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Entfernung Abmahnung aus Personalakte – Entzug Verdienstmöglichkeit – Schadensersatz

Arbeitsrecht: Oberarzt fordert Schadensersatz und Entfernung von Abmahnung

Ein ehemaliger Oberarzt verlangt von seinem Arbeitgeber Schadensersatz in Höhe von 26.835,32 Euro brutto wegen des Entzugs von Verdienstmöglichkeiten sowie die Entfernung einer Abmahnung aus seiner Personalakte. Der Kläger arbeitete vom 01.02.2020 bis zum 30.09.2021 als Oberarzt in einem kommunalen Krankenhaus. Zwischen den Parteien besteht Streit darüber, ob der Kläger zu Hintergrunddiensten eingeteilt wurde und ob er gegen seine Pflichten aus einem Rufbereitschaftsdienst verstoßen hat. Zudem fordert er Urlaubsentgelt und vertritt die Auffassung, dass er aufgrund seiner Teilzeitbeschäftigung diskriminiert wurde. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, da der Kläger keinen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung hat und der geforderte Schadensersatz nicht nachvollziehbar sei. Außerdem seien keine Anhaltspunkte gegeben, dass ihm die Abmahnung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch schaden könne. […]

Landesarbeitsgericht Hamm – Az.: 6 Sa 87/22 – Urteil vom 13.09.2022

Auf die Berufung des Klägers wird das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 07.12.2021 – 2 Ca 450/21 – teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, die Abmahnung vom 07.04.2021 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 71% und die Beklagte zu 29%.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Für den Kläger wird die Revision nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wesentlichen um die Entfernung einer Abmahnung sowie Schadensersatz wegen Entzuges einer Verdienstmöglichkeit.

Der Kläger war vom 01.02.2020 bis zum 30.09.2021 als Oberarzt bei der Beklagten beschäftigt. Die Einzelheiten regelt der Arbeitsvertrag vom 16.12.2019. Dessen § 3 bestimmt:

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern (TV-Ärzte/VKA) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für das Klinikum A jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung.

Im Übrigen wird wegen des Inhalts des Arbeitsvertrages auf Bl. 7-9 der Akte verwiesen.

Mit Schreiben vom 06.10.2020 (vgl. Bl. 15 der Akte) bestätigte die Beklagte dem Kläger: „(…) Ein Teil Ihrer dienstlichen Aufgaben beinhaltet die Übernahme von Rufbereitschaftsdiensten für den Operationssaal und Notfallbehandlung. Die Dienstbereitschaften umfassen 24 Stunden, Tag und Nacht sowie an Wochenenden und Feiertagen.“

Für den Zeitraum 01.11.2020 bis 30.06.2021 vereinbarten die Parteien eine Reduzierung der Arbeitszeit auf 80 %. Die entsprechende Vereinbarung vom 14.12.2020, wegen deren Einzelheiten auf Bl. 115, 116 der Akte Bezug genommen wird, enthält folgende Regelung:

„Hinsichtlich der Dienstverpflichtungen absolviert Herr OA B. vier Rufdienste, davon einen Samstag-/Sonntag-Dienst sowie einen Freitag-Dienst.

Diese Regelung ist erforderlich, da ansonsten eine gerechte und gesetzeskonforme Verteilung der Wochenenddienste auf die anderen Oberärzte nicht mehr gewährleistet wäre.“

Unter dem 07.04.2021 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung. Darin wirft sie dem Kläger vor, er habe am 06.02.2021 während seines Rufbereitschaftsdienstes seine Pflichten aus § 10 Abs. 8 S. 1 TV-Ärzte/VKA verletzt, indem er nicht schnell genug nach einer telefonischen Benachrichtigung durch den Operateur im Operationssaal erschienen sei. Dadurch habe der zu operierende Patient länger als notwendig narkotisiert werden müssen. Wegen der Einzelheiten der Abmahnung wird auf Bl. 10, 11 der Akte verwiesen.

Seit dem 01.03.2021 erbrachte der Kläger aus unterschiedlichen Gründen keine Arbeitsleistung. Er war entweder arbeitsunfähig erkrankt, beurlaubt, betreute seine Kinder „pandemiebedingt“ (so der Kläger) bzw. wegen Erkrankung der Kinder (so die Beklagte), er war auf Grund der Teilzeit-Vereinbarung nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet oder er fehlte unentschuldigt.

