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Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall – Fortsetzungszusammenhang

Eine schwangere Arbeitnehmerin erkrankte in zwei Zeiträumen an übermäßigem Erbrechen, erhielt aber nur für den ersten Krankheitszeitraum Lohnfortzahlung. Das Landesarbeitsgericht Köln entschied nun, dass bei typischen schwangerschaftsbedingten Beschwerden von einer Fortsetzungserkrankung auszugehen ist und wies den Anspruch auf weitere Entgeltfortzahlung zurück.

➔ Zum vorliegenden Urteil Az.: 8 Sa 184/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Hilfe anfordern


✔ Der Fall: Kurz und knapp

  1. Die Klägerin forderte zusätzliche Entgeltfortzahlung für Krankheitstage während ihrer Schwangerschaft.
  2. Das Gericht entschied, dass die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin eine Fortsetzungserkrankung war.
  3. Fortsetzungserkrankungen begründen keinen neuen Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
  4. Die Klägerin konnte nicht ausreichend darlegen, dass es sich um unterschiedliche Erkrankungen handelte.
  5. Die Krankenkasse und die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bestätigten den Zusammenhang der Erkrankungen.
  6. Beschwerden während der Schwangerschaft gelten als fortgesetzte Krankheit, wenn sie auf dieselbe Ursache zurückzuführen sind.
  7. Die Berufung der Klägerin wurde zurückgewiesen, da sie die Beweislast nicht erfüllte.
  8. Das Urteil des Arbeitsgerichts Köln wurde bestätigt.
  9. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
  10. Revision wurde nicht zugelassen.

Kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Fortsetzungserkrankung durch Schwangerschaftsbeschwerden

Ob ein Arbeitnehmer im Krankheitsfall weiterhin Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat, ist oftmals ein komplexes rechtliches Thema. In Deutschland regelt das Entgeltfortzahlungsgesetz die Rahmenbedingungen für die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall. Grundsätzlich hat ein Arbeitnehmer, der aufgrund einer Krankheit arbeitsunfähig ist, Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts durch den Arbeitgeber für einen begrenzten Zeitraum.

Jedoch gibt es eine Reihe von Ausnahmen und Sonderregelungen, die im Einzelfall zu prüfen sind. Um den Anspruch auf Entgeltfortzahlung beurteilen zu können, sind daher die genauen Umstände des Krankheitsfalls von entscheidender Bedeutung. Im Folgenden wird ein konkreter Gerichtsfall näher betrachtet, der Aufschluss über die rechtliche Beurteilung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geben kann.

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✔ Der Fall vor dem Landesarbeitsgericht Köln


Klägerin mit Hyperemesis Gravidarum – Kein Anspruch auf weitere Entgeltfortzahlung

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
Die Klägerin erhält keine weitere Entgeltfortzahlung, da ihre Erkrankungen während der Schwangerschaft als Fortsetzungserkrankung eingestuft werden.(Symbolfoto: fizkes /Shutterstock.com)

In dem vorliegenden Fall stritten die Parteien über Entgeltfortzahlungsansprüche der Klägerin im Krankheitsfall. Die am 1992 geborene Klägerin war seit dem 15.03.2020 bei der Beklagten beschäftigt. Vom 06.12.2021 bis zum 14.01.2022 sowie vom 24.01.2022 bis zum 11.02.2022 war die während dieser Zeiträume schwangere Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Für die Zeit vom 06.12.2021 bis zum 14.01.2022 sowie für den 24.01.2022 und 25.01.2022 leistete die Beklagte Entgeltfortzahlung. Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage die Zahlung weiterer 1.840,73 Euro brutto als Entgeltfortzahlung für den Zeitraum vom 26.01.2022 bis zum 11.02.2022.

Arbeitsgericht sieht Fortsetzungserkrankung – Klage abgewiesen

Das Arbeitsgericht Köln wies die Klage mit Urteil vom 24.02.2023 ab. Es ging von einer sogenannten Fortsetzungserkrankung der Klägerin während der Zeit vom 24.01.2022 bis zum 11.02.2022 im Verhältnis zu ihrer vorangegangenen Erkrankung vom 06.12.2021 bis zum 14.01.2022 aus. Indiziert werde dies bereits durch das Schreiben der Krankenkasse, in dem angegeben war, dass es sich bei beiden Erkrankungszeiträumen um dieselbe Krankheit der Klägerin handelte. Auch nach den auf den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen angegebenen, identischen ICD-Codes (021.0 G) handele es sich jeweils um übermäßiges Erbrechen während der Schwangerschaft (Hyperemesis gravidarum), und somit um Krankheitsbeschwerden, die regelmäßig während der Schwangerschaft auftreten und auf dieser beruhen.

