Übersicht:
- Der Fall vor Gericht
- Ein hitziger Streit im Betrieb: Darf ein Arbeitgeber den Betriebsrat „abmahnen“?
- Der Weg vor das Gericht: Von gescheiterten Tarifverhandlungen zu einer „betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung“
- Die Kernfragen des Verfahrens: Entfernung, Widerruf und die Grenzen der Meinungsfreiheit
- Die Entscheidung des Gerichts: Die Anträge des Betriebsrats werden zurückgewiesen
- Die Begründung: Warum eine „Abmahnung“ für den Betriebsrat etwas anderes ist
- Die „Abmahnung“ als „gelbe Karte“: Ein milderes Mittel zur Konfliktlösung
- Warum die Vorwürfe nicht zurückgenommen werden mussten
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet es, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat ‘abmahnt’ und ist das wie eine Abmahnung für einen Arbeitnehmer?
- Welche rechtlichen Folgen hat eine solche Rüge des Arbeitgebers für die Arbeit des Betriebsrats?
- Kann der Arbeitgeber nach einer solchen Rüge den Betriebsrat auflösen?
- Welche Möglichkeiten hat der Betriebsrat, sich gegen eine solche Rüge des Arbeitgebers zu wehren?
- Unter welchen Voraussetzungen kann ein Arbeitgeber dem Betriebsrat eine solche Rüge erteilen?
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 10 BV 43/21 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Arbeitsgericht Magdeburg
- Datum: 12.01.2022
- Aktenzeichen: 10 BV 43/21
- Verfahrensart: Beschlussverfahren
- Rechtsbereiche: Betriebsverfassungsrecht, Zivilrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Der örtliche Betriebsrat forderte die Entfernung von sogenannten „betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnungen“ aus den Akten der Arbeitgeberin und die Rücknahme darin enthaltener Vorwürfe. Er argumentierte, keine Pflichten verletzt zu haben und solche Abmahnungen seien unzulässig.
- Beklagte: Die Arbeitgeberin, Betreiberin einer neurologischen Klinik, verteidigte ihr Recht, solche Rügen auszusprechen. Sie bestritt, dass diese eine Behinderung des Betriebsrats darstellten oder dass ein Anspruch auf Widerruf bestehe, da die Abmahnungen nicht Dritten mitgeteilt worden seien.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Die Arbeitgeberin sandte zwei Schreiben, darunter eine als „Betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung“ bezeichnete, an den Betriebsrat. Dies erfolgte, nachdem der Betriebsrat eine E-Mail an die Geschäftsführung gerichtet hatte, in der er scharfe Kritik an einem Mitarbeiterbrief der Arbeitgeberin bezüglich Tarifverhandlungen äußerte. Die Arbeitgeberin warf dem Betriebsrat daraufhin eine Verletzung seiner Neutralitätspflicht vor.
- Kern des Rechtsstreits: Die Kernfrage war, ob der Betriebsrat einen Anspruch darauf hatte, dass diese „betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnungen“ aus den Akten der Arbeitgeberin entfernt werden und die darin enthaltenen Bewertungen und Vorwürfe zurückgenommen werden.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Anträge des Betriebsrats wurden zurückgewiesen.
- Begründung: Das Gericht stellte fest, dass die für individualrechtliche Abmahnungen geltenden Normen nicht auf eine kollektivrechtliche „Abmahnung“ an das Betriebsratsgremium anwendbar sind, da es keine Betriebsrat-Personalakte gibt und dessen berufliches Fortkommen nicht beeinträchtigt wird. Es wurde auch keine rechtlich relevante Behinderung der Betriebsratsarbeit im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes gesehen. Die in den Schreiben geäußerten Vorwürfe wurden zudem als geschützte Meinungsäußerungen der Arbeitgeberin angesehen, deren Rücknahme nicht verlangt werden kann, insbesondere da sie nicht öffentlich gemacht wurden.
- Folgen: Die Ablehnung der Anträge des Betriebsrats bedeutet, dass die Arbeitgeberin nicht verpflichtet ist, die „betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnungen“ aus ihren internen Akten zu entfernen oder die darin geäußerten Vorwürfe zurückzunehmen. Dies verdeutlicht, dass interne Rügen eines Arbeitgebers an einen Betriebsrat grundsätzlich zulässig sind, solange sie den Betriebsrat nicht objektiv bei seiner Arbeit behindern und nicht extern verbreitet werden.
Der Fall vor Gericht
Ein hitziger Streit im Betrieb: Darf ein Arbeitgeber den Betriebsrat „abmahnen“?
In vielen Unternehmen kommt es vor, dass die Stimmung zwischen der Geschäftsführung und der Belegschaft angespannt ist, besonders wenn es um das Gehalt geht. Verhandlungen können scheitern, woraufhin oft mit Aushängen oder E-Mails um die Gunst der Mitarbeiter geworben wird. Doch was passiert, wenn der Tonfall dabei besonders scharf wird? Kann ein Arbeitgeber den gesamten Betriebsrat, also die gewählte Vertretung der Arbeitnehmer, förmlich für seine Äußerungen rügen, ähnlich wie er einen einzelnen Mitarbeiter abmahnen würde? Genau diese Frage musste ein Gericht klären.
