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Elternzeit – Kürzung Erholungsurlaub nach § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG

Landesarbeitsgericht Hamm – Az.: 5 Sa 625/17 – Urteil vom 31.01.2018

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Detmold vom 09.03.2017 – 1 Ca 359/16 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung von Urlaubsentgelt sowie Urlaubsabgeltung vor dem Hintergrund der Zulässigkeit der Kürzung von Urlaubsansprüchen während der Elternzeit.

Die 1978 geborene, verheiratete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Klägerin, stand im Zeitraum 01.06.2001 bis zum 30.06.2016 als Assistentin der Geschäftsleitung in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten mit einem monatlichen Bruttogehalt von 4.100,00 Euro. Der Urlaubsanspruch betrug 30 Arbeitstage im Jahr.

Am 16.04.2010 wurde das erste Kind der Klägerin geboren. Sie war vom 16.04.2010 bis 14.11.2011 in Elternzeit. Vom 15.11.2011 bis 21.02.2012 begann die Mutterschutzfrist wegen des zweiten Kindes. Für dieses nahm die Klägerin vom 16.12.2011 bis 15.12.2013 Elternzeit. Vom 16.12.2013 bis 15.12.2014 wurde erneut Elternzeit für das erste Kind in Anspruch genommen. Vom 16.12.2014 bis zum 15.12.2015 wurde erneut Elternzeit für das zweite Kind in Anspruch genommen.

Die Klägerin hatte ab dem 16.12.2015 eine Teilzeittätigkeit bei der Beklagten beantragt. Diesem Antrag hat die Beklagte nicht entsprochen. Die Klägerin akzeptierte diese Entscheidung. Im Zeitraum vom 16.12.2015 bis einschließlich 26.01.2016 war sie arbeitsunfähig krank. Vom 27.01.2016 bis 15.02.2016 gewährte die Beklagte der Klägerin Urlaub. Vom 16.02.2016 bis 28.03.2016 war sie aufgrund einer Operation arbeitsunfähig erkrankt.

Die Klägerin kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten mit Kündigung vom 23.03.2016 zum 30.06.2016 mit der Bitte, in dieser Zeit Resturlaub nehmen zu können. Die Beklagte akzeptierte die Kündigung auch zum von der Klägerin ausgesprochenen Kündigungszeitpunkt. In einem Schreiben vom 04.04.2016 heißt es darüber hinaus:

Elternzeit - Kürzung Erholungsurlaub nach § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG
(Symbolfoto: Inside Creative House/Shutterstock.com)

„Frau N verfügt unter Berücksichtigung der Mutterschutzfristen über einen Resturlaubsanspruch von 21 Werktagen (Stand 04.04.2016). Der Urlaub wird in der Zeit vom 04.04.2016 bis zum 02.05.2016 gewährt und weiterhin in Anspruch genommen. Dementsprechend endet der bezahlte Urlaub am 02.05.2016, so dass wir davon ausgehen, dass Frau N ihren Dienst am 03.05.2016 wieder antritt. Alternativ können Sie sich zum gegebenen Zeitpunkt mit uns in Verbindung setzen, um ggf. eine unbezahlte Freistellung bis zum Austrittszeitpunkt in Erwägung zu ziehen.“

Die Klägerin strengte ein einstweiliges Verfügungsverfahren mit dem Aktenzeichen 2 Ga 6/16 vor dem Arbeitsgericht Detmold zur Urlaubsgewährung an. Dieses endete mit dem Vergleich, dass die Klägerin vom 03.05. bis 30.06.2016 von der Arbeit fernbleiben darf.

Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass im Juni 2010 noch 19,5 Urlaubstage vorhanden waren und dass 2016 grundsätzlich ein Urlaubsanspruch von 15 Arbeitstagen erworben worden ist. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte sämtlichen Urlaub gewährt hat, soweit dieser gemäß § 17 BEEG gekürzt werden durfte. Im Streit stehen nunmehr noch über die Urlaubsabgeltung beziehungsweise das Urlaubsentgelt für darüber hinausgehenden Urlaub.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass von 124,5 Urlaubstagen nur 35 Tage verbraucht worden seien, weshalb noch 89,5 Tage zu bezahlen seien. Davon seien 40 Urlaubstage bis zum 30.06.2016 von der Klägerin verbraucht worden, so dass noch 49,5 Tage abzugelten seien und 40 Urlaubstage zu bezahlen. Eine Kürzung des Urlaubs sei nicht möglich. § 17 Abs. 1 BEEG verstoße gegen europarechtliche Vorgaben. Artikel 7 Abs. 1 Richtlinie 2003/88/EG gewähre jedem Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub. Dieser Anspruch dürfe danach nicht davon abhängig gemacht werden, dass Arbeitnehmer während des Bezugszeitraums tatsächlich gearbeitet hätten. Artikel 7 Abs. 1 Richtlinie 2003/88/EG sehe keine Einschränkung, also Kürzungsmöglichkeit vor, die ohnehin den Mitgliedsstaaten nur ermögliche, die Modalitäten der Urlaubsdurchführung zu regeln. Eine Verringerung des Urlaubsanspruchs sei aber keine Modalität, die geregelt werden könne. Der Urlaubsanspruch sei darüber hinaus jedes Jahr vollständig erworben worden.