LAG Köln bestätigt erstinstanzliches Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts hatte vor dem LAG Köln keinen Erfolg. Das LAG bestätigte, dass der Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 26.01.2022 bis 11.02.2022 kein weiterer Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zusteht, da bei den Arbeitsunfähigkeitszeiten vom 06.12.2021 bis zum 14.01.2022 und vom 24.01.2022 bis zum 11.02.2022 vom Vorliegen einer Fortsetzungserkrankung auszugehen sei.

Die Klägerin habe nicht schlüssig dargelegt, dass keine Fortsetzungserkrankung vorlag. Vielmehr sei ihr Vortrag zu ihren Erkrankungen widersprüchlich. Einerseits habe sie erstinstanzlich angegeben, aufgrund einer leichten Hyperemesis Gravidarum arbeitsunfähig gewesen zu sein, andererseits habe sie in der Berufungsverhandlung erklärt, es hätten tatsächlich andere Erkrankungen vorgelegen. Konkrete Darlegungen zu ihren tatsächlichen Beschwerden seien nicht erfolgt.

Bei typischen schwangerschaftsbedingten Beschwerden ist Fortsetzungserkrankung anzunehmen

Selbst wenn man nur vom erstinstanzlichen Vorbringen der Klägerin ausgehe, sei eine Fortsetzungserkrankung anzunehmen. Zwar sei eine normal verlaufende Schwangerschaft als solche keine Krankheit. Allerdings können während der Schwangerschaft durch diese bedingte Beschwerden auftreten, die zu einer Arbeitsunfähigkeit führen. Eine mit wiederholten typischen schwangerschaftsbedingten Beschwerden einhergehende Schwangerschaft ist für die Dauer ihres irregulären Verlaufs einem nicht ausgeheilten Grundleiden gleichzusetzen. Nicht erforderlich sei, dass die einzelnen Beschwerden untereinander in einem Fortsetzungszusammenhang stehen. Entscheidend sei vielmehr, dass sie auf dieselbe irregulär verlaufende Schwangerschaft zurückzuführen sind.

Diese Voraussetzungen lägen vor, da es sich bei der Hyperemesis Gravidarum gerade um eine typische, schwangerschaftsbedingte Erkrankung handelt. Es sei nicht erforderlich, dass die Erkrankungen nach ihrer Art oder ihrem Verlauf als außergewöhnlich schwerwiegend zu betrachten sind. Auch nach der Rechtsprechung des BAG seien gerade „typischerweise“ mit einer Schwangerschaft einhergehende Krankheiten für die Annahme einer Fortsetzungserkrankung ausreichend. Als „irregulär“ bzw. regelwidrig verlaufende Schwangerschaft sei eine solche zu verstehen, in der Krankheiten i.S.d. § 3 Abs. 1 EFZG auftreten, was bei der Klägerin unstreitig der Fall war.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Das Urteil stellt klar, dass typische schwangerschaftsbedingte Beschwerden, die wiederholt zu Arbeitsunfähigkeit führen, einer Fortsetzungserkrankung gleichzusetzen sind, selbst wenn sie nicht als außergewöhnlich schwerwiegend anzusehen sind. Entscheidend ist, dass die Beschwerden auf dieselbe irregulär verlaufende Schwangerschaft zurückzuführen sind, nicht dass sie untereinander in einem Fortsetzungszusammenhang stehen. Damit besteht in solchen Fällen kein Anspruch auf erneute Entgeltfortzahlung nach Ablauf der ersten sechswöchigen Entgeltfortzahlungsperiode.


✔ FAQ – Häufige Fragen

Das Thema: Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wirft bei vielen Lesern Fragen auf. Unsere FAQ-Sektion bietet Ihnen wertvolle Insights und Hintergrundinformationen, um Ihr Verständnis für dieses Thema zu vertiefen. Weiterhin finden Sie in der Folge einige der Rechtsgrundlagen, die für dieses Urteil wichtig waren.


Wie lange hat man Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall?

Arbeitnehmer haben im Krankheitsfall grundsätzlich Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber für die Dauer von bis zu sechs Wochen, wenn sie durch eine Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an ihrer Arbeitsleistung verhindert sind, ohne dass sie ein Verschulden trifft. Dies ist im Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) geregelt.

Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall besteht für sechs Wochen bzw. 42 Kalendertage, gerechnet vom ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit an. Wird der Arbeitnehmer wegen derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, hat er nur dann Anspruch auf Entgeltfortzahlung für weitere sechs Wochen, wenn er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig war oder seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit aufgrund derselben Krankheit eine Frist von 12 Monaten abgelaufen ist.

Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung setzt voraus, dass das Arbeitsverhältnis bereits mindestens vier Wochen ununterbrochen besteht. In dieser sogenannten Wartezeit besteht noch kein Anspruch. Dauert die Erkrankung über das Ende der Wartefrist hinaus an, hat der Arbeitnehmer ab dem ersten Tag der fünften Woche im Arbeitsverhältnis Anspruch auf Entgeltfortzahlung.

Tritt während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit hinzu, führt dies nicht zu einer Verlängerung des Entgeltfortzahlungsanspruchs über sechs Wochen hinaus. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung endet zudem mit dem letzten Beschäftigungstag, wenn das Arbeitsverhältnis während der Erkrankung durch Befristung oder Kündigung endet.

Als Ausnahmen, in denen kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht, gelten unter anderem selbstverschuldete Arbeitsunfähigkeit z.B. durch Trunkenheit oder grob fahrlässige Verletzung der Unfallverhütungsvorschriften. Auch bei nicht rechtswidrigen Sterilisationen und Schwangerschaftsabbrüchen sowie bei ärztlich verordneten Vorsorge- oder Rehamaßnahmen gilt die Arbeitsverhinderung als unverschuldet mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung.


Was versteht man unter einer Fortsetzungserkrankung und welche Auswirkungen hat diese auf die Entgeltfortzahlung?

Eine Fortsetzungserkrankung liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer wegen derselben Krankheit oder wegen Folgeerkrankungen erneut arbeitsunfähig wird. Entscheidend ist dabei, dass ein enger zeitlicher und ursächlicher Zusammenhang zwischen den Erkrankungen besteht.

Als Beispiel erkrankt ein Arbeitnehmer an einer Grippe und ist deshalb sechs Wochen krankgeschrieben. Kurz nach seiner Rückkehr an den Arbeitsplatz erleidet er aufgrund der Grippe eine Lungenentzündung. Hier handelt es sich um eine Fortsetzungserkrankung, da die Lungenentzündung eine direkte Folge der vorangegangenen Grippe ist.

Die Einordnung als Fortsetzungserkrankung hat erhebliche Auswirkungen auf den Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers. Bei einer Fortsetzungserkrankung besteht kein erneuter Anspruch auf Entgeltfortzahlung für sechs Wochen. Stattdessen wird die bereits in Anspruch genommene Zeit auf den Entgeltfortzahlungsanspruch angerechnet.

Im genannten Beispiel hätte der Arbeitnehmer somit keinen Anspruch auf weitere sechs Wochen Entgeltfortzahlung aufgrund der Lungenentzündung. Der Arbeitgeber müsste lediglich für die Tage zahlen, die von den ursprünglichen sechs Wochen noch übrig sind.

Eine Ausnahme gilt, wenn zwischen den Erkrankungen eine Frist von mehr als sechs Monaten liegt oder der Arbeitnehmer zwischenzeitlich mindestens sechs Monate arbeitsfähig war. In diesen Fällen entsteht ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch für sechs Wochen, auch wenn es sich um dieselbe Krankheit handelt.

Zudem ist zu beachten, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch bei einer Fortsetzungserkrankung auf insgesamt zwölf Monate begrenzt ist. Nach Ablauf dieser Frist entfällt der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, selbst wenn der Arbeitnehmer weiterhin arbeitsunfähig ist.


Welche Besonderheiten gelten bei der Entgeltfortzahlung für Erkrankungen während der Schwangerschaft?

Bei Erkrankungen während der Schwangerschaft gelten einige Besonderheiten hinsichtlich der Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber. Grundsätzlich stellt eine normal verlaufende Schwangerschaft zwar keine Krankheit dar, jedoch können schwangerschaftsbedingte Beschwerden durchaus zu einer Arbeitsunfähigkeit der werdenden Mutter führen.