Mit E-Mail vom 21.05.2021 (vgl. Anlage B 5, Bl. 91 d. A.) teilte der Kläger der Personalabteilung der Beklagten mit: „(…) Wenn Sie oder jemand anderen weiß, wann die Pandemie beendet wird und die Schulen wieder in Vollbetrieb zurückkehren werden, bitte ich Sie diese Info mir mitzuteilen. Bis dahin, betreue ich meine Kinder weiter … Hiermit und aufgrund der pandemiebedingten Kinderbetreuung melde ich mich bis zum 06.06.2021 vom Dienst ab. Anschließend und je nach der pandemischen Situation melde ich mich wieder bei Ihnen und beim Herrn C.. (…)“ Darauf reagierte die Beklagte mit E-Mail vom 26.05.2021 (vgl. Bl. 227 d. A.). Darin heißt es, soweit hier von Interesse: „(…) Es ist davon auszugehen, dass die Betreuung Ihrer Kinder außerhalb der Regelarbeitszeit auch im Wechsel mit Ihrer Frau erfolgen kann. Wir weisen Sie daher an am Freitag, den 28.05.2021 und am Montag, den 31.05.2021 jeweils einen Bereitschaftsdienst zu übernehmen. Der Dienst beginnt jeweils um 15:45 Uhr und endet am darauf folgenden Tag um 9 Uhr. Es handelt sich bei beiden Diensten um Anwesenheitsdienste.“ Der Kläger erschien zu den genannten Diensten nicht.

Im Januar und April 2021 gewährte die Beklagte dem Kläger insgesamt zehn Tage Urlaub. Für den Zeitraum 02. bis 22.08.2021 genehmigte die Beklagte dem Kläger zunächst Urlaub. Nach Ausspruch einer Eigenkündigung durch den Kläger unter dem 24.07.2021, zugegangen bei der Beklagten am 26.07.2021, wandte sich die Beklagte an den Prozessbevollmächtigten des Klägers und teilte diesem mit Schreiben vom 06.08.2021 (vgl. Anl. B7, Bl. 93, 94 d. A.) mit, dass der Resturlaubsanspruch des Klägers im Umfang von zehn Tagen mit Ablauf des 13.08.2021 verbraucht sein werde. Vorsorglich werde die über den 13.08.2021 hinausgehende Urlaubsgewährung widerrufen. Ab dem 16.08.2021 teilte die Beklagte den Kläger zur Arbeit ein. Der Kläger trat die Arbeit nicht an.

Der Kläger hat behauptet, die Beklagte habe ihn seit dem 06.02.2021 nicht mehr für Oberarzt-Rufbereitschaftsdienste (sogenannte Hintergrunddienste) eingeteilt. Zuvor habe er im Rahmen seiner Vollzeittätigkeit Vergütung für Hintergrunddienste i.H.v. 4.828,07 EUR brutto monatlich erhalten, was im Rahmen einer Teilzeit-Beschäftigung mit einem Arbeitsumfang von 80 % einem Betrag in Höhe von 3.862,46 EUR brutto monatlich entspreche. Durch die fehlende Einteilung zu Hintergrunddiensten sei ihm im Zeitraum März 2021 bis einschließlich August 2021 Vergütung in Höhe von insgesamt 25.105,98 EUR brutto entgangen, was zu einem Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte in entsprechender Höhe führe. Auch in Zeiten der pandemiebedingten Kinderbetreuung sei er in der Lage gewesen, ab 16:00 Uhr Hintergrunddienste zu übernehmen, weil die Kinderbetreuung durch seine Ehefrau hätte übernommen werden können. Seine Bereitschaft, in Zeiten der pandemiebedingten Kinderbetreuung Hintergrunddienste durchzuführen, habe er regelmäßig dokumentiert. Es sei Praxis bei der Beklagten, dass Mitarbeiter aus Urlauben oder Betreuungen abgerufen würden, um Hintergrunddienste zu absolvieren. Am 31.05.2021 sei er arbeitsunfähig erkrankt gewesen und habe deswegen den zugewiesenen Bereitschaftsdienst nicht wahrnehmen können.

Die erteilte Abmahnung sei inhaltlich unzutreffend, weil der betroffene Patient nicht länger als notwendig narkotisiert gewesen sei.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, ihn zu Hintergrunddiensten heranzuziehen. Ein solcher Anspruch folge aus dem Bestätigungsschreiben vom 06.10.2020, aus der Teilzeitvereinbarung vom 14.12.2020 und aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. Weiter hat der Kläger die Auffassung vertreten, die Beklagte schulde ihm Urlaubsentgelt für den Zeitraum 14. bis 22.08.2021 i.H.v. 1.729,34 EUR brutto, weil er, der Kläger, sich in einem genehmigten Urlaub befunden habe.

Er habe einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO.

Der Kläger hat beantragt,

1) die Beklagte wird verurteilt, die dem Kläger mit Schreiben vom 07.04.2021 erteilte Abmahnung zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen.

2) Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger gemäß Arbeitsvertrag vom 16.12.2020 als Vollbeschäftigten Oberarzt mit der Übertrag von Bereitschaftsdiensten für Oberärzte zu beschäftigten.

3) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 26.835,32 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Zudem hat er die Anträge aus dem klageerweiternden Schriftsatz vom 02.12.2021 (Bl. 106, 107 d. A.) gestellt.

Die Beklagte hat beantragt, die Klageanträge zu 1-3 abzuweisen.

