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Elternzeit – Arbeitszeitverringerung und entgegenstehende betriebliche Gründe

ArbG Düsseldorf – Az.: 7 Ca 1198/20 – Urteil vom 29.05.2020

1. Die Beklagte wird verurteilt, während der Dauer der Elternzeit der Klägerin vom 23.09.2019 bis zum 27.07.2022 der Verringerung der Arbeitszeit von 40 Stunden auf 25 Stunden pro Woche ab dem 01.11.2020 zuzustimmen mit einer arbeitstäglichen Verteilung auf fünf Stunden täglich an den Tagen Montag bis Freitag jeweils in der Zeit bis 15.00 Uhr.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 5.750,00 Euro festgesetzt.

4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin im Rahmen ihrer Elternzeit die Verringerung ihrer Arbeitszeit auf 30 Wochenstunden und deren Verteilung auf Montag bis Freitag jeweils bis 15.00 Uhr verlangen kann.

Die Klägerin ist bei der Beklagten, die rund 2.500 Mitarbeiter beschäftigt, seit August 2002 beschäftigt. Seit dem 01.01.2017 ist die Klägerin auf der Grundlage des Ablösungsvertrags vom 12.01.2017 (Bl. 7 ff. der Akte) als Großkundenbetreuerin mit einer Bruttojahresvergütung von rund 69.000,00 Euro tätig.

Am „00“ wurde die Tochter der Klägerin geboren. Mit Schreiben vom 31.07.2019 stellte die Klägerin einen Antrag auf Elternzeit (Bl. 44 der Akte), in dem es wie folgt heißt:

„Sehr geehrter Damen und Herren,

hiermit beantrage ich Elternzeit zur Betreuung und Erziehung meiner Tochter, J., mit dem Geburtstermin „00“.

Aufgrund eines längeren Klinikaufenthalts liegt mir die Geburtsurkunde noch nicht vor. Sobald diese vorhanden ist, reiche ich diese umgehend nach.

Unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen werde ich die Elternzeit am 22. September 2019 beginnen und am 27. Juli 2022 beenden. Nach einer 14-monatigen Auszeit stehe ich Ihnen ab dem 01. November 2020 wieder Teilzeit zu Verfügung. Den Antrag dazu finden Sie anbei.

Bitte bestätigen Sie mir kurz diese Zeiten. Die Personalabteilung wird parallel von mir informiert gehalten.“

In einem weiteren Schreiben vom 31.07.2019 (Bl. 43 der Akte), dessen Zugang bei der Beklagten streitig ist, beantragte die Klägerin eine Teilzeittätigkeit in der Elternzeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 25 Stunden bei Verteilung auf eine fünftägige Arbeitswoche mit einem spätesten Ende der Arbeitszeit um 15.00 Uhr.

Mit Schreiben vom 16.09.2019 (Bl. 13 der Akte), bei der Klägerin zugegangen am 11.10.2019, teilte die Beklagte mit, sie habe zurzeit leider keine Möglichkeit, der Klägerin während der Elternzeit eine Teilzeitstelle anzubieten.

Mit der am 10.12.2019 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 16.12.2019 zugestellten Klage verfolgt die Klägerin ihr Elternteilzeitverlangen weiter.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 29.01.2020 (Bl. 50 f. der Akte) hat die Klägerin eine Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit mit 25 Wochenstunden, verteilt auf die Wochentage Montag bis Freitag jeweils in der Zeit bis 15.00 Uhr beantragt.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 05.02.2020 (Bl. 96 der Akte) lehnte die Beklagte den Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit aus dringenden betrieblichen Gründen ab. Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 17.02.2020 (Bl. 97 f. der Akte) begründete die Beklagte die Ablehnung des Antrags.

Die Klägerin behauptet, sie habe unter dem 31.07.2019 mit jeweils zwei Schreiben Herrn D. sowie die Personalabteilung angeschrieben. Wegen des Inhalts der Schreiben nehme sie Bezug auf Bl. 43 ff. der Akte. Ihr Ehemann, der Zeuge N., habe die Schreiben mit ins Krankenhaus gebracht, in dem sie sich anlässlich der Geburt ihrer Tochter aufgehalten habe. Sie habe die Schreiben dort unterzeichnet, der Zeuge B. habe sie in zwei Kuverts an die Beklagte versandt. Sie nehme im Übrigen Bezug auf die Ein- und Auslieferungsbelege (Bl. 47 ff. der Akte). Da die Beklagte einräume, dass sie das Schreiben wegen des Teilzeitbegehrens vom 31.07.2019 erhalten habe, stehe fest, dass sie das unter demselben Datum gefertigte Schreiben wegen des Teilzeitverlangens in der Elternzeit ebenfalls erhalten habe.