Der Weg vor das Gericht: Von gescheiterten Tarifverhandlungen zu einer „betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung“

In einer neurologischen Klinik mit rund 370 Angestellten kam es zu einem Konflikt. Die Arbeitgeberin und die Arbeitnehmerseite verhandelten über einen neuen Firmentarifvertrag, also eine spezielle Vereinbarung über die Arbeitsbedingungen und Gehälter nur für diesen Betrieb. Diese Verhandlungen wurden von den Arbeitnehmern abgebrochen. Daraufhin informierte die zuständige Gewerkschaft die Öffentlichkeit darüber, dass die Arbeitgeberin plane, bei langjährigen Mitarbeitern eine Sonderzahlung zu streichen. Die Gewerkschaft rief die Belegschaft zu einer Protestaktion in der Mittagspause auf.
Die Arbeitgeberin reagierte mit einem eigenen Aushang. Darin stellte sie ihre Sicht der Dinge dar und kritisierte die Verhandlungskommission der Arbeitnehmer als parteiisch. Sie warf ihr vor, nur die Interessen der „Altbeschäftigten“ zu vertreten und fragte die Mitarbeiter, ob sie den Konfrontationskurs der Gewerkschaft wirklich wollten.
Dies wiederum verärgerte den Betriebsrat, also die gewählte Vertretung aller Mitarbeiter im Betrieb. Er schrieb eine wütende E-Mail direkt an die Geschäftsführung. Darin bezeichnete der Betriebsrat die Vorschläge der Arbeitgeberin als „Schlag ins Gesicht“ für die langjährigen Mitarbeiter und die Argumentation als „dreist, wenn nicht sogar frech“. Wenige Wochen später erhielt der Betriebsrat zwei Schreiben von der Arbeitgeberin. Eines davon war ausdrücklich als „betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung“ betitelt. Eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung ist keine klassische Abmahnung, wie sie ein einzelner Mitarbeiter erhält, sondern eine formelle Rüge des Arbeitgebers, die sich gegen das gesamte Betriebsratsgremium richtet und einen Verstoß gegen dessen Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz – dem zentralen Gesetz für die Zusammenarbeit von Arbeitgeber und Betriebsrat – behauptet.
In dieser „Abmahnung“ warf die Arbeitgeberin dem Betriebsrat vor, seine Neutralitätspflicht verletzt zu haben und drohte indirekt mit der Möglichkeit, beim Gericht die Auflösung des gesamten Betriebsrats zu beantragen. Dieses Schreiben sollte zu den Unterlagen des Betriebsrats genommen werden.
Die Kernfragen des Verfahrens: Entfernung, Widerruf und die Grenzen der Meinungsfreiheit
Der Betriebsrat wollte diese Rüge nicht auf sich sitzen lassen. Er zog vor das Arbeitsgericht und stellte zwei zentrale Forderungen. Was genau wollte er erreichen?
Die Forderungen des Betriebsrats
Erstens verlangte der Betriebsrat, dass die Arbeitgeberin die beiden Schreiben, insbesondere die „Abmahnung“, aus ihren Akten entfernen muss. Seine Begründung: Eine solche Abmahnung gegen das gesamte Gremium sei rechtlich gar nicht vorgesehen. Das Gesetz kenne für grobe Pflichtverletzungen des Betriebsrats nur eine einzige, sehr drastische Konsequenz: den Antrag auf Auflösung des Gremiums bei Gericht, geregelt in § 23 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG). Wenn das Gesetz nur diese eine Sanktion vorsehe, so die Argumentation, dann dürften weniger schwere Verstöße gar nicht geahndet werden. Zudem sei seine Kritik sachlich und von der Meinungsfreiheit gedeckt gewesen.
Zweitens forderte der Betriebsrat die Rücknahme bestimmter Vorwürfe aus der „Abmahnung“, etwa die Behauptung, er habe seine Neutralität verletzt und sich unberechtigt in Tarifverhandlungen eingemischt.
Die Verteidigung der Arbeitgeberin
Die Arbeitgeberin sah das völlig anders. Sie argumentierte, sie habe das Recht, Pflichtverstöße des Betriebsrats mit einer solchen „betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung“ zu rügen. Diese werde ja nicht in die Personalakte eines einzelnen Mitglieds gelegt und schade daher niemandem persönlich. Ein Anspruch auf Entfernung bestehe nicht, da die Arbeit des Betriebsrats durch das Schreiben nicht behindert werde, wie es das Gesetz in § 78 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) für einen solchen Anspruch fordert. Die „Abmahnung“ hindere den Betriebsrat nicht daran, seine Aufgaben weiterhin wahrzunehmen. Zudem seien ihre Vorwürfe als Meinungsäußerungen geschützt und müssten nicht widerrufen werden, zumal die Schreiben nur an den Betriebsrat selbst und nicht an die Öffentlichkeit oder die Belegschaft gingen.
Die Entscheidung des Gerichts: Die Anträge des Betriebsrats werden zurückgewiesen
Das Arbeitsgericht Magdeburg wies die Forderungen des Betriebsrats vollständig zurück. Die „Abmahnung“ durfte in den Akten der Arbeitgeberin bleiben und die darin enthaltenen Vorwürfe mussten nicht zurückgenommen werden. Doch wie kam das Gericht zu diesem Ergebnis?
Die Begründung: Warum eine „Abmahnung“ für den Betriebsrat etwas anderes ist
Das Gericht erklärte seine Entscheidung sehr ausführlich und zog eine entscheidende Trennlinie. Es unterschied klar zwischen einer Abmahnung für einen einzelnen Arbeitnehmer und einer Rüge für das gesamte Betriebsratsgremium.