Treten während der Schwangerschaft wiederholt typische Beschwerden auf, die eine Arbeitsunfähigkeit begründen, so werden diese in der Regel als sogenannte Fortsetzungserkrankung gewertet. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber in diesem Fall nur einmal für maximal sechs Wochen zur Entgeltfortzahlung verpflichtet ist, auch wenn die Schwangere aufgrund derselben Beschwerden erneut arbeitsunfähig wird. Dabei müssen die Schwangerschaftsbeschwerden nicht außergewöhnlich schwerwiegend sein, um als Fortsetzungserkrankung anerkannt zu werden.

Im Gegensatz dazu löst eine neue, zusätzlich zur Schwangerschaft auftretende Erkrankung einen neuen Entgeltfortzahlungsanspruch aus, sofern diese Erkrankung unabhängig von der Schwangerschaft besteht und eigenständig zur Arbeitsunfähigkeit führen würde. Hier gilt der Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls nicht.

Wichtig ist zudem die Abgrenzung zwischen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit und einem ärztlichen Beschäftigungsverbot aufgrund der Schwangerschaft. Während die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zeitlich begrenzt ist, hat die Schwangere bei einem Beschäftigungsverbot Anspruch auf Zahlung des durchschnittlichen Arbeitsentgelts bis zum Beginn der Schutzfrist vor der Entbindung. Voraussetzung ist jedoch, dass das Beschäftigungsverbot die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitnehmerin ist.


Wann entsteht nach einer Fortsetzungserkrankung ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung?

Nach einer Fortsetzungserkrankung entsteht ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von sechs Wochen, wenn eine der beiden folgenden Voraussetzungen erfüllt ist

Der Arbeitnehmer war vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit mindestens sechs Monate nicht arbeitsunfähig. Das bedeutet, zwischen dem Ende der vorherigen und dem Beginn der neuen krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit muss ein Zeitraum von mindestens sechs Monaten liegen, in dem der Arbeitnehmer nicht wegen dieser Krankheit arbeitsunfähig war.

Oder seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit ist eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen. Der Anspruch entsteht dann mit Beginn der nächsten Arbeitsunfähigkeit aufgrund dieser Erkrankung, die nach Ablauf der Zwölf-Monats-Frist eintritt.

Sind diese Fristen nicht erfüllt, besteht bei einer Fortsetzungserkrankung grundsätzlich kein Anspruch auf erneute Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer hat dann bereits seinen Entgeltfortzahlungsanspruch für die maximale Dauer von sechs Wochen wegen dieser Erkrankung ausgeschöpft.

Als Beispiel erkrankt ein Arbeitnehmer im Januar für vier Wochen und im folgenden November für weitere vier Wochen an derselben Krankheit. Er hat dann jeweils Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die ersten sechs Wochen, da zwischen den beiden Erkrankungsphasen mehr als sechs Monate liegen.


Welche Nachweise muss der Arbeitnehmer erbringen, um eine Fortsetzungserkrankung auszuschließen?

Wenn ein Arbeitnehmer innerhalb von sechs Monaten oder bei häufiger auftretenden Erkrankungen innerhalb von zwölf Monaten insgesamt länger als sechs Wochen krank ist, muss er darlegen, dass keine Fortsetzungserkrankung vorliegt, um weiterhin Anspruch auf Entgeltfortzahlung zu haben. Zunächst genügt dafür die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung.

Bestreitet der Arbeitgeber jedoch, dass eine neue Erkrankung vorliegt, reicht dies nicht mehr aus. Der Arbeitnehmer muss nun konkrete Tatsachen vortragen, die den Schluss zulassen, dass es sich nicht um dieselbe Krankheit handelt. Er muss detailliert schildern, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Beschwerden mit welchen Auswirkungen auf seine Arbeitsfähigkeit im gesamten maßgeblichen Zeitraum bestanden. Dabei hat er die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden, damit der Arbeitgeber die Möglichkeit erhält, sich substantiiert dazu zu äußern.

Pauschale Behauptungen des Arbeitnehmers, es liege keine Fortsetzungserkrankung vor, reichen in diesem Fall nicht aus. Auch der bloße Verweis auf den Diagnoseschlüssel in den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen genügt nicht, um eine Fortsetzungserkrankung auszuschließen. Vielmehr muss der Arbeitnehmer so konkret wie möglich darlegen, warum die erneute Erkrankung nicht in Zusammenhang mit der vorangegangenen Arbeitsunfähigkeit steht.