Zu den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften gehöre auch die Kürzungsbestimmung in § 17 Abs. 1 BEEG. Dies sei aber bisher noch nicht durch eine Entscheidung des EuGH geklärt. Auch der Zweck der Richtlinie 2003/88/EG spreche nicht für die Auffassung der Beklagten. So habe der Europäische Gerichtshof schon in der Schultz-Hoff Entscheidung ausdrücklich betont, dass sich die positive Wirkung des bezahlten Jahresurlaubs für die Sicherheit und Gesundheit des Arbeitnehmers vollständig entfalte, wenn der Urlaub im laufenden Jahr genommen werde. Die mit dem Urlaub verbundene Ruhezeit verliere aber ihre Bedeutung nicht, wenn sie zu einem späteren Zeitpunkt genommen werde. Diesem Ergebnis stehe auch nicht die Entscheidung des EuGH zur Frage der Kurzarbeit entgegen. Der EuGH habe in dieser Entscheidung die Situation der dortigen Arbeitnehmer für mit Teilzeitbeschäftigten vergleichbar erachtet und deshalb festgestellt, dass der betroffene Arbeitnehmer während der Kurzarbeit sich entweder ausruhen oder Freizeittätigkeiten nachgehen könne. Daher unterscheide sich die Situation von dem Arbeitnehmer, der während des gesamten Bezugszeitraums und/oder Übertragungszeitraums krankgeschrieben sei und deshalb seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben könne. Die Situation sei deshalb nicht mit der der Klägerin zu vergleichen, die aufgrund der Elternzeit nicht in der Lage gewesen sei, im Bezugsraum ihren Jahresurlaub zu realisieren. Auch sei für die Entscheidung des EuGH maßgeblich gewesen sei, dass es sich um eine Kurzarbeit gehandelt habe, die im Rahmen eines Sozialplans ausgehandelt worden war, um eine Entlassung der betroffenen Arbeitnehmer aus wirtschaftlichen Gründen zu verhindern.

Der Klägerin könne auch nicht entgegengehalten werden, dass sie sich entschieden habe, Elternzeit zu nehmen, so dass sie nicht aus von ihrem Willen unabhängigen Gründen daran gehindert worden sei, ihren Urlaub zu nehmen. Der Hinweis auf dieses willensgesteuerte Element überzeuge deshalb nicht, weil nach § 1 BUrlG das Erbringen von Arbeitsleistung nicht zu den anspruchsbegründenden Voraussetzungen des Urlaubs gehöre.

Da § 17 Abs. 1 BEEG gegen Artikel 7 Abs. 1 Richtlinie 2003/88/EG verstoße, sei das deutsche Recht nicht anzuwenden, und zwar unabhängig davon, ob die entscheidungserhebliche Rechtsfrage dem Europäischen Gerichtshof vorab zur Entscheidung vorgelegt oder das Bundesverfassungsgericht die Bestimmung für verfassungswidrig erklärte habe.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Monat Mai 2016 Urlaubsentgelt in Höhe von 3.406,15 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz nach BGB seit dem 01.06.2016 zu zahlen, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Monat Juni 2016 Urlaubsentgelt in Höhe von 4.163,08 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz nach BGB seit dem 01.07.2016 zu zahlen, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Urlaubsentgelt in Höhe von 9.366,92 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz nach BGB seit dem 01.07.2016 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, die Ansprüche seien wirksam gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG gekürzt worden. Die Beklagte habe mit ihrem Schreiben vom 04.04.2016 zumindest stillschweigend durch Urlaubsgewährung bis zum 02.05.2016 von ihrem Kürzungsrecht Gebrauch gemacht. Auch in dem Verfahren 2 Ga 6/16 sei ausdrücklich von der Kürzung des Urlaubs Gebrauch gemacht worden.

§ 17 Abs. 1 S. 1 BEEG sei europarechtskonform. Die Richtlinie 2003/88/EG diene der Verbesserung des Arbeitsschutzes der Arbeitnehmer. Wo es geleistete Arbeit nicht gebe, fehle auch ein Bedürfnis für korrespondierenden Erholungsurlaub des Arbeitnehmers. Diesbezüglich nimmt sie Bezug auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 08.11.2012, C 229/11) zur Frage der Kurzarbeit und einer zeitanteiligen Kürzung des Erholungsurlaubs aufgrund des mit der Kurzarbeit verbundenen Ruhens des Arbeitsverhältnisses. Da bei Kurzarbeitern eine Kürzungsmöglichkeit vorhanden und europarechtskonform sei, könne auch nichts anderes für Arbeitnehmer gelten, deren Arbeitsverhältnis während der Elternzeit unter Suspendierung der wechselseitigen Hauptpflichten ruhe. Maßgeblich sei bei der Elternzeit weiterhin, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund einer eigenen Willensentscheidung ruhe, anders als bei der Arbeitsunfähigkeit. Dass der Arbeitnehmer den Urlaub nur erhalte, wenn er keine Elternzeit beanspruche, entspreche dem arbeitsvertraglichen Synallagma, da die Hauptleistungspflichten für die Dauer der Elternzeit suspendiert seien.

