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Entgangene Abfindung als Schaden

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein – Az.: 6 Sa 341/10 – Urteil vom 12.01.2011

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 16.06.2010 – 3 Ca 185 a/10 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Zahlung einer Abfindung.

Der Kläger war seit dem 01.07.2007 bei der Firma D. GmbH beschäftigt. Sein Bruttomonatsgehalt betrug 2.600,00 Euro.

Am 25.09.2009 ordnete das Amtsgericht Norderstedt das vorläufige Insolvenzverfahren über das Vermögen der D. GmbH (Gemeinschuldnerin) an und bestellte den Beklagten zu 2. zum vorläufigen Insolvenzverwalter (Amtsgericht Norderstedt – 66 IN 318/09 –). Auf einer Betriebsversammlung am 29.09.2009 wurden die Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin über das vorläufige Insolvenzverfahren sowie darüber unterrichtet, dass die Löhne nicht gezahlt werden können und deshalb Insolvenzgeld beantragt werden muss.

Mit Schreiben vom 29.10.2009 (Anlage K 3 = Bl. 10 d. A.) kündigte die Gemeinschuldnerin das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wegen dringender betrieblicher Erfordernisse ordentlich und fristgemäß. In dem Kündigungsschreiben heißt es weiter:

„Lassen Sie die Klagefrist des § 4 Kündigungsschutzgesetz verstreichen, ohne Kündigungsschutzklage zu erheben, können Sie mit Ablauf der Kündigungsfrist von uns die Zahlung einer Abfindung gemäß § 1 a Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz beanspruchen. Die Höhe der Abfindung wird nach § 1 a Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz berechnet (§ 1 a Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz lautet: „Die Höhe der Abfindung beträgt 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. § 10 Abs. 3 Kündigungsschutzgesetz gilt entsprechend. Bei der Ermittlung der Dauer des Arbeitsverhältnisses ist ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten auf ein volles Jahr aufzurunden.“).“

Das Kündigungsschreiben hatte der Beklagte zu 1. als damaliger Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin unterzeichnet. Der Beklagte zu 2. hatte als vorläufiger Insolvenzverwalter seine Zustimmung erteilt. Der Kläger erhob keine Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsverhältnis endete am 31.12.2009.

Das Amtsgericht Norderstedt eröffnete mit Beschluss vom 01.12.2010 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin und bestellte den Beklagten zu 2. zum Insolvenzverwalter. Der Beklagte zu 2. ließ dem Kläger mitteilen, er möge seinen Abfindungsanspruch gem. § 1 a KSchG als Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle anmelden. Das Insolvenzverfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Der Kläger hat behauptet, die Beklagten hätten ihm vorgespiegelt, dass für die Zahlung der im Kündigungsschreiben vom 29.10.2009 angebotenen Abfindung ge-nügend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Er, der Kläger, sei bei Erhalt des Kündigungsschreibens davon ausgegangen, dass die Gemeinschuldnerin die angebotene Abfindung zahlen kann. Das Schreiben enthalte ein Zahlungsversprechen. Aus der Insolvenzmasse der Gemeinschuldnerin sei aber keine Quote zu erwarten.

Der Beklagte zu 1. hat gemeint, dem Kläger stehe kein Anspruch aus unerlaubter Handlung zu. Es fehle bereits an einer Täuschungshandlung. Er, der Beklagte zu 1., sei davon ausgegangen, dass der Abfindungsanspruch aus den in der Zeit des Insolvenzeröffnungsverfahrens erwirtschafteten Einnahmen beglichen werden könne. Auch sei kein Vermögensschaden eingetreten und es fehle am Pflichtwidrigkeitszusammenhang. Schließlich sei der subjektive Tatbestand des Betruges nicht erfüllt.