Gelingt ihm dies nicht, muss der Arbeitgeber über die sechs Wochen hinaus kein Entgelt mehr fortzahlen. Die Darlegungs- und Beweislast liegt insoweit beim Arbeitnehmer. Erst wenn er seiner Darlegungslast nachgekommen ist, muss der Arbeitgeber beweisen, dass doch eine Fortsetzungserkrankung vorliegt, um die weitere Entgeltfortzahlung zu verweigern.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 3 Abs. 1 EFZG (Entgeltfortzahlungsgesetz): Regelt den Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Der Anspruch besteht grundsätzlich für sechs Wochen. Im vorliegenden Fall wurde geprüft, ob die Klägerin trotz vorheriger Erkrankung weiterhin Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat.
  • Fortsetzungserkrankung: Eine erneute Erkrankung innerhalb von sechs Monaten nach der ersten Arbeitsunfähigkeit aufgrund derselben Krankheit begründet keinen neuen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Das Gericht entschied, dass bei der Klägerin eine Fortsetzungserkrankung vorlag.
  • Darlegungs- und Beweislast: Der Arbeitnehmer muss darlegen und beweisen, dass keine Fortsetzungserkrankung vorliegt. Die Klägerin konnte nicht ausreichend nachweisen, dass ihre Erkrankungen unabhängig voneinander waren.
  • ICD-Codes: Die Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD) dient zur Diagnoseverschlüsselung. Im Fall der Klägerin wurden identische ICD-Codes verwendet, was das Gericht als Indiz für eine Fortsetzungserkrankung wertete.
  • BAG-Rechtsprechung: Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) wurde herangezogen, um die Voraussetzungen für Fortsetzungserkrankungen zu erläutern. Diese besagt, dass typische schwangerschaftsbedingte Beschwerden als Fortsetzungserkrankungen betrachtet werden können.
  • Beschäftigungsverbot: Ein ärztliches Beschäftigungsverbot, insbesondere bei Schwangerschaft, führt nicht automatisch zu einem Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn eine Fortsetzungserkrankung vorliegt.
  • Schweigepflichtsentbindung: Der Arbeitnehmer muss die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbinden, um eine umfassende Darlegung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu ermöglichen. Dies war im vorliegenden Fall nicht ausreichend erfolgt.
  • Psychische Belastung am Arbeitsplatz: Die Klägerin machte geltend, dass ihre Erkrankung durch psychische Belastungen am Arbeitsplatz verursacht wurde. Das Gericht sah dies nicht als ausreichend begründet an, um eine neue Erkrankung festzustellen.


⇓ Das vorliegende Urteil vom Landesarbeitsgericht Köln

Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 8 Sa 184/23 – Urteil vom 21.09.2023

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 24.02.2023 – 1 Ca 4372/22 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlungsansprüche im Krankheitsfall.

Die am 1992 geborene Klägerin ist seit dem 15.03.2020 bei der Beklagten, zuletzt als Versicherungsfachfrau beschäftigt. Vom 06.12.2021 bis zum 14.01.2022 sowie vom 24.01.2022 bis zum 11.02.2022 war die während dieser Zeiträume schwangere Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Für die Zeit vom 06.12.2021 bis zum 14.01.2022 sowie für den 24.01.2022 und 25.01.2022 leistete die Beklagte Entgeltfortzahlung. Ab dem 12.03.2022 galt für die Klägerin ein ärztliches Beschäftigungsverbot. Am 07.06.2022 wurde das Kind der Klägerin geboren.

Mit ihrer zunächst beim Arbeitsgericht Reutlingen erhobenen und mit Beschluss vom 12.08.2022 an das Arbeitsgericht Köln verwiesenen Klage hat die Klägerin zuletzt die Zahlung weiterer 1.840,73 Euro brutto als Entgeltfortzahlung für den Zeitraum vom 26.01.2022 bis zum 11.02.2022 begehrt. Sie hat geltend gemacht, es lägen weder ein Grundleiden noch Fortsetzungserkrankungen vor. Vom 16.12.2021 bis 14.01.2022 sowie vom 24.01.2022 bis 11.02.2022 sei sie auf Grund von Übelkeit/Erbrechen während der Schwangerschaft arbeitsunfähig gewesen. Hierbei habe es sich aber um ein immer wieder neu auftretendes Phänomen gehandelt. Sie hat weiter behauptet, ihre Schwangerschaft sei nicht besonders beschwerlich, sondern unauffällig und normal verlaufen; das Beschäftigungsverbot sei auf Grund einer besonderen psychischen Belastung am Arbeitsplatz ausgesprochen worden.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.840,73 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 20.05.2022 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie war der Ansicht, die Klägerin habe wegen anrechenbarer Vorerkrankungen keinen weitergehenden Anspruch auf Entgeltfortzahlung für den Zeitraum vom 26.01.2022 bis 11.02.2022. Denn die ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeiten stünden mit der Schwangerschaft der Klägerin in ursächlichem Zusammenhang, die somit der fortgesetzte Grund für die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin sei.