Eine „Abmahnung“ für den Betriebsrat ist keine klassische Abmahnung
Zunächst stellte das Gericht klar: Die Regeln für die Abmahnung eines einzelnen Mitarbeiters gelten hier nicht. Wenn ein Arbeitnehmer eine Abmahnung erhält, hat das direkte Folgen. Sie kommt in seine Personalakte und kann im Wiederholungsfall die Grundlage für eine Kündigung sein. Sie beeinträchtigt also sein berufliches Fortkommen und sein Persönlichkeitsrecht.
Der Betriebsrat ist aber kein einzelner Arbeitnehmer, sondern ein Gremium, ein Organ der Betriebsverfassung. Er hat keine „Personalakte“ und auch kein „berufliches Fortkommen“, das durch eine Rüge beeinträchtigt werden könnte. Das Verhältnis zwischen Arbeitgeberin und Betriebsrat basiert nicht auf einem Arbeitsvertrag, sondern auf dem Betriebsverfassungsgesetz. Die Nutzung des Wortes „Abmahnung“ ist hier also eher irreführend; es handelt sich um eine formelle Meinungsäußerung der Arbeitgeberin über das Verhalten des Gremiums.
Keine „Behinderung“ der Betriebsratsarbeit
Der Betriebsrat hatte argumentiert, die „Abmahnung“ behindere seine Arbeit und verstoße daher gegen § 78 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG). Dieser Paragraph ist eine wichtige Schutznorm, die sicherstellen soll, dass der Betriebsrat seine Aufgaben frei und ohne unzulässige Erschwerung ausüben kann.
Das Gericht sah hier aber keine solche Behinderung. Nur weil die Arbeitgeberin eine Rüge ausspricht und mit der möglichen Auflösung des Gremiums droht, wird die Arbeit des Betriebsrats nicht objektiv erschwert. Eine solche Drohung ändert nichts an der rechtlichen Lage. Die Arbeitgeberin könnte einen Antrag auf Auflösung des Betriebsrats auch ohne vorherige „Abmahnung“ stellen, wenn sie der Meinung ist, die Voraussetzungen dafür seien erfüllt. Die „Abmahnung“ ist also keine rechtlich notwendige Vorstufe und verschafft der Arbeitgeberin keinen Vorteil.
Die „Abmahnung“ als „gelbe Karte“: Ein milderes Mittel zur Konfliktlösung
Statt einer Behinderung sah das Gericht in der „Abmahnung“ sogar etwas Positives. Es bezeichnete sie als ein milderes Mittel im Vergleich zum sofortigen Gang vor Gericht. Man kann es sich wie im Sport vorstellen: Statt bei einem Foul sofort die rote Karte zu zeigen (also die Auflösung zu beantragen), zeigt die Arbeitgeberin hier die „gelbe Karte“. Sie signalisiert damit: „Achtung, aus unserer Sicht war das ein Regelverstoß. Bitte ändert euer Verhalten, damit wir weiterhin zusammenarbeiten können.“
Das Gericht argumentierte, dass das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat auch harte Auseinandersetzungen aushalten muss. Der Betriebsrat hatte seine eigene, sehr scharfe Kritik als sachlich und von der Meinungsfreiheit gedeckt bezeichnet. Dann, so das Gericht, müsse er im Gegenzug auch die deutliche, aber nicht-öffentliche Kritik der Arbeitgeberin an seinem Verhalten hinnehmen.
Warum die Vorwürfe nicht zurückgenommen werden mussten
Auch die zweite Forderung des Betriebsrats – die Rücknahme der Vorwürfe – lehnte das Gericht ab. Hier unterschied es zwischen Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen.
Meinung gegen Tatsache: Ein entscheidender Unterschied
Ein Widerruf kann nur für nachweislich falsche Tatsachenbehauptungen verlangt werden. Ein Beispiel: Die Behauptung „Herr Meier hat am Montag um 10 Uhr Firmeneigentum gestohlen“ ist eine Tatsachenbehauptung. Wenn sie falsch ist, kann man einen Widerruf verlangen.
Die Vorwürfe der Arbeitgeberin, der Betriebsrat habe seine „Neutralitätspflicht verletzt“ oder sich „unberechtigt eingemischt“, sind aber keine Tatsachen, sondern rechtliche Bewertungen und Meinungen. Solche Meinungen sind durch die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit (Artikel 5 des Grundgesetzes) abgedeckt. Niemand kann gezwungen werden, seine Meinung oder seine rechtliche Einschätzung zu ändern und öffentlich zu widerrufen.
Nur für die Ohren des Betriebsrats bestimmt
Zudem gibt es einen Anspruch auf Widerruf in der Regel nur dann, wenn eine falsche Behauptung gegenüber Dritten, also zum Beispiel der restlichen Belegschaft oder der Öffentlichkeit, verbreitet wurde und dadurch ein Schaden entsteht. Hier wurde die „Abmahnung“ aber unbestritten nur an den Betriebsrat selbst geschickt. Da die Äußerungen nicht nach außen drangen, bestand auch kein andauernder Schaden, der einen Widerruf rechtfertigen würde.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt klar, dass Arbeitgeber durchaus das Recht haben, den gesamten Betriebsrat für dessen Verhalten zu rügen – auch wenn sie das „Abmahnung“ nennen. Eine solche Rüge ist aber etwas völlig anderes als die Abmahnung eines einzelnen Mitarbeiters und hat keine direkten arbeitsrechtlichen Folgen für die Betriebsratsmitglieder. Das Gericht sieht darin sogar einen Vorteil für alle Beteiligten, weil der Arbeitgeber damit seinen Unmut ausdrücken kann, ohne gleich das schärfste Schwert zu ziehen – nämlich die Auflösung des gesamten Betriebsrats zu beantragen. Die Entscheidung macht deutlich, dass beide Seiten – Betriebsrat und Arbeitgeber – auch harte Kritik aneinander aushalten müssen, solange diese nicht öffentlich erfolgt und die Arbeit des Betriebsrats nicht konkret behindert wird.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet es, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat ‘abmahnt’ und ist das wie eine Abmahnung für einen Arbeitnehmer?