Der Beklagte zu 2. hat die Auffassung vertreten, er habe weder die Zahlungsfähigkeit vorgespielt noch seine Aufklärungspflicht verletzt. Durch die Unterrichtung auf der Betriebsversammlung sei dem Kläger die finanzielle Situation der Gemeinschuldnerin bekannt gewesen. Der Beklagte zu 2. hat gemeint, das Kündigungsschreiben vom 29.10.2009 enthalte kein Zahlungsversprechen. Es fehle ein kausaler Zusammenhang zwischen der behaupteten Täuschung und dem Schaden in Höhe der Abfindung, denn selbst bei erfolgreicher Kündigungsschutzklage bestehe kein Abfindungsanspruch. Zudem könne erst nach Abschluss des Insolvenzverfahrens festgestellt werden, ob und mit welcher Quote Insolvenzforderungen erfüllt würden. Insolvenzspezifische Pflichten habe der Beklagte zu 2. nicht verletzt und auch ein selbständiges Schuldversprechen liege hier nicht vor.

Wegen der Anträge der Parteien und ihres weiteren Vortrags im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe zwar einen gesetzlichen Abfindungsanspruch gemäß § 1 a KSchG. Dieser habe sich jedoch in eine Insolvenzforderung umgewandelt. Ein Zahlungsanspruch aus unerlaubter Handlung stehe dem Kläger nicht zu. Das Schreiben vom 29.10.2009 enthalte kein konkretes Zahlungsversprechen. Ein Vertrag oder Vergleich sei nicht zustande gekommen. Dass die Beklagten mit ihrer Unterzeichnung des Schreibens vom 29.10.2009 eine unerlaubte Handlung begangen hätten, könne nicht festgestellt werden. Eine Täuschungshandlung der Beklagten liege nicht vor. Der Kläger habe nicht behauptet, dass ihm die Beklagten ausdrücklich eine Auszahlung der zugesagten Abfindung mit Ablauf der Kündigungsfrist zugesagt hätten. Es fehlten Angaben dazu, welche falschen Tatsachen die Beklagten ihm gegenüber wie vorgespiegelt oder welche wahren Tatsachen sie unterdrückt hätten, um bei ihm den Irrtum zu erregen, es liege Zahlungsfähigkeit in Höhe der von ihm begehrten Abfindung bei Ablauf der Kündigungsfrist vor. Der Kläger habe nicht bestritten, dass auf der Betriebsversammlung vom 29.09.2009 auf die schlechte wirtschaftliche Lage der Beklagten, auf das zu diesem Zeitpunkt bereits laufende Insolvenzeröffnungsverfahren und darauf hingewiesen worden sei, dass die Arbeitnehmerlöhne nicht gezahlt werden könnten und Insolvenzgeld beantragt werden sollte. Der Kläger habe gewusst, dass ein Insolvenzeröffnungsverfahren laufe, das in aller Regel auch in ein Insolvenzverfahren münde. Hieraus habe er den Schluss ziehen müssen, dass die Zahlungsfähigkeit seines Arbeitgebers beeinträchtigt war. Es sei nicht erkennbar, dass sich die Beklagten bei Abfassung des Schreibens vom 29.10.2009 einen rechtswidrigen Vermögensvorteil verschaffen wollten. Bei Erhebung der Kündigungsschutzklage hätte der Kläger nicht zwingend mit einer Abfindung rechnen können.

Gegen das ihm am 18.07.2010 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger am 11.08.2010 Berufung eingelegt und diese am 09.09.2010 begründet.

