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Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall – Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Arbeitsgerichtsurteil: Klägerin hat Anspruch auf Entgeltfortzahlung und Urlaubsabgeltung

Das Arbeitsgericht Villingen-Schwenningen hat in einem aktuellen Fall entschieden, dass eine ehemalige Arbeitnehmerin Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsabgeltung hat. Der Arbeitgeber hatte die von der Klägerin vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht anerkannt. Diese Bescheinigung sei jedoch ein wichtiges Beweismittel für das Vorliegen von krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Der Arbeitgeber konnte den Beweiswert nur dadurch erschüttern, dass er tatsächliche Umstände darlegte und bewies, die Zweifel an der Erkrankung der Arbeitnehmerin ergeben. Eine Verpflichtung, eigene Erkrankungen zu melden, bestehe nicht, solange eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorliege. Eine längere Ausstellungsdauer sei bei psychosomatischen Erkrankungen nicht ungewöhnlich. Die Klägerin habe Anspruch auf Entgeltfortzahlung für den Zeitraum 22.01. bis 31.01.2021 in Höhe von 933,33 EUR brutto sowie für den Monat Februar 2021 in Höhe von 2.800,00 EUR brutto. Außerdem stehe ihr ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung für 7 offene Urlaubstage in Höhe von 904,62 EUR brutto zu. Der Arbeitgeber hatte auf die ihm gesetzte Zahlungsfrist nicht reagiert. Die Klage der Arbeitnehmerin wurde daher im Wesentlichen begründet.


Arbeitsgericht Villingen-Schwenningen – Az.: 5 Ca 251/21 – Urteil vom 05.05.2022

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.733,33 Euro brutto Entgeltfortzahlung nebst Jahreszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 933,33 Euro seit 16.02.2021 und aus 2.800,00 Euro seit 16.03.2021 zu zahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 904.62 Euro brutto als Urlaubsabgeltung nebst Jahreszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 08.04.2021 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

5. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.637,95 Euro festgesetzt.

6. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie Urlaubsabgeltung.

Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wurde seitens des Beklagten mit Kündigung vom 23.11.2020 zum 28.02.2021 beendet. Das hiergegen gerichtete Kündigungsschutzverfahren habe die Parteien durch Prozessvergleich vom 08.12.2020 in dem Verfahren 5 Ca 490/20 vor dem Arbeitsgericht Villingen-Schwenningen beendet. Die Klägerin hat dem Beklagten für den Zeitraum vom 22.01.2021 bis 28.02.2021 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt.

Die Klägerin trägt vor, sie habe Anspruch auf die Zahlung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für den Zeitraum 22.01. bis 28.02.2021 in Höhe von insgesamt 3.733,33 EUR brutto. In diesem Zeitraum sei sie ausweislich der von ihr dem Beklagten vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Entgegen den Ausführungen des Beklagten sei nicht von einer Erschütterung des Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auszugehen. Soweit er ihr vorwerfe, sie habe ihre gesundheitlichen Probleme bis zum 22.01.2021 nicht erwähnt, sei die Erkrankung auf psychosomatische Probleme zurückzuführen, über die sie weder damals noch heute gerne spreche bzw. gesprochen habe. Es sei kein Kriterium für die Belastbarkeit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, ob zuvor über eine Erkrankung gesprochen worden sei oder nicht. Gerade bei psychosomatischen Erkrankungen sei es der häufigste Fall, dass nicht darüber gesprochen werde. Insbesondere bestehe keine Pflicht über eigene Erkrankungen zu sprechen, jedenfalls nicht solange vom Arzt eine entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt worden sei. Soweit der Beklagte darauf abstelle, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als Erstbescheinigung für sechs Wochen und genau auf das Beendigungsdatum des Arbeitsverhältnisses ausgestellt sei, führe dies ebenfalls nicht zu einem Entfall des Beweiswerts. Wieso bei einer psychosomatischen Erkrankung die längere Ausstellung einer Erstbescheinigung nicht nachvollziehbar sein solle, erschließe sich nicht. Im Gegenteil dürfte dies eher der Regelfall sein. Soweit die Beklagte darüber hinaus auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 08.09.2021 rekurriere, handele es sich auch nicht um eine punktgenaue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in diesem Sinne.

