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Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte – Entgegennahme Geschenk

ArbG Halle (Saale) –  Az.: 3 Ca 1298/13

1. Der Beklagte wird verurteilt, die der Klägerin unter dem 22.03.2013 erteilte Abmahnung aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird festgesetzt auf 4.000,00 €.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte der Klägerin.

Die Klägerin steht seit dem Jahr 1991 in einem Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten als Lehrkraft. Nach § 2 des Arbeitsvertrages der Parteien (Blatt 40 der Akte) bestimmt sich das Arbeitsverhältnis der Parteien nach den Vorschriften des BAT-O und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung.

Die Durchgehend während der gesamten Grundschulzeit bis zum Ende des Schuljahres 2011/2012 unterrichtete die Klägerin an der in O… gelegenen Grundschule eine Schulklasse. Im Rahmen der Verabschiedung dieser Klasse am Ende des Schuljahres 2011/2012 übergaben die Eltern der von ihr betreuten Schüler der Klägerin am 20.07.2012 einen Gutschein für einen Kochkurs für 2 Personen in einem Möbelhaus im Wert von 2 x 49,00 € sowie einen Gutschein für einen Aufenthalt in einem Wellnesshotel im Wert von 79,00 €. Der Gesamtwert der Gutscheine betrug 177,00 €. Das Schuljahr 2011/2012 endete am 23.07.2012.

Ob die Klägerin über die Annahme dieser Gutscheine noch im Juli 2012 die Schulleiterin der Grundschule in O… unterrichtete, steht zwischen den Parteien im Streit. Im Laufe des Spätjahres 2012 löste die Klägerin die ihr im Juli 2012 überreichten Gutscheine ein. Die Schulleiterin der Grundschule in O… unterrichtete hierüber mit Schreiben vom 12.12.2012 (Blatt 55 der Akte) das zuständige Schulamt.

Mit Schreiben vom 14.12.2012 (Blatt 56 der Akte) hörte der Arbeitgeber die Klägerin zu diesem Pflichtverstoß an. Die Klägerin gab hierzu über ihre Prozessbevollmächtigte unter dem 21.02.2013 (Blatt 66 der Akte) eine Stellungnahme ab.

Mit Schreiben vom 06.03.2013 (Blatt 52 der Akte) hörte der Beklagte den zuständigen Lehrerbezirkspersonalrat nach § 86 PersVG LSA zu der beabsichtigten Abmahnung der an. Dem Anhörungsschreiben war beigefügt der Entwurf einer beabsichtigten Abmahnung der Klägerin. Das Anschreiben ging beim Bezirkspersonalrat ein am 12.03.2013. Mit Schreiben vom 21.03.2013 (Blatt 54 d.A.) gab der Lehrerbezirkspersonalrat eine ablehnende Stellungnahme ab.

Unter dem 22.03.2013 erteilte der Beklagte die Klägerin sodann eine Abmahnung (Blatt 11 der Akte). Er beanstandete, dass die Klägerin ihren Mitteilungspflichten gegenüber dem Arbeitgeber über die Annahme der Geschenke nicht nachgekommen sei. Sie habe weder die vorherige noch die nachträgliche Zustimmung zur Annahme der Geschenke bei ihrem Dienstvorgesetzten eingeholt und somit gegen § 3 Abs. 3 TV-L verstoßen. Auf den Inhalt des Abmahnungsschreibens vom 22.03.2013 wird ausdrücklich Bezug genommen.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Entfernung der Abmahnung vom 22.03.2013 aus ihrer Personalakte. Die vom 25.04.2013 datierende Klageschrift ging am 30.04.2013 bei dem örtlich zuständigen Arbeitsgericht B-Stadt ein und wurde dem Beklagten zugestellt am 21.05.2013.

Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe davon ausgehen können, dass die Annahme und die Einlösung der Gutscheine in Ordnung sei, weil die Leiterin der Grundschule in O… hiervon bereits Ende Juli 2012 Kenntnis gehabt habe. Eine letztmalige Belehrung über den Verstoß gegen arbeitsvertragliche Dienstpflichten sei im übrigen am 09.04.1992 erfolgt. Der Klägerin sei die Regelung des TV-L zu der Annahme und zum Verhalten bei Geschenken nicht bekannt gewesen und sie sei darüber auch nicht belehrt worden. Dies sei erst nach Aussprache der Abmahnung im April 2013 erstmals geschehen. Angesichts dessen sei es völlig ausreichend gewesen, die Klägerin auf ihr Fehlverhalten hinzuweisen. Eine Abmahnung habe auch ihren Zweck verfehlt, weil sie nicht unverzüglich nach Kenntniserlangung im Dezember 2012 erfolgt sei. Unabhängig davon sei es durchaus gesellschaftlich angemessen und üblich, dass am Ende eines Schuljahres freiwillig durch die Elternschaft den Lehrern Geschenke überreicht würden. Auch sei sich der Beklagte nicht einig, ob und in welchem Umfang angenommen werden dürften. Es dürfte auch dem Beklagten seit Jahren aufgefallen sein, dass es den gesellschaftlichen Gepflogenheiten nicht mehr entspräche, dass Lehrer nur selbstgebastelte Geschenke erhielten. Vielmehr würden Lehrern aufgrund der deutlich geänderten gesellschaftlichen Stellung der Lehrer für eine gute Betreuung der Kinder nach 4 Jahren durchaus Geschenke im Wert pro Kind von 5,00 bis 10,00 € überreicht. Unabhängig davon gebe auch das Abmahnungsschreiben keine Auskunft darüber, Geschenke in welchem Umfang noch sozial adäquat seien.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die der Klägerin unter dem 22.03.2013 erteilte Abmahnung aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen

Der Beklagte ist der Auffassung, die Klägerin habe eine Arbeitspflichtverletzung begangen. Sie habe gegen die Pflicht nach § 3 Abs. 3 TV-L verstoßen, indem sie Gutscheine im Wert von 177,00 € nicht nur entgegen nahm, sondern auch einlöste. Nach § 3 Abs. 3 TV-L dürfen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes von Dritten in Bezug auf ihre Tätigkeiten Belohnungen, Geschenke und sonstige Vergütungen ohne Zustimmung des Arbeitgebers nicht annehmen. Bei dem Wert der Gutscheine handele es sich auch um eine Größenordnung, die nicht als bloße Aufmerksamkeit eingeordnet werden könne. Auch sei die Klägerin in den vergangenen Jahren wiederholt belehrt worden. Das Abmahnungsrecht des Beklagten unterliege auch nicht der tariflichen Ausschlussfrist des § 37 TV-L. Vor Ausspruch der streitbefangenen Abmahnung sei der bei dem Beklagten gebildete Lehrerbezirkspersonalrat ordnungsgemäß angehört worden. Am 06.03.2013 sei das Beteiligungsverfahren nach dem LPersVG Sachsen-Anhalt eingeleitet worden. In der Sitzung am 20.03.2013 habe der Bezirkspersonalrat eine ablehnende Haltung eingenommen und begründete diese mit Schreiben vom 21.03.2013. Nach Eingang dieses Schreibens sei der Klägerin die streitbefangene Abmahnung zugegangen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der Güteverhandlung vom 11.06.2013 und der Kammerverhandlung vom 05.12.2013 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Anspruch besteht, wenn die Abmahnung entweder inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, und auch dann, wenn selbst bei einer zu Recht erteilten Abmahnung kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers mehr an deren Verbleib in der Personalakte besteht (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 17.07.2012 – 2 AZR 782/11 – zitiert nach juris m.w.N.).

1. Das Recht des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer eine schriftliche Abmahnung zu erteilen und diese aus der Personalakte zu nehmen, unterliegt nicht der Ausschlussfrist des § 37 TV-L.

a) Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestimmte sich kraft einzelvertraglicher Vereinbarung bis zum 31.10.2006 nach dem BAT-O und seit dem 01.11.2006 nach dem TV-L. Der TV-L ist ein den BAT-O ersetzender Tarifvertrag. Für den Bereich der TdL ersetzt der TV-L nach § 2 Abs. 1 des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts vom 12. Oktober 2006 (TVÜ-Länder) den BAT-O.