Die Beklagte hat bestritten, den Kläger ab dem 06.02.2021 nicht mehr für Hintergrunddienste eingeteilt zu haben. Tatsächlich habe sie den Kläger bis einschließlich März 2021 zu Diensten eingeteilt, zuletzt am 01.03.2021, 12.03.2021, 20.03.2021 und 21.03.2021. Da der Kläger jedoch wegen Arbeitsunfähigkeit (am 01.03.2021), wegen Kinderbetreuung (am 12.03.2021) oder unentschuldigt (am 20./21.03.2021) den Dienst nicht angetreten habe und deswegen kurzfristig eine Vertretung notwendig geworden sei, habe sie vor einer weiteren Einteilung des Klägers sein Erscheinen am Arbeitsplatz abwarten wollen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, nicht zum Schadensersatz verpflichtet zu sein. Die Einteilung zu Diensten habe nur dann eine Relevanz für die Vergütung, wenn der eingeteilte Arzt tatsächlich zum Dienst erscheine, was beim Kläger nach dem 06.02.2021 nicht mehr der Fall gewesen sei. Soweit Entgeltfortzahlungstatbestände vorgelegen hätten, komme es auf die Einteilung zu Hintergrunddiensten nicht an, weil § 22 Abs. 1 TV-Ärzte/VKA eine pauschalierte Vergütung für Rufbereitschaft vorsehe. Diese habe sie – was unstreitig ist – mit Ausnahme der Vergütung für den Zeitraum 14. bis 22.08.2021 gezahlt. Für den zuletzt genannten Zeitraum sei sie nicht zur Entgeltfortzahlung verpflichtet, weil nach § 27 Abs. 2 b) TV-Ärzte/VKA infolge der Eigenkündigung des Klägers eine Kürzung des Urlaubsanspruchs eingetreten sei. Der Höhe nach sei der Zahlungsanspruch nicht nachvollziehbar, weil die Vergütungsansprüche je nach Einsatzstunden und Zeit der Dienste stark variierten.

Ein Anspruch des Klägers auf Entfernung der Abmahnung aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO scheitere schon daran, dass sie, die Beklagte, – unstreitig – ihre Personalakten in Papierform führe.

Mit Teilurteil vom 07.12.2021 hat das Arbeitsgericht die Klage hinsichtlich der Klageanträge zu 1-3 abgewiesen, im Wesentlichen mit folgender Begründung: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus §§ 242, 1004 Abs. 1 S. 1 BGB, weil er keine Anhaltspunkte vorgetragen habe, dass ihm die Abmahnung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch schaden könne. Ebenso wenig sei ein Anspruch aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO gegeben. Denn es bestehe kein Anlass, von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts abzuweichen, wonach der Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses regelmäßig nicht bestehe. Die Beklagte sei dem Kläger nicht gemäß § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag zum Schadensersatz wegen fehlender Einteilung zu Hintergrunddiensten verpflichtet. Weder lasse sich dem Arbeitsvertrag eine Pflicht zur Einteilung entnehmen noch folge eine solche aus § 10 TV-Ärzte/VKA. Auch der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz begründe keine Pflicht der Beklagten, den Kläger zu Hintergrunddiensten heranzuziehen. Der Kläger habe nicht dargelegt, dass andere Arbeitnehmer trotz Nichterscheinens, Urlaub oder Arbeitsunfähigkeit zu Bereitschaftsdiensten eingeteilt worden seien.

Gegen das am 28.12.2021 (vgl. Bl. 153 d. A.) zugestellte Urteil richtet sich die am 18.01.2022 (vgl. Bl. 187 d. A.) eingelegte und am 28.02.2022 (vgl. Bl. 195 d. A.) begründete Berufung des Klägers, die er unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages im Wesentlichen wie folgt begründet: Ein Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus Art. 17 Abs. 1 a) DS-GVO bestehe auch im beendeten Arbeitsverhältnis, da die personenbezogenen Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder in sonstiger Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig seien. Ein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung bestehe in diesem Fall nicht. Auch vorliegend sei ein solches Interesse der Beklagten nicht erkennbar, weil die Abmahnung nicht für weitere rechtliche Auseinandersetzungen der Parteien relevant sei. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass § 6 des Arbeitsvertrages die Zuweisung von Bereitschaftsdiensten regele und deswegen ein Anspruch auf entsprechende Einteilung zum Dienst aus dieser Vereinbarung folge, ebenso wie aus der Vereinbarung vom 14.12.2020. Die unterbliebene Einteilung zu Hintergrunddiensten beruhe nicht auf einem Sachgrund und überschreite deswegen die Grenzen billigen Ermessens im Sinne von § 106 Abs. 1 GewO.

Der Kläger beantragt, das Teilurteil des Arbeitsgerichts Herford vom 07.12.2021 – 2 Ca 450/21 -, teilweise abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 07.04.2021 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 26.835,32 EUR brutto nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und führt ergänzend aus, Arbeits-und Tarifvertrag begründeten nur ein Recht der Beklagten, Dienste anzuordnen, nicht aber eine Pflicht.

Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die ausweislich der Sitzungsprotokolle abgegebenen Erklärungen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung des Klägers ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2 b) ArbGG) und nach den §§ 519 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG am 18.01.2022 gegen das am 28.12.2021 zugestellte Urteil form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der zweimonatigen Berufungsbegründungsfrist am 28.02.2022 ordnungsgemäß begründet worden. Soweit im Protokoll vom Eingang der Berufungsschrift am 28.02.2022 die Rede ist, beruht diese Angabe auf einem Versehen. Ausführungen des Klägers zur Abweisung des Zahlungsantrages waren nicht erforderlich, was den Anspruch auf Urlaubsentgelt für den Zeitraum 14. bis 22.08.2021 angeht. Denn auch das angegriffene Urteil enthält insoweit keine Begründung. Vom Berufungskläger kann nicht mehr Auseinandersetzung mit der Sache verlangt werden, als vom Ausgangsgericht geleistet. Die Berufung ist damit insgesamt zulässig.

II.

Die Berufung ist teilweise begründet. Soweit das Arbeitsgericht die Klage im Bezug auf den Antrag zu 1) (Entfernung der Abmahnung vom 07.04.2021) abgewiesen hat, war das Teilurteil teilweise abzuändern und die Beklagte zur Entfernung der Abmahnung zu verurteilen.

1.

Die Klage ist hinsichtlich des Antrages zu 1) zulässig. Insbesondere besteht für den Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Entfernung der Abmahnung auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Rechtsschutzbedürfnis. Das Rechtsschutzbedürfnis für die hier vorliegende Leistungsklage folgt bereits aus der Nichterfüllung des behaupteten materiellen Anspruchs (vgl. Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 23. November 2018 – 5 Sa 7/17 -, Rn. 55, juris). Es war vom Kläger nicht vorzutragen, dass objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Abmahnung ihm auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden kann (aA Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 19. Juli 2016 – 1 Sa 37/16 -, Rn. 50, 55 juris). Ein solcher Vortrag ist lediglich in materieller Hinsicht relevant, nämlich für die Begründetheit des Entfernungsanspruchs aus §§ 242, 1004 Abs. 1 BGB (vgl. BAG, Urteil vom 19. April 2012 – 2 AZR 233/11 -, Rn. 51, juris). Unabhängig davon stützt der Kläger seinen Anspruch auch auf datenschutzrechtliche Vorschriften, insbesondere auf Art. 17 DS-GVO.

2.

Die Klage ist auch begründet. Die erkennende Kammer schließt sich insoweit den zutreffenden Erwägungen des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt in seinem Urteil vom 23.11.2018 (5 Sa 7/17) an. Dort heißt es (vgl. Rn. 59-70, juris):

„Der Anspruch auf Entfernung als Fall der Löschung ergibt sich aus Artikel 17 Abs. 1 DS-GVO.

Nach Artikel 17 Abs. 1 DS-GVO hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass die betreffenden personenbezogenen Daten unverzüglich gelöscht werden, wenn u. a. die personenbezogenen Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind. Die Regelung entspricht den Erwägungen des Europäischen Parlaments und dem Rat der europäischen Union zur Verordnung (EU) 2016/679, wonach eine betroffene Person ein Recht auf Berichtigung der sie betreffenden personenbezogenen Daten sowie ein „Recht auf Vergessenwerden“ haben sollte, wenn die Speicherung ihrer Daten gegen diese Verordnung verstößt. Insbesondere sollten betroffene Personen Anspruch darauf haben, dass ihre personenbezogenen Daten gelöscht und nicht mehr verarbeitet werden, wenn die personenbezogenen Daten hinsichtlich der Zwecke, für die sie erhoben bzw. anderweitig verarbeitet wurden, nicht mehr benötigt werden (Nr. 65 der Erwägungen).

2.1.

Die Angaben in der Abmahnung sind personenbezogene Daten i. S. d. DS-GVO. Nach Artikel 4 Nr. 1 der DS-GVO sind „personenbezogene Daten“ alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einen Namen, zu einer Nummer, zu Standortdaten, zu einer Onlinekennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann.“

Das Abmahnungsschreiben vom 07.04.2021 bezieht sich – wie bereits aus dem Adressfeld und der Anrede zu erkennen – auf den Kläger als identifizierte natürliche Person.

Weiter heißt es in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 23.11.2018 (5 Sa 7/17):

„Verantwortlicher ist nach Artikel 4 Nr. 7 DS-GVO jedenfalls der Arbeitgeber, also die Beklagte.

2.2.

Der sachliche Anwendungsbereich der DS-GVO und des BDSG ist eröffnet, Artikel 2 Abs. 1 DS-GVO, § 1 Abs. 1, Satz 2 BDSG.

Auch in einer in Papierform geführten Personalakte werden personenbezogene Daten verarbeitet, die in einem Datensystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen.

Nach Artikel 4 Nr. 6 DS-GVO ist ein „Datensystem“ jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten, die nach bestimmten Kriterien zugängig sind, unabhängig davon, ob diese Sammlung zentral, dezentral oder nach funktionalen oder geografischen Gesichtspunkten geordnet geführt wird.

