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Elternzeitantrag – ist Schriftform notwendig?

LAG Baden-Württemberg, Az.: 6 Sa 49/14, Urteil vom 20.01.2015

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 13.05.2014, Az. 25 Ca 2980/13, teilweise abgeändert: Die Klage wird iHv. weiteren 13.500,00 € brutto (Ziffer 3 und 50 % von Ziffer 4 des erstinstanzlichen Tenors) abgewiesen.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 44 % und die Beklagte 56 %.

4. Für die Beklagte wird die Revision beschränkt auf die Rechtsfrage zugelassen, ob „schriftlich“ iSv. § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG Schriftform nach § 126 BGB voraussetzt oder Textform iSv. § 126b BGB in der bis 12.06.2014 geltenden Fassung ausreicht. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten in zweiter Instanz noch um Ansprüche aus Annahmeverzug und variabler Vergütung.

Der Kläger war bei der Beklagten vom 01.05.2012 bis zum 31.05.2013 als Leader Business Development Engineering/Senior Consultant beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer Eigenkündigung des Klägers.

§ 3 des Arbeitsvertrages vom 23.02.2012 (Anl. K1, Bl. 9 ff. <die Blattzahlen beziehen sich ausschließlich auf die erstinstanzliche Akte>) enthält folgende Regelung:

Elternzeitantrag - ist Schriftform notwendig?
Symbolfoto: Von marvent /Shutterstock.com

„Als Grundvergütung erhält der Mitarbeiter ein monatliches Bruttogehalt von Euro 6670,-

(sechstausend, sechshundert und siebzig Euro)

Die Vergütung wird jeweils am Letzten eines Monats fällig. Die Zahlung erfolgt bargeldlos durch Überweisung auf ein dem Arbeitgeber bekannt zu gebendes Konto.

Der Mitarbeiter erhält zusätzlich eine leistungsbezogene variable Vergütung, der über die Jahreszielvereinbarung definiert und geregelt wird und max. 20.000,- beträgt. Die Zielvereinbarung ist zu Beginn des jeweiligen Kalenderjahres zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter schriftlich zu definieren und ist Bestandteil des Vertrages. Die Initiative für den Abschluss sowie die Unterbreitung von Vorschlägen für die Ziele obliegt dem Mitarbeiter. Die Erfüllung der leistungsbezogenen variablen Vergütung und deren auszuzahlenden Höhe werden am Ende des Kalenderjahres durch den unmittelbaren Vorgesetzten in Abstimmung mit dem Mitarbeiter festgelegt.

Die Auszahlung der variablen Vergütung erfolgt spätestens mit dem Gehalt im März des Folgejahres bargeldlos durch Überweisung.“

Am 02.07.2012 übersandte der damalige Geschäftsführer der Beklagten eine noch nicht ausgefüllte Vorlage für eine „Zielvereinbarung 2012“ mit der Bitte, sich Gedanken zu dem Inhalt der Zielvereinbarung zu machen (Anl. K 15 und 16, Bl. 169 ff.). Ein vom Kläger eingestellter Termin mit dem Geschäftsführer für den 04.07.2012, bei dem auch die Zielvereinbarung Thema sein sollte (siehe Anl. K 17, Bl. 176),  wurde  vom  Geschäftsführer abgesagt. Ob der  Kläger  eine E-Mail des Geschäftsführers vom 07.07.2012 (siehe Anl. B 14, Bl. 236) mit dem Betreff „Zielvereinbarung für das laufende Jahr“ erhalten hat, ist zwischen den Parteien streitig. In dem „Leitfaden für das Feedbackgespräch 2012“ (Anl. K 19, Bl. 178 ff.), der dem Kläger zur Vorbereitung seines Mitarbeitergesprächs am 04.12.2012 übersandt wurde (Anl. K 18, Bl. 177), werden als Ziele des Gesprächs unter anderem der „Abschluss des ZV-Prozesses 2012“ und die „Vorbereitung auf das Zielvereinbarungsgespräch 2013“ aufgeführt. Nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers wurde die Zielvereinbarung in diesem Gespräch mit dem Geschäftsführer nicht thematisiert. Zu dem Abschluss einer Zielvereinbarung für das Jahr 2012 kam es zwischen den Parteien nicht.

Mit E-Mail vom 03.01.2013 (siehe zum Inhalt Anl. K 20, Bl. 182) übersandte der Geschäftsführer eine von ihm ausgefüllte Vorlage für die „Zielvereinbarung 2012“ (siehe Anl. B9, Bl. 90 ff.). Ob  der damalige Geschäftsführer dieses Dokument zu einem früheren Zeitpunkt, nämlich mit E-Mail vom 07.07.2012, an den Kläger übersandt hatte, ist zwischen den Parteien streitig.

