Übersicht:
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall: Rechte und Pflichten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- FAQ – Häufige Fragen
- Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit ich Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall habe?
- Was ist der Unterschied zwischen einer neuen Erkrankung und einer Fortsetzungserkrankung bei der Entgeltfortzahlung und warum ist das relevant?
- Wie kann ich beweisen, dass meine aktuelle Krankheit nicht eine Fortsetzung meiner vorherigen Arbeitsunfähigkeit ist?
- Welche gesetzlichen Regelungen gelten für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und wie lange habe ich Anspruch darauf?
- Was kann ich tun, wenn mein Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung verweigert, obwohl ich noch krank bin?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Der Streit betrifft die Entgeltfortzahlung des Klägers im Krankheitsfall.
- Der Kläger war über einen längeren Zeitraum arbeitsunfähig und erhielt zunächst Entgeltfortzahlungen, die von der Beklagten anschließend eingestellt wurden.
- Es gab Unsicherheiten über die Einstufung der Erkrankungen und deren Zusammenhang mit vorherigen Krankheitsphasen.
- Das Gericht entschied, dass der Beklagten für bestimmte Zeiträume Entgeltfortzahlungen zu leisten sind.
- Die Entscheidung basiert auf der Beurteilung, dass während der relevanten Zeiträume neue Erkrankungen vorlagen, die unabhängig von früheren Krankheiten sind.
- Der Kläger erhält finanzielle Entschädigungen für die Zeiträume in denen ihm Entgeltfortzahlungen zustehten.
- Die Beklagte wurde verpflichtet, einen Großteil der Verfahrenskosten zu tragen.
- Es wurde keine Möglichkeit zur Revision eingeräumt, wodurch das Urteil rechtskräftig wird.
- Arbeitnehmer können auf ähnliche Entgeltfortzahlungsansprüche bestehen, wenn sie durch psychische Erkrankungen arbeitsunfähig sind.
- Das Urteil könnte für zukünftige Fälle zur Klärung von Entgeltfortzahlungsansprüchen bei psychischen Erkrankungen dienen.
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall: Rechte und Pflichten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern
Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist ein zentrales Thema im Arbeitsrecht und betrifft sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber. Nach den gesetzlichen Regelungen haben Arbeitnehmer im Falle einer Erkrankung Anspruch auf eine Lohnfortzahlung von bis zu sechs Wochen. Dies sichert im Krankheitsfall den Lebensunterhalt und schützt vor finanziellen Einbußen. Besonders wichtig wird dieser Entgeltanspruch, wenn es sich um eine Fortsetzungserkrankung handelt, also wenn ein Arbeitnehmer wiederholt oder über einen längeren Zeitraum arbeitsunfähig ist. Hier gilt es, sowohl die Dauer der Ansprüche als auch die Pflicht des Arbeitgebers zur Fortzahlung des Entgelts genau zu beachten.
Im Sozialversicherungsrecht sind die Rechte der Arbeitnehmer klar geregelt, jedoch können Missverständnisse und Konflikte leicht entstehen. Eine medizinische Bescheinigung ist erforderlich, um den Anspruch auf Entgeltfortzahlung geltend zu machen. Arbeitnehmer sollten sich zudem darüber im Klaren sein, dass sich Kündigungsschutz und Ansprüche auf entgeltliche Leistungen mit der Dauer der Erkrankung verändern können. Daher ist es für Betroffene wichtig, gut informiert zu sein, um ihre persönlichen Ansprüche und Rechte rechtzeitig zu sichern.
Im Folgenden wird ein konkreter Fall vorgestellt, der diese Aspekte der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall genauer beleuchtet und analysiert.
Der Fall vor Gericht
Entgeltfortzahlung bei psychischer Erkrankung: Landesarbeitsgericht Köln urteilt im Streitfall
Ein Mitarbeiter in der Produktion eines Kunststoffunternehmens klagte erfolgreich auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Das Landesarbeitsgericht Köln bestätigte in seinem Urteil vom 22.03.2023 größtenteils die Entscheidung der Vorinstanz und sprach dem Kläger einen Großteil der geforderten Summe zu.
