Übersicht:
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Entbindungsantrag des Arbeitgebers: Rechte des Arbeitnehmers im Fokus
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- FAQ – Häufige Fragen
- Welche Voraussetzungen müssen für einen erfolgreichen Weiterbeschäftigungsantrag nach § 102 Abs. 5 BetrVG erfüllt sein?
- Wie kann ein Arbeitgeber von der Weiterbeschäftigungspflicht entbunden werden?
- Was sind die Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Widerspruch des Betriebsrats bei einer Kündigung?
- Wie kann ein Arbeitnehmer sein dringendes Interesse an einer Weiterbeschäftigung glaubhaft machen?
- Welche Rechtsfolgen hat die Entbindung des Arbeitgebers von der Weiterbeschäftigungspflicht für den Arbeitnehmer?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Die Klage wurde abgewiesen und die Klägerin hat keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung.
- Die Beklagte musste nicht weiterbeschäftigen und wurde von dieser Verpflichtung entbunden.
- Die Klägerin war in Teilzeit als Kassiererin beschäftigt, was in die rechtliche Bewertung einfloss.
- Der Hintergrund des Falls war die massive wirtschaftliche Krise des Unternehmens, bedingt durch die Corona-Pandemie.
- Der Betriebsrat widersprach der geplanten Kündigung und äußerte Bedenken zur Sozialauswahl.
- Es gab Unklarheiten darüber, welche Kriterien für die Sozialauswahl angewendet wurden und wie diese gewichtet wurden.
- Der Sozialplan beinhaltete Regelungen, die nicht mit der Sozialauswahl im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes in Einklang standen.
- Das Gericht folgte der Argumentation der Beklagten und wies die Bedenken des Betriebsrates zurück.
- Die Entscheidung hat zur Folge, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung hat und die Kosten des Verfahrens tragen muss.
- Beschäftigte sollten sich über die ordnungsgemäße Durchführung der Sozialauswahl und mögliche Anfechtungsmöglichkeiten informieren.
Entbindungsantrag des Arbeitgebers: Rechte des Arbeitnehmers im Fokus
Ein Entbindungsantrag des Arbeitgebers von der Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers stellt einen wichtigen Aspekt des deutschen Arbeitsrechts dar. Nach § 102 Abs. 5 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) hat der Betriebsrat ein Mitspracherecht, wenn es um Kündigungen und deren Abwicklung geht. Dies bedeutet, dass Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrats benötigen, bevor sie einen Arbeitnehmer von der Weiterbeschäftigung entbinden können. Die Norm schützt die Arbeitnehmerrechte und gewährleistet, dass Kündigungen nicht willkürlich ausgesprochen werden.
Die sachgerechte Umsetzung dieser Regelung ist für Arbeitnehmer von großer Bedeutung, da sie einen zentralen Bestandteil des Kündigungsschutzes darstellt. Die Beteiligung des Betriebsrats bildet eine wesentliche Sicherung gegen Missbrauch und unfaire Behandlung durch den Arbeitgeber. Gleichzeitig gibt es im Rahmen dieser Mitbestimmungsprozesse auch für den Betriebsrat Handlungsoptionen und Möglichkeiten, aktiv auf die Entscheidungen des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen.
Um besser zu verstehen, wie diese rechtlichen Rahmenbedingungen in der Praxis wirken, wird im Folgenden ein konkreter Fall vorgestellt, der die verschiedenen Facetten eines Entbindungsantrags beleuchtet und die Rechte des Arbeitnehmers sowie die Pflichten des Arbeitgebers thematisiert.
Der Fall vor Gericht
Gericht weist Weiterbeschäftigungsantrag einer Kassiererin ab
Ein Warenhausunternehmen kündigte einer langjährigen Kassiererin betriebsbedingt zum 30.06.2023. Dagegen erhob die Mitarbeiterin Kündigungsschutzklage und beantragte ihre Weiterbeschäftigung bis zum Abschluss des Verfahrens. Das Arbeitsgericht Erfurt wies diesen Antrag nun zurück.