Selbst bei Europarechtswidrigkeit sei die Kürzung der Beklagten wirksam. Die Elternzeit sei mit einer Dauer von vier Monaten durch die Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub europarechtlich abgesichert. In Betracht käme demnach die Überlegung, der Mindesturlaub könne für Zeiten der Elternzeit nur gekürzt werden, soweit die Elternzeit den Zeitraum von vier Monaten überschreite. Bis zu einer Dauer von vier Monaten dürfe die Elternzeit sich dann nicht nachteilig auf den Mindesturlaub auswirken. Einen solchen Interpretationsspielraum eröffne § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG aber nicht. § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG würde allenfalls einen Richtlinienverstoß darstellen. Ein solcher Verstoß stelle jedoch keine Regelungslücke dar. Ein solcher Richtlinienverstoß wäre jedenfalls in einem Rechtsstreit zwischen Privaten unbeachtlich. Der bezahlte Jahresurlaub habe daher am 09.05.2016 geendet.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Hierzu hat es ausgeführt, die unstreitig gem. § 17 BEEG erfolgte Kürzung sei wirksam, diese verstoße insbesondere nicht gegen europarechtliche Vorschriften. Ein Eingriff in bereits erworbene und noch zu erwerbende Urlaubsansprüche sei hierdurch nicht gegeben. Der Urlaubserwerb während der Arbeitsunfähigkeit sei insbesondere nicht vergleichbar mit dem Erwerb des Urlaubs während der Elternzeit. Wegen der Ausführungen im Einzelnen wird auf die Gründe der Entscheidung (Bl. 95 – 97 d.A.) Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 18.04.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 18.05.2017 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 19.07.2017 mit am 18.07.2017 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Sie vertritt die Auffassung, § 17 Abs. 1 BEEG verstoße gegen Artikel 7 Abs. 1 Richtlinie 2003/88/EG, der jedem Arbeitnehmer einen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub gewähre und ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Gemeinschaft sei, von dem nicht abgewichen werden dürfe. Auch dürfe von keinem Mitgliedsstaat das Erbringen einer tatsächlichen Arbeitsleistung zur Voraussetzung des Urlaubsanspruches gemacht werden. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes dürfe auch ein durch das Gemeinschaftsrecht gewährleisteter Urlaub nicht durch den Anspruch auf einen anderen gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten Urlaub beeinträchtigt werden. Die Kürzungsmöglichkeit des § 17 Abs. 1 BEEG sei unwirksam, da durch die Elternzeit der unionsrechtlich gewährleistete Mindestjahresurlaub und der damit verfolgte Zweck nicht erfüllt würden. Bei der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zur Urlaubsberechnung bei Kurzarbeit sei entscheidend darauf abgestellt worden, dass die Kurzarbeit auf einer betrieblichen Vereinbarung beruht habe und der Arbeitnehmer während der Kurzarbeit ausruhen oder Freizeittätigkeiten nachgehen könne, da diese für ihn vorhersehbar sei. Entscheidend sei für den Europäischen Gerichtshof gewesen, dass sich auch in dieser Fallgestaltung die positive Wirkung des bezahlten Urlaubs für die Sicherheit und die Gesundheit des Arbeitnehmers entfalten können habe. Dies sei mit der Elternzeit nicht vergleichbar, da diese der Betreuung und Erziehung eines Kindes in den ersten Lebensjahren diene, weshalb Eltern, die Elternzeit in Anspruch nähmen, nicht ausruhen und Freizeittätigkeiten nachgehen könnten. Diese Zeit sei vielmehr bestimmt durch Betreuungs- und Erziehungszeiten. Darauf, ob der Arbeitnehmer aus von seinem Willen unabhängigen Gründen gehindert sei, komme es daher ebensowenig an wie darauf, ob der Arbeitnehmer gearbeitet habe.

So habe der Europäische Gerichtshof auch bereits (Rechtssache Merino Gomes) festgestellt, dass der Jahresurlaub und der Mutterschaftsurlaub einem jeweils anderen Zweck dienten; der Mutterschaftsurlaub solle die körperliche Verfassung während und nach der Schwangerschaft sowie die Bindung zum Kind schützen. Dass für die Elternzeit andere Grundsätze gelten sollten, sei nicht ersichtlich.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Detmold vom 09.03.2017 – 1 Ca 359/16 – zu verurteilen, an die Klägerin für den Monat Mai 2016 Urlaubsentgelt in Höhe von 3.406,15 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz nach BGB seit dem 01.06.2016 zu zahlen, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Monat Juni 2016 Urlaubsentgelt in Höhe von 4.163,06 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz nach BGB seit dem 01.07.2016 zu zahlen; die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Urlaubsabgeltung in Höhe von 9.366,92 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz nach BGB seit dem 01.07.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens erster Instanz. Sie ist der Ansicht, die Frage des Urlaubsanspruches bei Krankheit unterscheide sich von derjenigen bei Elternzeit schon deshalb, da die Arbeitnehmerin in Elternzeit eben nicht aus von ihrem Willen unabhängigen Gründen an der Inanspruchnahme von Urlaub gehindert sei, sondern aufgrund es Entschlusses, Elternzeit in Anspruch zu nehmen. Da die Arbeitnehmerin sich in diesem Fall willentlich gegen die Möglichkeit der Urlaubnahme entschlossen habe, sei im Fall der Elternzeit die vom Europäischen Gerichtshof geforderte Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit hatte, den ihm mit der Richtlinie geforderten Urlaubsanspruch auszuüben, gewahrt. Auch sei der Anspruch nicht gegeben, da es am erforderlichen Synallagma fehle. Wo es geleistete Arbeit nicht gebe, fehle ein Bedürfnis für korrespondierenden Erholungsurlaub. Die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofes, wonach Arbeitnehmer in Kurzarbeit als vorübergehend teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer anzusehen seien, sei auf die Elternzeit übertragbar.