Unter Personalakten im formellen Sinn sind diejenigen Schriftstücke und Unterlagen zu verstehen, welche der Arbeitgeber als „Personalakte“ führt und die diesen als Bei-, Neben- oder Sonderakten zugeordnet sind. Derartige Aktenbestände sind äußerlich erkennbar in Ordnern, Heftern oder Blattsammlungen geführt, entsprechend gekennzeichnet und nach der Art ihrer Registrierung oder Aufbewahrung als zueinander gehörend bestimmbar. In der Personalakte werden personenbezogene Daten strukturiert gesammelt und nach bestimmten Kriterien zugänglich gemacht (vgl. Gola, DS-GVO, 2. Aufl., Art. 4, Rdnr. 43 – 47, anderer Ansicht: LAG Sachsen, 14.01.2014, 1 Sa 266/13, juris, Rdnr. 29 unter Bezugnahme auf BAG, 16. 11.2010 – 9 AZR 572/09 -, juris, Rdnr. 25, 26).

2.3.

Die personenbezogenen Daten sind für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Beklagte noch ein Interesse an einem Beibehalt des Abmahnungsschreibens in der Personalakte des Klägers hat. Mit einer Abmahnung übt ein Arbeitgeber sein arbeitsvertragliches Gläubigerrecht in doppelter Hinsicht aus. Zum einen weist er den Arbeitnehmer als seinen Schuldner auf dessen vertragliche Pflichten hin und macht ihn auf die Verletzung dieser Pflichten aufmerksam (Rüge und Dokumentationsfunktion). Zum anderen fordert er ihn für die Zukunft zu einem vertragsgetreuen Verhalten auf und kündigt, sofern ihm dies angebracht erscheint, individualrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung an (Warnfunktion) (BAG, 19.07.2012 – 2 AZR 782/11, juris, Rdnr. 20). Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist die Warnfunktion entfallen. Hinsichtlich der Rüge- und Dokumentationsfunktion könnte sich noch ein Interesse am Erhalt der Abmahnung für den Arbeitgeber ergeben, soweit dies zur Abwehr von etwaigen Ansprüchen des Arbeitnehmers oder zur Begründung eigener Ansprüche gegen den Arbeitnehmer erforderlich erscheint.“

Im vorliegenden Fall sind solche Gründe nicht gegeben. Zwischen den Parteien bestehen keine weiteren arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen, bei denen es für die Beklagte erforderlich sein könnte, die Abmahnung vom 07.04.2021 noch heranzuziehen. Der Rechtsstreit über die vom Kläger begehrte Zeugnisberichtigung ist durch Schlussurteil des Arbeitsgerichts Herford vom 03.05.2022 rechtskräftig entschieden.

Schadensersatzansprüche auf Grund des von der Beklagten gerügten Fehlverhaltens des Klägers sind weder ersichtlich noch werden sie von der Beklagten geltend gemacht.

Schließlich führt das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt in seinem Urteil vom 23.11.2018 (5 Sa 7/17) aus:

„2.4.

Das Recht auf Löschen in der Form der Entfernung der Abmahnung wird nicht durch § 35 BDSG eingeschränkt. Insbesondere ist die Entfernung der Abmahnung mit keinerlei Aufwand für die Beklagte verbunden.

2.5.

Der Anspruch des Klägers auf Löschung in Form der Entfernung der Abmahnung wird auch nicht wegen § 26 BDSG (Artikel 80 DS-GVO) ausgeschlossen oder beschränkt. § 26 BDSG steht unter dem Kapitel 1 „Rechtsgrundlagen der Verarbeitung personenbezogener Daten“ in dessen Abschnitt 2 „Besondere Verarbeitungssituationen“ und regelt die Datenverarbeitung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses. Unberührt hiervon bleiben die Vorschriften unter Kapitel 2 „Rechte der betroffenen Personen“ (§ 32 ff. BDSG).

2.6.

Artikel 17 DS-GVO verlangt nicht die Darlegung des Klägers, dass es objektive Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Abmahnung ihm noch schaden könnte. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hierzu bezieht sich auf einen Anspruch auf Entfernung von Abmahnungen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB. Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 17.11.2016 (2 AZR 730/15, juris, Rdnr. 46, 47) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Kläger im dortigen Fall einen Anspruch auf Löschung von in den Abmahnungen enthaltenen personenbezogenen Daten nach § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BDSG a. F., nicht geltend gemacht hat (BAG, 17.11.2016, juris, Rdnr. 46., vgl. auch Brink, Anmerkung zu Landesarbeitsgericht Mainz vom 12.12.2012 – 8 Sa 379/12 -, juris, PR-ArbR 36/2013; Rademacher, AoA, 2018, 94 ff.).“

III.

Im Übrigen ist die Berufung unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage hinsichtlich des Zahlungsantrages abgewiesen. Die Klage ist insoweit zulässig, aber unbegründet.