Unzureichender Widerspruch des Betriebsrats
Grundlage für einen Weiterbeschäftigungsanspruch nach einer Kündigung ist ein ordnungsgemäßer Widerspruch des Betriebsrats. Dieser hatte zwar fristgerecht Einwände erhoben, diese aber nach Ansicht des Gerichts nicht ausreichend begründet. Der Betriebsrat hätte konkret darlegen müssen, welche anderen Mitarbeiter weniger schutzwürdig und daher eher zu kündigen gewesen wären. Die pauschale Rüge einer fehlerhaften Sozialauswahl genügte dem Gericht nicht.
Kein besonderes Beschäftigungsinteresse nachgewiesen
Für eine einstweilige Verfügung auf Weiterbeschäftigung muss zudem ein dringendes Interesse des Arbeitnehmers glaubhaft gemacht werden. Die Klägerin konnte nach Auffassung des Gerichts nicht ausreichend darlegen, warum sie auf die sofortige Weiterbeschäftigung angewiesen war und ihr ein Abwarten des Hauptverfahrens nicht zuzumuten sei.
Arbeitgeber von Weiterbeschäftigungspflicht entbunden
Das Gericht gab außerdem dem Antrag des Arbeitgebers statt, von einer möglichen Weiterbeschäftigungspflicht entbunden zu werden. Dies sei gerechtfertigt, wenn – wie hier – der Widerspruch des Betriebsrats nicht ordnungsgemäß begründet wurde. Dem Arbeitgeber soll so Rechtssicherheit verschafft werden.
Bedeutung für die Praxis
Das Urteil verdeutlicht die hohen Anforderungen an Weiterbeschäftigungsanträge im Kündigungsschutzverfahren. Sowohl Arbeitnehmer als auch Betriebsräte müssen sorgfältig argumentieren, um ihre Rechte effektiv wahrzunehmen. Für Arbeitgeber bietet die Entbindungsmöglichkeit einen wichtigen Schutz vor unberechtigten Weiterbeschäftigungsansprüchen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil unterstreicht die hohen Anforderungen an einen Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 BetrVG. Ein pauschaler Widerspruch des Betriebsrats genügt nicht; er muss konkret darlegen, welche anderen Mitarbeiter weniger schutzwürdig sind. Zudem muss der Arbeitnehmer ein dringendes Interesse an der sofortigen Weiterbeschäftigung nachweisen. Die Entscheidung stärkt die Position der Arbeitgeber, indem sie ihnen Rechtssicherheit durch die Möglichkeit der Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht gewährt.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie von einer betriebsbedingten Kündigung betroffen sind, erschwert dieses Urteil Ihren Anspruch auf Weiterbeschäftigung während des Kündigungsschutzprozesses erheblich. Der Betriebsrat muss bei seinem Widerspruch gegen Ihre Kündigung sehr konkret darlegen, welche anderen Mitarbeiter weniger schutzwürdig sind. Ein pauschaler Verweis auf eine fehlerhafte Sozialauswahl reicht nicht aus. Zudem müssen Sie als gekündigter Arbeitnehmer ein besonderes Interesse an der sofortigen Weiterbeschäftigung glaubhaft machen. Der Arbeitgeber hat nun bessere Chancen, sich von einer möglichen Weiterbeschäftigungspflicht entbinden zu lassen. Dies bedeutet für Sie, dass Sie sich auf eine mögliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses einstellen und frühzeitig alternative Beschäftigungsmöglichkeiten in Betracht ziehen sollten.
FAQ – Häufige Fragen
Willkommen in unserer FAQ-Rubrik, in der wir Ihnen wertvolle Informationen zu häufig gestellten Fragen rund um das Thema Arbeitsrecht bieten. Besonders beleuchtet wird hier die Entbindung von Weiterbeschäftigungspflicht, ein entscheidender Aspekt, der sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer betrifft. Tauchen Sie ein und finden Sie klare Antworten auf Ihre Fragen, um informierte Entscheidungen treffen zu können.
Wichtige Fragen, kurz erläutert:
- Welche Voraussetzungen müssen für einen erfolgreichen Weiterbeschäftigungsantrag nach § 102 Abs. 5 BetrVG erfüllt sein?
- Wie kann ein Arbeitgeber von der Weiterbeschäftigungspflicht entbunden werden?