Wenn ein Arbeitgeber den Betriebsrat „abmahnt“, hat dies eine grundlegend andere Bedeutung und andere rechtliche Konsequenzen, als wenn ein Arbeitnehmer eine Abmahnung erhält. Es handelt sich um zwei völlig unterschiedliche Sachverhalte.
Die „Abmahnung“ des Betriebsrats: Eine Kritik an der Körperschaft
Für juristische Laien ist der Begriff „Abmahnung“ meist mit persönlichen Konsequenzen, dem Risiko einer Kündigung und einem Eintrag in der Personalakte verbunden. Diese Vorstellung trifft jedoch nicht auf den Betriebsrat zu. Der Betriebsrat ist kein Arbeitnehmer im klassischen Sinne, sondern ein kollektives Organ – also eine Vertretung aller Arbeitnehmer im Betrieb.
Wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat „abmahnt“, ist dies in der Regel eine formale Mitteilung des Arbeitgebers an den gesamten Betriebsrat. Darin äußert der Arbeitgeber seine Ansicht, dass der Betriebsrat bestimmte Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz nicht erfüllt hat oder seine Rechte missbraucht. Es ist eine förmliche Beanstandung oder Rüge des Arbeitgebers gegenüber dem Gremium.
Unterschiede zur Abmahnung eines Arbeitnehmers
Um den Unterschied zu verdeutlichen:
- Abmahnung des Arbeitnehmers: Eine Abmahnung an einen Arbeitnehmer bezieht sich auf ein Fehlverhalten oder eine Pflichtverletzung aus dem individuellen Arbeitsvertrag. Sie wird in der Personalakte vermerkt und kann im Wiederholungsfall die Grundlage für eine verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses sein. Sie betrifft die einzelne Person und deren Arbeitsplatz.
- „Abmahnung“ des Betriebsrats: Diese „Abmahnung“ richtet sich an den Betriebsrat als gesamtes Organ, nicht an einzelne Betriebsratsmitglieder persönlich in deren Eigenschaft als Arbeitnehmer. Sie hat keine direkten arbeitsrechtlichen Konsequenzen für die einzelnen Mitglieder, wie etwa einen Eintrag in deren Personalakte oder ein Kündigungsrisiko für ihr individuelles Arbeitsverhältnis. Es geht nicht um die Leistung des Betriebsratsmitglieds als Arbeitnehmer.
Was sind die Hintergründe einer solchen „Abmahnung“?
Der Arbeitgeber nutzt die „Abmahnung“ des Betriebsrats als deutliche Meinungsäußerung oder Warnung, wenn er der Ansicht ist, dass der Betriebsrat beispielsweise:
- seine gesetzlichen Aufgaben nicht ordnungsgemäß erfüllt,
- die Rechte des Arbeitgebers missachtet,
- oder gegen die „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ verstößt.
Die „Abmahnung“ des Betriebsrats ist oft ein Vorbote für mögliche gerichtliche Schritte des Arbeitgebers. Sie signalisiert, dass der Arbeitgeber bereit ist, bei fortgesetztem Fehlverhalten des Betriebsrats organschaftliche Maßnahmen einzuleiten. Solche Maßnahmen können beispielsweise ein Antrag auf gerichtliche Feststellung sein, dass der Betriebsrat seine Pflichten verletzt hat, oder in sehr seltenen und gravierenden Fällen sogar ein Antrag auf Auflösung des gesamten Betriebsrats vor dem Arbeitsgericht.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die „Abmahnung“ des Betriebsrats ein formales Signal des Arbeitgebers an das Gremium ist, bestimmte Handlungen oder Unterlassungen zu überdenken. Sie betrifft das kollektive Organ und seine Amtsführung, nicht die individuelle Anstellung oder Personalakte eines einzelnen Betriebsratsmitglieds.
Welche rechtlichen Folgen hat eine solche Rüge des Arbeitgebers für die Arbeit des Betriebsrats?
Eine „Rüge“ des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat oder einzelnen Mitgliedern bezeichnet in der Regel eine Missbilligung, Kritik oder ein Ausdruck von Unzufriedenheit mit deren Arbeit oder einem bestimmten Vorgehen. Es handelt sich um eine Äußerung, die verbal oder schriftlich erfolgen kann. Die unmittelbare Besorgnis, dass eine solche Rüge die Arbeit des Betriebsrats einschränkt oder behindert, ist verständlich.
Rüge und Behinderung der Betriebsratsarbeit: Ein wichtiger Unterschied
Für Sie als Betriebsrat ist es entscheidend, zwischen einer bloßen Rüge und einer tatsächlichen Behinderung Ihrer Arbeit zu unterscheiden. Eine Rüge ist zunächst eine Meinungsäußerung des Arbeitgebers. Sie bedeutet nicht automatisch, dass Ihre Arbeit als Betriebsrat rechtlich eingeschränkt wird.
Das Betriebsverfassungsgesetz schützt die Mitglieder des Betriebsrats. § 78 BetrVG besagt, dass Mitglieder des Betriebsrats wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder gestört werden dürfen. Dieser Schutz ist sehr wichtig, denn er soll gewährleisten, dass der Betriebsrat seine Aufgaben frei und unabhängig wahrnehmen kann.