Mit Urteil vom 24.02.2023 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es sei von einer sog. Fortsetzungserkrankung der Klägerin während der Zeit vom 24.01.2022 bis zum 11.02.2022 im Verhältnis zu ihrer vorangegangenen Erkrankung während der Zeit vom 06.12.2021 bis zum 14.01.2022 auszugehen. Indiziert werde das Vorliegen einer sog. Fortsetzungserkrankung bereits durch das Schreiben der Krankenkasse der Klägerin vom 14.07.2022, in dem u.a. angegeben sei, dass es sich bei beiden Erkrankungszeiträumen um dieselbe Krankheit der Klägerin gehandelt habe. Auch nach den auf den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen angegebenen, identischen ICD-Codes (021.0 G) handele es sich jeweils um übermäßiges Erbrechen während der Schwangerschaft, und somit um Krankheitsbeschwerden, die regelmäßig während der Schwangerschaft auftreten und auf dieser beruhen. Selbst wenn – entsprechend dem Vortrag der Klägerin – von einem „vollkommen normalen“ Verlauf der Schwangerschaft auszugehen sei, müsste dennoch, auf Grund des Vorbringens der Klägerin zum Hintergrund des ausgesprochenen Beschäftigungsverbots, nachdem dieses auf eine übermäßige psychische Belastung bedingt durch ihren Arbeitsplatz zurückzuführen sei, vom Vorliegen eines Grundleidens und einer Fortsetzungserkrankung ausgegangen werden.

Gegen das ihr am 13.03.2023 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24.03.2023 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16.06.2023, am 13.06.2023 begründet. Die Klägerin ist der Ansicht, das Arbeitsgericht sei fehlerhaft vom Vorliegen einer Fortsetzungserkrankung ausgegangen. So fehle es bereits an der erforderlichen Feststellung eines Grundleidens der Klägerin, das tatsächlich auch nicht vorliege und weder in der Schwangerschaft der Klägerin noch einer psychischen Erkrankung zu sehen sei. Zudem habe das Arbeitsgericht verkannt, dass, nachdem sie eine Fortsetzungserkrankung bestritten habe, die Beklagte für das Vorliegen einer solchen darlegungs- und beweisbelastet sei. Die vom Arbeitsgericht angenommene indizielle Wirkung des Schreibens der Krankenkasse vom 14.07.2022 sei hierfür ebenso wenig ausreichend wie die ICD-Codes auf den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die gerade keine Angaben zum Bestehen einer Fortsetzungserkrankung beinhalten würden. Die Klägerin meint weiter, selbst bei unterstellter Darlegungs- und Beweislast ihrerseits hätte sie den Beweis durch ihre angebotenen Beweisantritte erbringen können, denen das Arbeitsgericht zu Unrecht nicht nachgegangen sei.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 24.02.2023 – 1 Ca 4372/22 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.840,73 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.05.2022 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil und ist der Auffassung, die Arbeitsunfähigkeitszeiten der Klägerin vom 06.12.2021 bis zum 14.01.2022 sowie vom 24.01.2022 bis zum 11.02.2022 würden auf denselben krankheitsbedingten Gründen, nämlich auf übermäßigem Erbrechen während der Schwangerschaft beruhen und könnten nicht losgelöst von dieser betrachtet werden. Die insoweit darlegungsbelastete Klägerin habe auch keine hinreichenden Tatsachen für das Nichtvorliegen einer Fortsetzungserkrankung dargelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der erst- und zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1, 46g ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. Das Rechtsmittel bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 26.01.2022 bis 11.02.2022 keinen (weiteren) Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall aus § 3 Abs. 1 EFZG in Höhe von 1.840,73 Euro brutto gegen die Beklagte.

1. Gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG hat ein Arbeitnehmer, der durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert wird, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, der grundsätzlich auf die Dauer von sechs Wochen wegen einer Erkrankung begrenzt ist. Wird ein Arbeitnehmer infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, verliert er nach § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG wegen der erneuten Arbeitsunfähigkeit den Entgeltfortzahlungsanspruch für einen weiteren Zeitraum von höchstens sechs Wochen nur dann nicht, wenn er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war (Nr. 1) oder seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist (Nr. 2). Vor Ablauf dieser Fristen entsteht ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch für die Dauer von sechs Wochen nur dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit auf einer anderen Krankheit beruht (BAG, Urteil vom 18. Januar 2023 – 5 AZR 93/22 -, Rn. 9, juris).