b) Das Recht des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer eine Abmahnung zu erteilen und dies zur Personalakte zu nehmen, ist kein Anspruch im Sinne von § 37 TV-L. Vielmehr übt der Arbeitgeber mit der Abmahnung ein vertragliches Rügerecht aus. Sie hat eine Hinweis- und Warnfunktion. Der Arbeitgeber (Gläubiger) weist den Arbeitnehmer (Schuldner) auf Vertragsverletzungen hin und droht für den Widerholungsfall arbeitsrechtliche Konsequenzen an. § 37 TV-L wie auch die Vorgängernorm des § 70 BAT-O ist auch nicht deshalb anwendbar, weil der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit der Abmahnung regelmäßig auch zu vertragsgerechtem Verhalten auffordert. Das „Recht“, vom Vertragspartner eines Dauerschuldverhältnisses für die Zukunft ein vertraggetreues Verhalten (Tun oder Unterlassen) zu verlangen, ist eine – selbstverständliche – dauernde Befugnis des Gläubigers und kein Anspruch im Sinne des § 194 Abs 1 BGB und des 37 TV-L (vgl. hierzu Bundesarbeitsgericht Urteil vom 14.12.1994 – 5 AZR 137/94 – zitiert nach juris zu der Vorgangernorm des § 70 BAT).

2. Gleichwohl ist der Beklagte verpflichtet zur Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte der Klägerin.

a) Personalakten sind eine Sammlung von Urkunden und Vorgängen, die die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse eines Mitarbeiters betreffen und in einem inneren Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis stehen. Sie sollen ein möglichst vollständiges, wahrheitsgemäßes und sorgfältiges Bild über diese Verhältnisse geben (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 08.02.989 – 5 AZR 40/88 – zitiert nach juris; Bundesarbeitsgericht Urteil vom 19.07.2012 – 2 AZR 782/11 – zitiert nach juris). Ein Arbeitnehmer kann deshalb nur in Ausnahmefällen die Entfernung auch solcher Aktenvorgänge verlangen, die auf einer richtigen Sachverhaltsdarstellung beruhen (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 19.07.2012 – 2 AZR 782/11 – zitiert nach juris m.w.N.). Ein solcher Fall liegt vor, wenn eine Interessenabwägung im Einzelfall ergibt, dass die weitere Aufbewahrung zu unzumutbaren beruflichen Nachteilen für den Arbeitnehmer führen könnte, obwohl der beurkundete Vorgang für das Arbeitsverhältnis rechtlich bedeutungslos geworden ist (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 19.07.2012 – 2 AZR 782/11 – zitiert nach juris).

aa) Eine Verpflichtung zur Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte des Arbeitnehmers besteht für den Arbeitgeber auch, wenn die Abmahnung eine falsche Tatsachenbehauptung enthielte.

Dem ist nicht so. Die Klägerin hat eine Arbeitspflichtverletzung begangen, indem sie die Entgegennahme von drei Gutscheinen im Wert von insgesamt 177,00 € nicht ihrem Arbeitgeber meldete und dessen (nachträgliche) Genehmigung zur Annahme einholte. Hierzu ist die Klägerin nach § 3 Abs 3 TV-L verpflichtet.

Die für das Arbeitsverhältnis der Parteien geltende Vorschrift des § 3 Abs 3 TV-L (die wortgleich ist mit der Vorgängerregelung des § 10 BAT-Ost/§ 10 BAT ist) soll eine saubere und unbestechliche Diensterfüllung gewährleisten (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 15.11.2001 – 2 AZR 605/00 – zitiert nach juris).

Das bedeutet zweierlei: Erstens sollen Bürger nicht veranlasst werden, zusätzliche Leistungen für Dienste aufzubringen, auf die sie einen Rechtsanspruch haben. Weiter sollen Bürger, die solche zusätzlichen Leistungen nicht aufbringen können, keinen Grund zu der Befürchtung haben, benachteiligt zu werden. Beide Regelungsziele lassen sich nur erreichen, wenn Belohnungen und Geschenke jeder Art unterbleiben, gleichgültig, in welcher Form sie versprochen werden (vgl. hierzu Bundesarbeitsgericht Urteil vom 17.04.1984 – 3 AZR 97/82 – zitiert nach juris zu § 10 BAT), soweit es sich nicht nur um geringwertige Aufmerksamkeiten handelt. Diese Grundsätze gelten – wie für jede andere Berufsgruppe des öffentlichen Dienstes – auch für die Lehrkräfte.

Der mehrfache Verstoß eines Angestellten im öffentlichen Dienst gegen das Verbot, ohne Zustimmung des Arbeitgebers Belohnungen oder Geschenke in Bezug auf seine dienstliche Tätigkeit anzunehmen, ist an sich auch geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darzustellen (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 15.11.2001 – 2 AZR 605/00 – zitiert nach juris).