Hintergrund des Rechtsstreits
Der 1990 geborene Kläger war seit Juni 2016 bei der Beklagten beschäftigt. Zwischen Juni 2020 und Mai 2021 war er an 65 Arbeitstagen mit Entgeltfortzahlung und an 106 Tagen mit Krankengeldbezug arbeitsunfähig. Ab dem 1. Juni 2021 stellte die Beklagte die Entgeltfortzahlung ein. Der Kläger war jedoch weiterhin arbeitsunfähig, zunächst aufgrund von Beschwerden im Bewegungsapparat, ab dem 10. Juni dann wegen einer „Angst und depressiven Störung“.
Kernpunkte der gerichtlichen Entscheidung
Das Gericht sah die Arbeitsunfähigkeit vom 1. bis 4. Juni 2021 als neue Erkrankung an, nicht als Fortsetzung einer vorherigen Krankheit. Es stellte fest, dass die Myalgie (Muskelschmerzen) in diesem Zeitraum im Zusammenhang mit einem Zervikobrachialsyndroms auftrat und sich von früheren Erkrankungen unterschied.
Für den Zeitraum ab dem 8. Juni 2021 erkannte das Gericht jedoch eine Fortsetzungserkrankung. Die psychische Erkrankung des Klägers wurde als Wiederauftreten einer früheren Arbeitsunfähigkeit vom 19. bis 24. März 2021 gewertet, bei der ebenfalls eine „Angst und depressive Störung“ diagnostiziert worden war.
Finanzielle Auswirkungen des Urteils
Das Landesarbeitsgericht Köln verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 2.199,07 € brutto für den Monat Juni 2021. Dieser Betrag setzt sich aus dem unstreitigen Urlaubsgeld von 613,50 € und der Entgeltfortzahlung für 22 Arbeitstage zusammen. Für Juli 2021 wurde der ursprünglich zugesprochene Betrag von 1.362,08 € auf 838,20 € brutto reduziert, da eine Woche aufgrund der Fortsetzungserkrankung angerechnet wurde.
Rechtliche Grundlagen und Beweislast
Das Gericht stützte seine Entscheidung auf § 3 Abs. 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG). Es betonte die Bedeutung des Grundleidens bei der Beurteilung von Fortsetzungserkrankungen und verwies auf die abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Demnach muss der Arbeitnehmer Tatsachen vortragen, die gegen eine Fortsetzungserkrankung sprechen, während der Arbeitgeber die Folgen der Nichterweislichkeit zu tragen hat.
Das Urteil verdeutlicht die Komplexität bei der Beurteilung von Entgeltfortzahlungsansprüchen, insbesondere bei psychischen Erkrankungen und wiederholten Krankheitsepisoden. Es unterstreicht die Notwendigkeit einer genauen medizinischen Dokumentation und rechtlichen Prüfung in solchen Fällen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht die differenzierte Betrachtungsweise bei der Beurteilung von Entgeltfortzahlungsansprüchen, insbesondere bei wiederkehrenden Erkrankungen. Es unterstreicht die Notwendigkeit, jede Krankheitsphase individuell zu prüfen und dabei sowohl das zugrundeliegende Krankheitsbild als auch den zeitlichen Zusammenhang zu berücksichtigen. Die Entscheidung betont die Bedeutung einer präzisen medizinischen Dokumentation und einer sorgfältigen rechtlichen Prüfung, um zwischen neuen Erkrankungen und Fortsetzungserkrankungen zu unterscheiden und damit die Dauer der Entgeltfortzahlung korrekt zu bestimmen.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Als Arbeitnehmer sollten Sie bei längeren oder wiederholten Krankheitsphasen besonders aufmerksam sein. Das Urteil zeigt, dass jede Erkrankung individuell betrachtet wird, um festzustellen, ob es sich um eine neue Krankheit oder eine Fortsetzung handelt. Dies ist entscheidend für Ihren Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Bei psychischen Erkrankungen wie Depressionen ist besondere Vorsicht geboten, da diese als Fortsetzungserkrankungen gewertet werden können, selbst wenn dazwischen gesunde Phasen liegen. Um Ihre Rechte zu wahren, ist es wichtig, alle ärztlichen Diagnosen sorgfältig zu dokumentieren und im Zweifelsfall rechtlichen Beistand zu suchen. So können Sie sicherstellen, dass Ihr Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung korrekt berechnet und auszahlt.