Am  04.01.2013  teilte  der Kläger in einer E-Mail mit dem Betreff „Antrag auf Elternzeit: … (März – April)“ der Beklagten mit, dass er „hiermit ab dem 28.02.2013 meine 2 Monate Elternzeit (28.02. – 28.04.2013)“ beantragen wolle (siehe Anl. B2, Bl. 89). Am 10.01.2013 antwortete die Personalreferentin der Beklagten (Anl. K3, Bl. 21): „nach Rücksprache mit H., bitte ich Dich, einen formvollen Antrag zu stellen: Sprich – Einreichung bei mir in Papier & mit Unterschrift.“

Am 13.01.2013 übersandte der Kläger per E-Mail (Anl. B3, Bl. 90) als Anhang die Arbeitgeber-Bescheinigung  zum  Antrag  auf  Elterngeld  bei  der  L-Bank und seine zuvor unterzeichnete E-Mail vom 04.01.2013 mit der Änderung, dass der Zeitraum „28.02. – 28.04.2013“ nicht mehr ausdrücklich genannt wurde (siehe Anl. K2, Bl. 20). In der Arbeitgeber-Bescheinigung hatte er als Bezugszeitraum für das Elterngeld die Zeiträume 01.03.2013 bis 28.03.2013 und 29.04. 2013 bis 28.05.2013 angegeben (Anl. K4, Bl. 22). Am 15.01.2013 bestätigte die Beklagte den Eingang des „Antrages auf Elternzeit ab 28. Februar 2013“ und bat um die Vereinbarung eines Termins zu diesem Thema (Anl. B5, Bl. 92).

Am 01.02.2013 fand ein Gespräch zwischen dem Geschäftsführer und dem Kläger statt. Als Themen des Gesprächs waren in der Einladung (Anl. K 21, Bl. 183) unter anderem „Personalgespräch: Elternzeit“ und „Zielvereinbarungsgespräch: 2013 (bitte Vorschlag analog zu 2012 mitbringen)“ genannt. Am 03.02.2013 teilte der Kläger per E-Mail dem Geschäftsführer mit, dass er sich bezüglich der Elternzeit mit seiner Frau besprochen habe und sie bei den Monaten März und Mai bleiben würden (siehe Anl. B 16, Bl. 358). Alternativ bot der Kläger an, seine Elternzeit zu verschieben, wenn die Beklagte eine variable Vergütung für 2012 i.H.v. 9.333,00 € zahlen würde.

Mit E-Mail vom 07.02.2013 setzte der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger für die „Abgabe der ZV 2013“ eine Frist bis zum 11.02.2013, da der Kläger beim letzten Termin seinen Vorschlag nicht vorgelegt habe (Anl. K 24, Bl. 186 f. am Ende). In seiner Antwort vom gleichen Tag wies der Kläger daraufhin, dass er die Vorlage ausgefüllt habe, man aber nicht zu diesem Agendapunkt gekommen sei. Er benötige noch „Input“ für zwei Punkte (Anl. K 24, Bl. 186 unten).

Am 06.02.2013 informierte der Kläger die Personalreferentin, dass er mit dem Geschäftsführer über die Elternzeit gesprochen und ihm gesagt habe, dass „wir den März und Mai so nehmen“ (siehe Anl. K 13, Bl. 167 unten). In ihrer Antwort vom 08.02.2013 teilte die Personalreferentin, die die Arbeitgeber-Bescheinigung für das Elterngeld unter dem 07.02.2013 unterzeichnet hatte (Anl. K4, Bl. 25), Folgendes mit (Anl. K 13, Bl. 167 oben):

„nach Prüfung der betrieblichen Gegebenheiten der derzeitigen (Auftrags-)Lage in der P.- und P. GmbH, möchten wir dich darauf hinweisen, dass der Antrag auf Elternzeit form- und fristgerecht bisher nur für die Monate 28.02.2013 – 28.04.2013 gestellt wurde.

Bitte stelle form- und fristgerecht erneut einen Antrag falls sich dieser Zeitraum geändert haben sollte.“

Mit Schreiben vom 11.02.2013 bestätigte der Geschäftsführer der Beklagten den Eingang des „am 13. Januar 2013 eingegangenen Antrages auf Elternzeit für die Monate vom 28. Februar 2013 bis 28. April 2013“ und erklärte, dass die Beklagte diesem Antrag entspreche (Anl. K5, Bl. 26). Mit E-Mail vom gleichen Tag wurde der Kläger aufgefordert, in der Arbeitgeber-Bescheinigung für das Elterngeld den Zeitraum 28.02.2013 bis 28.04.2013 „gemäß deinem schriftlichen Antrag  vom 13. Januar 2013“ anzugeben (Anl. B6, Bl. 93). Der Kläger erklärte daraufhin mit Schreiben ebenfalls vom 11.02.2013 (Anl. K6, Bl. 27), dass er keine Elternzeit im März und April nehme werde, nachdem er nicht Elternzeit für den in der Arbeitgeber-Bescheinigung angegebenen Zeitraum (01.03..2013 bis 28.03.2013 und 29.04.2013 bis 28.05.2013) erhalte.

Am 18.02.2013 teilte der Geschäftsführer dem Kläger mit, dass der Projekteinsatz des Klägers bei einem Kunden Ende Februar enden würde (Anl. K 14, Bl. 168). Mit Schreiben vom gleichen Tag (Anl. K10, Bl. 31) mahnte die Beklagte den Kläger ab, weil er bisher keinen Vorschlag für eine Zielvereinbarung eingereicht habe. Ebenfalls mit Schreiben vom 18.02.2013 teilte die Beklagte mit, dass man die „Rücktrittserklärung“ vom Antrag auf Elternzeit für den Zeitraum 28.02.2013 bis 28.04.2013 ablehne und sich auf seine Rückkehr am 29.04.2013 freue (Anl. K7, Bl. 28).

Nach einem Gespräch mit dem Geschäftsführer legte der Kläger am 22.02.2013 eine zum Teil ausgefüllte Vorlage für eine Zielvereinbarung vor (Anl. B15, Bl. 237 ff.). Eine Zielvereinbarung wurde auch für 2013 nicht abgeschlossen.