Vorsorglich habe sie – insoweit unstreitig – durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 29.01.2020 ihr Verlangen nach Teilzeit während der Elternzeit wiederholt.

Ihrem Teilzeitbegehren stünden keine dringenden betrieblichen Gründe entgegen. Die Beklagte beschäftige diverse Mitarbeiter, auch Großkundenbetreuer, in Teilzeit.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, während der Dauer ihrer Elternzeit vom 23.09.2019 bis zum 27.07.2022 der Verringerung der Arbeitszeit von 40 Stunden auf 25 Stunden pro Woche ab dem 01.11.2020 zuzustimmen mit nachstehender arbeitstäglicher Verteilung: Montag bis Freitag jeweils in der Zeit bis 15.00 Uhr.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Klägerin habe ihr Teilzeitverlangen schon nicht wirksam geltend gemacht. Ihr sei lediglich das Schreiben zur Elternzeit vom 31.07.2019 zugegangen, mit dem die Klägerin ihre Rückkehr ab dem 01.11.2020 in Teilzeit ankündigt, ohne diese aber den Anforderungen des § 8 Abs. 2 Satz 1 TzBfG entsprechend zu korrigieren. Das Teilzeitverlangen der Klägerin vom 31.07.2019 sei dem Schreiben vom gleichen Tage nicht beigefügt gewesen und habe sie, die Beklagte, nie erreicht. Der Vortrag der Klägerin lasse nicht erkennen, auf welchem Weg der Zeuge B. die fraglichen Schreiben an sie, die Beklagte „zugestellt“ habe. Lediglich aus dem außergerichtlichen Schreiben des klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 29.01.2020 ergebe sich, dass der Zeuge die Schreiben angeblich per Einschreiben versandt habe. Darüber hinaus bietet die bloße Art der Versendung noch keinen Beweis für eine etwaige Zustellung. Die von der Klägerin in Bezug genommenen Einlieferungsbelege seien hierfür untauglich. Ein Einlieferungsbeleg sei lediglich eine Bestätigung des Postdienstleisters für den Absender einer Sendung, dass dieser eine Sendung beim Postdienstleister abgegeben hat. Der Beleg beweise aber weder den Inhalt der Sendung noch deren Zustellung beim Empfänger.

Sie, die Beklagte habe mit Schreiben vom 16.09.2019 rein vorsorglich ablehnend auf ein vermeintliches Teilzeitverlangen der Klägerin reagiert, weil die Klägerin ein solches in ihrer Mitteilung zur Elternzeit bereits angedeutet hatte. Die Ablehnung heile ein unwirksames und formfehlerhaftes Teilzeitverlangen jedoch nicht.

Darüber hinaus stehe der Klägerin auch der geltend gemachte Teilzeitanspruch nicht zu. Denn diesem stünden dringende betriebliche Gründe im Sinne von § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG entgegen. Sie verfolge im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit das organisatorische Konzept, dass ihre Großkunden – abgesehen von Urlaubs- und Krankheitsvertretung – jeweils nur einen Ansprechpartner hätten. Großkunden seien dabei – insoweit unstreitig – solche Kunden, die nicht einzelne Fahrzeuge kaufen, sondern ganze Fahrzeugflotten.

Da im Großkundengeschäft ein erheblicher Beratungsbedarf des jeweiligen Großkunden und eine umfangreiche Zusammenarbeit erforderlich seien, müsse die Korrespondenz mit dem jeweiligen Großkunden kontinuierlich über die gesamte tägliche Bürozeit verteilt stattfinden, d.h. sowohl vormittags, mittags und nachmittags. So sei es durchaus üblich, dass Großkunden Aufträge über den gesamten Tag verteilt immer wieder mit dem Betreuer bei der Beklagten erörterten bzw. erörtern wollten und z.B. auch kurzfristige Dispositionen umgesetzt werden müssten. Deshalb hätten bei ihr nach ihrem diesbezüglichen Organisationskonzept Großkunden durchgängig nur einen Ansprechpartner.