FAQ – Häufige Fragen
In dieser FAQ-Rubrik beantworten wir häufig gestellte Fragen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und der Fortsetzungserkrankung. Hier finden Sie klare Informationen, die Ihnen helfen, Ihre Ansprüche und Rechte zu verstehen. Ob Sie Eigenverantwortung übernehmen oder sich im Rahmen von Arbeitsunfähigkeit fortlaufend informieren möchten – wir bieten Ihnen wertvolle Einblicke in diese zentralen Themen.
Wichtige Fragen, kurz erläutert:
- Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit ich Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall habe?
- Was ist der Unterschied zwischen einer neuen Erkrankung und einer Fortsetzungserkrankung bei der Entgeltfortzahlung und warum ist das relevant?
- Wie kann ich beweisen, dass meine aktuelle Krankheit nicht eine Fortsetzung meiner vorherigen Arbeitsunfähigkeit ist?
- Welche gesetzlichen Regelungen gelten für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und wie lange habe ich Anspruch darauf?
- Was kann ich tun, wenn mein Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung verweigert, obwohl ich noch krank bin?
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie spezielle Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit ich Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall habe?
Für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall müssen Sie folgende Voraussetzungen erfüllen:
Bestehendes Arbeitsverhältnis
Sie müssen in einem Arbeitsverhältnis stehen. Das Entgeltfortzahlungsgesetz gilt für alle Arbeitnehmer, einschließlich Teilzeitkräfte und geringfügig Beschäftigte. Auch Auszubildende haben Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
Wartezeit
Das Arbeitsverhältnis muss mindestens vier Wochen ununterbrochen bestanden haben. Diese Wartezeit beginnt mit dem Tag des Arbeitsantritts. Wenn Sie innerhalb der ersten vier Wochen erkranken, haben Sie keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber.
Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit
Sie müssen durch Krankheit arbeitsunfähig sein. Die Arbeitsunfähigkeit muss der alleinige Grund dafür sein, dass Sie Ihre Arbeitsleistung nicht erbringen können. Wenn Sie aus anderen Gründen nicht zur Arbeit erscheinen, etwa wegen eines Streiks oder einer Naturkatastrophe, besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
Unverschuldete Arbeitsunfähigkeit
Die Arbeitsunfähigkeit darf nicht selbst verschuldet sein. Wenn Sie die Krankheit grob fahrlässig oder vorsätzlich herbeigeführt haben, entfällt der Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Ein Beispiel für selbstverschuldete Arbeitsunfähigkeit wäre eine Verletzung durch extreme Risikosportarten entgegen ärztlichem Rat.
Meldepflicht
Sie müssen Ihre Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich melden. In der Regel bedeutet dies, dass Sie Ihren Arbeitgeber am ersten Tag der Erkrankung informieren müssen. Bei längerer Arbeitsunfähigkeit müssen Sie spätestens am vierten Kalendertag eine ärztliche Bescheinigung vorlegen. Ihr Arbeitgeber kann diese Bescheinigung auch früher verlangen.
Wenn Sie diese Voraussetzungen erfüllen, haben Sie Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von bis zu sechs Wochen. Beachten Sie, dass bei einer erneuten Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit besondere Regelungen gelten können.
Was ist der Unterschied zwischen einer neuen Erkrankung und einer Fortsetzungserkrankung bei der Entgeltfortzahlung und warum ist das relevant?
Der Unterschied zwischen einer neuen Erkrankung und einer Fortsetzungserkrankung ist für die Entgeltfortzahlung von entscheidender Bedeutung. Bei einer neuen Erkrankung entsteht ein vollständig neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung für bis zu sechs Wochen. Eine Fortsetzungserkrankung hingegen führt nicht zu einem erneuten Anspruch, sondern wird auf den bestehenden Zeitraum angerechnet.