Während sich in dem Fall des Bundesarbeitsgerichts der Arbeitsnehmer einen Tag nach Ausspruch der Kündigung habe krankschreiben lassen, lägen vorliegend zwei Monate zwischen Ausspruch der Kündigung durch den Beklagten und dem bescheinigten ersten Arbeitsunfähigkeitszeitpunkt. Soweit der Beklagte darüber hinaus darauf abstelle, dass der die Klägerin behandelnde Arzt 130 km vom aktuellen Heimatort der Klägerin seinen Praxissitz habe, erschüttere dies ebenfalls nicht die Vermutungswirkung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Bei dem behandelnden Arzt Dr. B. handele es sich um den langjährigen Arzt der Klägerin. Die Klägerin sei aufgrund des Arbeitsplatzwechsels von T. zu ihrem jetzigen Wohnort umgezogen und habe ihren Arzt Herrn Dr. B. beibehalten, was völlig legitim und zudem nicht ungewöhnlich sei. Auch stehe die Erkrankung der Klägerin einer längeren Autofahrt nicht entgegen. Unter Zugrundelegung eines Bruttomonatsgehalts von 2.800,00 EUR sei somit von 933,33 EUR brutto für den Zeitraum vom 22.01. bis 31.01.2021 sowie weiteren 2.800,00 EUR brutto für den Monat Februar 2021 auszugehen.

Des Weiteren stehe ihre ein Anspruch auf Zahlung von Urlaubsabgeltung für 7 noch offene Urlaubstage in Höhe von 904,62 EUR brutto zu. Bei einer 5-Tage-Woche und einem Bruttomonatslohn von 2.800,00 EUR entspreche dies einem Abgeltungsbetrag von 904,62 EUR. Die Beklagte habe auf die ihr gesetzte Zahlungsfrist zum 07.04.2021 keinerlei Zahlungen geleistet.

Den Hilfsantrag auf Erteilung von Lohnabrechnungen für die streitgegenständlichen Zahlungsanträge hat die Klägerin im Kammertermin vom 07.04.2022 zurückgenommen.

Die Klägerin beantragt,

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 3.733,33 brutto Entgeltfortzahlung nebst Jahreszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus € 933,33 seit 01.02.2021 und aus € 2.800,00 seit 01.03.2021 zu zahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin € 904.62 brutto als Urlaubsabgeltung nebst Jahreszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 08.04.2021 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, der geltend gemachte Entgeltfortzahlungsanspruch sei nicht begründet. Die vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung könne keinen Beweiswert entfalten. Die Klägerin habe das Unternehmen am 21.02.2021 verlassen, ohne auch nur im Ansatz gesundheitliche Probleme vorzutragen. Tatsächlich seien auch keinerlei Hinweise auf eine Erkrankung oder Einschränkung der Arbeitsfähigkeit erfolgt. Darüber hinaus stehe dem Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entgegen, dass es sich bei dem ausstellenden Arzt um einen Hausarzt handele. Es sei völlig außerhalb jeglicher Erfahrungswerte, dass ein Hausarzt im Falle einer Erkrankung sechs Wochen und mithin genau für die noch bestehende Kündigungsfrist arbeitsunfähig krankschreibe. Es sei auch in keiner Form nachvollziehbar, dass eine Krankschreibung als Erstbescheinigung für mehr als 5 Wochen ausgestellt werde. Aufgrund des bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeitraums genau zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses sei von einer punktgenauen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Sinne der neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (5 AZR 149/21) auszugehen, so dass eine Erschütterung des Beweiswerts anzunehmen sei. Im Übrigen sei unter Berücksichtigung der geschilderten Umstände sowie der Tatsache, dass die Klägerin einen Arzt gewählt habe, der 130 km vom Heimatort der Klägerin seinen Praxissitz habe, von einem Gefälligkeitsattest auszugehen.