1.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Urlaubsentgelt für den Zeitraum 14. bis 22.08.2021 i.H.v. 1.729,30 EUR brutto.

a)

Der Anspruch folgt nicht aus § 27 Abs. 1 S. 1, S. 2 i.V.m. § 22 S. 2 TV-Ärzte/VKA. Denn die Beklagte hat mit Schreiben vom 06.08.2021 zu Recht die Urlaubsgewährung im Umfang von 7 Tagen für den Zeitraum 14. bis 22.08.2021 kondiziert.

aa)

Die Freistellung nach den tariflichen und gesetzlichen Urlaubsvorschriften hat regelmäßig zur Folge, dass der Arbeitgeber für den Zeitraum der Freistellung die geschuldete Urlaubsvergütung zu zahlen hat, vgl. § 27 Abs. 1 S. 1, S. 2 i.V.m. § 22 S. 2 TV-Ärzte/VKA. Das gilt nicht, wenn der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf des Urlaubsjahres gekürzt wird. In diesem Fall ordnet das Bundesurlaubsgesetz wie auch der § 27 Abs. 2b) TV-Ärzte/VKA den teilweisen Wegfall des Anspruchs an. Hat der Arbeitnehmer mehr Urlaub erhalten, als ihm nach der Kürzung zusteht, so steht fest, dass er einen Teil des Urlaubs ohne Rechtsgrund erhalten hat. Die vom Arbeitgeber gewährte Freistellung von den Arbeitsverpflichtungen erweist sich nachträglich als nicht urlaubsrechtliche Freistellung, für die eine Zahlung von Urlaubsentgelt nicht in Betracht kommt. Die Anordnung in § 1 und § 3 Abs. 1 BUrlG sowie in § 7 Abs. 1 S. 1, S. 2 TV-Ärzte/VKA auf Gewährung bezahlten Erholungsurlaubs setzt voraus, dass eine urlaubsrechtliche Freistellung rechtmäßig erfolgt ist (so zu § 11 MTV Metallindustrie BAG, Urteil vom 23.4.1996 – 9 AZR 317/95 -, BAGE 83, 36-39, Rn. 12 – 15).

bb)

Nach diesem rechtlichen Maßstab ist die Urlaubsgewährung für den Zeitraum 14. bis 22.08.2021 kondizierbar, weil sie nicht rechtmäßig erfolgt ist. Der Kläger hat durch die Urlaubsgewährung für den genannten Zeitraum mehr erhalten, als ihm nach der Kürzung des Urlaubsanspruchs infolge vorzeitigen Ausscheidens zusteht.

(a)

Der Kläger hat zu Beginn des Jahres 2021 einen Urlaubsanspruch von 27 Arbeitstagen erworben, nämlich für jeden Monat der Teilzeitbeschäftigung von Januar bis einschließlich Juni 2021 zwei Urlaubstage und für jeden Monat der Vollzeitbeschäftigung von Juli bis Dezember 2021 2,5 Urlaubstage (vgl. die Berechnung der Beklagten in der Anl. B6, Bl. 92 d. A.). Davon konnten im August 2021 17 Tage verlangt werden, nachdem der Anspruch erst für 10 Tage erfüllt war.

(b)

Infolge der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2021 reduzierte sich jedoch der Urlaubsanspruch des Klägers gemäß § 27 Abs. 2 b) TV-Ärzte/VKA um 7 Tage auf 20 Tage, so dass nach Abzug der im Januar gewährten 10 Urlaubstage nur noch weitere 10 Urlaubstage verblieben. Diese waren mit Ablauf des 13.08.2022 verbraucht. Die Eigenkündigung des Klägers, die zum Entstehen des Kürzungstatbestandes führte, ging der Beklagten am 27.07.2021 und somit vor Urlaubsantritt des Klägers zu.

b)

Der Kläger hat auch keinen Anspruch aus § 27 Abs. 2 TV-Ärzte-VKA i. V. m. § 5 Abs. 3 BUrlG. Die zuletzt genannte Vorschrift regelt lediglich den Fall, dass der Arbeitnehmer nicht nur mehr Urlaub erhalten hat, als ihm nach der Kürzung zustand, sondern auch das Urlaubsentgelt bereits empfangen hat. § 5 Abs. 3 BUrlG ordnet an, dass das dafür gezahlte Urlaubsentgelt nicht zurückgefordert werden kann. Die Regelung enthält demnach keine besondere Anspruchsgrundlage für die Zahlung von Entgelt für die Zeit einer Freistellung, die sich nachträglich nicht als Urlaub erweist. Die Bestimmungen sind lediglich Sondervorschriften zum Bereicherungsrecht. Der Arbeitgeber, für dessen Zahlung nachträglich der Rechtsgrund weggefallen ist, könnte das Entgelt nach § 812 Abs. 1 BGB zurückverlangen. Das wird durch § 5 Abs. 3 BUrlG ausgeschlossen. Dem Arbeitnehmer bleibt es erspart, der Forderung des Arbeitgebers mit dem Einwand der Entreicherung begegnen zu müssen (so zu § 11 MTV Metallindustrie BAG, Urteil vom 23.4.1996 – 9 AZR 317/95 -, BAGE 83, 36-39, Rn. 12 – 15).