Neue Erkrankung
Eine neue Erkrankung liegt vor, wenn Sie an einer anderen Krankheit leiden als zuvor oder wenn zwischen zwei Erkrankungen mit derselben Ursache bestimmte Zeiträume liegen. In diesem Fall haben Sie Anspruch auf eine erneute sechswöchige Entgeltfortzahlung durch Ihren Arbeitgeber. Stellen Sie sich vor, Sie hatten eine Grippe und sind nach vollständiger Genesung an einer Blinddarmentzündung erkrankt. In diesem Fall würde Ihr Arbeitgeber erneut sechs Wochen lang Ihr Entgelt fortzahlen müssen.
Fortsetzungserkrankung
Eine Fortsetzungserkrankung tritt auf, wenn Sie wegen derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig werden. In diesem Fall werden die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit zusammengerechnet, bis die Höchstdauer von sechs Wochen erreicht ist. Wenn Sie beispielsweise aufgrund einer chronischen Erkrankung immer wieder für kurze Zeiträume ausfallen, zählen diese Ausfälle zusammen, bis die sechs Wochen voll sind.
Relevanz für Arbeitnehmer und Arbeitgeber
Die Unterscheidung ist sowohl für Sie als Arbeitnehmer als auch für Ihren Arbeitgeber finanziell bedeutsam. Bei einer neuen Erkrankung erhalten Sie als Arbeitnehmer erneut bis zu sechs Wochen lang Ihr volles Gehalt. Bei einer Fortsetzungserkrankung könnte dieser Anspruch bereits ausgeschöpft sein, sodass Sie nur noch Anspruch auf Krankengeld von Ihrer Krankenkasse haben, was in der Regel niedriger ausfällt.
Rechtliche Grundlagen und Ausnahmen
Das Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) regelt diese Unterscheidung in § 3 Abs. 1. Es gibt jedoch wichtige Ausnahmen: Auch bei einer Fortsetzungserkrankung entsteht ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit aufgrund derselben Krankheit mindestens sechs Monate vergangen sind oder wenn Sie mindestens sechs Monate nicht wegen dieser Krankheit arbeitsunfähig waren.
Wenn Sie unsicher sind, ob es sich um eine neue Erkrankung oder eine Fortsetzungserkrankung handelt, kann Ihr behandelnder Arzt dies auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vermerken. Dies hilft Ihrem Arbeitgeber bei der korrekten Beurteilung Ihres Anspruchs auf Entgeltfortzahlung.
Wie kann ich beweisen, dass meine aktuelle Krankheit nicht eine Fortsetzung meiner vorherigen Arbeitsunfähigkeit ist?
Um zu beweisen, dass Ihre aktuelle Krankheit keine Fortsetzung einer vorherigen Arbeitsunfähigkeit ist, müssen Sie mehrere Schritte unternehmen:
Ärztliche Bescheinigung vorlegen
Legen Sie Ihrem Arbeitgeber zunächst eine ärztliche Bescheinigung vor, die eine neue Erkrankung attestiert. Diese sollte als Erstbescheinigung gekennzeichnet sein und nicht als Folgebescheinigung.
Detaillierte Darlegung der Symptome
Wenn Ihr Arbeitgeber das Vorliegen einer neuen Erkrankung bestreitet, müssen Sie detailliert darlegen, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Beschwerden Sie haben und wie diese Ihre Arbeitsfähigkeit beeinflussen. Beschreiben Sie die Symptome möglichst genau und erklären Sie, inwiefern sie sich von Ihrer vorherigen Erkrankung unterscheiden.
Entbindung der Ärzte von der Schweigepflicht
Ein wichtiger Schritt ist die Entbindung Ihrer behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht. Dies ermöglicht es Ihrem Arbeitgeber, bei Bedarf weitere Informationen einzuholen und die Unterschiedlichkeit der Erkrankungen zu überprüfen.
Dokumentation des Krankheitsverlaufs
Führen Sie ein Tagebuch über Ihre Symptome und den Krankheitsverlauf. Notieren Sie, wann welche Beschwerden aufgetreten sind und wie sie sich von Ihrer vorherigen Erkrankung unterscheiden. Diese Aufzeichnungen können als zusätzlicher Nachweis dienen.