Der Kläger bezieht sich auf seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er meint, im Schreiben vom 29.10.2009 liege ein Zahlungsversprechen im Sinne einer konkreten Zahlungszusage. Bei Abgabe des Versprechens sei die Gemeinschuldnerin bereits zahlungsunfähig gewesen. Folglich hätten die Beklagten den Kläger über die tatsächlich nicht gegebene Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit der Gemeinschuldnerin getäuscht. Das Schreiben sei einen Monat nach der Betriebsversammlung vom 29.09.2009 verfasst worden; bis dahin sei eine Verbesserung der finanziellen Lage möglich gewesen. Um seinen Abfindungsanspruch zu erhalten, habe er, der Kläger, keine Kündigungsschutzklage erheben dürfen. Deshalb könne er nicht auf die Kündigungsschutzklage verwiesen werden.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 16.06.2010, Geschäftsnummer 3 Ca 185 a/10, abzuändern und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger € 3.250,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 30.12.2009 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte zu 2. verteidigt unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Er hält die Berufung für unzulässig, weil nicht ordnungsgemäß begründet. Zumindest aber sei die Berufung unbegründet. Mit dem Schreiben vom 29.10.2009 habe die Gemeinschuldnerin von der gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch gemacht, dem Kläger eine Abfindungsoption nach § 1 a KSchG anzubieten. Selbst wenn es sich um ein konkretes Zahlungsversprechen gehandelt haben sollte, sei der Abfindungsanspruch nunmehr eine Insolvenzforderung. Eine Täuschung über Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit liege nicht vor; der Kläger habe bei Erhalt des streitgegenständlichen Schreibens gewusst, dass das vorläufige Insolvenzverfahren noch nicht abgeschlossen war.

Unabhängig davon fehle es an dem kausalen Zusammenhang zwischen der behaupteten Täuschung und dem behaupteten Schaden in Höhe der Abfindung. Ein Schaden in Höhe der Abfindung gem. § 1 a KSchG könne nicht wegen der nicht erhobenen Kündigungsschutzklage eingetreten sein. Denn selbst bei erfolgreicher Kündigungsschutzklage bestehe kein Abfindungsanspruch. Zudem stehe noch nicht fest, mit welcher Quote die Insolvenzforderungen befriedigt werden. Der Kläger habe in der Hoffnung auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation aus freien Stücken von der Erhebung einer Kündigungsschutzklage abgesehen.

Der Beklagte zu 1. bezieht sich auf sein erstinstanzliches Vorbringen sowie auf die Ausführungen des Beklagten zu 2. in dessen Berufungserwiderung.

Entscheidungsgründe

A. Das Berufungsgericht musste nicht vorab über die Rechtswegzuständigkeit durch Beschluss entscheiden. Das Arbeitsgericht hat zwar trotz der von dem Beklagten zu 1. im ersten Rechtszug erhobenen Rüge über die Rechtswegzuständigkeit entgegen § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG, § 48 Abs. 1 ArbGG nicht vorab durch Beschluss, sondern durch klageabweisendes Sachurteil entschieden. Der Beklagte zu 1. hat aber in zweiter Instanz diese Rüge nicht mehr aufrechterhalten. Er hat sie im Berufungstermin ausdrücklich fallen gelassen. Die prozessordnungswidrig unterlassene Vorabentscheidung bleibt im Berufungsrechtszug folgenlos, wenn die Rüge dort nicht weiterverfolgt wird (BAG 19.11.1997 – 5 AZR 21/97 – AP BGB § 611 Nr. 133 Lehrer, Dozenten).

B. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist dem Beschwerdewert nach statthaft (§ 64 Abs. 2 lit. b ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 519 ZPO).

Die Berufungsbegründung genügt entgegen der Auffassung der Beklagten den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Ziff. 2 ZPO. Nach § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit § 520 Abs. 3 Ziff. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung u. a. die Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung (i. S. des § 513 ZPO) und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Die Vorschrift soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz ausreichend vorbereitet wird, indem sie den Berufungsführer anhält, die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchen Gründen das angefochtene Urteil für unrichtig gehalten wird. Dadurch soll bloß formelhaften Berufungsbegründungen entgegengewirkt und eine Beschränkung des Rechtsstoffs im Berufungsverfahren erreicht werden. Demnach muss die Berufungsbegründung jeweils auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art sowie aus welchen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Eine schlüssige, rechtlich haltbare Begründung kann zwar nicht verlangt werden, doch muss die Berufungsbegründung sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn er diese bekämpfen will (BAG 15.08.2002 – 2 AZR 473/01 – AP ZPO § 519 Nr. 55; 06.03.2003 – 2 AZR 596/02 – AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 32; 16.06.2004 – 5 AZR 529/03 – AP ZPO 2002 § 551 Nr. 2; 08.10.2008 – 5 AZR 526/07 – NZA 2008, 1429).

