ArbG Siegburg, Az.: 2 Ca 2137/15, Urteil vom 27.04.2016
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.229,80 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.10.2015 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 60 % und die Beklagte zu 40 %.
3. Die Berufung wird, soweit nicht bereits von Gesetzes wegen zulässig, nicht zugelassen.
4. Streitwert: 3.291,92 Euro. Gerichtsgebührenstreitwert: 8.229,80 Euro.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger in der Zeit seiner Erkrankung vom 6. Juli bis zum 31. Juli 2015 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu leisten.
Der 61-jährige Kläger ist seit dem 20. März 1978 als Rohrnetzmonteur bei der Beklagten zu einem monatlichen Bruttoentgelt i.H.v. 3.566,25 EUR beschäftigt. Im Jahr 2015 war er mehrfach wegen unterschiedlicher Diagnosen erkrankt. In der Zeit vom 28. Mai 2015 bis zum 3. Juli 2015 erhielt er deshalb Krankengeld. Als Diagnose gab sein behandelnder Arzt vor und nach dem 28. Mai 2015 eine Herzerkrankung sowie Angina Pectoris an. Hinzu kam ab dem 29. Mai 2015 die Diagnose einer akuten Bronchitis und Kurzatmigkeit. Unter dem 3. Juli 2015 bescheinigte der behandelnde Arzt, dass Arbeitsfähigkeit bestehe und der 3. Juli 2015 der letzte Tag der Arbeitsunfähigkeit sei. Nach dem dazwischen liegenden Wochenende wurde der Kläger sodann am 6. Juli 2015 erneut vom gleichen Arzt krankgeschrieben, wobei dieser eine Gastritis mit Schmerzen im Oberbauch diagnostizierte. Diese Erkrankung dauerte bis zum 31. Juli 2015 an.
Der Kläger behauptet, er sei ab dem 4. Juli 2015 wieder arbeitsfähig gewesen.
Ursprünglich hat er auch noch Entgeltfortzahlung für sechs Wochen ab dem 3. August 2015 verlangt und insgesamt einen Betrag i.H.v. 8.229,80 EUR geltend gemacht. Nach teilweiser Klagerücknahme im Übrigen beantragt er nunmehr noch, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.291,92 EUR brutto zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.10.2015 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, in Wahrheit sei der Kläger durchgehend arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Die neue Erkrankung habe nicht erst nach einer Unterbrechung eingesetzt.
Der kurze Abstand zwischen den Krankheiten lege nahe, dass der Kläger ununterbrochen arbeitsunfähig gewesen sei. Brustschmerz könne auch in den Oberbauch ausstrahlen und umgekehrt könne es bei einer Gastritis zu Angina Pectoris Symptomen kommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Dr. K. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 27. April 2016 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
I.
Dem Kläger steht der geltend gemachte Entgeltfortzahlungsanspruch zu. Der Anspruch folgt aus §§ 3, 4 Entgeltfortzahlungsgesetz EFZG). Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG besteht für die Dauer von sechs Wochen ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn der Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit unverschuldet an seiner Arbeitsleistung verhindert ist.
1. Unstreitig war der Kläger in der Zeit, für die er nunmehr noch Entgeltfortzahlung begehrt, arbeitsunfähig erkrankt.
2. Diese Arbeitsunfähigkeit führte auch zu einem Anspruch auf Entgeltfortzahlung, obwohl der Kläger in der Zeit zuvor schon mehr als sechs Wochen erkrankt gewesen war.
a) Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, ist der Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG auf die Dauer von sechs Wochen begrenzt. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch dann, wenn während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, die zu einer weiteren Arbeitsunfähigkeit führt. Der Arbeitnehmer kann auch in diesem Fall die Sechswochenfrist nur einmal in Anspruch nehmen (Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls – BAG, Urteil vom 10. September 2014 – 10 AZR 651/12 -, BAGE 149, 101-109, Rn. 13). Ist ein Arbeitnehmer unverschuldet durch Arbeitsunfähigkeit infolge mehrerer nacheinander eintretenden Krankheiten an seiner Arbeitsleistung verhindert, hat er – vorbehaltlich § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG – nur dann einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits in dem Zeitpunkt beendet war, in dem eine weitere Erkrankung zu einer neuen Arbeitsverhinderung führt. Hiervon ist das Bundesarbeitsgericht in der Vergangenheit ausgegangen, wenn der Arbeitnehmer zwischen zwei Krankheiten tatsächlich gearbeitet hat oder jedenfalls arbeitsfähig war, sei es auch nur für wenige außerhalb der Arbeitszeit liegende Stunden. Auf den zufälligen nahen zeitlichen Zusammenhang kam es dabei nicht an. Maßgeblich für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit und damit für das Ende des Verhinderungsfalls ist die Entscheidung des Arztes. Dabei hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, dass dann, wenn die ärztliche Bescheinigung lediglich einen Kalendertag angibt, in der Regel Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende der (betriebs-)üblichen Arbeitszeit des Arbeitnehmers an diesem Kalendertag bescheinigt werde. Möglich sei aber auch die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende eines (auch arbeitsfreien) Kalendertags oder die Feststellung der Arbeitsfähigkeit zu einem näher bestimmten anderen Zeitpunkt (BAG, Urteil vom 10. September 2014 – 10 AZR 651/12 -, BAGE 149, 101-109, Rn. 17). Wird ein Arbeitnehmer infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, verliert er nach § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG wegen der erneuten Arbeitsunfähigkeit den Entgeltfortzahlungsanspruch für einen weiteren Zeitraum von höchstens sechs Wochen nur dann nicht, wenn er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war (Nr. 1) oder seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist (Nr. 2). Vor Ablauf dieser Frist entsteht ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch für die Dauer von sechs Wochen daher nur dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit auf einer anderen Krankheit beruht (BAG, Urteil vom 10. September 2014 – 10 AZR 651/12 -, BAGE 149, 101-109, Rn. 25). Ist der Arbeitnehmer innerhalb der Zeiträume des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 EFZG länger als sechs Wochen an der Erbringung der Arbeitsleistung verhindert, gilt eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Zunächst muss der Arbeitnehmer – soweit sich aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dazu keine Angaben entnehmen lassen – darlegen, dass keine Fortsetzungserkrankung besteht. Hierzu kann er eine ärztliche Bescheinigung vorlegen. Bestreitet der Arbeitgeber, dass eine neue Erkrankung vorliegt, hat der Arbeitnehmer Tatsachen vorzutragen, die den Schluss erlauben, es habe keine Fortsetzungserkrankung bestanden. Hierzu hat er den behandelnden Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden. Die Folgen der Nichterweislichkeit einer Fortsetzungserkrankung hat der Arbeitgeber zu tragen (BAG, Urteil vom 10. September 2014 – 10 AZR 651/12 -, BAGE 149, 101-109, Rn. 27).
b) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme sowohl davon auszugehen, dass der Kläger mit Ablauf des 3. Juli 2015 wieder gesund war, als auch davon, dass seine Erkrankung ab dem 6. Juli 2015 nicht dieselbe war wie in der Zeit bis zum 3. Juli 2015. Der Zeuge Dr. Kandler hat bereits am 3. Juli 2015 ein Ende der Arbeitsunfähigkeit mit Ablauf des gleichen Tages bescheinigt, wobei diese Bescheinigung ausweislich seiner Aussage auf einer Untersuchung vom 30. Juni 2015 beruhte, während eine Untersuchung am 3. Juli 2015 aufgrund der Angabe des Klägers, er fühle sich wieder gesund, nicht erfolgt ist. Zwar mag man diese Eigendiagnose des Klägers in Zweifel ziehen, gestützt wird sie jedoch durch das Ergebnis der ärztlichen Untersuchung vom 30. Juni 2015, die mit der Prognose endete, die Arbeitsunfähigkeit werde nur bis zum 3. Juli 2015 andauern. Eine solche Feststellung der Beendigung der Arbeitsunfähigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt ist aber nach der dargestellten Rechtsprechung für das Ende der Arbeitsunfähigkeit maßgeblich. Die Prognose hat sich mithin bewahrheitet. Zwar hat der Zeuge die Vermutung angestellt, dass die am 6. Juli 2015 diagnostizierte Gastritis bereits vorher aufgetreten sein könnte. Das Gegenteil konnte er jedoch auch nicht ausschließen. Insbesondere ist nicht feststellbar, dass sie zur Beendigung der betriebsüblichen Arbeitszeit am 3. Juli 2015 schon vorlag. Es verbleibt daher bei der Beweiskraft der zuvor ausgestellten Bescheinigungen.
c) Auch hat die Vernehmung des Zeugen nicht ergeben, dass die ab dem 6. Juli 2015 für die Arbeitsunfähigkeit ursächliche Erkrankung dieselbe war wie die, die bereits zur Arbeitsunfähigkeit bis zum 3. Juli 2015 geführt hatte. Vielmehr hat er einen solchen Zusammenhang gerade ausgeschlossen. Hierfür spricht auch, dass Atembeschwerden und Beschwerden im Oberbauch völlig unterschiedliche Symptome sind, die an verschiedenen Körperbereichen auftreten. Ein Zusammenhang, auch wenn er möglich ist, kann daher keinesfalls als Regelfall betrachtet werden. Vielmehr müsste er gesondert festgestellt werden. Nach Auskunft des Zeugen kann dieser Zusammenhang bei der Herzerkrankung bestehen. Letztgenannte sei jedoch beim Kläger durch eine kardiologische Untersuchung ausgeschlossen worden. Zwar hat der Arzt bestätigt, dass beide Symptome auch stressbedingt auftreten können, was jedoch noch nicht heißt, dass sie durch das gleiche Grundleiden bedingt sind. Zudem konnte er gerade nicht bestätigen, dass die Beschwerden beim Kläger stressbedingt waren. Diesbezügliche Spekulationen der Beklagten können nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie für das vorliegen einer Fortsetzungserkrankung beweispflichtig ist und sie diesen Beweis durch die in diesem Punkt unergiebige Aussage des Zeugen nicht hat führen können.
3. Hatte der Kläger mithin ab dem 6. Juli 2015 Anspruch auf Entgeltfortzahlung für maximal weitere sechs Wochen, ist ihm die Vergütung für die vierwöchige Erkrankung bis zum 31. Juli 2015 in rechnerisch unstreitiger Höhe zu zahlen.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO i.V.m. § 92 Abs. 1 ZPO analog.
III. Der Streitwert wurde gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 3 ZPO festgesetzt.