- Eine Rüge ist eine Äußerung der Missbilligung. Sie kann zwar unangenehm sein oder eine angespannte Atmosphäre schaffen, hindert aber grundsätzlich nicht die rechtmäßige Amtsausübung. Der Betriebsrat bleibt weiterhin voll handlungsfähig und befugt, seine gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen. Stellen Sie sich vor, jemand äußert seine Unzufriedenheit mit Ihrer Arbeit – das ist unangenehm, aber es hindert Sie nicht daran, Ihre Tätigkeiten weiterhin auszuführen.
- Eine Behinderung der Betriebsratsarbeit liegt erst dann vor, wenn der Arbeitgeber tatsächlich und gezielt Maßnahmen ergreift, die den Betriebsrat an der Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben hindern. Dies könnte beispielsweise bedeuten, dass notwendige Räume verwehrt werden, die Nutzung von Kommunikationsmitteln untersagt wird oder der Zugang zu Informationen blockiert wird, die für die Betriebsratsarbeit zwingend erforderlich sind. Eine solche Behinderung ist nach § 78 BetrVG ausdrücklich verboten.
Ungehinderte Ausübung der Betriebsratsaufgaben
Die gesetzliche Grundlage (§ 78 BetrVG) soll sicherstellen, dass der Betriebsrat seine Pflichten und Rechte uneingeschränkt und ohne Angst vor Repressalien wahrnehmen kann. Eine reine Rüge, die lediglich die Unzufriedenheit des Arbeitgebers ausdrückt, stellt in der Regel keinen Hemmschuh dar, der die Arbeitsfähigkeit des Betriebsrats im Sinne einer rechtlichen Behinderung beeinträchtigt. Der Betriebsrat kann und soll seine Aufgaben weiterhin gemäß den gesetzlichen Bestimmungen wahrnehmen.
Für Sie bedeutet das: Solange die Rüge nicht in konkrete Handlungen mündet, die Ihre Arbeit als Betriebsrat tatsächlich unmöglich machen oder erheblich erschweren, bleiben Ihre Rechte und Pflichten als Interessenvertretung der Arbeitnehmer vollumfänglich bestehen.
Kann der Arbeitgeber nach einer solchen Rüge den Betriebsrat auflösen?
Nein, eine vorherige Rüge (eine Art förmlicher Ermahnung an den Betriebsrat) ist keine zwingende Voraussetzung dafür, dass ein Arbeitgeber die Auflösung des Betriebsrats beantragen kann. Die Auflösung des Betriebsrats ist eine sehr ernste Maßnahme und an strenge gesetzliche Bedingungen geknüpft, die unabhängig von einer Rüge erfüllt sein müssen.
Die Rüge als milderes Mittel
Eine Rüge ist im Betriebsverfassungsgesetz nicht explizit geregelt, wird aber in der Praxis als ein Mittel angesehen, mit dem der Arbeitgeber den Betriebsrat auf vermeintlich weniger schwerwiegende Pflichtverletzungen hinweisen kann. Sie soll dem Betriebsrat die Möglichkeit geben, sein Verhalten zu korrigieren. Eine Rüge dient als Warnung und zeigt, dass der Arbeitgeber mit bestimmten Handlungen des Betriebsrats nicht einverstanden ist.
Voraussetzungen für die Auflösung des Betriebsrats
Die Auflösung eines Betriebsrats kann nur durch einen Beschluss des Arbeitsgerichts erfolgen und ist in § 23 Absatz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) geregelt. Dafür müssen grobe Pflichtverletzungen durch den Betriebsrat vorliegen. Grobe Pflichtverletzungen sind schwerwiegende Verstöße gegen die gesetzlichen Aufgaben oder Pflichten des Betriebsrats, die das Vertrauensverhältnis im Betrieb erheblich stören.
Beispiele für grobe Pflichtverletzungen können sein:
- Wiederholtes Verweigern der Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber.
- Das absichtliche Ignorieren von Gesetzen oder Tarifverträgen.
- Die Weitergabe von Betriebsgeheimnissen.
- Das Verursachen von schwerwiegendem Schaden für den Betrieb.
Für die Auflösung des Betriebsrats ist entscheidend, dass solche groben Pflichtverletzungen tatsächlich vorliegen. Dies muss der Arbeitgeber vor Gericht beweisen. Ob der Arbeitgeber zuvor eine Rüge ausgesprochen hat, ist dafür unerheblich. Eine Rüge kann zwar als Indiz dafür dienen, dass der Arbeitgeber zuvor versucht hat, Probleme auf weniger drastische Weise zu lösen. Sie ist aber weder ein notwendiger erster Schritt noch ein „Freifahrtschein“ für einen Auflösungsantrag. Das Gericht prüft immer eigenständig, ob die Schwere der Pflichtverletzung eine Auflösung rechtfertigt.
Welche Möglichkeiten hat der Betriebsrat, sich gegen eine solche Rüge des Arbeitgebers zu wehren?
Wenn der Arbeitgeber eine Rüge gegenüber dem Betriebsrat ausspricht, bedeutet das nicht automatisch, dass der Betriebsrat diese akzeptieren muss. Der Betriebsrat hat verschiedene Wege, um sich gegen eine aus seiner Sicht unberechtigte oder unzulässige Rüge zur Wehr zu setzen. Dies hängt stark davon ab, worauf die Rüge basiert.