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 28.02.2013 bot der Kläger erfolglos seine Arbeitskraft an (Anl. K11, Bl. 32 ff.). Die Beklagte beschäftigte den Kläger nicht und zahlte für März und April auch keine Vergütung. Der Kläger erhielt für diese beiden Monate Elterngeld unter dem Vorbehalt der Rückforderung für den Fall, dass ein wirksames Verlangen auf Elternzeit nicht vorliegt. Mit Schreiben vom 19.04.2013 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis zum 31.05.2013. Mit seiner Klage vom 20.04.2013 hat der Kläger die Zahlung der Vergütung für März 2013 und einer variablen Vergütung in Höhe von 20.000,00 € brutto für das Jahr 2012, die Erteilung von Abrechnungen für Februar und März 2013, den Ersatz von Auslagen für eine Bahncard 25 iHv. 61 € und die Entfernung der Abmahnung vom 18.02.2013 aus der Personalakte verlangt. Den Antrag auf Erteilung von Abrechnungen hat er später zurückgenommen. Klagantrag 5 vom 20.04.2013 erklärten die Parteien aufgrund der Eigenkündigung übereinstimmend für erledigt. Mit Schriftsatz vom 18.06.2013 erweiterte der Kläger die Klage um die Vergütung für April 2013, die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses, die Zahlung einer variablen Vergütung in Höhe von 10.000,00 € brutto für das Jahr 2013 und die Herausgabe verschiedener Arbeitspapiere (Antrag 5 vom 18.06.2013). Letzteren Antrag nahm der Kläger später zurück.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass er einen formwirksamen Elternzeitantrag nicht gestellt habe. Die Beklagte habe den Kläger an seinem ersten formunwirksamen Antrag für die Monate März und April 2013 festhalten wollen, nachdem offenbar für diesen Zeitraum ein Projekt weggefallen sei. Die Klausel in § 3 des Formulararbeitsvertrages, die Initiative für den Abschluss einer Zielvereinbarung dem Arbeitnehmer aufzubürden, stelle eine unangemessene Benachteiligung dar. Insbesondere bei Beginn seiner Tätigkeit könne ein Arbeitnehmer kaum in der Lage sein, einen für die Beklagte akzeptablen Vorschlag zu unterbreiten, da er Umsatzzahlen etc. noch nicht kenne. Lege der Arbeitnehmer die Messlatte dagegen zu hoch, könne er sich möglicherweise später nicht darauf berufen, dass die – von ihm selbst vorgeschlagenen – Ziele für ihn nicht erreichbar gewesen seien. Sein unterjähriger Eintritt schließe nach der vertraglichen Regelung weder einen Bonus insgesamt noch die Erreichung des maximalen Bonus aus. Er habe zur Vorbereitung des dann vom Geschäftsführer abgesagten Gesprächs am 04.07.2012 seine Zielvorstellungen in die leere Vorlage eingetragen und auf dem Firmenlaptop gespeichert. Auch weitere Gespräche, in denen der Geschäftsführer Ziele für den Kläger definiert hätte, hätten 2012 nicht stattgefunden. Die von Beklagtenseite vorgelegte E-Mail vom 07.07.2012 (Anl. B14) habe er nicht erhalten. Die vom Geschäftsführer ausgefüllte Vorlage einer Zielvereinbarung für 2012 (Anl. B9) sei ihm erstmalig mit E-Mail vom 03.01.2013 übersandt worden (Anl. K20). Zu dem Gespräch am 01.02.2013 habe er einen Zielvereinbarungsvorschlag absprachegemäß mitgebracht, der Geschäftsführer habe aber nicht danach gefragt. Für 2013 sei von einer Zielerreichung von 60 bis 65 Prozent auszugehen. Die Beklagte sei verpflichtet, nach Ablauf der von ihr zur Verfügung gestellten Probe-BahnCard auch die Kosten der BahnCard 25 in Höhe von 61,00 € für den Kläger zu übernehmen.

Der Kläger hat beantragt:

1. Die beklagte Partei wird verurteilt, an die Klägerpartei EUR 6.670,00 brutto an weiteren Verzugslohn für den Monat März 2013 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.04.2013 zu zahlen.

2. Die beklagte Partei wird verurteilt, an die Klägerpartei EUR 6.670,00 brutto an weiteren Verzugslohn für den Monat April 2013 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.05.2013 zu zahlen.

3. Die beklagte Partei wird verurteilt, an die Klägerpartei EUR 20.000,00 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.04.2013 zu zahlen.

4. Die beklagte Partei wird verurteilt, an die Klägerpartei EUR 10.000,00 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.06.2013 zu zahlen.

5. hilfsweise wird festgestellt, dass die beklagte Partei verpflichtet ist, an die Klägerpartei EUR 10.000,00 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.03.2014 zu zahlen.

6. Die beklagte Partei wird verurteilt, an die Klägerpartei Auslagen in Höhe von EUR 61,00 brutto zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2013 zu bezahlen.