- Was sind die Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Widerspruch des Betriebsrats bei einer Kündigung?
- Wie kann ein Arbeitnehmer sein dringendes Interesse an einer Weiterbeschäftigung glaubhaft machen?
- Welche Rechtsfolgen hat die Entbindung des Arbeitgebers von der Weiterbeschäftigungspflicht für den Arbeitnehmer?
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie spezielle Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Welche Voraussetzungen müssen für einen erfolgreichen Weiterbeschäftigungsantrag nach § 102 Abs. 5 BetrVG erfüllt sein?
Für einen erfolgreichen Weiterbeschäftigungsantrag nach § 102 Abs. 5 BetrVG müssen vier wesentliche Voraussetzungen erfüllt sein:
Ordentliche Kündigung
Es muss eine ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber vorliegen. Dies bedeutet, dass die Kündigung unter Einhaltung der gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist ausgesprochen wurde. Eine außerordentliche (fristlose) Kündigung fällt nicht unter diese Regelung, es sei denn, es handelt sich um eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist.
Ordnungsgemäßer Widerspruch des Betriebsrats
Der Betriebsrat muss der Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen haben. Dies bedeutet konkret:
- Der Widerspruch muss vom Betriebsrat beschlossen worden sein.
- Er muss innerhalb einer Woche nach der Unterrichtung über die Kündigung schriftlich beim Arbeitgeber eingegangen sein.
- Der Widerspruch muss schriftlich begründet sein und sich auf einen der in § 102 Abs. 3 BetrVG genannten Widerspruchsgründe stützen.
Erhebung einer Kündigungsschutzklage
Der Arbeitnehmer muss fristgerecht Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht erhoben haben. Die Klagefrist beträgt in der Regel drei Wochen ab Zugang der Kündigung.
Ausdrückliches Weiterbeschäftigungsverlangen
Der Arbeitnehmer muss die Weiterbeschäftigung ausdrücklich vom Arbeitgeber verlangen. Ein bloßes Anbieten der Arbeitskraft, wie es häufig im Rahmen einer Kündigungsschutzklage geschieht, reicht nicht aus. Das Verlangen sollte idealerweise schriftlich erfolgen.
Wenn Sie diese Voraussetzungen erfüllen, hat der Arbeitgeber die Pflicht, Sie nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.
Wichtige Hinweise
Beachten Sie, dass der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht einen Antrag auf Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht stellen kann. Dies ist möglich, wenn Ihre Klage wenig Aussicht auf Erfolg hat, mutwillig erscheint oder wenn die Weiterbeschäftigung zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung für den Arbeitgeber führen würde.
Der besondere Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 BetrVG besteht während des gesamten Gerichtsverfahrens, unabhängig davon, ob Sie in den einzelnen Instanzen gewinnen oder verlieren.
Wie kann ein Arbeitgeber von der Weiterbeschäftigungspflicht entbunden werden?
Ein Arbeitgeber kann von der Weiterbeschäftigungspflicht entbunden werden, indem er beim zuständigen Arbeitsgericht eine einstweilige Verfügung beantragt. Dies ist gemäß § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG möglich, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
Voraussetzungen für die Entbindung
Das Arbeitsgericht kann den Arbeitgeber von der Weiterbeschäftigungspflicht entbinden, wenn einer der folgenden Gründe vorliegt:
- Mangelnde Erfolgsaussicht der Klage: Die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg oder erscheint mutwillig.
- Unzumutbare wirtschaftliche Belastung: Die Weiterbeschäftigung würde zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung für den Arbeitgeber führen.
- Offensichtlich unbegründeter Widerspruch: Der Widerspruch des Betriebsrats gegen die Kündigung war offensichtlich unbegründet.
Verfahren zur Entbindung
Wenn Sie als Arbeitgeber von der Weiterbeschäftigungspflicht entbunden werden möchten, müssen Sie folgende Schritte beachten:
- Antragstellung: Sie müssen einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beim zuständigen Arbeitsgericht stellen.