Direkte Reaktion und Klarstellung
Zunächst kann der Betriebsrat versuchen, die Angelegenheit direkt mit dem Arbeitgeber zu klären. Dies kann durch ein Gespräch, eine schriftliche Stellungnahme oder einen Gegendarstellung erfolgen. In einer solchen Antwort kann der Betriebsrat die Rüge zurückweisen, falsche Tatsachenbehauptungen korrigieren oder seine Sichtweise der Dinge darlegen. Es ist wichtig, dabei sachlich zu bleiben und die eigenen Argumente klar zu formulieren. Diese direkte Kommunikation kann oft Missverständnisse beseitigen und eine außergerichtliche Lösung ermöglichen.
Rechtliche Schritte über das Arbeitsgericht
Sollte eine direkte Klärung nicht zum Erfolg führen oder der Arbeitgeber an seiner Rüge festhalten, kann der Betriebsrat rechtliche Schritte vor dem Arbeitsgericht einleiten. Das hierfür zuständige Verfahren ist das sogenannte Beschlussverfahren. Es ist ein spezielles gerichtliches Verfahren, das für Streitigkeiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber vorgesehen ist.
Der Betriebsrat kann im Rahmen eines solchen Beschlussverfahrens verschiedene Anträge stellen, je nachdem, worin er die Unrechtmäßigkeit der Rüge sieht:
- Antrag auf Entfernung der Rüge aus den Akten oder Widerruf von Behauptungen: Dies ist insbesondere dann möglich, wenn die Rüge auf nachweislich falschen Tatsachenbehauptungen des Arbeitgebers beruht. Stellen Sie sich vor, der Arbeitgeber rügt, der Betriebsrat habe eine Frist versäumt, obwohl er diese nachweislich eingehalten hat. In einem solchen Fall kann der Betriebsrat verlangen, dass die falsche Behauptung widerrufen oder die entsprechende Notiz aus den Akten entfernt wird. Es geht hier darum, die Wahrheit wiederherzustellen.
- Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Rüge: Wenn die Rüge selbst eine Behinderung der Betriebsratsarbeit darstellt oder unzulässig ist, kann der Betriebsrat gerichtlich feststellen lassen, dass die Rüge nicht rechtens war. Eine Behinderung liegt zum Beispiel vor, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat für die Wahrnehmung seiner gesetzlichen Aufgaben rügt oder versucht, ihn durch die Rüge einzuschüchtern. Das Gesetz schützt die Betriebsratsarbeit, und eine unzulässige Rüge könnte ein Verstoß gegen dieses Schutzprinzip sein.
- Antrag auf Unterlassung: Wenn der Arbeitgeber wiederholt unzulässige Rügen ausspricht und damit die Betriebsratsarbeit beeinträchtigt, kann der Betriebsrat auch beantragen, dass der Arbeitgeber ein solches Verhalten zukünftig unterlassen muss.
Wann sind solche Schritte aussichtsreich – und wann weniger?
Die Erfolgsaussichten der genannten Schritte hängen maßgeblich vom Inhalt der Rüge ab:
- Hohe Erfolgsaussichten bestehen, wenn die Rüge auf objektiv falschen Tatsachenbehauptungen basiert, die der Betriebsrat widerlegen kann. Auch wenn die Rüge eine tatsächliche Behinderung der Betriebsratsarbeit darstellt, weil sie die gesetzlich garantierten Rechte des Betriebsrats verletzt, stehen die Chancen gut. Ebenso, wenn die Rüge maßlos, beleidigend oder diskriminierend ist.
- Geringe Erfolgsaussichten bestehen, wenn die Rüge lediglich eine subjektive Meinungsäußerung des Arbeitgebers darstellt oder eine Bewertung von Sachverhalten vornimmt, die nicht auf falschen Tatsachen beruhen. Der Arbeitgeber hat grundsätzlich das Recht, seine Meinung zu äußern oder Handlungen des Betriebsrats zu bewerten, solange dies im Rahmen des Zulässigen bleibt und nicht in eine Behinderung der Betriebsratsarbeit mündet oder auf unwahren Tatsachen beruht. Gerichte greifen nicht in Meinungsverschiedenheiten ein, wenn es sich um reine Meinungsäußerungen handelt.
Für den Betriebsrat ist es entscheidend, die Rüge genau zu analysieren und zu prüfen, ob sie auf falschen Fakten beruht oder seine gesetzlich geschützte Arbeit behindert. Eine sorgfältige Dokumentation aller Vorkommnisse und Kommunikationen ist hierbei von großer Bedeutung.
Unter welchen Voraussetzungen kann ein Arbeitgeber dem Betriebsrat eine solche Rüge erteilen?
Ein Arbeitgeber kann dem Betriebsrat eine Rüge erteilen, wenn er der Überzeugung ist, dass der Betriebsrat oder einzelne seiner Mitglieder gegen Pflichten verstoßen haben, die sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ergeben. Eine solche Rüge ist eine formelle Beanstandung oder ein förmlicher Hinweis des Arbeitgebers an den Betriebsrat auf ein seiner Meinung nach fehlerhaftes Verhalten. Es ist wichtig zu verstehen, dass es sich hierbei zunächst um die subjektive Bewertung des Arbeitgebers handelt.
Gründe für eine Rüge: Pflichtverletzungen des Betriebsrats
Die möglichen Pflichtverletzungen des Betriebsrats, die zu einer Rüge führen können, leiten sich aus den gesetzlichen Aufgaben und der Arbeitsweise des Betriebsrats ab. Die häufigsten Gründe sind:
- Verstoß gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG): Betriebsrat und Arbeitgeber sind gesetzlich verpflichtet, vertrauensvoll und zum Wohle der Arbeitnehmer und des Betriebs zusammenzuarbeiten. Eine Rüge kann erteilt werden, wenn der Arbeitgeber der Ansicht ist, der Betriebsrat würde diese Zusammenarbeit grundlos erschweren oder verweigern.