Medizinische Unterlagen sammeln
Sammeln Sie alle relevanten medizinischen Unterlagen, wie Laborergebnisse, Röntgenbilder oder Arztbriefe, die die neue Erkrankung belegen. Diese Dokumente können die Unterschiedlichkeit zur vorherigen Erkrankung untermauern.
Beachten Sie, dass die Beweislast für das Vorliegen einer neuen Erkrankung bei Ihnen als Arbeitnehmer liegt. Je detaillierter und umfassender Ihre Darlegung ist, desto höher sind Ihre Chancen, den Anspruch auf erneute Entgeltfortzahlung durchzusetzen. Wenn Sie diese Schritte befolgen, stellen Sie sicher, dass Sie alle notwendigen Informationen bereitstellen, um eine klare Unterscheidung zwischen Ihrer aktuellen und der vorherigen Erkrankung zu ermöglichen.
Welche gesetzlichen Regelungen gelten für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und wie lange habe ich Anspruch darauf?
Das Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) regelt in Deutschland die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Als Arbeitnehmer haben Sie grundsätzlich Anspruch auf sechs Wochen Entgeltfortzahlung bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Dieser Anspruch gilt für jede neue Erkrankung, sofern Sie nicht selbst verschuldet ist.
Voraussetzungen für den Anspruch
Um Anspruch auf Entgeltfortzahlung zu haben, müssen Sie mindestens vier Wochen ununterbrochen in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt sein. Zudem sind Sie verpflichtet, Ihre Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich Ihrem Arbeitgeber mitzuteilen. Spätestens am dritten Kalendertag müssen Sie eine ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit vorlegen.
Dauer und Höhe der Entgeltfortzahlung
Während der Entgeltfortzahlung erhalten Sie 100% Ihres regulären Arbeitsentgelts für maximal sechs Wochen. Wenn Sie innerhalb von zwölf Monaten mehrmals wegen derselben Erkrankung arbeitsunfähig werden, werden diese Zeiten zusammengerechnet. Ein erneuter Anspruch auf sechs Wochen Entgeltfortzahlung für dieselbe Erkrankung entsteht erst, wenn Sie mindestens sechs Monate nicht wegen dieser Krankheit arbeitsunfähig waren oder wenn seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit zwölf Monate vergangen sind.
Besonderheiten bei Fortsetzungserkrankungen
Bei einer sogenannten Fortsetzungserkrankung gelten besondere Regelungen. Wenn Sie nach einer Genesung erneut wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig werden, haben Sie nur dann Anspruch auf eine weitere sechswöchige Entgeltfortzahlung, wenn seit dem Ende der letzten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate vergangen sind oder seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit aufgrund dieser Erkrankung insgesamt zwölf Monate verstrichen sind.
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung endet grundsätzlich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Es gibt jedoch Ausnahmen, etwa wenn Ihnen krankheitsbedingt gekündigt wurde oder wenn Sie selbst aus einem vom Arbeitgeber zu vertretenden Grund fristlos kündigen mussten.
Wenn Sie diese Regelungen kennen, können Sie Ihre Rechte im Krankheitsfall besser einschätzen und wahrnehmen. Beachten Sie, dass in manchen Tarifverträgen oder Arbeitsverträgen günstigere Regelungen für Sie als Arbeitnehmer vereinbart sein können.
Was kann ich tun, wenn mein Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung verweigert, obwohl ich noch krank bin?
Wenn Ihr Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung trotz Ihrer anhaltenden Krankheit verweigert, haben Sie mehrere Handlungsmöglichkeiten:
Kommunikation mit dem Arbeitgeber
Sprechen Sie zunächst mit Ihrem Arbeitgeber und klären Sie die Gründe für die Verweigerung. Oft lassen sich Missverständnisse im direkten Gespräch ausräumen. Legen Sie alle erforderlichen Nachweise vor, insbesondere die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.
Schriftliche Geltendmachung
Bleibt Ihr Arbeitgeber bei seiner Weigerung, machen Sie Ihren Anspruch schriftlich geltend. Setzen Sie eine angemessene Frist zur Zahlung, üblicherweise etwa zwei Wochen. Bewahren Sie eine Kopie des Schreibens auf.