Die Entfernung entspreche einer Fahrtzeit von annähernd zwei Stunden. Hätte eine Erkrankung vorgelegen, die von ihrer Schwere eine Erstbescheinigung von 5 Wochen rechtfertigen würde, wäre die Klägerin nicht in der Lage gewesen, eine Fahrtzeit bei Hin- und Rückfahrt von vier Stunden auf sich zu nehmen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist im Wesentlichen begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf die von ihr geltend gemachte Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie den geltend gemachten Urlaubsabgeltungsanspruch nebst Zinsen. Im Hinblick auf einen Teil des geltend gemachten Zinsanspruchs aus Klageantrag Ziffer 1 ist die Klage nicht begründet.

1. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Höhe von 3.733,33 EUR brutto, § 3 EFZG, nebst Zinsen ab 16.02.2021 bzw. 16.03.2021. Im Übrigen ist der Zinsanspruch als unbegründet abzuweisen.

Gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG steht einer Arbeitnehmerin, die durch Arbeitsunfähigkeit in Folge Krankheit an ihrer Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass sie ein Verschulden trifft, Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen zu.

Diese Voraussetzungen liegen aus Sicht der Kammer vor. Insbesondere war die Klägerin nach Ansicht der Kammer arbeitsunfähig erkrankt. Dies folgt zur Überzeugung der Kammer aus der seitens der Klägerin dem Beklagten vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.

a) Der Beweis krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit wird in der Regel durch die Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG geführt. Die ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist das gesetzlich ausdrücklich vorgesehene und insoweit wichtigste Beweismittel für das Vorliegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG reicht die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG aus, um dem Arbeitgeber das Recht zur Leistungsverweigerung zu entziehen. Diese gesetzgeberische Wertentscheidung strahlt auch auf die beweisrechtliche Würdigung aus. Der ordnungsgemäß ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt daher aufgrund der normativen Vorgaben im Entgeltfortzahlungsgesetz ein hoher Beweiswert zu. Der Tatrichter kann normalerweise den Beweis einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit als erbracht ansehen, wenn der Arbeitnehmer beim Rechtsstreit eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt (st. Rechtsprechung, etwa BAG, Urteil vom 26.10.2016 – 5 AZR 167/16 m. w. N.).

Die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung begründet jedoch keine gesetzliche Vermutung einer tatsächlich bestehenden Arbeitsunfähigkeit i. S. d. § 292 ZPO mit der Folge, dass nur der Beweis des Gegenteils zulässig wäre. Aufgrund des normativ vorgegebenen hohen Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung genügt jedoch ein „bloßes“ Bestreiten der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit Nichtwissen durch den Arbeitgeber nicht, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit mit einer ordnungsgemäß ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachgewiesen hat. Vielmehr kann der Arbeitgeber den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur dadurch erschüttern, dass er tatsächliche Umstände darlegt und im Bestreitensfall beweist, die Zweifel an der Erkrankung des Arbeitnehmers ergeben mit der Folge, dass der ärztlichen Bescheinigung kein Beweiswert mehr zukommt. Der Arbeitgeber ist dabei nicht auf die in § 275 Abs. 1 a SGB VI aufgeführten Regelbeispiele ernsthafter Zweifel an der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beschränkt. Hierfür gibt es weder nach Wortlaut, Systematik und Zweck der Regelung, der in der Bekämpfung eines Missbrauchs der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall liegt, hinreichende Anhaltspunkte. Diese Bestimmung gibt ihm lediglich ein zusätzliches Instrument zur Erschütterung des Beweiswerts an die Hand, um einem missbräuchlichen Verhalten des Arbeitnehmers begegnen zu können. Den Beweiswert erschütternde Tatsachen können sich auch aus dem eigenen Sachvortrag des Arbeitnehmers oder aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung selbst ergeben (BAG, Urteil vom 08.09.2021 – 5 AZR 149/21).

b) Ausgehend von diesen Anforderungen, denen sich die Kammer anschließt, hat der Beklagte den Beweiswert der von der Klägerin ihm vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht erschüttert.