- Begründung: In Ihrem Antrag müssen Sie darlegen, warum einer der oben genannten Gründe in Ihrem Fall vorliegt. Je nach Grund müssen Sie unterschiedliche Aspekte nachweisen:
- Bei mangelnder Erfolgsaussicht der Klage: Erläutern Sie, warum die Kündigung aus Ihrer Sicht rechtmäßig war.
- Bei unzumutbarer wirtschaftlicher Belastung: Legen Sie dar, welche konkreten finanziellen Nachteile Ihnen durch die Weiterbeschäftigung entstehen würden.
- Bei offensichtlich unbegründetem Widerspruch: Zeigen Sie auf, warum der Widerspruch des Betriebsrats nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht.
- Eilbedürftigkeit: Da es sich um ein Eilverfahren handelt, müssen Sie die Dringlichkeit Ihres Antrags begründen.
Wichtige Hinweise
Beachten Sie, dass die Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht nur durch eine gerichtliche Entscheidung möglich ist. Sie können sich nicht einfach selbst von dieser Pflicht befreien.
Der Antrag auf Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht ist unabhängig von einem möglichen Kündigungsschutzprozess. Das bedeutet, selbst wenn Sie den Antrag stellen, kann der Arbeitnehmer weiterhin gegen die Kündigung klagen.
Wenn Sie als Arbeitgeber einen solchen Antrag stellen möchten, sollten Sie sorgfältig prüfen, ob die Voraussetzungen in Ihrem Fall tatsächlich vorliegen. Eine gründliche Vorbereitung und stichhaltige Begründung erhöhen die Chancen auf Erfolg Ihres Antrags.
Was sind die Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Widerspruch des Betriebsrats bei einer Kündigung?
Ein ordnungsgemäßer Widerspruch des Betriebsrats gegen eine Kündigung muss sowohl formelle als auch inhaltliche Anforderungen erfüllen, um rechtswirksam zu sein.
Formelle Anforderungen
Der Widerspruch muss schriftlich erfolgen. Eine E-Mail genügt dieser Anforderung nicht. Er muss vom zuständigen Betriebsratsmitglied eigenhändig unterschrieben sein. Stellen Sie sich vor, Sie sind Betriebsratsvorsitzender – Ihre persönliche Unterschrift ist hier unerlässlich.
Die Widerspruchsfrist beträgt eine Woche. Sie beginnt am Tag nach der vollständigen Unterrichtung durch den Arbeitgeber über die beabsichtigte Kündigung. Wenn Sie also am Montag informiert wurden, läuft die Frist am darauffolgenden Montag ab.
Inhaltliche Anforderungen
Der Widerspruch muss ausreichend begründet sein. Eine bloße Wiederholung des Gesetzeswortlauts reicht nicht aus. Der Betriebsrat muss konkrete Tatsachen anführen, die das Vorliegen eines Widerspruchsgrunds nach § 102 Abs. 3 BetrVG als möglich erscheinen lassen.
Folgende Widerspruchsgründe kommen in Betracht:
- Mangelnde Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers
- Verstoß gegen eine Auswahlrichtlinie nach § 95 BetrVG
- Möglichkeit der Weiterbeschäftigung an einem anderen Arbeitsplatz
- Möglichkeit der Weiterbeschäftigung nach zumutbarer Umschulung oder Fortbildung
- Möglichkeit der Weiterbeschäftigung unter geänderten Vertragsbedingungen
Beispiel für eine ausreichende Begründung
„Der Betriebsrat widerspricht der Kündigung von Frau Müller, da bei der Sozialauswahl nicht berücksichtigt wurde, dass sie als alleinerziehende Mutter von zwei schulpflichtigen Kindern besonders schutzbedürftig ist. Im Vergleich dazu gibt es in der Abteilung jüngere, kinderlose Mitarbeiter mit kürzerer Betriebszugehörigkeit.“
Beachten Sie: Ein ordnungsgemäßer Widerspruch führt nicht automatisch zur Unwirksamkeit der Kündigung. Er verpflichtet den Arbeitgeber jedoch, dem Arbeitnehmer mit dem Kündigungsschreiben eine Kopie der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten. Zudem begründet er einen Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers bis zum Abschluss des Kündigungsschutzprozesses.
Wie kann ein Arbeitnehmer sein dringendes Interesse an einer Weiterbeschäftigung glaubhaft machen?