7. Die beklagte Partei wird verurteilt, der Klägerpartei ein qualifiziertes Arbeitszeugnis, welches sich auf Führung und Leistung erstreckt, zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass für den Elternzeitantrag das Schriftformerfordernis des § 126 BGB nicht gelte, so dass der Kläger wirksam Elternzeit für den Zeitraum 28.02.2013 bis 28.04.2013 beantragt habe. Jedenfalls sei es rechtsmissbräuchlich, wenn der Kläger sich nun auf die fehlende Schriftform berufe. Die Kundeneinsätze für März und April seien im Januar geplant worden. Ein „Rücktritt“ von der beantragten Elternzeit sei ohne Zustimmung des Arbeitgebers nicht möglich. Die Verlagerung der Initiativlast auf den Kläger in § 3 des Arbeitsvertrages sei nicht unangemessen. Es sei gerade nicht geregelt, dass der Arbeitnehmer „akzeptable Vorschläge“ zu unterbreiten habe. Er müsse nur überhaupt Vorschläge unterbreiten.  Von einem Arbeitnehmer wie dem Kläger, der zudem als Berater arbeite, könne erwartet werden, sich mit dem Unternehmen seines Arbeitgebers zu beschäftigen. Der Kläger habe für 2012 keine Vorschläge unterbreitet. Wegen der fehlenden Initiative habe der Geschäftsführer in einer Besprechung am 21.06.2012 Aufgaben und Ziele des Klägers definiert. In Gesprächen am 12.06., 18.06., 21.06. und 02.07.2012 seien auch Inhalte der Zielvereinbarung besprochen worden. In einem Gespräch seien die Ziele gemäß der Balanced Scorecard erörtert worden, der Geschäftsführer habe die Ziele an einem White-Board dokumentiert. Der Kläger habe die Aufgabe gehabt, diese schriftlich festzuhalten und ggf. Änderungen einzubringen. Nachdem der Kläger Ziele nicht niedergelegt habe, habe der Geschäftsführer dies übernommen und die ausgefüllte Vorlage (Anl. B9) am 07.07.2012 dem Kläger per E-Mail übersandt. Die in der Anl. B9 genannten Ziele seien tatsächlich erreichbar gewesen, aber von dem Kläger nicht erreicht worden. Er habe auch für 2013 nicht die arbeitsvertraglich geschuldete Initiative ergriffen. Trotz Aufforderung, seinen Vorschlag zu dem Gespräch am 01.02.2013 mitzubringen, habe er am 01.02.2013 keinen Zielvereinbarungsvorschlag vorgelegt. Am 22.02.2013 habe der Kläger „etwas“ (Anl. B15) vorgelegt, das nicht ansatzweise den Anforderungen an einen Zielvereinbarungsvorschlag genügt habe. Deshalb sei auch nicht zu prüfen, ob der Kläger die vorgeschlagenen Ziele erreicht habe. Sollte der Kläger dennoch Anspruch auf einen Bonus haben, sei eine Kürzung 2012 wegen des unterjährigen Eintritts und 2013 wegen des vorzeitigen Ausscheidens, der zwei Monate Elternzeit und des einen Monats Freistellung vorzunehmen.

Mit dem am 13.05.2014 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht dem Kläger die Vergütungen für April und Mai 2013, für 2012 eine variable Vergütung i.H.v. 9.333,33 € brutto und für 2014 eine variable Vergütung i.H.v. 8.333,33 € brutto zugesprochen und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

Soweit das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben hat, hat es zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte schulde die Vergütungen für März und April 2013 aus Annahmeverzug (§§ 615 Satz 1 iVm. 295 BGB) iVm. mit dem zwischen den Parteien am 23.02.2012 geschlossenen Arbeitsvertrag. Ein formwirksames Elternzeitverlangen des Klägers für die beiden Monate liege nicht vor, weil die strenge Schriftform nach § 126 BGB nicht gewahrt sei. Textform nach § 126b BGB sei ausgeschlossen. Für die Einhaltung der elektronischen Form nach § 126a BGB fehle es an der elektronischen Signatur. Die Berufung des Klägers auf die fehlende Schriftform stelle kein widersprüchliches und damit treuwidriges Verhalten dar. Dem Kläger sei ersichtlich nicht bekannt gewesen, dass die Form durch eine E-Mail oder einen E-Mail-Anhang nicht gewahrt wird. Die Beklagte habe den zweiten Antrag des Klägers vom 13.01.2013 als ausreichend angesehen; denn sie habe keinen zweiten Hinweis auf die fehlende Schriftform gegeben, sondern den Eingang des Antrags bestätigt. Der Kläger habe vor Antritt der Elternzeit den „Rücktritt“ erklärt und seine Arbeitskraft angeboten. Die Beklagte habe die Möglichkeit gehabt, die Wirksamkeit des Antrags zu prüfen und den Kläger arbeiten zu lassen. Stattdessen habe sie auf der Elternzeit bestanden.

Der Kläger habe wegen der unterbliebenen Zielvereinbarungen für 2012 und 2013 einen Schadensersatzanspruch  aus positiver Vertragsverletzung. § 3 Abs. 3 Satz 3 des Arbeitsvertrages, wo dem Kläger die Initiative zum Abschluss einer Zielvereinbarung auferlegt werde, stelle eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB dar und sei nach § 307 Absatz ein Satz 1 BGB unwirksam. Die Beklagte habe daher die Initiative zum Abschluss der Zielvereinbarung gehabt. Sie sei ihrer Pflicht zur Zielefestlegung nicht nachgekommen. Für 2012 sei von 70% Zielerreichung des Klägers auszugehen. Ihm stünden daher 70 % von 8/12 des Jahresbetrages von 20.000,00 € zu. Dies seien 9.333,33 € brutto. Da der Kläger im Jahr 2013 eingearbeitet gewesen sei, habe er einen Anspruch auf 5/12 des vollen Bonus. Dies seien 8.333,33 € brutto.

Die Berufung der Beklagten gegen das ihr am 05.06.2014 zugestellte Urteil ist am 01.07.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und deren Begründung innerhalb der bis 05.09.2014 verlängerten Frist am 03.09.2014.