Dabei ist Geschenk und Belohnung jede freiwillige, unentgeltliche Zuwendung, die einen Vermögenswert besitzt, also den Empfänger bereichert, ohne dass von ihm eine Gegenleistung erwartet wird. Das Tatbestandsmerkmal „Belohnungen oder Geschenke“ ist denkbar weit gefasst und das Tatbestandsmerkmal „annehmen“ ist nicht rechtstechnisch im Sinne einer rechtsgeschäftlichen Annahmeerklärung zu verstehen.

Nicht zu den Geschenken oder Belohnungen zählen lediglich kleinere Aufmerksamkeiten (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 17.04.1984 – 3 AZR 97/82 – zitiert nach juris), die den Rahmen sozial üblicher Dankbarkeitsgesten nicht verlassen und deren Zurückweisung als Unhöflichkeit oder Pedanterie erschiene. Solche Zuwendungen zählen nicht zu den Geschenken oder Belohnungen in diesem Sinne.

Das Verbot, Belohnungen oder Geschenke ohne Zustimmung des Arbeitgebers anzunehmen ist umfassend; es gilt sogar für die Begünstigung durch letztwillige Verfügungen (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 17.06.2003 – 2 AZR 62/02 – zitiert nach juris unter Bezugnahme auf Bundesarbeitsgericht Urteil vom 17.04.1984 – 3 AZR 97/82 – zitiert nach juris).

Bei den der Klägerin überreichten Gutscheinen handelt es sich weder bei einer isolierten Betrachtung des Wertes eines jeden einzelnen Gutscheines noch bei einer Gesamtbetrachtung des Wertes aller Gutscheine um eine kleinere Aufmerksamkeit in dem dargestellten Sinne.

Das erkennende Gericht vermag die Auffassung der Klägerin nicht zu teilen, aufgrund der deutlich geänderten gesellschaftlichen Stellung der Lehrer sei es gesellschaftlich angemessen, wenn Geschenke im Wert von 5,00 € bis 10,00 € je Kind überreicht werden. Bei einer Klassenstärke von 20 bis 25 Schülern beliefe sich der Wert der – kleineren – Aufmerksamkeit dann auf 100,00 bis 250,00.

Bedenkt man, dass im Jahr 2012 als Regelbedarf einer alleinstehenden Person 374,00 € zusteht (siehe Bekanntmachung über die Höhe der Regelbedarfe nach § 20 Abs 5 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für die Zeit ab 1. Januar 2012 (BGBl. I, 293) und die Höhe des monatlichen Kindergeldes für das erste und zweite Kind jeweils 184,00 € (vgl. § 6 BKGG) betrug, bedarf die Feststellung keiner vertiefenden Erörterung, es handele sich nicht um eine kleine Aufmerksamkeit. Das Bundesarbeitsgericht wertete im Jahr 2001 die Entgegennahme eines Geldgeschenkes in einer Größenordnung von 100,00 DM auch bei „großzügigster Auslegung“ nicht mehr als bloße Aufmerksamkeit, die ein öffentlicher Arbeitgeber tolerieren wird.

Die der Klägerin überreichten Gutscheine stellen sich als Sachwerte mit einem nicht unerheblichen wirtschaftlichen Wert dar. Indem die Klägerin diese Gutscheine entgegengenommen und es in der Folgezeit unterlassen hat, dies im Nachgang bei ihrem Arbeitgeber anzuzeigen und die Genehmigung zur Entgegennahme einzuholen, hat die Klägerin gegen die ihr obliegenden Arbeitspflichten verstoßen. Dass es sich hierbei um keine bloße Lappalie handelt, zeigt die Verwaltungsvorschrift zur Vermeidung und Bekämpfung der Korruption vom 30.06.2010 des Landes Sachsen-Anhalt. Diese gilt für die gesamte unmittelbare Verwaltung des Landes Sachsen-Anhalt.

Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung ist es auch nicht als normal und üblich anzusehen, die eine Klasse betreuende Lehrkraft am Ende eines Schuljahres zu beschenken. Lehrkräfte tragen nach § 30 SchulG des Landes Sachsen-Anhalt die unmittelbare pädagogische Verantwortung und Erziehung und Bildung der Schüler. Die Unterrichtserteilung und alle sich darauf beziehenden Arbeiten gehören zum Berufsbild einer Lehrkraft (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 16.10.2007 – 9 AZR 144/07 – zitiert nach juris). Eine Lehrkraft erfüllt damit die ihr obliegende Hauptleistungspflicht, erbringt sie diese Aufgaben auch zur Zufriedenheit der Eltern der von ihr betreuten Kinder.