Ein Verstoß von § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG sei für einen Rechtsstreit unter Privaten auch unbeachtlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die zwischen den Parteien in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG) sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§ 519 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und innerhalb der Frist (§ 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und auch ordnungsgemäß (§ 520 Abs. 3 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG) begründet worden.

II. In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

1. Die Beklagte hat von der ihr offenstehenden Kürzungsmöglichkeit gem. § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG Gebrauch gemacht.

§ 17 Abs. 1 Satz 1 BErzGG berechtigt den Arbeitgeber, „den Erholungsurlaub … für jeden vollen Kalendermonat, für den der Arbeitnehmer Erziehungsurlaub nimmt, um ein Zwölftel zu kürzen“. Der Arbeitgeber kann den Erholungsurlaub kürzen, muss aber von diesem Recht keinen Gebrauch machen. Will er seine Befugnis ausüben, ist nur eine (empfangsbedürftige) rechtsgeschäftliche Erklärung erforderlich, um den Anspruch auf Erholungsurlaub herabzusetzen. Diese Erklärung kann ausdrücklich oder stillschweigend abgegeben werden. Es reicht aus, dass dem Arbeitnehmer nur der gekürzte Urlaub gewährt wird oder ihm erkennbar ist, dass der Arbeitgeber von der Kürzungsmöglichkeit Gebrauch machen will. Die Kürzungserklärung kann auch nach Beendigung des Erziehungsurlaubs erklärt werden (BAG, Urteil vom 28. Juli 1992, 9 AZR 340/91, juris, Rz. 19 m.w.N.). Die Kürzungserklärung muss aber vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses erklärt werden, da es ansonsten dabei verbleibt, dass der Urlaubsanspruch, der ja auch während des Erziehungsurlaubs dem Grunde nach entsteht, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten ist und ein einmal entstandener Abgeltungsanspruch nicht nachträglich gekürzt werden kann (BAG, Urteil vom 28. Juli 1992, 9 AZR 340/91, juris, Rz. 16).

Eine solche zumindest konkludente Kürzungserklärung ergibt sich bereits aus dem Schreiben der Beklagten vom 04.04.2016, in welchem die der Klägerin nach dem Ende des Erziehungsurlaubs aber vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses zustehenden Urlaubsansprüche – insbesondere auch unter Berücksichtigung der Mutterschutzfristen, welche jedenfalls bezüglich des zweiten Kindes der Klägerin in die Elternzeit fielen – berechnet worden waren. Aus dem Schreiben ergab sich damit bereits, dass Urlaubsansprüche für die Elternzeiten nicht gewährt werden sollten.

Zwischen den Parteien ist darüber hinaus auch unstreitig geblieben, dass eine ausdrückliche Kürzungserklärung seitens der Beklagten im einstweiligen Verfügungsverfahren über die von der Klägerin gewünschte Urlaubserteilung für den Zeitraum 03.05.2016 bis 30.06.2016 abgegeben worden ist.

Da beide Erklärungen vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses abgegeben wurden, entsprachen sie jedenfalls den Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG.

2. Die Kürzungsregelung des § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG verstößt nicht gegen europäische Regelungen.

a) § 17 BEEG verstößt nicht gegen die Richtlinie 2010/18/EU (vom 08.03.2010 gültig ab 07.04.2010, ABl. L 353 vom 28.12.2013, S. 7-7).

Diese regelt in ihrem Anhang (Rahmenvereinbarung über den Elternurlaubs (überarbeitete Fassung, im Folgenden Richtlinie 2010/18/EU) in § 5 Abs. 2, dass die Rechte, die der Arbeitnehmer zu Beginn des Elternurlaubs erworben hatte oder dabei war zu erwerben, bis zum Ende des Elternurlaubs bestehen bleiben und dass im Anschluss an den Elternurlaub diese Rechte mit den Änderungen Anwendung finden, die sich aus den nationalen Rechtsvorschriften, Tarifverträgen und/oder Gepflogenheiten ergeben. § 5 Abs. 3 sieht vor, dass die Mitgliedstaaten und/oder die Sozialpartner den Status des Arbeitsvertrags oder Beschäftigungsverhältnisses für den Zeitraum des Elternurlaubs bestimmen.

Die Rahmenvereinbarung trifft damit ausdrücklich keine eigenständigen Regelungen zur Verfahrensweise während des Elternurlaubs, sondern lediglich für den Umgang mit bei Beginn der Elternzeit begründeten Ansprüchen, sowie in weiteren Regelungen der Richtlinie den Ansprüchen der Arbeitnehmer/innen nach Rückkehr aus der Elternzeit (so auch LAG Niedersachsen, Urteil vom 16.09.2014, 15 Sa 533/14, Rn. 48, juris; das BAG hat diese Frage bisher in allen anstehenden Entscheidungen BAG 19. Mai 2015, 9 AZR 725/13, juris; BAG 17. Mai 2011, 9 AZR 197/10, juris, Rn. 37 aufgrund der Fallkonstellationen offenlassen können).

Nach der nationalen gesetzlichen Regelung ruht das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit unter Suspendierung der beiderseitigen Hauptleistungspflichten. Das BAG hat hieraus gefolgert, dass der Gesetzgeber auch vor dem Hintergrund der Richtlinie 2010/18/EU nicht dazu verpflichtet ist, den/die Arbeitnehmer/in so zu behandeln, als ob sie weiterhin eine (Vollzeit-)Tätigkeit ausgeübt hätten (BAG, Urteil vom 27. Januar 2011, 6 AZR 526/09, juris, Rz. 41 zur Frage der Anrechnung einer Elternzeit auf die Stufenlaufzeit nach dem TVöD).