Soweit er sich insoweit auf den Umstand beruft, die Klägerin habe bis zu Beginn ihrer Arbeitsunfähigkeit keinerlei gesundheitlichen Probleme vorgetragen, so steht dies dem nicht entgegen. Zur Schilderung gesundheitlicher Probleme ist die Klägerin, solange sie weiterhin ihre Arbeit verrichten kann, gegenüber dem Beklagten nicht verpflichtet. Darüber hinaus dürfte es insbesondere bei der von der Klägerin geschilderten Krankheitsursache, nämliche einer psychischen Erkrankung, vielmehr im Hinblick auf die immer noch auftretenden häufig negativen Reaktionen so sein, dass die Erkrankten diesen Umstand gegenüber Dritten eher verschweigen werden.

Soweit sich der Beklagte darüber hinaus dahin eingelassen hat, die Bescheinigung einer sechswöchigen Arbeitsunfähigkeit im Rahmen einer Erstbescheinigung sei völlig unüblich, führt dies vorliegend aus Sicht der Kammer ebenfalls nicht zu einer Erschütterung des Beweiswerts. Die Frage, welcher Zeitraum seitens des behandelnden Arzt im Rahmen der Ausstellung einer Erstbescheinigung zu bescheinigen ist, dürfte sich im Wesentlichen an der zugrundeliegenden Erkrankung und der durch den Arzt anzustellenden Prognose, wann voraussichtlich mit einer Genesung zu rechnen ist, orientieren. Während nach den Erfahrungen der Kammer bei Erkältungskrankheiten in aller Regel nur Erstbescheinigungen über etwa eine Woche ausgestellt werden, so werden Erstbescheinigungen bei Erkrankungen mit längeren Heilungsprozessen, etwa einem gebrochenen Bein, auch deutlich länger ausgestellt. Im Hinblick darauf, dass nach Mitteilung der Klägerin eine psychosomatische Erkrankung vorgelegen hat, dem der Beklagte nicht entgegentreten ist, und eine solche in der Regel nach ein bis zwei Wochen nicht geheilt ist, erscheint die von dem behandelnden Arzt bescheinigte Länge des Arbeitsunfähigkeitszeitraums nicht geeignet, den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern.

Soweit der Beklagte darüber hinaus darauf abstellt, die Bescheinigung sei punktgenau bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgestellt, führt dies ebenfalls nicht zu einer Erschütterung des Beweiswerts. Im Hinblick darauf, dass das Arbeitsverhältnis zum 28.02.2021 endete, war der behandelnde Arzt gerade gehindert, eine Arbeitsunfähigkeit über diesen Zeitraum hinaus zu bescheinigen. Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit ist immer auf die konkret ausgeübte Tätigkeit bezogen. Da das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zum 28.02.2021 endete kann aus dem Umstand, dass die Arbeitsunfähigkeit nicht auf einen späteren Zeitpunkt bescheinigt worden ist, keinerlei Schluss gezogen werden. Eine solche Bescheinigung wäre gerade nicht möglich gewesen.

Ebenfalls soweit der Beklagte auf die weite Entfernung zwischen dem aktuellen Wohnort der Klägerin und der Praxis des behandelnden Arztes abgestellt hat, führt dies nicht zu einer Erschütterung des Beweiswerts. Die Klägerin ist den diesbezüglich vom Beklagten in den Raum gestellten Umständen durch die nachvollziehbare Erläuterung, dass es sich um ihren langjährigen Hausarzt, den sie bereits vor ihrem Umzug an ihren derzeitigen Wohnort konsultiert hat, nicht entgegengetreten. Unter Berücksichtigung dieser Schilderung erscheint bei einer psychosomatischen Erkrankung die Konsultation eines bereits in der Vergangenheit langjährig konsultierten Hausarztes nicht ungewöhnlich.

