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Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG bei Ablehnung einer schwerbehinderten Bewerberin

LAG Berlin-Brandenburg – Az.: 3 Sa 1505/11 – Urteil vom 20.12.2011

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 19. Mai 2011 – 59 Ca 19231/10 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin eine Entschädigung wegen einer Benachteiligung zu zahlen.

Die am …. 1954 geborene Klägerin ist bei der Beklagten jedenfalls seit 1992 beschäftigt. Zuvor war sie bei verschiedenen Ministerien der ehemaligen DDR als Sekretärin tätig. Sie ist mit einem Grad von 50 schwerbehindert. Seit 1996 war sie als Schreibkraft bzw. Büro-/Schreibkraft im B. tätig. Sie erzielte ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von etwa 2.500,00 Euro.

Nach den Angaben in einem Schreiben des Integrationsfachdienstes O. vom 28. Oktober 2010 (Bl. 240 bis 241 der Akte) wurde in einem Gespräch zum betrieblichen Eingliederungsmanagement am 1. Dezember 2009 festgelegt, dass der „Arbeitgeber“ eine Arbeitsaufnahme der Klägerin in einer anderen Bundesbehörde unterstützen soll. Das B. adressierte ein Schreiben vom 8. Dezember 2009 ua. an den Deutschen B./Verwaltung. In dem Schreiben heißt es auszugsweise:

„im Hinblick auf die Entscheidung des BAG vom 13.8.2009 – 6 AZR 330/08 – bitte ich zu prüfen, ob für eine Mitarbeiterin meines Hauses zur Abwendung einer krankheitsbedingten Kündigung in Ihrem Haus oder ggf. in einer Ihnen nachgeordneten Behörde am Standort Berlin die Möglichkeit einer dauerhaften Beschäftigung besteht.

Der seit 1996 im B. beschäftigten und als schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50% anerkannten Mitarbeiterin wurde von Seiten ihrer behandelnden Ärzte zur Stabilisierung ihres Gesundheitszustandes dringend geraten, die Beschäftigungsdienststelle zu wechseln. Die Mitarbeiterin befindet sich z.Zt. im Erholungsurlaub.

Zu Ihrer Information füge ich einen anonymisierten Personalbogen bei, der alle wesentlichen Daten enthält.“

Wegen des weiteren Inhalts des Schreibens und des Inhalts des beigefügten Lebenslaufes wird auf die Anlage B2, Bl. 242 bis 244 der Akte, Bezug genommen.

Der Deutsche B. veröffentlichte am 11. Juni 2010 auf seiner Webseite eine Stellenausschreibung für eine Stelle als Zweitsekretärin/Zweitsekretär für das Büro einer Vizepräsidentin/eines Vizepräsidenten des Deutschen B. Auf den Inhalt der Ausschreibung wird verwiesen (Anlage K1, Bl. 5 bis 7 der Akte). Es handelte sich um die Stelle der Zweitsekretärin/des Zweitsekretärs für das Büro der Vizepräsidentin des Deutschen B. Frau P. P.. Unter dem 8. Juni 2010 hatte der Deutsche B. diese Stelle bei der Agentur für Arbeit M. gemeldet und um Prüfung und Benennung geeigneter Bewerber/innen gebeten (Anlage B1 Bl. 34 der Akte). Es war ein Vermittlungsauftrag (Anlage B1, Bl. 33 der Akte) gestellt worden.

Mit Schreiben vom 25. Juni 2010 bewarb sich die Klägerin unter Beifügung ihres Lebenslaufes um die ausgeschriebene Stelle. Die Klägerin teilte in dem Schreiben mit, sie sei belastbar und trotz Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung von 50 voll einsatzfähig, bei den Arbeitszeiten sei sie unabhängig und flexibel.