Im vorliegenden Fall hat sich der Kläger, wenn auch in knapper Form, so doch ausreichend mit den tragenden Gründen des erstinstanzlichen Urteils auseinandergesetzt. Er hat deutlich gemacht, warum er – anders als das Arbeitsgericht – von einer konkreten Zahlungszusage und einer Täuschung durch die Beklagten über die am 29.10.2009 nicht mehr bestehende Zahlungsfähigkeit der Gemeinschuldnerin ausgeht. Trotz der Kenntnis des vorläufigen Insolvenzverfahrens habe er darauf vertraut, die Abfindung zu erhalten. Die Beklagten hätten ihn von der Erhebung der Kündigungsschutzklage abhalten und ihm Abfindungsansprüche vorenthalten wollen. Der Berufungsbegründung lässt sich, ohne dass der Kläger näher dazu ausführt, entnehmen, dass er den Standpunkt vertritt, sein Schaden liege in der entgangenen Abfindung. Hier fehlt zwar eine rechtlich haltbare Begründung. Zu bemerken ist aber, dass auch das Arbeitsgericht in den Entscheidungsgründen nicht deutlich herausgearbeitet hat, dass es an einem kausalen Schaden fehlt.

C. Die Berufung ist unbegründet. Der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von 3.250,00 EUR steht dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Seine Klage ist zu Recht abgewiesen worden.

I. Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen vertraglichen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von 3.250,00 EUR. Ein Schuldversprechen liegt nicht vor. Die Beklagten wollten sich gegenüber dem Kläger mit dem Kündigungsschreiben vom 29.10.2009 nicht persönlich verpflichten. Der Beklagte zu 1. hat erkennbar als Vertreter für die Gemeinschuldnerin gehandelt, der Beklagte zu 2. hat die Kündigung nur genehmigt.

II. Der Kläger kann von den Beklagten nicht Zahlung einer Abfindung gem. § 1 a KSchG verlangen.

Die Voraussetzungen des Abfindungsanspruchs gem. § 1 a Abs. 1 KSchG liegen zwar vor. Die Gemeinschuldnerin hat eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen, das Kündigungsschreiben enthält den Hinweis auf die zu zahlende, gesetzlich vorgeschriebene Abfindung und der Kläger hat keine Kündigungsschutzklage innerhalb der Klagefrist des § 4 KSchG erhoben. Der Anspruch richtet sich jedoch nicht gegen die Beklagten dieses Verfahrens. Sie sind nicht passiv legitimiert. Anspruchsgegner war zunächst die Gemeinschuldnerin, in deren Namen der Beklagte zu 1. gekündigt hat. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens besteht der Anspruch gegen Herrn Dr. K. als Insolvenzverwalter über das Vermögen der D. GmbH. Der Insolvenzverwalter nimmt die Rechtsstellung des Arbeitgebers ein.

Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass vom Insolvenzverwalter gegenwärtig nicht die Zahlung der Abfindung nach § 1 a Abs. 1 KSchG verlangt werden kann. Vielmehr müsste die bei Insolvenzeröffnung am 01.12.2009 bestehende Abfindungsforderung zur Insolvenztabelle angemeldet werden. Es handelt sich um eine einfache Insolvenzforderung (§ 38 InsO). Weil der Gesetzgeber bezogen auf den Abfindungsanspruch nach § 1 a KSchG keine besondere Regelung für den Insolvenzfall getroffen hat, wird in der arbeitsrechtlichen Literatur dem Arbeitnehmer bei Unsicherheit über die Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers geraten, Kündigungsschutzklage zu erheben, um im Eventualfall Insolvenzmasseforderungen (Annahmeverzugslohn, Abfindungsvereinbarung mit dem Insolvenzverwalter) zu erwerben (vgl. Löwisch, BB 2004, 154, 158; AnwK-ArbR/Holthausen, § 1 a KschG Rn. 35).