Um ein dringendes Interesse an einer Weiterbeschäftigung glaubhaft zu machen, können Arbeitnehmer verschiedene Argumente und Nachweise vorbringen:
Finanzielle Notwendigkeit
Belegen Sie Ihre finanzielle Abhängigkeit vom Arbeitsplatz. Legen Sie dar, wie Ihre laufenden Verpflichtungen wie Miete, Kredite oder Unterhaltszahlungen von Ihrem Einkommen abhängen. Konkrete Zahlen und Dokumente wie Mietverträge oder Kreditvereinbarungen können Ihre Argumentation stützen.
Berufliche Entwicklung
Zeigen Sie auf, wie die Weiterbeschäftigung für Ihre berufliche Entwicklung entscheidend ist. Wenn Sie sich in einer wichtigen Projektphase befinden oder kurz vor dem Abschluss einer betrieblichen Weiterbildung stehen, kann dies Ihr dringendes Interesse unterstreichen. Verweisen Sie auf laufende Projekte, anstehende Qualifikationen oder geplante Beförderungen.
Arbeitsmarktchancen
Erläutern Sie Ihre spezifische Situation auf dem Arbeitsmarkt. Wenn Sie in einer Branche oder Region mit schwierigen Beschäftigungsaussichten tätig sind, kann dies Ihr dringendes Interesse an der Weiterbeschäftigung verdeutlichen. Fügen Sie aktuelle Arbeitsmarktstatistiken oder Branchenberichte bei, die Ihre Argumentation stützen.
Soziale und gesundheitliche Aspekte
Legen Sie dar, wie die Weiterbeschäftigung Ihre soziale und gesundheitliche Situation beeinflusst. Wenn der Verlust des Arbeitsplatzes beispielsweise Ihre Krankenversicherung gefährden oder psychische Belastungen verursachen würde, kann dies als Argument dienen. Ein ärztliches Attest kann in solchen Fällen hilfreich sein.
Betriebliche Integration
Betonen Sie Ihre tiefe Verwurzelung im Unternehmen. Lange Betriebszugehörigkeit, besondere Kenntnisse betrieblicher Abläufe oder ein großes Netzwerk innerhalb des Unternehmens können Ihr dringendes Interesse an einer Weiterbeschäftigung unterstreichen. Legen Sie Zeugnisse, Beurteilungen oder Empfehlungen von Kollegen und Vorgesetzten vor.
Familiäre Situation
Erklären Sie, wie Ihre familiäre Situation von der Weiterbeschäftigung abhängt. Wenn Sie beispielsweise Alleinverdiener sind oder Ihre Arbeitszeiten optimal auf die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen abgestimmt sind, kann dies Ihr dringendes Interesse verdeutlichen.
Durch eine sorgfältige Darlegung dieser Aspekte, unterstützt durch konkrete Belege und Dokumente, können Sie Ihr dringendes Interesse an einer Weiterbeschäftigung überzeugend glaubhaft machen. Achten Sie darauf, Ihre Argumente klar und sachlich zu präsentieren und auf Ihre individuelle Situation abzustimmen.
Welche Rechtsfolgen hat die Entbindung des Arbeitgebers von der Weiterbeschäftigungspflicht für den Arbeitnehmer?
Die Entbindung des Arbeitgebers von der Weiterbeschäftigungspflicht hat erhebliche Auswirkungen auf Ihre Situation als Arbeitnehmer:
Beendigung der tatsächlichen Beschäftigung
Wird Ihr Arbeitgeber von der Weiterbeschäftigungspflicht entbunden, endet Ihre tatsächliche Beschäftigung. Sie müssen nicht mehr zur Arbeit erscheinen und Ihre Arbeitsleistung wird nicht mehr in Anspruch genommen.
Fortbestand des Arbeitsverhältnisses
Trotz der Entbindung bleibt das Arbeitsverhältnis rechtlich bestehen. Der Arbeitsvertrag wird nicht automatisch beendet, sondern läuft weiter, bis eine rechtskräftige Entscheidung im Kündigungsschutzprozess getroffen wird.