Die Klägerin wurde zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, das am 20. August 2010 stattfand. Sie erschien zu diesem Gespräch in Begleitung von Frau R. vom Integrationsfachdienst O. An dem Vorstellungsgespräch nahmen neben der Klägerin und Frau R. ca. 10 weitere Personen teil, ua. die Behindertenbeauftragte des Deutschen B. Frau L.. Mit Schreiben vom 1. September 2010 (Bl. 14 der Akte), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, teilte der Deutsche B. der Klägerin mit, dass sich die Auswahlkommission unter Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung der Verwaltung des Deutschen B. für eine andere Bewerberin/anderen Bewerber entschieden habe.

Die Klägerin machte mit anwaltlichem Schreiben vom 25. Oktober 2010 gegenüber dem Deutschen B. einen immateriellen Schadensersatzanspruch geltend. In dem Schreiben wird ua. ausgeführt, es stelle ein Indiz für die Diskriminierung dar, dass in der Absage nicht dargelegt worden sei, weshalb die Bewerbung abgelehnt worden und eine Entscheidung für einen anderen Bewerber erfolgt sei. Der Schadensersatzanspruch könne nur abgewandt werden, wenn es gerichtlich nachprüfbare Gründe gebe, die Beklagte habe das Recht, aber auch die Pflicht zur vorherigen Stellungnahme und Rechtfertigung, dies könne sie nur durch Überlassung der Akte und Beweisen, dass die Schwerbehinderung der Klägerin angemessen gewürdigt und warum trotzdem ein anderer Bewerber genommen worden sei. Der damalige Anwalt der Klägerin gab dem Deutschen B. Gelegenheit, sich bis zum 11. November 2010 zu erklären und die vollständige Akte in Kopie zu übersenden. Im Übrigen wird auf den Inhalt des Schreibens Bezug genommen (Anlage K5, Bl. 15 bis 16 der Akte). Der Deutsche Bundestag wies den Anspruch mit Schreiben vom 10. Dezember 2010 (Anlage K6, Bl. 8 der Akte) zurück. In dem Schreiben heißt es, die Klägerin habe in dem Vorstellungsgespräch keinen überzeugenden Eindruck hinterlassen. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass der Anteil der Schwerbehinderten in der B.verwaltung bei 8,7 Prozent liege und daher eine Rechtspflicht zur Begründung der Auswahlentscheidung nach § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX nicht bestehe.

Eingestellt wurde Frau M. N.. Auf den Inhalt der Frau N. und der Klägerin erteilten Schul- und Prüfungszeugnisse wird verwiesen (Anlagen B4 bis B10, Bl. 101 bis 113 der Akte).