III. Ein deliktischer Anspruch gem. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB auf Zahlung der Abfindungssumme besteht nicht.

1. Es kann offen bleiben, ob die Beklagten mit dem Schreiben vom 29.10.2009 bei dem Kläger den Eindruck erweckt haben, die Gemeinschuldnerin könne die Abfindung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlen, und ob der dadurch hervorgerufene Irrtum den Kläger veranlasst hat, von der Erhebung der Kündigungsschutzklage abzusehen. Es ist bereits zweifelhaft, ob der Kläger überhaupt über die finanzielle Lage der Gemeinschuldnerin getäuscht werden konnte, denn er wusste von dem vorläufigen Insolvenzverfahren und hatte auf der Betriebsversammlung erfahren, dass die Löhne von der Gemeinschuldnerin nicht gezahlt werden können. Wenn aber bereits die Löhne nicht gezahlt werden können, vielmehr Zahlung von Insolvenzgeld beantragt werden muss, liegt die Annahme fern, dass finanzielle Mittel zur Zahlung von Abfindungen vorhanden sind.

2. Die Klage scheitert jedenfalls daran, dass die Abfindungssumme kein erstattungsfähiger Schaden im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist.

Inhalt und Umfang des deliktischen Schadensersatzanspruchs bemessen sich nach den Grundsätzen der §§ 249 ff. BGB (Palandt/Sprau, BGB 70. Aufl, Einf. v. § 823 Rn. 17). Nach § 249 BGB hat derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Zustand nicht eingetreten wäre.

Der Kläger behauptet, dass er von der Kündigungsschutzklage nicht abgesehen hätte, wenn er die schlechte wirtschaftliche Lage und die drohende Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin gekannt hätte. Wenn er ohne die behauptete Täuschung und den Irrtum jedoch Kündigungsschutzklage erhoben hätte, könnte er von den Beklagten gleichfalls nicht die Zahlung einer Abfindung verlangen. Mit anderen Worten: Mit oder ohne die Täuschung hätte er keinen Abfindungsanspruch gehabt. Das Arbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass im Arbeitsverhältnis nur ausnahmsweise Anspruch auf eine Abfindung besteht. Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes kennt das Gesetz im Sozialplan, beim Nachteilsausgleich und im KSchG. Daneben können sie von den Vertragsparteien privatautonom vereinbart werden. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass er bei Erhebung einer Kündigungsschutzklage aus einer der genannten Anspruchsgrundlagen eine Abfindung hätte fordern können. Dass der Kläger keine Abfindungsansprüche gehabt hätte, wenn er im Kündigungsschutzverfahren unterlegen wäre, bedarf keiner weiteren Begründung. Aber auch bei erfolgreicher Kündigungsschutzklage, also wenn die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hätte, wäre ein Abfindungsanspruch nur nach Maßgabe der §§ 9, 10 KSchG denkbar gewesen. Der Kläger hat weder dazu vorgetragen, dass und warum seine Kündigungsschutzklage erfolgreich gewesen wäre, noch zu einer Auflösung nach den genannten Vorschriften.

Ein Schaden des Klägers könnte allenfalls darin liegen, dass er bei erfolgreicher Kündigungsschutzklage Lohnansprüche verlangen und im Insolvenzverfahren erfolgreich hätte geltend machen können. Dazu fehlt jedoch jeder konkrete Vortrag.

D. Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung.

 

 

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