Aus dieser nach § 5 Abs. 3 Richtlinie 2010/18/EU zulässigen Gestaltung des Statusses des Arbeitsverhältnisses während der Elternzeit ergeben sich zwangsläufig Folgerungen für die Behandlung daran anknüpfender Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, insbesondere hinsichtlich der Vergütung. Ein Verbot der Regelung eines Verfalles von Urlaubsansprüchen während der Elternzeit ergibt sich daraus jedenfalls nicht.

b) § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG verstößt ebenfalls nicht gegen die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 299 vom 18.11.2003, S. 9-19, im Folgenden Richtlinie 2003/88/EG).

aa) Diese bestimmt in Artikel 7 Abs. 1, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zu treffen haben, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind. Dieser Mindestjahresurlaub darf gem. Art. 7 Abs. 2 Richtlinie 2003/88 außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden.

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union anzusehen, da er als Grundsatz des Sozialrechts der Union in Art. 31 Abs. 2 der Charta ausdrücklich verankert ist, der von Art. 6 Abs. 1 EUV der gleiche rechtliche Rang wie den Verträgen zuerkannt wird. Aus diesen Gründen darf der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht restriktiv ausgelegt werden.

Auch steht dieser Umstand der Auffassung der Beklagten entgegen, wonach auch bei einer Unvereinbarkeit von § 17 BEEG mit der Richtlinie 2003/88/EG dieses zwischen den Parteien als Private unbeachtlich wäre, da Richtlinien der Europäischen Union lediglich die Mitgliedsstaaten bänden. Dieses gilt dann nicht, wenn der in der Richtlinie umgesetzte Schutzbereich auf einem Recht nach der Charta der Grundrechte der Europäischen beruht. Art. 31 Abs. 2 der Grundrechtscharta sieht ausdrücklich das Recht jeder Arbeitnehmerin und jeden Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub vor. Einzelstaatliche Normen sind im Verhältnis zu einem privaten Arbeitgeber grundsätzlich aber auch nur dann unangewendet zu lassen, wenn das nationale Recht gegen das Primärrecht der Gemeinschaften verstößt (BAG, Urteil vom 24. März 2009, 9 AZR 983/07, juris, Rz. 53). Ein solcher Verstoß gegen Primärrecht der Gemeinschaften wäre gegeben, wenn der nach Art. 31 Abs. 2 Grundrechtscharta gewährleistete Urlaubsanspruch beeinträchtigt würde.

Diese Rechtslage war auch der Grund, weshalb der EuGH festgestellt hat, es sei ausgeschlossen, dass sich der vom Unionsrecht gewährleistete Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Mindestjahresurlaub verringert, wenn der Arbeitnehmer seiner Arbeitspflicht wegen einer Erkrankung im Bezugszeitraum nicht nachkommen konnte (so ständige Rechtsprechung seit EuGH, Urteil vom 20.01.2009, C-350/06 und C-520/06, Schultz-Hoff u.a., juris), wobei es die Entscheidung im Ergebnis allerdings ausschließlich auf den Verstoß gegen die Richtlinie gefußt hat. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass ein Mitgliedstaat den mit der Richtlinie 2003/88 allen Arbeitnehmern unmittelbar verliehenen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei ordnungsgemäß krankgeschriebenen Arbeitnehmern nicht von der Voraussetzung abhängig machen kann, dass sie während des von diesem Staat festgelegten Bezugszeitraums tatsächlich gearbeitet haben (Schultz-Hoff, wie vor, RZ. 41). Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 stehe grundsätzlich einer nationalen Regelung, die für die Ausübung des mit dieser Richtlinie ausdrücklich verliehenen Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub Modalitäten vorsieht, die sogar den Verlust dieses Anspruchs am Ende eines Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums beinhalten, dann nicht entgegen, wenn der Arbeitnehmer, dessen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erloschen ist, tatsächlich die Möglichkeit hatte, den ihm mit der Richtlinie verliehenen Anspruch auszuüben (Schultz-Hoff, wie vor, Rz. 43) und dabei darauf abgestellt, dass für diesen Arbeitnehmer das Eintreten einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht vorhersehbar sei (Schultz-Hoff, wie vor, Rz. 51).

bb) Allerdings gilt auch hier keine unbeschränkte Erhaltung von Urlaubsansprüchen, auch wenn der Arbeitnehmer weiterhin arbeitsunfähig erkrankt bleibt und in der Folge tatsächlich nicht die Möglichkeit hatte, den Urlaubsanspruch zu realisieren. In seiner Entscheidung in Sachen Schulte (EuGH, Urteil vom 22. November 2011, C-214/10, juris) hat der EuGH festgestellt, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen ist, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten wie etwa Tarifverträgen nicht entgegensteht, die die Möglichkeit für einen während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeitsunfähigen Arbeitnehmer, Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub anzusammeln, dadurch einschränken, dass sie einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten vorsehen, nach dessen Ablauf der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erlischt. Als Begründung wurde hierzu ausgeführt, dass ein derartiges Ansammeln von Ansprüchen auf bezahlten Jahresurlaub, die während eines Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit erworben wurden, nicht mehr dem Zweck des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub entsprechen würde, der den doppelten Zweck verfolge, sich zum einen von der Ausübung der nach dem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu erholen und zum anderen über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen (Schulte wie vor Rz. 31). Da dem Urlaubsanspruch über bestimmte zeitliche Grenzen hinweg, die hier bei einem Übertragungszeitraum von 15 Monaten als angemessen angesehen wurde, seine positive Wirkung für den Arbeitnehmer als Erholungszeit fehle, bleibe ihm lediglich seine Eigenschaft als Zeitraum für Entspannung und Freizeit. Bei einer solchen Sachlage hat daher auch der EuGH das mögliche Erlöschen einmal entstandener Urlaubsansprüche bejaht und dabei betont, dass der zu findende angemessene Übertragungszeitraum den Arbeitgeber vor der Gefahr der Ansammlung von zu langen Abwesenheitszeiträumen und den Schwierigkeiten schützen müsse, die sich daraus für die Arbeitsorganisation ergeben können (Schulte, wie vor, Rz. 39).