Schließlich muss auch dem Einwand der Klägerin entgegengetreten werden, die Erteilung einer Abmahnung sei vorliegend bereits deshalb ausgeschlossen, weil der Beklagte die Klägerin über die ihr obliegenden Verhaltenspflichten im Umgang mit Gaben der betreuten Schüler bzw. deren Entern nicht regelmäßig belehrt habe. Sollte die Klägerin als Lehrkräfte des öffentlichen Dienstes tatsächlich nicht alljährlich in Anwendung der Verwaltungsvorschrift zur Vermeidung und Bekämpfung der Korruption 24.31.02080/100 vom 30.06.2010 belehrt worden sein, erschiene dies bemerkenswert.

Ungeachtet dessen führte dies zu keiner anderen Bewertung des Verhaltens der Klägerin. Die Entgegennahme von Geschenken bzw. die unterlassene Einholung der nachträglichen Genehmigung ihres Arbeitgebers stellt einen schweren Pflichtenverstoß der Klägerin dar. Dies musste auch der Klägerin als Mitarbeiterin des öffentlichen Dienstes bekannt gewesen sein auch ohne ausdrücklich die Regelung des § 10 Abs 3 BAT-Ost bzw. § 3 Abs 3 TV-L zu kennen.

Es mag sich die Unsitte eingeschlichen haben, dass Eltern am Ende eines Schuljahres Lehrkräfte üppig beschenken. Gleichwohl berechtigt dies die Klägerin nicht, nach eigenem Gutdünken zu entscheiden, ob sie die Entgegennahme eines solchen Geschenkes ihrem Arbeitgeber anzeigt oder aber nicht. Eine Lehrkraft hat nach der tariflichen Regelung ohne Wenn und Aber die Entgegennahme solcher Geschenke anzuzeigen und die Genehmigung des Arbeitgebers einzuholen.

bb) Dennoch ist die der Klägerin ausgesprochene Abmahnung unwirksam. Die der Klägerin erteilte Abmahnung benennt die der Klägerin obliegenden Pflichten nicht hinreichend eindeutig und bestimmt. Für das erkennende Gericht erschließt sich aus dem vorliegenden Abmahnungsschreiben nicht, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Lehrkraft nach Auffassung des beklagten Landes ein Geschenk der Klasse annehmen darf, ohne hierfür zumindest nachträglich die Genehmigung durch den Arbeitgeber einholen zu müssen.

Eindeutig ausgeschlossen ist nach der Darstellung des Beklagten in dem Abmahnungsschreiben vom 22.03.2013 die Entgegennahme eines Gutscheines oder eines Geldbetrages unabhängig von dessen Wert. Hingegen darf ein Sachgeschenk bis zu einem Wert von maximal 25,00 € angenommen werden, falls der zu verschenkende Gegenstand vom allgemeinen Empfinden her als angemessen bewertet wird. Zugleich soll allerdings auch von jedem Kind – jedenfalls im Regelfall – nicht mehr als 1,00 € eingebracht werden. Schließlich erachtet der Beklagte als Arbeitgeber der Klägerin bei einer Klassenschülerzahl von 18 Kindern ein Sachgeschenk im Wert von bis zu 25,00 € als vertretbar. Das entspricht einem „Beitrag“ je Kind in Höhe von umgerechnet 1,39 €.

Angesichts dessen erscheint der seitens des Bezirkspersonalrats und der Klägerin erhobene Einwand, das Abmahnungsschreiben sei in sich widersprüchlich und schon aus diesem Grund zu entfernen, berechtigt. Der Beklagte als Arbeitgeber wird nicht umhin kommen, diesbezüglich eine einheitliche landesweit geltende Regelung zu schaffen, sollten die an den Schulen des Landes Sachsen-Anhalt tätigen Lehrkräfte nicht bereits per se dem Anwendungsbereich der Verwaltungsvorschrift zur Vermeidung und Bekämpfung der Korruption vom 30.06.2010 – 34.31-02080/100 – unterfallen.

Angesichts dieser bestehenden Unklarheiten hat die Klägerin ein Recht auf Entfernung der ihr erteilten Abmahnung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Gemäß § 61 Abs 1 ArbGG war der Festsetzung des Werts des Streitgegenstands 1 Bruttomonatsvergütung der Klägerin zugrunde zu legen.

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