Einschaltung der Krankenkasse
Ihre Krankenkasse kann Ihnen in dieser Situation helfen. Sie zahlt Ihnen vorläufig Krankengeld, wenn der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung unberechtigt verweigert. Die Krankenkasse wird dann versuchen, den Betrag vom Arbeitgeber zurückzufordern.
Rechtliche Schritte
Sollten alle vorherigen Schritte erfolglos bleiben, können Sie Ihren Anspruch vor dem Arbeitsgericht geltend machen. Eine Klage muss innerhalb der tariflichen oder gesetzlichen Ausschlussfristen eingereicht werden, die in der Regel drei Monate betragen.
Beweislast
In einem Gerichtsverfahren trägt grundsätzlich der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass die Entgeltfortzahlung nicht geschuldet ist. Er muss also nachweisen, dass Ihre Arbeitsunfähigkeit nicht besteht oder selbst verschuldet ist.
Bedenken Sie, dass die Verweigerung der Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber nur in bestimmten Fällen zulässig ist, etwa wenn Sie Ihre Arbeitsunfähigkeit nicht ordnungsgemäß angezeigt oder nachgewiesen haben oder wenn begründete Zweifel an Ihrer Arbeitsunfähigkeit bestehen.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Entgeltfortzahlung: Das ist der Anspruch von Arbeitnehmern auf eine Lohnzahlung, auch wenn sie aufgrund einer Krankheit arbeitsunfähig sind. Nach gesetzlichen Vorgaben haben Arbeitnehmer im Krankheitsfall für bis zu sechs Wochen Anspruch auf eine Fortzahlung ihres Gehalts durch den Arbeitgeber. Diese Regelung schützt vor finanziellen Einbußen während einer krankheitsbedingten Auszeit und sorgt dafür, dass die Betroffenen ihren Lebensunterhalt weiterhin bestreiten können. Ein Beispiel: Wenn ein Arbeitnehmer für einen Monat krankgeschrieben wird, erhält er während dieser Zeit weiterhin sein Gehalt, solange die Erkrankung nicht über den gesetzlichen Zeitraum hinausgeht.
- Fortsetzungserkrankung: Dieser Begriff beschreibt eine Situation, in der eine neue Krankheitsphase in direktem Zusammenhang mit einer zuvor bestehenden Krankheit steht. In rechtlicher Hinsicht bedeutet dies, dass der Zeitraum des Entgeltanspruchs fortgeführt wird, auch wenn der Mitarbeiter zwischenzeitlich wieder gesund war. Dies ist besonders relevant bei psychischen Erkrankungen, da diese oft episodisch auftreten können. Ein Beispiel: Wenn ein Arbeitnehmer wegen Depressionen arbeitsunfähig ist, sich dann für einige Monate erholt und kurz darauf erneut betroffen ist, kann das Arbeitsgericht entscheiden, dass dies eine Fortsetzungserkrankung ist, wodurch der Entgeltanspruch weiterhin gilt.
- Ärztliche Bescheinigung: Dies ist ein Dokument, das von einem Arzt ausgestellt wird und bestätigt, dass eine Person aufgrund von Krankheit arbeitsunfähig ist. Solch eine Bescheinigung ist notwendig, damit der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung geltend machen kann. Ohne diese Bescheinigung könnten Arbeitgeber die Zahlung verweigern. Zum Beispiel: Wenn ein Arbeitnehmer wegen einer Grippe eine Woche krankgeschrieben wird, benötigt er ein Attest vom Arzt, um sicherzustellen, dass er während dieser Zeit Anspruch auf Lohnfortzahlung hat.
- Beweislast: Dies bezieht sich auf die Verantwortung, die erforderlichen Nachweise zu erbringen, um einen Anspruch im rechtlichen Sinne durchzusetzen. In der Regel muss der Kläger nachweisen, dass die Voraussetzungen für seinen Anspruch erfüllt sind. Im Kontext der Entgeltfortzahlung muss der Arbeitnehmer Beweise dafür vorlegen, dass er arbeitsunfähig war, während der Arbeitgeber alles tun muss, um nachzuweisen, dass die Erkrankung nicht fortgesetzt wird. Ein Beispiel für Beweislast: Wenn ein Arbeitnehmer behauptet, wegen einer bestimmten Krankheit arbeitsunfähig zu sein, muss er dies durch entsprechende medizinische Unterlagen belegen.