Wenn also auch der Klägerin darin zuzustimmen ist, dass die Geltendmachung von Urlaubsansprüchen nicht davon abhängig gemacht werden kann, dass im Bezugszeitraum eine tatsächliche Arbeitsleistung erbracht wird, ergibt auch die Rechtsprechung des EuGH, dass das Erlöschen von aus weit zurückliegenden Zeiträumen resultierenden Urlaubsansprüchen dann möglich ist, wenn der mit dem Urlaubsanspruch zu erfüllende Zweck der Erholung von der Arbeit in solchen Fällen nicht (mehr) erfüllt werden kann.

Art. 7 Abs. 1 Richtlinie 2003/88 würde daher einer nationalen Regelung, die das Erlöschen entstandener Urlaubsansprüche in Fällen vorsieht, in denen die tatsächliche Urlaubsgewährung erst erhebliche Zeit nach deren Entstehen in Betracht kommt, nicht entgegenstehen. Eine Bestimmung wie § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG wäre demnach auch eine einzelstaatliche Rechtsvorschrift im Sinne der Rechtsprechung des EuGH, die das Erlöschen solcher Urlaubsansprüche vorsehen können, wenn dem Umstand, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlten Mindestjahresurlaub ein bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union ist, bei der Umsetzung Rechnung getragen würde.

cc) Weiterhin hat der EuGH in dem Fall der Suspendierung der Arbeitspflicht aufgrund durchgehender Kurzarbeit aufgrund eines Sozialplanes, der das ansonsten früher endende Arbeitsverhältnis um ein Jahr bei Bezug von Kurzarbeitergeld verlängerte, festgestellt, dass dieser Arbeitnehmer nicht mit einem aufgrund von Krankheit an der Urlaubnahme gehinderten Arbeitnehmer vergleichbar sei. Dieser sei vielmehr als „vorübergehend teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer“ anzusehen, da dessen Situation faktisch der von Teilzeitbeschäftigten vergleichbar sei. Bezüglich teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer gelte aber § 4 der am 6. Juni 1997 geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit (ABl. 1998, L 14, S. 9) in der durch die Richtlinie 98/23/EG des Rates vom 7. April 1998 (ABl. L 131, S. 10) geänderten Fassung, wonach gem. § 4 Ziff. 2 der Pro-rata-temporis – Grundsatz für die Beschäftigungsbedingungen von Teilzeitbeschäftigten gelte, wo dies angemessen sei (EuGH, Urteil vom 08.11.2012, C-229/11 und C-230/11, juris, Heimann und Toltschin). Als ausschlaggebend sah der EuGH an, dass die Kurzarbeit auf einem Sozialplan basierte, der die gegenseitigen Leistungspflichten der Arbeitsvertragsparteien suspendiert hatte und sich die betroffenen Arbeitnehmer während der für sie vorhersehbaren Kurzarbeit entweder ausruhen oder Freizeittätigkeiten nachgehen könnten, da sie unter keinen durch eine Erkrankung hervorgerufenen physischen oder psychischen Beschwerden litten, weshalb sie sich in einer anderen Lage befänden, als wenn sie aufgrund ihres Gesundheitszustands arbeitsunfähig wären (Heimann und Toltschin, wie vor, Rz. 27-29). Als weiterer Gesichtspunkt wurde allerdings auch angeführt, dass der die Kurzarbeit gestaltende Sozialplan gerade die (frühere) Entlassung der Arbeitnehmer verhindern sollte, die bei einer zusätzlichen Belastung des Arbeitgebers mit Urlaubsansprüchen als Vereinbarung gefährdet wäre.

Es mag dahinstehen, ob ein solcher vom EuGH hier angenommener Wechsel in der Form des Arbeitsverhältnisses vor dem Hintergrund des KSchG ohne weiteres auf alle Fälle von Kurzarbeit übertragen werden könnte.

Tatsache ist, dass der EuGH, dem allein die Auslegung europarechtlicher Normen obliegt, es als mit der Richtlinie 2003/88/EG für vereinbar angesehen hat, Ansprüche von Arbeitnehmern, die formal in einem Vollzeitarbeitsverhältnis stehen, in welchem aber nach nationalen Vorschriften die gegenseitigen Leistungspflichten suspendiert sind, nach den pro-rata-temporis Grundsätzen eines Teilzeitarbeitsverhältnisses zu behandeln, soweit damit nicht Urlaubsansprüche geschmälert werden, die während eines vollzogenen Vollzeitarbeitsverhältnisses erworben worden sind (Heimann und Toltschin, wie vor, Rz. 35). Dieses bedeutet, dass die Ermittlung von Urlaubsansprüchen nach dem pro-rata-temporis Grundsatz in einem solchen Fall möglich ist, wenn jedenfalls der Zeitraum der Suspendierung vorhersehbar ist und der Zeitraum der Suspendierung durch den Arbeitnehmer nach seinem Gutdünken gestaltet werden kann, ohne dass er hieran aufgrund krankheitsbedingter Einschränkungen gehindert wäre.

dd) Dieses ist im Fall der Elternzeit gegeben.