Auswirkungen auf die Vergütung
Die Entbindung hat grundsätzlich keine Auswirkungen auf Ihren Vergütungsanspruch. Selbst wenn Sie nicht tatsächlich beschäftigt werden, haben Sie weiterhin Anspruch auf Ihr Arbeitsentgelt. Dies gilt für den Zeitraum vom Ablauf der Kündigungsfrist bis zur Entscheidung über die Entbindung.
Annahmeverzug des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber gerät in Annahmeverzug, wenn er Ihre Arbeitsleistung nicht in Anspruch nimmt. Dies bedeutet, dass Sie Ihren Lohnanspruch behalten, auch wenn Sie keine Arbeit leisten. Wichtig ist: Die Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht beseitigt den Annahmeverzug des Arbeitgebers nicht.
Mögliche Einschränkungen
In bestimmten Fällen kann die Entbindung zu Einschränkungen Ihrer beruflichen Entwicklung führen. Wenn beispielsweise die Erlangung oder Erhaltung einer beruflichen Qualifikation von der tatsächlichen Beschäftigung abhängt, könnte dies durch die Entbindung gefährdet sein.
Rechtliche Schritte
Als betroffener Arbeitnehmer haben Sie die Möglichkeit, gegen die Entbindungsentscheidung rechtlich vorzugehen. Sie können beispielsweise Beschwerde gegen den Beschluss einlegen, mit dem der Arbeitgeber von der Weiterbeschäftigungspflicht entbunden wurde.
Auswirkungen auf den Kündigungsschutzprozess
Die Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht hat keinen direkten Einfluss auf den Ausgang des Kündigungsschutzprozesses. Ihr Recht, die Wirksamkeit der Kündigung gerichtlich überprüfen zu lassen, bleibt unberührt.
Beachten Sie, dass die Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht eine vorläufige Maßnahme ist. Die endgültige Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung wird im Hauptsacheverfahren getroffen. Bis dahin befinden Sie sich in einer Art Schwebezustand, in dem Ihre rechtliche Position als Arbeitnehmer zwar geschwächt, aber nicht vollständig aufgehoben ist.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Weiterbeschäftigung: Die Weiterbeschäftigung bezieht sich darauf, dass ein Arbeitnehmer nach einer Kündigung weiterhin bei seinem bisherigen Arbeitgeber arbeitet, zumindest bis ein endgültiges gerichtliches Urteil über die Rechtmäßigkeit der Kündigung vorliegt. Im Kontext eines Kündigungsschutzverfahrens kann der Arbeitnehmer beantragen, dass er trotz der Kündigung weiterbeschäftigt wird, um finanzielle Einbußen und Arbeitslosigkeit zu vermeiden.
- Kündigungsschutzklage: Eine Kündigungsschutzklage ist eine gerichtliche Klage, die ein Arbeitnehmer einreicht, um sich gegen eine Kündigung zu wehren. Ziel der Klage ist es, gerichtlich überprüfen zu lassen, ob die Kündigung rechtmäßig war. Häufig wird in diesem Zusammenhang auch eine Weiterbeschäftigung während des laufenden Verfahrens beantragt.
- Sozialauswahl: Die Sozialauswahl ist ein Verfahren, das Arbeitgeber bei betriebsbedingten Kündigungen durchführen müssen. Dabei wird entschieden, welche Mitarbeiter entlassen werden, indem soziale Kriterien wie die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung berücksichtigt werden. Ziel ist es, die sozial am wenigsten schutzwürdigen Mitarbeiter zu kündigen.
- Betriebsrat: Der Betriebsrat ist eine Arbeitnehmervertretung, die in einem Betrieb besteht und die Interessen der Belegschaft gegenüber dem Arbeitgeber vertritt. Er hat Mitbestimmungsrechte und muss in bestimmten Fällen, wie bei Kündigungen, beteiligt werden. Er kann Widerspruch gegen eine Kündigung einlegen, wenn er diese für unrechtmäßig hält.
- Einstweilige Verfügung: Eine einstweilige Verfügung ist eine gerichtliche Anordnung, die vorläufig und schnell ergeht, um einen bestehenden Zustand zu bewahren oder vorläufig zu regeln, bis eine endgültige Entscheidung im Hauptsacheverfahren getroffen wird. Im Arbeitsrecht kann sie genutzt werden, um die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers trotz Kündigung vorläufig durchzusetzen.