Diese Form der Behandlung, bei der der Ansprechpartner regelmäßig alle Besonderheiten und Anliegen des jeweiligen Großkunden kenne, werde von den Großkunden als besonderes Servicemerkmal wahrgenommen. Der Berater sei für alle Anliegen des Großkunden verantwortlich und bearbeite diese eigenständig. Er verfüge daher über sämtliche Kenntnisse und Detailinformationen in Bezug auf den jeweiligen Großkunden.

Sie, die Beklagte, setze diese Form der Betreuung deshalb als Marketingmittel für die Großkundengewinnung und -bindung ein und vermittele den Großkunden damit erfolgreich das Gefühl einer besonderen Wertschätzung. Sie wolle auf diese spezielle Form der Betreuung – auch mit Blick auf identische Serviceangebote der Konkurrenz – nicht verzichten. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass sie über die Hälfte ihrer Verkäufe mit einer proportional geringen Anzahl von Großkunden tätige und sie deswegen als besonders sensibel für ihren wirtschaftlichen Erfolg ansehe.

Dieses Organisationskonzept führe sie im Betrieb auch tatsächlich und konsequent durch. So seien sämtliche bei ihr beschäftigten Großkundenbetreuer in Vollzeit tätig. Eine Aufteilung eines Arbeitsplatzes und damit eine Aufteilung der Betreuung eines Großkunden auf zwei oder mehr Mitarbeiter erfolge nicht. Insbesondere werde kein Großkunde durch Mitarbeiter in Teilzeit betreut. Jeder Großkundenberater betreue ausschließlich und alleinverantwortlich „seine“ – d.h. die ihm zugewiesenen – Großkunden. Entgegen der Behauptung der Klägerin suche sie, die Beklagte, auch keine Großkundenberater auf Teilzeitbasis.

Das geschilderte Organisationskonzept stehe dem Teilzeitverlangen der Klägerin auch entgegen. Das Organisationskonzept lasse aufgrund der Erwartungshaltung der Großkunden gerade keinen Raum für eine Teilzeittätigkeit zu. Die beabsichtigte durchgehende und nahtlose Betreuung der Großkunden könne nur dann gewährleistet werden, wenn der jeweilige Mitarbeiter in Vollzeit tätig sei. Denn nur dann sei sichergestellt, dass der jeweilige Berater den gesamten Vorgang des Großkunden kenne, auf alle Informationen jederzeit zugreifen könne und insbesondere auch mit den Besonderheiten des jeweiligen Großkunden vertraut sei. Eine Einarbeitung in die allgemeine oder konkrete Betreuung des Großkunden sei dann gerade nicht erforderlich.

Dies wäre jedoch sämtlich bei einer Teilzeittätigkeit nicht mehr gewährleistet. Würde die Klägerin in Teilzeit beschäftigt, könne sie die ihr zugewiesenen Großkunden gerade nicht mehr wie von diesen gewünscht und von ihr, der Beklagten, garantiert ganztägig betreuen. Es sei ihr dann nicht möglich, den Großkunden den Service zu bieten, den diese erwarteten. Vielmehr müsste die Klägerin begonnene Aufgaben an den sie vertretenden Kollegen übergeben und diesen entsprechend instruieren oder umgekehrt entsprechende Aufgaben wieder von den Kollegen übernehmen und von diesen unterrichtet werden. Dies sei nicht nur überaus aufwändig, sondern berge auch das erhebliche Risiko in sich, dass nicht alle erforderlichen Informationen übermittelt würden. Zudem könnten weder der vertretende Mitarbeiter noch die Klägerin im Bedarfsfall kurzfristig auf die benötigten Informationen zugreifen oder Rücksprache nehmen. Der jeweilige Mitarbeiter, der mit Informationen des Großkunden konfrontiert werde, könnte nicht umgehend reagieren, da er bis zum nächsten Tag warten müsste, um die Informationen vom jeweils anderen Stelleninhaber verifizieren zu lassen. Eine nahtlose und „verlustfreie“ Beratung und Betreuung der Großkunden wäre dann ersichtlich nicht mehr gewährleistet. Dies würden die Großkunden als überaus nachteilig ansehen und aufgrund anderer Erfahrungen wissen, dass es bei konkurrierenden Anbietern aus rein organisatorischen Gründen einen deutlich besseren Service gebe. Vor diesem Hintergrund könnten die betrieblichen Abläufe bzw. der Personaleinsatz auch nicht so verändert werden, dass dem Teilzeitverlangen der Klägerin bei gleichzeitiger Wahrung des Organisationskonzeptes entsprochen werden könnte; das Organisationskonzept schließe aus sich heraus eine Teilzeittätigkeit aus.