- Arbeitsunfähigkeit: Dies beschreibt den Zustand einer Person, wenn sie aufgrund einer Krankheit nicht in der Lage ist, ihre beruflichen Pflichten zu erfüllen. Es gibt unterschiedlich lange Phasen der Arbeitsunfähigkeit, je nach Schwere und Art der Erkrankung. Ein Beispiel: Wenn jemand aufgrund einer schweren Operation für mehrere Wochen im Krankenhaus bleibt und anschließend nicht arbeiten kann, gilt er während dieser Zeit als arbeitsunfähig.
- Kündigungsschutz: Dies ist ein rechtlicher Rahmen, der Arbeitnehmer vor ungerechtfertigten Entlassungen schützt, insbesondere wenn sie krankheitsbedingt nicht arbeiten können. Der Kündigungsschutz ist oft besonders ausgeprägt, wenn ein Arbeitnehmer für längere Zeit arbeitsunfähig ist. So darf ein Arbeitgeber einem Mitarbeiter, der aufgrund einer ernsthaften Erkrankung längere Zeit ausfällt, nicht einfach kündigen, ohne bestimmte rechtliche Voraussetzungen zu beachten. Ein Beispiel: Wenn ein Arbeitnehmer über längere Zeit krank ist, könnte der Kündigungsschutz dafür sorgen, dass eine Kündigung erst nach einer gewissen Karenzzeit oder unter speziellen Voraussetzungen möglich ist.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG): Dieser Paragraph regelt die Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Arbeitnehmer haben Anspruch auf eine Fortzahlung ihres Gehalts für einen bestimmten Zeitraum, wenn sie krankheitsbedingt arbeitsunfähig sind. Im vorliegenden Fall geht es darum, inwiefern der Kläger Anspruch auf diese Zahlungen hat, insbesondere im Hinblick auf die Erkennung einer neuen Erkrankung oder einer Fortsetzungserkrankung.
- § 2 Abs. 1 EFZG: Dieser Paragraph definiert die Voraussetzungen, unter denen ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung entsteht, einschließlich der Bedingung, dass die Arbeitsunfähigkeit durch eine Krankheit verursacht werden muss. Relevante Nachweise müssen durch ärztliche Atteste erbracht werden. Die Frage ist hier, ob die Arbeitsunfähigkeit des Klägers als logisch fortlaufend betrachtet werden kann, unter Berücksichtigung der verschiedenen Diagnosen und Zeiträume.
- § 4 EFZG: Dieser Paragraph befasst sich mit der Dauer des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung, die auf maximal sechs Wochen pro Erkrankung beschränkt ist. Es stellt sich hier die zentrale Frage, ob die vorliegenden Erkrankungen als separate, neue Erkrankungen oder als Teil eines einheitlichen Verhinderungsfalls angesehen werden. Dies ist entscheidend für die Berechnung des Anspruchs.
- § 39 SGB V: Der Paragraph regelt die Krankengeldzahlung und die Zusammenarbeit zwischen den Krankenkassen und den Arbeitgebern. In diesem Fall ist relevant, ob dem Kläger auch während des Zeitraums, in dem die Beklagte keine Entgeltfortzahlung leistete, Anspruch auf Krankengeld bestand und ob dies Auswirkungen auf den Anspruch auf Entgeltfortzahlung hatte.
- Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG): Das AGG behandelt Diskriminierungen aufgrund von Krankheit oder Behinderung. Obwohl es vielleicht nicht direkt auf die Entgeltfortzahlung anwendbar ist, könnte es im weiteren Sinne von Bedeutung sein, falls der Kläger das Gefühl hat, dass seine Gesundheitsprobleme bei der Entscheidung über die Entgeltfortzahlung ungerecht behandelt wurden oder zu Diskriminierung geführt haben.
Das vorliegende Urteil
Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 11 Sa 646/22 – Urteil vom 22.03.2023
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