c)

Die tariflichen und gesetzlichen Vorschriften über den bezahlten Erholungsurlaub sind auch nicht analog anzuwenden. Der Normenbereich ist nicht lückenhaft. Im Gesetz (i. V. m. § 27 Abs. 2 TV-Ärzte-VKA) ist vielmehr eine Abwägung zwischen den Interessen der Vertragsparteien vorgenommen worden. Entsteht der Kürzungstatbestand nach Leistung des Entgelts, so wird der Arbeitnehmer dadurch begünstigt, dass er das ohne Rechtsgrund erhaltene Entgelt behalten darf. Entsteht der Kürzungstatbestand zwischen Urlaub und Zahlung des Entgelts, so trägt der Arbeitnehmer das Risiko, bestimmte Tage ohne Arbeitsentgelt frei gehabt zu haben. Entsteht der Kürzungstatbestand vor Antritt des Urlaubs, so kann der Arbeitgeber die nicht mehr durch den Urlaubsanspruch gedeckte Freistellungserklärung mit der Folge kondizieren, dass der Arbeitnehmer entgegen seinen ursprünglichen Wünschen zur Arbeit verpflichtet ist und dafür das geschuldete Entgelt erhält (vgl. BAG, Urteil vom 23.4.1996 – 9 AZR 317/95 -, BAGE 83, 36-39, Rn. 12 – 15).

2.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen unterbliebener Heranziehung zu Hintergrunddiensten im Zeitraum März bis August 2021 in Höhe von 25.105,98 EUR brutto.

Ein solcher Anspruch folgt nicht aus § 280 Abs. 1 S. 1 BGB. Nach dieser Norm kann der Gläubiger Ersatz des durch die Pflichtverletzung entstehenden Schadens verlangen, wenn der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

a)

Die Beklagte hat keine Pflicht aus dem Arbeitsvertrag verletzt, indem sie den Kläger während seines Urlaubes nicht zu Hintergrunddiensten heranzog. Während des Erholungsurlaubes im Sinne des § 27 Abs. 1 S. 1 TV-Ärzte/VKA war der Kläger nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet. Damit geht einher, dass die Beklagte nicht berechtigt und erst recht nicht verpflichtet war, von dem Kläger Arbeitsleistung in Form von Hintergrunddiensten zu fordern.

Ein Anspruch auf Einteilung des Klägers zu Hintergrunddiensten während seines Urlaubes folgt auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Bindung an den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet es dem Arbeitgeber, einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern ohne sachlichen Grund von allgemein begünstigenden Regelungen des Arbeitsverhältnisses auszunehmen und schlechter zu stellen als andere Arbeitnehmer in vergleichbarer Lage (vgl. BAG, Urteil vom 13. Juli 2022 – 5 AZR 412/21 -, Rn. 30, juris; Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, Arbeitsrecht, GG Art. 3 Rn. 45 mwN). Der Kläger hat behauptet, es sei bei der Beklagten üblich, dass Mitarbeiter aus Urlauben abberufen würden, um Rufbereitschaftsdienst durchzuführen. Unabhängig von der Frage der rechtlichen Zulässigkeit einer solchen „Abberufung“ aus dem Urlaub hätte es dem Kläger oblegen, seinen Sachvortrag zu substantiieren, nachdem die Beklagte ihn bestritten hatte. Dies hat er unterlassen mit der Folge, dass sein Sachvortrag gemäß § 138 Abs. 1, Abs. 2 ZPO unbeachtlich geworden ist.

b)

Die Beklagte hat keine Pflicht aus dem Arbeitsvertrag verletzt, indem sie den Kläger während seiner Arbeitsunfähigkeit nicht zu Hintergrunddiensten heranzog. In den Zeiten, in denen der Kläger arbeitsunfähig erkrankt war, unterlag er keiner Arbeitspflicht. Kehrseite der fehlenden Arbeitspflicht des Klägers ist die fehlende Beschäftigungspflicht der Beklagten. Diese war in Zeiten der Arbeitsunfähigkeit nicht berechtigt und erst recht nicht verpflichtet, von dem Kläger Arbeitsleistung in Form von Hintergrunddiensten zu fordern.

c)

Der Kläger geht selbst davon aus, in Zeiten, in denen er seine erkrankten bzw. pandemiebedingt betreuungsbedürftigen Kinder betreute, nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet gewesen zu sein. Dann erscheint es widersprüchlich, von der Beklagten zugleich seine Einteilung zu Hintergrunddiensten zu verlangen. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten nicht etwa zum Ausdruck gebracht, jeweils nur bis 16:00 Uhr an der Arbeitsleistung gehindert zu sein. Seinen Sachvortrag, er habe seine Bereitschaft dokumentiert, in Phasen der Kinderbetreuung Dienste zu übernehmen, hat er nach Bestreiten der Beklagten nicht substantiiert. Im Übrigen spricht auch die Tatsache, dass er trotz Einteilung zum Bereitschaftsdienst mit E-Mail vom 26.05.2021 (vgl. Bl. 227 d. A.) nicht zum Dienst erschien, gegen eine solche Bereitschaft. Auch der Vortrag des Klägers, die Beklagte habe andere Mitarbeiter während der Kinderbetreuungsphasen zu Bereitschaftsdiensten eingeteilt, bleibt unsubstantiiert (siehe oben unter a). Letztlich kommt es darauf jedoch nicht an, weil jedenfalls ein kausal verursachter Schaden fehlt (dazu siehe im Folgenden unter d) und e).