Ist der Arbeitnehmer innerhalb der Zeiträume des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 EFZG länger als sechs Wochen an der Erbringung der Arbeitsleistung verhindert, gilt eine abgestufte Darlegungslast (vgl. grundlegend BAG 13. Juli 2005 – 5 AZR 389/04 – zu I 6 der Gründe, BAGE 115, 206; ebenso 31. März 2021 – 5 AZR 197/20 – Rn. 26; 10. September 2014 – 10 AZR 651/12 – Rn. 27, BAGE 149, 101). Zunächst muss der Arbeitnehmer – soweit sich aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dazu keine Angaben entnehmen lassen – darlegen, dass keine Fortsetzungserkrankung besteht. Hierzu kann er eine ärztliche Bescheinigung vorlegen. Bestreitet der Arbeitgeber, dass eine neue Erkrankung vorliegt, hat der Arbeitnehmer Tatsachen vorzutragen, die den Schluss erlauben, es habe keine Fortsetzungserkrankung bestanden (BAG 31. März 2021 – 5 AZR 197/20 – Rn. 26; 10. September 2014 – 10 AZR 651/12 – Rn. 27, aaO; ErfK/Reinhard 23. Aufl. EFZG § 3 Rn. 44; MüKoBGB/Müller-Glöge 9. Aufl. EFZG § 3 Rn. 87; BeckOK ArbR/Ricken Stand 1. Dezember 2022 EFZG § 3 Rn. 73; Joussen SAE 2006, 147, 151 f.). Er muss laienhaft bezogen auf den gesamten maßgeblichen Zeitraum schildern, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Beschwerden mit welchen Auswirkungen auf seine Arbeitsfähigkeit bestanden und die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbinden. Denn erst ausgehend von diesem Vortrag ist regelmäßig dem Arbeitgeber substantiierter Sachvortrag möglich (BAG 31. März 2021 – 5 AZR 197/20 – Rn. 26 mwN; BAG, Urteil vom 18. Januar 2023 – 5 AZR 93/22 -, Rn. 10, juris).

2. Nach Maßgabe dieser Grundsätze stehen der Klägerin keine weiteren, über den 6-Wochen-Zeitraum hinausgehenden, Entgeltfortzahlungsansprüche zu, da bei den Arbeitsunfähigkeitszeiten vom 06.12.2021 bis zum 14.01.2022 und vom 24.01.2022 bis zum 11.02.2022 vom Vorliegen von Fortsetzungserkrankung auszugehen ist.

a) Nachdem die Beklagte das Vorliegen einer „neuen“ Erkrankung i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 EFZG bestritten hat, hätte es der Klägerin oblegen, umfassend zum Nichtvorliegen einer Fortsetzungserkrankung vorzutragen. Hierbei hätte sie im Einzelnen darlegen müssen, welchen gesundheitlichen Einschränkungen und Beschwerden bestanden, da erst ein solcher Vortrag eine Beurteilung ermöglicht, ob eine Fortsetzungserkrankung in Betracht kommt (BAG, Urteil vom 18. Januar 2023 – 5 AZR 93/22 -, Rn. 27, juris). Diesen Anforderungen werden die Darlegungen der Klägerin nicht gerecht. Vielmehr ist der Vortrag zu ihren Erkrankungen bereits unschlüssig, da sie erstinstanzlich in Übereinstimmung mit den auf den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen angegebenen ICD-Codes angegeben hat, in den streitgegenständlichen Zeiträumen aufgrund einer leichten Hyperemesis Gravidarum (übermäßige/s Übelkeit/Erbrechen während der Schwangerschaft) arbeitsunfähig erkrankt gewesen zu sein, hat sie im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht erklärt, tatsächlich hätten anderweitige Erkrankungen vorgelegen. Die Verwendung der identischen ICD-Codes auf den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei lediglich darauf zurückzuführen, dass für Erkrankungen, die während einer bestehenden Schwangerschaft aufträten, lediglich eine sehr kleine Anzahl von ICD-Codes zur Verfügung stünde, so dass ihre behandelnde Ärztin lediglich mangels zutreffender Alternative jeweils den ICD-Code 021.0 angegeben habe. Konkrete Darlegungen zu ihren tatsächlich bestehenden Beschwerden und gesundheitlichen Erkrankungen erfolgten nicht.