Die Beklagte trägt zur Begründung der Berufung vor, das Verlangen nach Elternzeit habe keine Warn- und Beweisfunktion. Textform sei deshalb ausreichend. Diese sei durch die E-Mail vom 04.01.2013 gewahrt. Das Arbeitsgericht habe nicht geprüft, ob eine Vereinbarung zwischen den Parteien über die Elternzeit des Klägers zu Stande gekommen sei. Die Beklagte habe den Antrag des Klägers vom 13.01.2013 (Anl. B3) am 11.02.2013 (Anl. K5) bestätigt. Die Berufung auf die fehlende Schriftform seitens des Klägers sei treuwidrig. Die Beklagte habe den Kläger mit E-Mail vom 13.01.2013 auf die fehlende Schriftform hingewiesen. Sie habe die Elternzeit entsprechend dem Antrag des Klägers vom 04.01.2013 gewährt.

Zur Erfüllung der Initiativlast seitens der Beklagten genüge auch ein ungeeigneter Vorschlag. Im übrigen sei dem Kläger vertraglich nur eine Initiativpflicht auferlegt aber kein Weisungsrecht übertragen worden.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des  Arbeitsgerichts Stuttgart vom 13.05.2014, Az. 25 Ca 2980/13, in Ziffern 1 – 4 des Tenors abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Das Verlangen des Klägers vom 04.01.2013 (Anl. K2) sei kein Angebot gewesen. Dies ergebe sich aus der Antwort der Beklagten vom 10.01.2013, der Kläger möge einen formgerechten Antrag stellen (Anl. K3). Eine formnichtige Erklärung könne nicht in ein Angebot umgedeutet werden. Im übrigen lägen übereinstimmende Willenserklärung nicht vor. Es sei schon fraglich, ob die E-Mail vom 04.01.2013 bestimmt genug sei. Jedenfalls sei das Verlangen mit Schreiben vom 10.01.2013 von der Beklagten abgelehnt worden. Den zweiten Antrag des Klägers, der in der Elterngeldbescheinigung liegen könne, habe die Beklagte abgelehnt, weil sie an den Zeiten des ursprünglichen Antrags festgehalten habe. Die Berufung des Klägers auf die fehlende Form seines Verlangens stelle für die Beklagte keine unbillige Härte dar. Der Kläger habe von der Elternzeit Abstand genommen und seine Arbeitskraft angeboten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze und Anlagen, die Protokolle der mündlichen Verhandlungen in beiden Instanzen und den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung der Beklagten ist statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG), sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519Abs. 1 und 2, 520 Abs. 3 ZPO) und auch im Übrigen zulässig.

II.

Die Berufung ist zum Teil begründet. Für 2012 steht dem Kläger kein Anspruch auf variable Vergütung zu, für 2013 nur die Hälfte des vom Arbeitsgericht zuerkannten Betrages. Hinsichtlich der vom Arbeitsgericht zugesprochenen Vergütungen für die Monate März 2013 und April 2013 bleibt die Berufung erfolglos.

A.  Vergütungen für März und April 2013

Zu Recht hat das Arbeitsgericht die vom Kläger geltend gemachten Vergütungen für diese beiden Monate aus Annahmeverzug gemäß § 615Satz 1 iVm. § 295 BGB iVm. mit dem Arbeitsvertrag vom 23.02.2012 zuerkannt. Auf die Begründung unter I der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils nimmt die Kammer Bezug und macht sie sich zu Eigen. Die Berufung bringt hiergegen nichts Neues vor, sondern versucht lediglich ihre Rechtsauffassung durchzusetzen. Sie veranlasst daher nur zu folgenden Anmerkungen:

1. Gemäß § 16 Abs. 1 BEEG kann, wer Elternzeit beanspruchen will, sie vor Beginn der Elternzeit schriftlich vom Arbeitgeber verlangen. Rechtsfolge des Verlangens ist, dass das Arbeitsverhältnis mit Beginn der begehrten Elternzeit ruht, ohne dass es einer Zustimmung des Arbeitgebers bedarf (BAG 27.04.2004 9 AZR 21/04 Rn. 29 der Gründe mwN.). Mithin handelt es sich bei dem  Verlangen von Elternzeit um eine rechtsgestaltende, zugangsbedürftige Willenserklärung, also ein Rechtsgeschäft. Wird für ein Rechtsgeschäft vom Gesetz Schriftform verlangt, ist regelmäßig die strenge Schriftform des § 126 BGB gemeint, die im vorliegenden Fall unstreitig nicht eingehalten ist. Textform gemäß § 126b BGB reicht nicht aus. Der Begriff „Textform“ ist ein Rechtsbegriff, den der Gesetzgeber dann verwendet, wenn er Textform ausreichen lassen will, so zB in § 613a Abs. 5 BGB, wo im Falle eines Betriebsübergangs die Unterrichtung betroffener Arbeitnehmer in Textform zu erfolgen hat. Das Bundesarbeitsgericht unterscheidet in ständiger Rechtsprechung zwischen Rechtsgeschäften, für die es strenge Schriftform nach § 126 BGB verlangt und rechtsgeschäftsähnlichen Erklärungen, für die es jede Schriftform zulässt. Als rechtsgeschäftsähnliche Erklärung hat das Bundesarbeitsgericht die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen iSv. § 99 Abs. 3 BetrVG (BAG 09.12.2008 1 ABR 79/07 Rn. 32 der Gründe) und die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen wegen Diskriminierung gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG (BAG 19.08.2010 8 AZR 530/09 Rn. 43 und 44 der Gründe)  angesehen, als Rechtsgeschäft das Weiterbeschäftigungsverlangen eines Jugend- und Auszubildendenvertreters iSv. § 78a Abs. 2 Satz 1 BetrVG (BAG 15.12.2011 7 ABR 40/10 Rn. 32 und 33 der Gründe). Mit diesem Weiterbeschäftigung  ist das Verlangen von Elternzeit vergleichbar, da es das Arbeitsverhältnis gestaltet, indem das Verlangen die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers suspendiert und das Arbeitsverhältnis zum Ruhen bringt. Sinn und Zweck der strengen Schriftform stehen diesem Ergebnis nicht entgegen. Der Zweck der Formvorschriften liegt im allgemeinen in ihrer Warnfunktion, ihrer Klarstellungsfunktion und ihrer Beweisfunktion (Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Auflage 2014 Rn. 1 – 3 mwN.). In der Entscheidung vom 26.06.2008 (2 AZR 23/07 Rn. 25 der Gründe) hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, das Schriftformerfordernis des § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG diene der Rechtsklarheit. Ihm komme vor allem klarstellende Funktion für die Parteien zu, an der grundsätzlich festzuhalten sei.