- Beispiel: Der Betriebsrat verweigert ohne nachvollziehbaren Grund die Mitwirkung an dringenden Entscheidungen, die zur Sicherung des Betriebsablaufs notwendig sind, oder blockiert systematisch Gespräche mit der Unternehmensleitung.
- Verletzung der Neutralitätspflicht: Der Betriebsrat muss sich auf die Belange der Arbeitnehmer konzentrieren und darf die Betriebsaufgaben nicht für parteipolitische oder gewerkschaftliche Aktivitäten missbrauchen, die den Betriebsfrieden stören.
- Beispiel: Der Betriebsrat nutzt Betriebsmittel oder Räumlichkeiten für parteipolitische Versammlungen, die nicht im Zusammenhang mit seinen betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben stehen, oder ruft offen zu einem politischen Boykott auf, der den Betrieb schädigt.
- Verletzung der Geheimhaltungspflicht (§ 79a, § 79 BetrVG): Betriebsräte haben eine umfassende Pflicht zur Geheimhaltung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sowie von persönlichen Daten der Arbeitnehmer, die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit bekannt werden.
- Beispiel: Ein Betriebsratsmitglied gibt vertrauliche Geschäftszahlen oder sensible personenbezogene Daten von Mitarbeitern, die es durch seine Betriebsratstätigkeit erhalten hat, unbefugt an Dritte weiter.
- Mangelnde ordnungsgemäße Geschäftsführung (§ 30 BetrVG): Der Betriebsrat muss seine Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen, zum Beispiel durch regelmäßige Sitzungen, das Führen von Beschlussprotokollen oder die Einhaltung seiner Wahlpflichten.
- Beispiel: Der Betriebsrat hält über längere Zeit keine Sitzungen ab, trifft keine wirksamen Beschlüsse oder ignoriert gesetzliche Vorgaben zur Einberufung von Versammlungen.
Funktion und Bedeutung der Rüge
Die Rüge dient aus Arbeitgebersicht oft als „milderes Mittel“, um auf ein Fehlverhalten des Betriebsrats hinzuweisen und ihn zur Korrektur aufzufordern. Sie ist eine formale Warnung, die dokumentiert, dass der Arbeitgeber ein bestimmtes Verhalten als Pflichtverletzung wahrnimmt. Das Ziel ist es, den Betriebsrat dazu zu bewegen, seine Arbeitsweise oder sein Verhalten zu ändern, bevor der Arbeitgeber möglicherweise schwerwiegendere rechtliche Schritte erwägt. Solche weiteren Schritte könnten beispielsweise ein Antrag auf Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds oder sogar die Auflösung des gesamten Betriebsrats sein, was jedoch nur unter sehr strengen gesetzlichen Voraussetzungen und als letztes Mittel in Betracht kommt.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Betriebsrat
Der Betriebsrat ist eine gewählte Vertretung der Arbeitnehmer in einem Betrieb. Er hat die Aufgabe, die Interessen der Beschäftigten gegenüber dem Arbeitgeber zu vertreten, etwa bei Arbeitsbedingungen, Gesundheitsschutz oder Entlohnung. Seine Rechte und Pflichten sind im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) geregelt, das den Rahmen für seine Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber schafft. Der Betriebsrat ist kein einzelner Arbeitnehmer, sondern ein kollektives Organ, das als Körperschaft handelt.
Betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung
Eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung ist eine formelle Rüge des Arbeitgebers gegenüber dem gesamten Betriebsratsgremium, die sich auf vermeintliche Pflichtverletzungen nach dem Betriebsverfassungsgesetz stützt. Im Unterschied zur klassischen Abmahnung eines einzelnen Arbeitnehmers führt sie nicht zu einem Eintrag in eine Personalakte und hat keine direkten arbeitsrechtlichen Nachteile für einzelne Mitglieder. Sie dient vielmehr als förmliche Kritik und Warnung des Arbeitgebers an den Betriebsrat, sein Verhalten zu überdenken und gegebenenfalls zu ändern.
Beispiel: Wenn der Betriebsrat sich in Tarifverhandlungen in einer Weise verhält, die der Arbeitgeber als parteiisch oder unangemessen empfindet, kann dieser dem Betriebsrat eine solche Abmahnung schicken, um auf das beanstandete Verhalten hinzuweisen.
Neutralitätspflicht des Betriebsrats
Die Neutralitätspflicht verpflichtet den Betriebsrat, in seiner Tätigkeit die Interessen aller Arbeitnehmer wahrzunehmen und nicht nur einzelner Gruppen oder Parteien den Vorzug zu geben. Er darf seine Aufgaben nicht für parteipolitische Zwecke oder ausschließlich gewerkschaftliche Ziele missbrauchen, die den Betriebsfrieden stören könnten. Diese Pflicht ist Teil der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat gemäß § 2 Abs. 1 BetrVG.
Beispiel: Ein Betriebsrat darf betriebliche Ressourcen nicht verwenden, um nur die Interessen langjähriger Mitarbeiter auf Kosten anderer durchzusetzen, sondern muss eine ausgewogene Vertretung aller Beschäftigten sicherstellen.