Der Zeitraum der Elternzeit wird von der/dem Arbeitnehmer/in sogar selbst beantragt, was im Fall der Kurzarbeit nicht gegeben ist, letztere wird im Regelfall ohne Zutun des Arbeitnehmers eingeführt. Der Zeitraum der Elternzeit wird ebenfalls durch den/die Arbeitnehmer/in bestimmt. Innerhalb dieser Zeit kann diese/r über die Lebensgestaltung – lediglich eingeschränkt durch Elternpflichten – frei bestimmen, ohne mit einer Wiederaufnahme der Tätigkeit etwa aufgrund Fortsetzung der Arbeit bei Wegfall der Gründe für Kurzarbeit rechnen zu müssen oder Einschränkungen durch Erkrankungen, die einer Erholung entgegenstehen, beeinträchtigt zu sein.

Die Kürzungsregelung beruht dabei auf einer Entscheidung des Gesetzgebers, wobei zu beachten ist, dass die Elternzeit nach § 15 BEEG sich auf drei Jahre beläuft, während die Elternzeit nach § 2 Abs. 2 Richtlinie 2010/18/EU lediglich für einen Zeitraum von mindestens vier Monaten gewährt wird. Weiterhin sieht § 5 Abs. 3 Richtlinie 2010/18/ EU vor, dass die Mitgliedstaaten und/oder die Sozialpartner den Status des Arbeitsvertrags oder Beschäftigungsverhältnisses für den Zeitraum des Elternurlaubs bestimmen. Wenn der Gesetzgeber daher dem Arbeitgeber im ruhenden Arbeitsverhältnis angesichts einer Dauer der Elternzeit von drei Jahren die Möglichkeit gegeben hat, den objektiv zu Beginn jeden Kalenderjahres auch in der Elternzeit entstehenden Jahresurlaub um 1/12 für jeden Monat der Elternzeit zu kürzen, so hat er im Rahmen der ihm obliegenden Gesetzgebungskompetenz die Interessen der Arbeitsvertragsparteien zum Einen an der Inanspruchnahme eines möglichst langfristigen Zeitraumes der ausschließlichen Zuwendung zum Kind den daraus erwachsenden wirtschaftlichen Belastungen einer ansonsten möglichen Gewährung von Urlaubsansprüchen von insgesamt vier Jahren (drei Jahre Elternzeit sowie den Jahresurlaub nach Rückkehr) eine Abwägungsentscheidung getroffen. Dieses ist gem. § 5 Abs. 2 der im Rahmen der Richtlinie 2010/18/EU innerhalb einer nationalen Rechtsvorschrift zulässig und als pro-rata-temporis Regelung gem. Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Heimann und Toltschin (EuGH, Urteil vom 08.11.2012, C-229/11 und C-230/11, juris; im Ergebnis ebenso Schubert, Der Erholungsurlaub zwischen Arbeitsschutz und Entgelt, NZA 2013, 1108; a.A. unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH, wonach ein unionsrechtlich gewährleisteter Urlaub den Anspruch auf einen anderen unionsrechtlich gewährleisteten Urlaub nicht schmälern dürfe, Ricken/Zibolka, Unterbrechung eines unbezahlten Elternurlaubs durch Mutterschaftsurlaub, EuZA 2014, 504(513)) auch möglich.

Die Kürzungsmöglichkeit führt auch nicht zu einem Wegfall des Jahresurlaubsanspruchs durch Inanspruchnahme der Elternzeit, was nicht zulässig wäre, da die Arbeitszeitrichtlinie es den Mitgliedstaaten nicht erlaubt, bereits die Entstehung eines ausdrücklich allen Arbeitnehmern zuerkannten Anspruchs auszuschließen (EuGH, Urteil vom 26.06.2001, C-173/99 , juris, Rn. 55 BECTU). Dies ist im Fall des § 17 BEEG nicht gegeben, da § 17 Abs. 1 BEEG gerade von der Entstehung des Urlaubsanspruches auch in der Elternzeit ausgeht, da nur ein bestehender Anspruch gekürzt werden kann.

c) Der Kürzung der Urlaubsansprüche gem. § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG steht auch nicht der unionsrechtliche Grundsatz entgegen, wonach ein durch das Unionsrecht gewährleisteter Urlaub den Anspruch auf einen anderen unionsrechtlich gewährleisteten Urlaub nicht beeinträchtigen darf (EuGH, Urteil vom 30. Juni 2016, C-178/15, juris, zu Krankheitsurlaub; EuGH Urteil vom 13. Februar 2014, C-512/11 und 513/11, juris zur Entgeltzahlungspflicht während eines Mutterschaftsurlaubs, der während der Elternzeit in Anspruch genommen wird; EuGH, Urteil vom 20. September 2007, C-116/06, Kiiski, juris; zur Unterbrechung der Elternzeit durch neuen Mutterschaftsurlaub; EuGH, Urteil vom 18. März 2004, C-342/01, Merino Gomes, juris, zum Zusammentreffen von Mutterschaftsurlaub und Jahresurlaub).