Schon aus der Formulierung des Bundesarbeitsgerichts „vor allem“ wird deutlich, dass die Aufzählung von Rechtsklarheit und Klarstellungsfunktion nicht abschließend ist. Das Schriftformerfordernis des § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG hat auch eine Warnfunktion; denn nur ein formwirksames Verlangen löst den besonderen Kündigungsschutz nach § 18 BEEG aus (BAG aaO mwN.). Darüber hinaus dient die Schriftform auch dem Beweis, dass überhaupt ein Verlangen gestellt ist und damit der Arbeitnehmer berechtigt der Arbeit fern bleibt.

2. Die Berufung des Klägers auf die fehlende Schriftform ist nicht nach § 242 BGB wegen widersprüchlichen Verhaltens treuwidrig. Auch diesbezüglich kann auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichtsgerichts unter I 1. b) der Entscheidungsgründe verwiesen werden. Der Berufung ist lediglich zuzugeben, dass die Beklagte mit der E-Mail vom 13.01.2013 (Anl. B3) auf die fehlende Schriftform hingewiesen hat. Doch allein dies führt nicht dazu, dass die Berufung des Klägers auf die fehlende Schriftform für die Beklagte eine unbillige Härte darstellen würde. Der Kläger hat von der Elternzeit rechtzeitig Abstand genommen und seine Arbeitsleistung angeboten, so dass der Beklagten genügend Zeit verblieb, die Arbeitskraft des Klägers zu disponieren. Eine Treuwidrigkeit des Klägers ist daher nicht ansatzweise zu erkennen.

3. Zwischen den Parteien ist auch keine Vereinbarung über die Inanspruchnahme von Elternzeit im März und April 2013 zustande gekommen. Eine Vereinbarung setzt übereinstimmende Willenserklärungen voraus, §§ 145 ff BGB. Solche liegen nicht vor. Selbst wenn man die E-Mail des Klägers vom 04.01.2013 (Anl. K2 Bl. 20 der erstinstanzlichen Akte) als Angebot zum Abschluss einer solchen Vereinbarung ansehen wollte, hat die Beklagte dieses Angebot mit E-Mail vom 10.01.2013 (Anl. K3 Bl. 21) abgelehnt. Die zweite E-Mail des Klägers vom 13.01.2013 (Anl. B3 Bl. 90) betrifft einen anderen Zeitraum, während die Beklagte in ihrem Schreiben vom 11.02.2013 (Anl. K5 Bl. 26 ) sich auf den ursprünglich mitgeteilten Zeitraum bezogen hat. Übereinstimmende Willenserklärungen liegen mithin nicht vor. Eine Vereinbarung ist nicht zu Stande gekommen.

4. Die Beklagte war gemäß § 295 BGB im März und April 2013 mit der Annahme der Dienste des Klägers im Verzug. Sie schuldet dem Kläger die vom Arbeitsgericht zugesprochenen Vergütungen von jeweils 6.670 € brutto monatlich aus § 615 Satz 1 BGB iVm. dem Arbeitsvertrag vom 23.02.2012.

a) Der Kläger muss sich das ausbezahlte Elterngeld für die Monate März und April 2013 nicht gemäß § 615 Satz 2 BGB anrechnen lassen, da die Zahlung unter dem Vorbehalt der Rückforderung für den Fall steht, dass Elternzeit nicht wirksam verlangt war, was, wie oben dargestellt, vorliegend der Fall ist. Der Kläger hat daher die Zahlung nicht endgültig erlangt.

b) Der Kläger hat für die Geltendmachung der Annahmeverzugsansprüche iHd. gezahlten Elterngeldes auch nicht die Aktivlegitimation verloren, da die Voraussetzungen des § 115 SGB X nicht vorliegen. Nach dieser Vorschrift geht der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf den Leistungsträger über, der Sozialleistungen erbracht hat, weil der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt hat. Die Vorschrift ist auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. § 26 BEEG erklärt bei der Ausführung des 1. bis 3. Abschnitts des BEEG nur das 1. Kapitel des SGB X für entsprechend anwendbar. Der gesetzliche Forderungsübergang des § 115 Abs. 1 SGB X findet sich im 3. Kapitel des SGB X.

Die Berufung der Beklagten ist hinsichtlich der vom Arbeitsgericht zuerkannten Annahmeverzugsansprüche unbegründet.