Ihr Organisationskonzept und die geschilderten betrieblichen Belange überwögen auch in einer Gesamtschau das Interesse der Klägerin an einer Veränderung ihrer Arbeitszeit. So erwirtschafte sie etwas mehr als 50% ihres Jahresumsatzes im Neuwagenverkauf mit Großkunden. Da im Bereich der Klägerin – insoweit unstreitig – einschließlich der Klägerin selbst neun Großkundenberater eingesetzt seien, würde durch eine Teilung des Arbeitsplatzes somit ein Gesamtanteil von über 5% des Jahresumsatzes ihres Unternehmens gefährdet werden. Denn sie müsse befürchten, dass die von der Klägerin betreuten Großkunden die organisatorischen Nachteile einer Aufteilung der Stelle in Teilzeitstellen spüren und hierauf mit einer Kündigung von Verträgen und dem Abwandern zur Konkurrenz quittieren würden.

Ihre Organisationsentscheidung habe also eine erhebliche Bedeutung für den wirtschaftlichen Bestand und die Entwicklung des Unternehmens. Die drohende wirtschaftliche Gefährdung ihres Unternehmens lasse sich auch nicht mit dem Teilzeitverlangen der Klägerin rechtfertigen, dieses müsse zurücktreten.

Weil die Stelle der Klägerin für sie, die Beklagte, von so zentraler Bedeutung sei, habe sie sich unmittelbar nach dem Bekanntwerden des Elternzeitverlangens der Klägerin um eine Ersatzeinstellung für die Dauer der Elternzeit bemüht und diese inzwischen auch gefunden, so dass die Stelle besetzt ist. Der Stelleninhaber sei nicht bereit, zugunsten der Klägerin auf einen Teil seiner Arbeitszeit zu verzichten – ebenso, wie auch die übrigen Großkundebetreuer nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie die Protokolle der öffentlichen Sitzungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die Klage hat Erfolg.

I.

Die Klage ist zulässig.

1.

Die Klägerin erstrebt auf der Grundlage von § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG die Zustimmung zur Verringerung ihrer Arbeitszeit auf 25 Wochenstunden bei einer bestimmten Verteilung. Damit verlangt sie die Abgabe einer Willenserklärung im Sinne von § 894 Abs. 1 ZPO.

2.

Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

II.

Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 15 BEEG Anspruch auf Abgabe der begehrten Willenserklärung.

1.

Allerdings kann die Klägerin ihr Begehren nicht auf das Elternteilzeitverlangen im Schreiben vom 31.07.2019 stützen.

a)

Die Kammer konnte sich nicht davon überzeugen, dass dieses Schreiben vom 31.07.2019 der Beklagten zugegangen ist. Der von der Klägerin angebotene Zeugenbeweis ist kein taugliches Beweismittel für den Zugang des Elternteilzeitantrags. Denn der Ehemann kann lediglich eine Aussage dazu treffen, dass er die beiden Schreiben in einem Umschlag an die Beklagte versandt hat, mithin den Beweis für eine Abgabe der Willenserklärung erbringen. Dass die Willenserklärung abgegeben worden ist, erlaubt im Falle einer Willenserklärung unter Abwesenden allerdings noch keinen Schluss auf den Zugang der Willenserklärung (vgl. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB).

b)

Das weitere Schreiben der Klägerin vom 31.07.2019, in dem diese Elternzeit beantragt und mitteilt, sie stehe der Beklagten ab dem 01.11.2019 wieder in Teilzeit zur Verfügung, stellt offensichtlich keinen Antrag auf Elternteilzeit dar; denn insoweit fehlt es an der Angabe des Umfangs der gewünschten Teilzeittätigkeit. Dadurch, dass die Beklagte mit Schreiben vom 16.09.2019 ein Teilzeitbegehren der Klägerin abgelehnt hat, wird aus dem „Mitteilungsschreiben“ der Klägerin vom 31.07.2019 kein Elternteilzeitantrag.

2.

Die Klägerin kann ihr Begehren jedoch erfolgreich auf das Elternteilzeitverlangen im Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 29.01.2020 stützen.

a)

Hinsichtlich des Elternteilzeitverlangens vom 29.01.2020 liegen die allgemeinen Voraussetzungen, an deren Vorliegen § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1, 2, 3 und Nr. 5 sowie Abs. 2 Satz 1 BEEG einen Anspruch auf Elternteilzeit knüpfen, vor. Das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten, die ausschließlich der Personen in Berufsausbildung mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt, besteht ohne Unterbrechung länger als sechs Monate (§ 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 BEEG).