b) Selbst wenn man – ungeachtet dieser Widersprüche – alleine vom schriftsätzlichen erstinstanzlichen Vorbringen der Klägerin und dem jeweiligen Vorliegen einer Hyperemesis Gravidarum in beiden hier maßgeblichen Zeiträumen ausgeht, ist eine Fortsetzungserkrankung anzunehmen. Zwar ist eine normal verlaufende Schwangerschaft als solche keine Krankheit und somit auch kein Grundleiden. Allerdings können während der Schwangerschaft durch diese bedingte Beschwerden auftreten, die zu einer Arbeitsunfähigkeit führen. Eine mit wiederholten typischen graviditätsbedingten Beschwerden einhergehende Schwangerschaft ist demgemäß für die Dauer ihres irregulären Verlaufs einem nicht ausgeheilten Grundleiden gleichzusetzen. Nicht erforderlich ist, dass die einzelnen Beschwerden untereinander in einem Fortsetzungszusammenhang stehen; entscheidend ist vielmehr, dass sie auf dieselbe (irregulär verlaufende) Schwangerschaft zurückzuführen sind (BAG v. 14.11.1984 – 5 AZR 394/82, AP LFZG § 1 Nr. 61; Schmitt EFZG/L. Schmitt, 9. Aufl. 2023, EFZG § 3 Rn. 272 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Diese Voraussetzungen liegen vor, da es sich bei der Hyperemesis Gravidarum gerade um eine typische, schwangerschaftsbedingte Erkrankung handelt. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es nicht erforderlich, dass die Erkrankungen nach ihrer Art oder ihrem Verlauf als außergewöhnlich schwerwiegend zu betrachten sind, vielmehr sind auch nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gerade „typischerweise“ mit einer Schwangerschaft einhergehenden Krankheiten für die Annahme einer Fortsetzungserkrankung ausreichend (BAG, Urteil vom 14. November 1984 – 5 AZR 394/82 -, BAGE 47, 195-200, Rn. 16). Nichts Anderes folgt aus der vom Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 14.11.1984 (5 AZR 394/82) verwendeten Begrifflichkeiten eines „irregulären“ oder „anomalen“ Verlaufs der Schwangerschaft. Vielmehr erklären sich diese alleine aus der gängigen Definition einer Krankheit als regelwidriger Körper- oder Geisteszustand (vgl. nur BAG, Urteil vom 7. Dezember 2005 – 5 AZR 228/05 -, juris; ErfK/Reinhard, 24. Aufl. 2024, EFZG § 3 Rn. 5; Schmitt EFZG/L. Schmitt, 9. Aufl. 2023, EFZG § 3 Rn. 50). Als „irregulär“ bzw. regelwidrig verlaufende Schwangerschaft ist daher eine solche zu verstehen, in der Krankheiten i.S.d. § 3 Abs. 1 EFZG auftreten, was bei der Klägerin unstreitig der Fall war.

c) Soweit die Klägerin zum Beweis dessen, dass keine Fortsetzungserkrankung vorlag, die Vernehmung von Zeugen angeboten hat, ist dieser Beweisantritt unzulässig. Gem. § 373 ZPO muss die beweispflichtige Partei diejenigen Tatsachen bezeichnen, zu denen der Zeuge bzw. die Zeugen vernommen werden sollen. Tatsachen sind konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder der Gegenwart angehörige Geschehnisse oder Zustände. Wird ein Beweis angetreten, bei dem es an der Bestimmtheit der zu beweisenden Tatsachen fehlt und sollen durch die beabsichtigte Beweiserhebung erst die Grundlagen für substantiierte Tatsachenbehauptungen gewonnen werden, ist dieser Beweisantritt unzulässig und hat die Beweiserhebung auf Grund dieses unzulässigen Ausforschungsbeweisantritts zu unterbleiben (BAG, Urteil vom 12. Juli 2007 – 2 AZR 722/05 -, Rn. 16, juris, m.w.N.).

Hiervon ausgehend ist der Beweisantritt der Klägerin unbeachtlich, da sie keine konkreten Tatsachen zu ihren Beschwerden und gesundheitlichen Beeinträchtigungen, zu denen die Zeugen hätten befragt werden können, dargelegt hat.

III. Die Klägerin hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.

IV. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Entscheidung auf den Umständen des vorliegenden Einzelfalls beruht.

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