d)

Im Hinblick auf die Zeiten, in denen der Kläger unentschuldigt fehlte, kann zu seinen Gunsten unterstellt werden, dass die Beklagte verpflichtet war, ihn zu Hintergrunddiensten heranzuziehen. Dennoch scheitert ein Anspruch aus § 280 Abs. 1 S. 1 BGB. Denn die – unterstellte – Pflichtverletzung der Beklagten hat jedenfalls nicht kausal zu einem Schaden bei dem Kläger geführt. Für Zeiten unentschuldigten Fehlens steht dem Kläger kein Entgeltanspruch zu. Ihm kann daher durch die fehlende Einteilung zu Hintergrunddiensten keine Verdienstmöglichkeit entgangen sein.

e)

Auch hinsichtlich der Zeiten von Urlaub, Arbeitsunfähigkeit und Kinderbetreuung hat die – wiederum unterstellte – Pflichtverletzung der Beklagten nicht zu einem Schaden beim Kläger in Form von entgangenem Verdienst geführt. Für die Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und während des Erholungsurlaubs kommt es nach § 23 Abs. 1 bzw. § 27 i.V.m. § 22 S. 2 TV-Ärzte/VKA nämlich nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer ohne den Verhinderungsfall zur Rufbereitschaft eingeteilt gewesen wäre. Vielmehr wird pauschal ein Durchschnittswert ermittelt auf Basis der dem maßgebenden Ereignis für die Entgeltfortzahlung vorhergehenden drei Kalendermonate. Dieser Durchschnittswert hat sich durch die fehlende Einteilung des Klägers zu Hintergrunddiensten im Zeitraum März bis August 2021 nicht verändert, weil der Kläger bis zum 01.03.2021 bei Hintergrunddiensten berücksichtigt wurde und danach tatsächlich keine Arbeitsleistung mehr erbracht hat. Die Durchschnittsbetrachtung nach § 22 S. 2 TV-Ärzte/VKA hat gemäß § 56 Abs. 3 S. 2 IfSG i.V.m. § 4 Abs. 4 S. 1 EFZG auch zu erfolgen bei einer Entschädigung nach § 56 Abs. 1a IfSG. Auf diese Norm dürfte der Kläger vermutlich abstellen, wenn er – ohne zu den Voraussetzungen der Norm im Einzelnen vorzutragen – von „pandemiebedingter Kinderbetreuung“ spricht. Sollten die Kinder des Klägers hingegen, wie von der Beklagten vorgetragen, erkrankt und deswegen betreuungsbedürftig gewesen sein, bestünde ohnehin kein Entgeltanspruch des Klägers, sondern nur ein solcher auf unbezahlte Freistellung (vgl. § 45 Abs. 3 SGB V). Die fehlende Einteilung des Klägers zu Hintergrunddiensten könnte deswegen keine entgangene Verdienstmöglichkeit nach sich ziehen. Insoweit gelten die Ausführungen zu den Zeiten unentschuldigten Fehlens entsprechend (dazu siehe oben unter d).

f)

Für den zu entscheidenden Fall kommt es demnach nicht darauf an, ob ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Einteilung zu Hintergrunddiensten aus dem Bestätigungsschreiben vom 06.10.2020, aus § 6 des Arbeitsvertrages oder aus der Teilzeitvereinbarung vom 14.12.2020 besteht.

3.

Mangels Hauptanspruch stehen dem Kläger auch die geforderten Zinsen nicht zu.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 97 Abs. 1, 92 ZPO. Es war lediglich über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden, weil das angegriffene Teil-Urteil keine Kostenentscheidung enthält.

V.

Für die Beklagte war die Revision zuzulassen nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ArbGG. Es ist höchstrichterlich noch nicht entschieden, ob sich ein Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte aus datenschutzrechtlichen Bestimmungen, hier Artikel 17 DS-GVO ergeben kann. Darüber hinaus weicht die vorliegende Entscheidung von der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen, Urteil vom 4. Mai 2021 – 11 Sa 1180/20 – ab sowie von der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Sachsen, Urteil vom 14. Januar 2014 – 1 Sa 266/13 -.

Für den Kläger sind hingegen keine Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG gegeben. Keine der entscheidungserheblichen Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Zahlungsantrag hat grundsätzliche Bedeutung. Die Rechtsfragen berühren auch nicht wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit. Ferner lagen keine Gründe vor, die die Zulassung wegen einer Abweichung von der Rechtsprechung eines der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG angesprochenen Gerichte rechtfertigen würde.

 

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