Soweit der Beklagte darüber hinaus auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 08.09.2021 rekurriert, führt auch dies nicht zu einer Erschütterung des Beweiswerts. Der vom Bundesarbeitsgericht entschiedene und der vorliegende Fall sind nicht vergleichbar. Während die Arbeitnehmerin im Fall des Bundesarbeitsgerichts ihre Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, welche einer Arbeitsunfähigkeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bescheinigte, einen Tag nach der ihr gegenüber seitens des Arbeitgebers ausgesprochenen Kündigung vorgelegt hat, hat der Beklagte seine Kündigung bereits am 23.11.2020 ausgesprochen und somit ganze zwei Monate nachdem die Klägerin die angezweifelte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt hat. Damit ist jedoch ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Ausspruch der Kündigung und Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, der zu einer Erschütterung des Beweiswerts führen könnte, nicht mehr gegeben.

Da der Beklagte dem Zahlenwerk der Klägerin nicht entgegengetreten ist, ist der klägerseits geltend gemachte Zahlungsanspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für den Zeitraum 22.01.2021 bis 28.02.2021 in Höhe von 3.733,33 EUR begründet.

c) Der Zinsanspruch gemäß §§ 286, 288 BGB ist der Klägerin erst ab dem 16.02.2021 bzw. 16.03.2021 zuzusprechen. Gemäß § 2 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages (Blatt 6 der Akten) ist das Arbeitsentgelt jeweils am 15. des Folgemonats fällig, so dass die Verzinsung aufgrund Verzugs nicht wie beantragt bereits zum 01.02. bzw. 01.03.2021 einsetzt. Der Zahlungsantrag ist aufgrund dessen insoweit als unbegründet abzuweisen.

2. Die Klägerin hat darüber hinaus Anspruch auf die Zahlung von Urlaubsabgeltung in Höhe von 904,62 EUR brutto, § 7 Abs. 3 BUrlG nebst Zinsen ab 08.04.2021.

Gem. § 7 Abs. 3 BUrlG ist Urlaub, der bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden kann, seitens des Arbeitsgebers abzugelten.

Dass der Klägerin zum 28.02.2021 noch 7 offene Urlaubstage zustanden, hat der Beklagte nicht bestritten. Auch dem Zahlenwerk der Klägerin ist der Beklagte nicht entgegengetreten. Damit ist dem Zahlungsanspruch der Klägerin auf Urlaubsabgeltung in Höhe von 904,62 EUR brutto statt zu geben. Der Zinsanspruch folgt im Hinblick auf die vergebliche Mahnung und Fristsetzung der Klägerin aus §§ 286, 288 ZPO.

II.

Die Kosten des Rechtsstreits sind nach §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vollumfänglich dem Beklagten aufzuerlegen, da dieser bis auf einen geringen Teil der Zinsen für den mit Ziffer 1 geltend gemachten Zahlungsanspruch vollumfänglich unterlegen ist und die Zuvielforderung verhältnismäßig geringfügig war und keine höheren Kosten veranlasst hat.

III.

Der Wert des Streitgegenstands ist gem. § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen. Er orientierte sich hinsichtlich der Zahlungsanträge an den bezifferten Beträgen.

IV.

Die Berufung war nicht gem. § 64 Abs. 3 a ArbGG im Urteil zuzulassen, da keiner der § 64 Abs. 3 ArbGG genannten besonderen Zulassungsgründe gegeben war. Die Möglichkeit der Einlegung der Berufung im Übrigen bleibt hiervon unberührt. Insoweit wird auf die nachfolgende Rechtsmittelbelehrung Bezug genommen.

 

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