- Entbindungsantrag: Ein Entbindungsantrag ist ein Antrag des Arbeitgebers, der vom Gericht prüfen lässt, ob er von der Pflicht zur Weiterbeschäftigung eines gekündigten Arbeitnehmers entbunden werden kann. Dies kann gewährt werden, wenn die Kündigung nach den ersten Prüfungen rechtmäßig erscheint oder andere relevante Gründe vorliegen, die gegen eine Weiterbeschäftigung sprechen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz): Diese Vorschrift regelt das Recht des Arbeitgebers, sich von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers im Rahmen eines Schutzschirmverfahrens nach § 270d InsO zu entbinden. Dies setzt voraus, dass ein Insolvenzplan angenommen wurde und der Betriebsrat der Entbindung zustimmt. Im konkreten Fall wurde der Insolvenzplan angenommen und der Betriebsrat hat der Entbindung zugestimmt. Daher ist die Rechtsgrundlage für die Entbindung der Arbeitgeberin von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung der Klägerin gegeben.
- § 1 Abs. 3 KSchG (Kündigungsschutzgesetz): Diese Vorschrift regelt die Grundsätze der Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen. Demnach ist bei einer Kündigung von mehreren Arbeitnehmern derjenige zu entlassen, der nach objektiven Kriterien, wie z.B. der Dauer der Betriebszugehörigkeit, dem Alter, dem Unterhaltsbedarf oder Schwerbehinderung, am wenigsten sozial schutzbedürftig ist. Im konkreten Fall rügt der Betriebsrat, dass die Sozialauswahl nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde und in diesem Zusammenhang vergleichbare Mitarbeiter mit weniger Sozialpunkten als die Klägerin nicht von der Kündigung betroffen waren. Insbesondere wird argumentiert, dass die Sozialauswahl nicht nach dem Sozialplan erfolgte und die benutzten Sozialpunkte nicht mit den gesetzlichen Regelungen des § 1 Abs. 3 KSchG übereinstimmen.
- § 270d InsO (Insolvenzordnung): Diese Vorschrift regelt das sogenannte Schutzschirmverfahren. Im Rahmen eines Schutzschirmverfahrens kann ein Unternehmen in Eigenverwaltung unter gerichtlicher Aufsicht einen Insolvenzplan entwickeln, um die Sanierung des Unternehmens zu ermöglichen und eine drohende Insolvenz abzuwenden. Im vorliegenden Fall befindet sich die Beklagte im Rahmen eines Schutzschirmverfahrens, in dem ein Insolvenzplan angenommen wurde.
- § 8 des Interessenausgleichs: Im vorliegenden Fall ist der Betriebsrat der Meinung, dass der Arbeitgeber die Sozialauswahl nicht nach den rechtlichen Vorgaben des Interessenausgleichs durchführte. Insbesondere wird argumentiert, dass die Sozialauswahl nicht nach dem Sozialplan erfolgte und die benutzten Sozialpunkte nicht mit den gesetzlichen Regelungen des § 1 Abs. 3 KSchG übereinstimmen. Der Interessenausgleich ist ein Dokument, das zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ausgehandelt wird und in dem Regelungen für den Fall von betriebsbedingten Kündigungen getroffen werden, darunter auch die Regelungen für die Sozialauswahl.
- § 102 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz): Diese Vorschrift regelt die Anhörungspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat im Rahmen einer Kündigung. Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat vor einer Kündigung zu hören und ihm dabei die Sozialdaten aller Arbeitnehmer vorzulegen. Im vorliegenden Fall hat der Arbeitgeber den Betriebsrat zwar angehört, jedoch ist der Betriebsrat der Meinung, dass die Sozialauswahl nicht ordnungsgemäß erfolgte und die Sozialdaten nicht nach den gesetzlichen Vorgaben des § 1 Abs. 3 KSchG verwendet wurden.
Das vorliegende Urteil
ArbG Erfurt – Az.: 3 Ga 9/23 – Urteil vom 27.06.2023
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