In Betracht kommt vorliegend nur die Beeinträchtigung des Jahresurlaubs durch den Elternurlaub, da nach nationalem deutschem Recht Mutterschaftsurlaub und Elternzeit sich nicht beeinträchtigen, sondern im Wechsel wahrgenommen werden können und dies insbesondere auch im Arbeitsverhältnis der Parteien so gelebt worden ist.

aa) Ebenso wie von der Klägerin wird die Regelung des § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG auch vereinzelt in der Literatur als in dieser Hinsicht kritisch betrachtet (siehe etwa Ricken/Zibolka, Unterbrechung eines unbezahlten Elternurlaubs durch Mutterschaftsurlaub, EuZA 2014, 504(513). Ricken/Zibolka übersehen dabei allerdings, dass die Inanspruchnahme der Elternzeit den Urlaubsanspruch gerade nicht schmälert, da unbestritten ist, dass dieser auch während der Elternzeit entsteht, die Ermittlung aber nach dem pro-rata-temporis Grundsatz erfolgt, mit der Folge, dass eine (nachträgliche) Kürzung eintritt.

Dies alles vor dem Hintergrund, dass auch der unangefochten entstehende Jahresurlaubsanspruch bei einer über mehrere Jahre andauernden Arbeitsunfähigkeit in bestimmten zeitlichen Grenzen erlöschen kann. In diesem Fall ist nicht der Umstand, dass ein unionsrechtlich gewährleisteter Urlaub (Elternurlaub) in Anspruch genommen wird, Ursache für eine Kürzung des Urlaubsanspruches, nach einer anderen unionsrechtlichen Norm (Arbeitszeitrichtlinie), sondern die Statusbewertung des Zeitraumes der Elternzeit.

bb) Insoweit unterscheidet sich auch die Elternzeit nach Richtlinie 2010/18/EU (Elternzeitrichtlinie) von der nach Richtlinie 92/85/EWG (Mutterschutzrichtlinie) gewährten, als letztere den Zeitraum der Schwangerschaft sowie der Schutzfristen nach Art. 8 Richtlinie 92/85/EWG als Bestandteil des vollzogenen Arbeitsverhältnisses versteht und entsprechend gem. Art. 11 Abs. 2 b) die Fortzahlung des Entgeltes oder den Anspruch auf eine angemessene Sozialleistung verlangt. Eine gleichartige Regelung sieht die Richtlinie 2010/18/EU nicht vor. Vielmehr bezeichnet der EuGH selbst den Zweck der Richtlinie zur Elternzeit gerade damit, es Personen, die gerade Eltern geworden sind, zu ermöglichen, ihre Berufstätigkeit zu unterbrechen, um sich ihren familiären Verpflichtungen zu widmen, und die Rückkehr auf den früheren oder einen gleichwertigen Arbeitsplatz zu gewährleisten (EuGH, Urteil vom 13. Februar 2014, C-512/11 und C-513/11, a.a.O., Rz. 39). Unter Berücksichtigung von § 5 Abs. 3 Richtlinie 2010/18/EU, der den Mitgliedsstaaten ausdrücklich die Befugnis zuspricht, den Status des Arbeitsverhältnisses während der Elternzeit zu bestimmen, ergibt sich, dass eine Schmälerung des unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubsanspruchs nicht aus der Inanspruchnahme der Elternzeit resultiert, sondern aus dem Umstand, dass die Anwendung der unionsrechtlich gebotenen Handhabung von Urlaubsansprüchen bei ruhenden Arbeitsverhältnissen jedenfalls einzelstaatlichen Regelungen nicht entgegenstehen, die für diese Zeiträume eine Kürzung entstandener Urlaubsansprüche pro-rata-temporis vorsehen.

Nach alledem erfolgte die von der Beklagten vorgenommene Kürzung zu Recht. Diese bezog sich ausschließlich auf Zeiträume, in denen das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund Inanspruchnahme von Elternzeit ruhte.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

IV. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG. Eine Entscheidung des BAG zu dieser Rechtsfrage ist hierzu, wie oben ausgeführt, bisher nicht ergangen. Zwar hat es zur Frage der Kürzung eines Urlaubsanspruchs aufgrund einjährigen unbezahlten Sonderurlaubs (BAG, Urteil vom 06. Mai 2014, 9 AZR 678/12, juris) entschieden, dass die pro-rata-temporis Kürzung nach dem BUrlG nicht möglich ist. In den Gründen hat es darauf verwiesen, dass die Kürzungsmöglichkeiten gem. § 17 Abs. 1 BEEG und § 4 Abs. 1 ArbPlSchG keinen allgemeinen Rechtsgedanken der Kürzungsmöglichkeit bei längerfristigem Ruhen des Arbeitsverhältnisses widerspiegeln (siehe dort, Rz. 19) und es auch nicht aufgrund der Entscheidung Heimann und Toltschin (EuGH, Urteil vom 08.11.2012, C-229/11 und C-230/11, juris) geboten sei, den Jahresurlaub nach deutschem Urlaubsrecht bei einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses zu kürzen (Rz. 20).

Die spezialgesetzliche Regelung des § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG im Lichte des Unionsrechts selbst war bisher nicht Gegenstand einer Entscheidung, weshalb die Revision zuzulassen war.

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