Behinderung der Betriebsratsarbeit (§ 78 BetrVG)
§ 78 des Betriebsverfassungsgesetzes schützt den Betriebsrat davor, bei der Ausübung seiner Rechte und Pflichten durch den Arbeitgeber gestört oder benachteiligt zu werden. Eine Behinderung liegt vor, wenn der Arbeitgeber konkrete Maßnahmen ergreift, die den Betriebsrat darin hindern, seine gesetzlichen Aufgaben wahrzunehmen, zum Beispiel durch Verweigerung von Räumen oder notwendigen Informationen. Eine bloße Kritik oder Rüge stellt hingegen keine Behinderung dar, solange die Betriebsratsarbeit uneingeschränkt möglich bleibt.
Beispiel: Wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat wichtige Akten verweigert oder die Nutzung eines Besprechungsraums verbietet, wäre das eine unzulässige Behinderung. Eine schriftliche Rüge wegen eines scharfen Tonfalls hingegen behindert die Arbeit des Betriebsrats nicht.
Auflösung des Betriebsrats (§ 23 BetrVG)
Die Auflösung des Betriebsrats ist eine höchst einschneidende Maßnahme, die nur vom Arbeitsgericht auf Antrag des Arbeitgebers verfügt werden kann, wenn besonders schwere Pflichtverletzungen des Betriebsrats vorliegen. Dieser Schritt ist in § 23 BetrVG geregelt und setzt nachweisbare grobe Verstöße voraus, etwa ernsthafte Störungen des Betriebsfriedens oder schwere Verstöße gegen gesetzliche Pflichten. Vor einer Auflösung muss das Gericht umfassend prüfen, ob diese Maßnahme verhältnismäßig und gerechtfertigt ist.
Beispiel: Wenn ein Betriebsrat wiederholt gegen Gesetze verstößt oder die Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber verweigert, kann die Arbeitgeberseite beantragen, den Betriebsrat gerichtlich aufzulösen.
Meinungsfreiheit (Art. 5 Grundgesetz)
Die Meinungsfreiheit schützt das Recht, seine Meinung frei zu äußern, auch wenn diese kritisch oder scharf formuliert ist. Im arbeitsrechtlichen Kontext gilt sie ebenfalls gegenüber dem Arbeitgeber und Betriebsrat, soweit dabei keine unwahren Tatsachenbehauptungen gemacht werden oder die Rechte anderer verletzt werden. Meinungsäußerungen sind von Tatsachenbehauptungen zu unterscheiden: Nur falsche Tatsachenbehauptungen können widerrufen werden, während rechtliche Bewertungen oder subjektive Meinungen durch die Meinungsfreiheit geschützt sind.
Beispiel: Wenn der Betriebsrat die Vorschläge der Arbeitgeberin als „Schlag ins Gesicht“ bezeichnet, ist das eine Meinungsäußerung, die rechtlich zulässig ist, während die Behauptung, er habe Gesetzesverstöße begangen, eine Tatsachenbehauptung wäre, die widerlegt werden kann.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) § 23 (Auflösung des Betriebsrats): Diese Vorschrift regelt die einzige formelle Sanktion bei groben Pflichtverletzungen des Betriebsrats, nämlich den Antrag auf Auflösung des gesamten Gremiums durch den Arbeitgeber bei Gericht. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Betriebsrat argumentiert, dass eine „betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung“ rechtlich nicht vorgesehen sei, da das Gesetz für Pflichtverstöße nur die Auflösung kennt.
- Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) § 78 (Schutz des Betriebsrats vor Behinderung): Diese Regel sichert dem Betriebsrat die freie, ungehinderte Ausübung seiner Aufgaben und verbietet Maßnahmen, die diese erheblich erschweren. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht stellte fest, dass die „Abmahnung“ keine unzulässige Behinderung der Betriebsratsarbeit darstellt, weil der Betriebsrat weiterhin seine Pflichten wahrnehmen kann.
- Grundgesetz Art. 5 (Meinungsfreiheit): Dieser Artikel schützt die freie Meinungsäußerung, einschließlich rechtlicher Bewertungen und kritischer Äußerungen, solange keine falschen Tatsachenbehauptungen verbreitet werden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die kritischen Äußerungen der Arbeitgeberin gegenüber dem Betriebsrat gelten als sachlich zulässige Meinungsäußerungen und müssen daher nicht zurückgenommen werden.
- Unterscheidung zwischen Tatsachenbehauptung und Meinung: Im deutschen Recht ist nur die Verbreitung falscher Tatsachen gegenüber Dritten widerrufbar, nicht jedoch Meinungen oder rechtliche Bewertungen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Vorwürfe gegen den Betriebsrat wurden als Meinungen bewertet, so dass kein Anspruch auf Widerruf besteht.
- Recht auf Schutz der Persönlichkeitsrechte und Folgen einer Abmahnung bei Arbeitnehmern (§ 94, 95 BetrVG und allgemeines Arbeitsrecht): Abmahnungen gegenüber einzelnen Arbeitnehmern sind formelle Verwarnungen, die in deren Personalakte aufgenommen werden und als Grundlage für eine Kündigung dienen können. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht machte klar, dass eine „Abmahnung“ gegenüber dem Betriebsrat nicht vergleichbar ist, da dieser keine Personalakte hat und kein individuelles Arbeitsverhältnis besteht.
- Betriebsverfassungsrechtliches Organschaftsverhältnis: Der Betriebsrat ist ein Organ des Betriebs und kein individueller Arbeitnehmer, sodass klassische arbeitsrechtliche Sanktionen nicht direkt auf ihn übertragen werden können. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Dies begründet die besondere Behandlung und die Möglichkeit für eine formelle Rüge als milderes Mittel statt einer klassischen Abmahnung.
Das vorliegende Urteil
ArbG Magdeburg – Az.: 10 BV 43/21 – Beschluss vom 12.01.2022
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