B. Variable Vergütung

Die Berufung der Beklagten ist bezüglich der vom Arbeitsgericht den Kläger zugesprochenen variablen Vergütungen für 2012 und 2013 überwiegend begründet. Die Klage ist iHv. weiteren 13.500,00 € brutto unbegründet. Der Betrag setzt sich aus der vom Arbeitsgericht zuerkannten variablen Vergütung für 2012 iHv. 9.333,33 € brutto (1) und der Hälfte des für 2013 zuerkannten, der Höhe nach in der Berufung nicht mehr streitigen Betrages von 8.333,33 € brutto, also 4.166,67 € brutto (2) zusammen. Im Einzelnen gilt folgendes:

1. Auf die in der Berufung nicht angegriffene Darstellung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unter II 1. der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zum Anspruch auf Schadensersatz wegen unterbliebener Zielvereinbarung wird Bezug genommen (BAG 12.12.2007 10 AZR 97/07, 10.12.2008 10 AZR 889/07 und 12.05.2010 10 AZR 390/09). Das Bundesarbeitsgericht leitet einen Anspruch auf Schadensersatz wegen unterbliebener Zielvereinbarung aus positiver Vertragsverletzung und Unmöglichkeit her (§ 280 Abs. 1 und 3 iVm. § 283 Satz 1, 249 ff., § 275 Abs. 1 BGB). Voraussetzung für den Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber ist eine Pflichtverletzung des Arbeitgebers, die dieser  zu vertreten hat. Die Pflichtverletzung besteht in der unterlassenen Initiative des Arbeitgebers zur Vereinbarung der Ziele. Sie kann in dem Fall, dass dem Arbeitnehmer die Initiative zur Einleitung der Gespräche über eine Zielvereinbarung obliegt, auch in der Verletzung der Verhandlungspflicht des Arbeitgebers liegen.

2. Ist vereinbart, dass die Zahlung eines Bonus durch die Erreichung von Zielen innerhalb einer Zielperiode aufschiebend bedingt ist (§ 158 Abs. 1 BGB) und sind nach der vertraglichen Regelung die Ziele von den Arbeitsvertragsparteien gemeinsam festzulegen, unterliegt diese Vereinbarung als Entgeltregelung grundsätzlich keiner allgemeinen Billigkeits- oder Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB. Es finden die Grundsätze über die freie Entgeltvereinbarung uneingeschränkt Anwendung. Allerdings muss die Zielvereinbarung dem Transparenzgebot (§ 307 Abs. 3 Satz 2 iVm. 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) entsprechen (BAG 12.12.2007 10 AZR 97/07 Rn. 16 der Gründe). Soweit in der zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung die Initiativlast dem Arbeitnehmer übertragen worden ist, ist diese Regelung Bestandteil der Vergütungsvereinbarung und ebenfalls keiner Billigkeits- und Inhaltskontrolle unterworfen.

a) Nach dieser Rechtsauffassung traf gemäß § 3 des Arbeitsvertrages den Kläger die Initiative für den Abschluss einer Zielvereinbarung sowie die Unterbreitung von Vorschlägen für die Ziele.

aa) Das Arbeitsverhältnis hat am 01.05.2012 begonnen. Der Arbeitsvertrag war über zwei Monate vorher abgeschlossen. Schon bis zum tatsächlichen Arbeitsbeginn war ausreichend Zeit für den Kläger, hinsichtlich einer Zielvereinbarung initiativ zu werden. Auch in den ersten zwei Monaten nach dem tatsächlichen Beginn des Arbeitsverhältnisses hat der Kläger keine Initiative zum Abschluss einer Zielvereinbarung gezeigt. Vielmehr übersandte der damalige Geschäftsführer der Beklagten am 02.07.2012 eine noch nicht ausgefüllte Vorlage für eine Zielvereinbarung 2012 mit der Bitte, sich Gedanken zu dem Inhalt der Zielvereinbarung zu machen (Anl. K 15 und 16 Bl. 169 ff.). Allein der Umstand, dass das für den 04.07.2012 geplante Gespräch, bei dem auch die Zielvereinbarung für 2012 Tagesordnungspunkt sein sollte, vom damaligen Geschäftsführer der Beklagten abgesagt worden ist, führt nicht dazu, dass der Kläger seiner Initiativlast entledigt war. Der Kläger hat diesbezüglich bis zum Jahresende nichts unternommen. Es war wieder der damalige Geschäftsführer der Beklagten, der dem Kläger den Leitfaden für das Feedback Gespräch 2012 (Anl. K 19 Bl. 178 ff. der erstinstanzlichen Akte) zur Vorbereitung eines Mitarbeitergesprächs am 04.12.2012 übersandt hat (Anl. K 18 Bl. 177 erstinstanzlichen Akte). Dieses Gespräch hat stattgefunden. Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass in diesem Gespräch über eine Zielvereinbarung für 2012 nicht gesprochen worden ist. Aus Sicht der Kammer hätte dies am 04.12.2012 auch keinen Sinn mehr gemacht, da das Jahr fast abgelaufen war und zu diesem Zeitpunkt vereinbarte Ziele nicht mehr erfüllbar gewesen wären. Damit ist auch keine Verletzung der Verhandlungspflicht seitens der Beklagten feststellbar. Ein Anspruch des Klägers für das Jahr 2012 scheitert bereits an der fehlenden Pflichtverletzung der Beklagten.