Die Klägerin, die eine Reduzierung ihrer wöchentlichen Regelarbeitszeit ab dem 01.11.2020 auf einen Umfang von 25 Wochenstunden (§ 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BEEG) in einem Zeitraum begehrt, in dem ihr Kind das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BEEG), teilte der Beklagten ihr Reduzierungsverlangen mehr als sieben Wochen vor Beginn der beabsichtigten Teilzeittätigkeit mit (§ 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BEEG). Die Zustimmung der Beklagten wird nicht gemäß § 15 Abs. 7 Satz 5 oder 6 BEEG fingiert. Die Beklagte lehnte das Angebot der Klägerin auf Vertragsänderung mit Schreiben vom 05.02.2020 form- und fristgerecht ab (§ 15 Abs. 7 Satz 4 und Satz 5 BEEG).

b)

Es kann dahingestellt bleiben, ob sich die Beklagte auf die Ablehnungsgründe aus dem Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 17.02.2020 berufen darf (vgl. zur Präklusion nach § 15 Abs. 7 BEEG: BAG, Urteil vom 24.09.2019 – 9 AZR 435/28 – Rdnr. 21 f., NZA 2020, 340 = juris). Für eine Präklusion spricht zwar, dass die Beklagte die Ablehnungsgründe nicht unmittelbar im Ablehnungsschreiben vom 05.02.2020 mitgeteilt hat, sondern erst mit Schreiben vom 17.02.2020. Gegen eine Präklusion spricht allerdings, dass die Begründung noch innerhalb der Frist von vier Wochen nach Zugang des Elternteilzeitantrags vom 29.01.2020 erfolgte. Die Kammer konnte die Frage der Präklusion jedoch offen lassen, da die vorgebrachten Gründe keine solchen sind, die die Beklagte zur Ablehnung der von der Klägerin begehrten Vertragsänderung berechtigt.

aa)

Der Arbeitgeber hat dem Verringerungsantrag des Arbeitnehmers zuzustimmen, wenn nicht dringende betriebliche Gründe entgegenstehen. Für das Bestehen solcher Gründe trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast. Beruft sich der Arbeitgeber darauf, die von dem Arbeitnehmer gewünschte Teilzeitarbeit sei mit den betrieblichen Arbeitszeitmodellen unvereinbar, ist das Prüfungsschema anzuwenden, das das Bundesarbeitsgericht für die betrieblichen Ablehnungsgründe im Sinne von § 8 TzBfG entwickelt hat. Die danach erforderliche Prüfung ist regelmäßig in drei Stufen vorzunehmen (vgl. BAG, Urteil vom 24.09.2019 – 9 AZR 435/18 – Rdnr. 38, NZA 2020, 340 = juris).

(1)

Zunächst ist festzustellen, ob der vom Arbeitgeber als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung überhaupt ein betriebliches Organisationskonzept zugrunde liegt und – wenn das zutrifft – um welches Konzept es sich handelt (erste Stufe).

(2)

In der Folge ist zu untersuchen, inwieweit die aus dem Organisationskonzept folgende Arbeitszeitregelung dem Arbeitszeitverlangen des Arbeitnehmers tatsächlich entgegensteht (zweite Stufe).

(3)

Schließlich ist auf der dritten Stufe das Gewicht der entgegenstehenden betrieblichen Gründe zu prüfen. An das objektive Gewicht des Ablehnungsgrundes nach § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG sind erhebliche Anforderungen zu stellen. Denn § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG fordert – anders als § 8 TzBfG – nicht nur „betriebliche Gründe“, sondern verlangt darüber hinaus, dass diese „dringend“ sind. Die entgegenstehenden betrieblichen Interessen müssen deshalb geradezu zwingende Hindernisse für die beantragte Verkürzung der Arbeitszeit sein (vgl. BAG, Urteil vom 15.12.2009 – 9 AZR 72/09 – Rdnr. 45, NZA 2010, 447 = juris). Maßgeblich für das Vorliegen dringender betrieblicher Gründe ist der Zeitpunkt, zu dem dem Arbeitnehmer die Ablehnungserklärung des Arbeitgebers zugegangen ist (vgl. BAG, Urteil vom 24.09.2019 – 9 AZR 435/18 – Rdnr. 38, NZA 2020, 340, juris; BAG, Urteil vom 23.11.2004 – 9 AZR 644/03 – zu B I 3 c aa der Gründe, BAGE 113, 11 = juris [zu § 8 TzBfG]).