bb) Im Jahr 2013 war für den Kläger die Inanspruchnahme von Elternzeit offenkundig wichtiger als der Abschluss der Zielvereinbarung. Eine Initiative des Klägers ist wieder nicht erkennbar. Wieder war es die Beklagte, die mit E-Mail vom 03.01.2013 (Anl. K 20 Bl. 182) dem Kläger eine ausgefüllte Vorlage (Anl. B9 Bl. 90 ff.) für eine Zielvereinbarung übersandt hat. Darüber hinaus hat der damalige Geschäftsführer der Beklagten mit E-Mail vom 07.02.2013 dem Kläger eine Frist bis zum 11.02.2013 für die Abgabe der Zielvereinbarung 2013 gesetzt. Immerhin hat der Kläger im Jahr 2013 in seiner Antwort vom gleichen Tag reagiert und mitgeteilt, er benötige noch „Input“ für zwei Punkte (Anl. K24 Bl. 186). Am 23.02.2013 hat der Kläger eine zum Teil ausgefüllte Vorlage für eine Zielvereinbarung vorgelegt (Anl. B15 Bl. 237). Zum Abschluss einer Zielvereinbarung für 2013 kam es dann aber nicht, weil zwischen den Parteien  das Verlangen des Klägers nach Elternzeit im Vordergrund stand. Insoweit sieht die Kammer eine Verletzung der Verhandlungspflicht der Beklagten aber auch ein erhebliches Mitverschulden des Klägers (§ 254 Abs. 1 BGB). Die Kammer bewertet das beiderseitige Verschulden gleichwertig, weshalb sich der Höhe nach der in zweiter Instanz nicht mehr streitige Anspruch des Klägers für das Jahr 2013 auf die Hälfte des vom Arbeitsgericht zuerkannten Betrages reduziert (4.166,66 € brutto).

b) Dass § 3 des Arbeitsvertrages vom 23.02.2012 (Anl. K1 Bl. 9 ff.) intransparent wäre, ist nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht gerügt.

3. Selbst wenn man mit dem Arbeitsgericht § 3 des Arbeitsvertrages wegen unangemessener Benachteiligung des Klägers durch Übertragung der Initiativlast auf ihn als unwirksam ansehen wollte (§§ 307Abs. 2 Nr. 1, 307 Abs. 1 BGB) mit der Folge, dass nach § 306 BGB die Beklagte die Initiativlast zum Abschluss einer Zielvereinbarung gehabt hätte, ändert dies an dem Ergebnis nichts.

a) Nach Beginn des Arbeitsverhältnisses am 01.05.2012 kam die Beklagte ihrer Initiativlast mit Übersendung der noch nicht ausgefüllten Vorlage für eine Zielvereinbarung 2012 am 02.07.2012 nach. Damit traf den Kläger eine Verhandlungspflicht, die er während des ganzen Jahres 2012 nicht erfüllt hat. Ihn trifft daher ein erhebliches Mitverschulden, hinter dem ein etwaiges Mitverschulden der Beklagten, dass daraus resultiert, dass sie nach dem abgesagten Gespräch vom 04.07.2012 keine erneute Initiative ergriffen hat, zurücktritt. Die Beklagte hat daher das fehlende Zu-Stande-Kommen einer Zielvereinbarung für das Jahr 2012 nicht zu vertreten. Der Kläger hat keinen Schadensersatzanspruch.

b) Für das Jahr 2013 wird auf die Ausführungen oben II. B 2  b) bb) Bezug genommen. Die Beklagte hat schon im Dezember 2012 die Initiative zum Abschluss einer Zielvereinbarung für 2013 ergriffen und danach fortgesetzt. Die Zielvereinbarung ist aus Sicht der Kammer deshalb nicht zu Stande gekommen, weil zwischen den Parteien das Verlangen des Klägers nach Elternzeit in den Vordergrund getreten ist. Dies hat der Kläger mit zu vertreten. Auch hier sieht die Kammer das Verschulden auf beiden Seiten gleichermaßen hoch, so dass sich auch bei der Initiativlast auf Seiten der Beklagten der Anspruch des Klägers für das Jahr 2013 auf die Hälfte des vom Arbeitsgericht zugesprochenen Betrages reduziert (4.166,66 € brutto).

Die Berufung der Beklagten ist hinsichtlich der variablen Vergütung iHv. 13.500,00 € begründet und iHv. 4.166,66 € unbegründet. Entsprechend ist das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien entsprechend ihrem Obsiegen und Unterliegen (§ 92 Abs. 1 ZPO). In der Berufung sind 31.006,66 € zur Entscheidung angefallen. Der Kläger hat mit 17.506,66 € (6.670,00 € plus 6.670,00 € plus 4.166,66 €) obsiegt und mit 13.500,00 € (9.333,33 € plus 4.166,67 €) verloren. Dies entspricht einer Quote von 44 % zulasten des Klägers und 56 % zulasten der Beklagten. In erster Instanz waren 60.973,00 € zur Entscheidung angefallen. Nach Abänderung des erstinstanzlichen Urteils hat der Kläger mit 34.178,67 € (6.670,00 € plus 6.670,00 € plus 4.166,67 € wie in zweiter Instanz zzgl. 8.336,00 € betreffend das Zwischenzeugnis und 8.336,00 € betreffend die Abmahnung) obsiegt und ist im Übrigen unterlegen. Auch dies entspricht einer Kostenquote von 44 % zulasten des Klägers und 56 % zulasten der Beklagten.

IV.

Die auf die Rechtsfrage der Qualität des Schriftformerfordernisses des § 16 Abs. 1 S. 1 BEEG beschränkte Revisionszulassung erfolgt wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

Die Zulassung der Revision im Übrigen ist nicht veranlasst, da die Voraussetzungen des §  72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.

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