bb)

Gemessen an diesen Grundsätzen liegen keine der gewünschten Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit entgegenstehenden erheblichen betrieblichen Gründe im Sinne von § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG vor. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es bereits an einem Organisationskonzept der Beklagten fehlt und inwieweit die aus dem Organisationskonzept folgende Arbeitszeitregelung dem Arbeitszeitverlangen tatsächlich entgegensteht. Jedenfalls führt das Teilzeitverlangen der Klägerin auf der dritten Stufe nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des zu Gunsten der Beklagten unterstellten Organisationskonzeptes.

(1)

Die Kammer hatte bereits Zweifel, ob die Beklagte das von ihr geschilderte Konzept durchgehend praktizieren kann. Denn ausgehend von einer normalen Arbeitszeit von 40 Wochenstunden ergeben sich auch bei einer Vollzeitarbeitskraft Grenzen der Verfügbarkeit für die Großkunden. So wird auch ein Vollzeitarbeitnehmer, der seine Arbeit um 8.00 Uhr angetreten hat, nach 17.00 Uhr möglicherweise nicht mehr erreichbar sein. Darüber hinaus können sich auch längere Abwesenheitszeiten von Vollzeitarbeitskräften im Falle von Urlaub oder Arbeitsunfähigkeit ergeben.

(2)

Letztlich kann jedoch dahinstehen, ob das von der Beklagten beschriebene Konzept tatsächlich durchgehend praktiziert werden kann. Zwar erhöht sich durch die Erfüllung des Teilzeitverlangens die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kunde die Klägerin insbesondere am späten Nachmittag nicht erreicht, da ihre Arbeitszeit spätestens um 15.00 Uhr endet. Nach Auffassung der Kammer stellt dies aber keine so wesentliche Beeinträchtigung des von der Beklagten vorgetragenen Organisationskonzeptes dar, dass dies nicht hinzunehmen wäre. Die Beklagte hat zwar vorgetragen, dass Großkunden Aufträge über den gesamten Tag verteilt immer wieder mit dem Betreuer bei der Beklagten erörtern bzw. erörtern wollen und z.B. auch kurzfristige Dispositionen umgesetzt werden müssten. Die Beklagte hat aber nicht angegeben, wie häufig dies tatsächlich vorkommt. Selbst wenn Kunden am späten Nachmittag die Klägerin nicht erreichen würden, so könnten diese die Klägerin doch unmittelbar am nächsten Morgen erreichen. Darüber hinaus hat die Klägerin die Möglichkeit, ihre Kunden für den Fall der Notwendigkeit weiterer Rückfragen bzw. Bestellungen auf ihre kürzeren Arbeitszeiten hinzuweisen und den Kunden zu bitten, sie dann anzurufen (vgl. BAG, Urteil vom 30.09.2003 – 9 AZR 665/02 – NZA 2004, 382 = juris, Rdnr. 36). Auch wenn ein Kunde sich unvorhergesehen außerhalb der Arbeitszeit der Klägerin meldet, kann ein anderer Kundenbetreuer ihn über die Arbeitszeiten der Klägerin unterrichten. Das wird vor allem dann geschehen, wenn sich aus dem Gespräch ergibt, dass der Kunde nur die Klägerin sprechen will. Auch dann beschränken sich die für die Kundenbetreuung wichtigen Kontakte auf die Klägerin als die zuständige Großkundenbetreuerin.

Sollte es sich tatsächlich um ein unaufschiebbares Anliegen eines Großkunden handeln, so dürfte dieser keine Einwände haben, wenn ausnahmsweise ein Kollege bzw. eine Kollegin der Klägerin das dringende Anliegen bearbeitet.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, 46 Abs. 3 ArbGG.

C.

Die Streitwertfestsetzung erfolgt nach § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § ZPO. Der festgesetzte Streitwert entspricht zwei Gehältern der Klägerin.

D.

Die Berufung hat die Kammer nicht gesondert zugelassen, weil die Voraussetzungen für eine Zulassung nach § 64 Abs. 3 ArbGG nicht vorliegen. Die Sache hat weder nach § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG grundsätzliche Bedeutung, noch betrifft sie eine Rechtsstreitigkeit im Sinne des § 64 Abs. 3 Nr. 2 ArbGG, noch liegt ein Fall des § 64 Abs. 3 Nr. 3 ArbGG vor.

 

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