Mit ihrer am 16. Dezember 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten nicht vor dem 22. Dezember 2010 zugestellten Klage hat die Klägerin die Zahlung einer angemessenen Entschädigung, mindestens in Höhe von 7.500,00 Euro, begehrt.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe in dem Vorstellungsgespräch einen guten Eindruck gemacht, dies habe auch Frau R. bestätigt. Sie hat ferner mit Nichtwissen bestritten, dass der Schwerbehindervertretung nach Ablauf der Ausschreibungsfrist die eingegangenen Bewerbungsunterlagen der schwerbehinderten Bewerber zur Kenntnis gebracht worden seien und dass die Beklagte die Schwerbehindertenquote einhalte. Die Klägerin hat weiter im Wesentlichen vorgetragen: Der Umstand, dass die Beklagte in der Absage nicht dargelegt habe, warum die Bewerbung abgelehnt worden sei, sei ein Indiz für die Diskriminierung. Nach § 81 Abs. 1 SGB IX bestehe eine Prüfpflicht. Die Behauptung der Beklagten zur Erfüllung der Schwerbehindertenquote müsse diese durch eine neutrale Stelle oder durch Vorlage einer Statistik beweisen. Ein Indiz für die Diskriminierung sei auch, dass die Aufforderung, den Grund mitzuteilen und die Auswahlentscheidungsunterlagen einzusehen, abgelehnt worden sei. Sie gehöre auch zum Überhangpersonal einer Bundesbehörde. Deshalb und wegen ihrer Schwerbehinderung hätte sie bevorzugt eingestellt werden müssen, es sei denn die Beklagte könne nachweisen, dass der andere Bewerber wesentlich besser sei. Ein Indiz für die Diskriminierung sei auch die vorherige Aussortierung ihrer Bewerbung. Das B. habe nämlich mit Schreiben vom 8. Dezember 2009 den Straftatbestand des rufschädigenden Verhaltens erfüllt. Das Schreiben sei dem Deutschen B. zugegangen, da die B.mitarbeiterin den Rückruf vermerkt habe. Es gebe die Vermutung, dass die Krankheit, also ihre Behinderung, der Ablehnungsgrund gewesen sei, und sie wegen der vorherigen Mitteilung und der vorherigen internen Vorauswahl gar keine Chance gehabt habe. Ein weiteres Indiz sei die Frage nach der Schwerbehinderung und Krankheiten im Bewerbungsgespräch. In dem Vorstellungsgespräch sei sie nach der Schwerbehinderung und dessen Grund gefragt worden. Sie sei konkret nach ihre Behinderung gefragt worden, obwohl sie die Behinderung bereits in ihrem Bewerbungsschreiben erwähnt gehabt habe. Das B. sei auch verpflichtet gewesen, ihr einen Arbeitsplatz gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX freizumachen. Die von der Beklagten bevorzugte Bewerberin sei nicht qualifizierter als sie. Die beiden anderen eingeladenen Bewerberinnen seien wesentlich jünger als sie, die Beklagte könne junge Bewerberinnen bevorzugen, weil diese nach dem TvÖD weniger Gehalt bekommen Es dränge sich der Verdacht auf, dass Frau N. eingestellt worden sei, weil die Beklagte dafür ein Vermittlungsgeld bekommen habe, weil Frau N. arbeitslos gewesen sei. Sie sei älter als Frau N. und habe mehr Berufserfahrungen. Der Beklagten obliege der Beweis, dass die andere Bewerberin/der andere Bewerber besser oder sehr viel besser gewesen sei und es keine gleich geeigneten schwerbehinderte Bewerberin gegeben habe.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine angemessene Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens aber 7.500,00 Euro, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, sie habe vor der Ausschreibung der Stelle geprüft, ob der Arbeitsplatz mit einem schwerbehinderten Menschen besetzt werden könne. Nach Ablauf der Bewerbungsfrist habe sie alle eingegangenen Bewerbungsunterlagen derjenigen Bewerberinnen und Bewerber, die auf ihre Schwerbehinderung hingewiesen hätten, der Schwerbehindertenvertretung zur Kenntnis gebracht. Die Vertrauensfrau habe dann mit Schreiben vom 16. Juli 2010 der Verwaltung mitgeteilt, welche schwerbehinderten Personen das Anforderungsprofil erfüllten und eingeladen werden sollten. Die Klägerin habe bei dem Vorstellungsgespräch keinen guten Eindruck gemacht. Nach dem Eindruck der Auswahlkommission sei die Klägerin deutlich schlechter als die letztlich ausgewählte Bewerberin. In dem relevanten Zeitraum habe sie insgesamt 2.765 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, von denen 218 Personen als schwerbehindert anerkannt seien oder solchen gleichgestellt seien. Der Anteil der beschäftigten Schwerbehinderten habe daher bei 8,7 Prozent gelegen. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, sie sei nicht verpflichtet gewesen, der Klägerin die Gründe für die Ablehnung mitzuteilen, weil sie ihrer Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nachgekommen sei. Die Klägerin habe nicht zum Überhangpersonal gehört. Das B. gehöre nicht zum Personalabbaubereich iSd. § 19 Haushaltsgesetz. Das Schreiben vom 8. Dezember 2009 sei dem Deutschen B. nicht zugegangen. Die Klägerin sei in dem Vorstellungsgespräch nicht nach dem Grund der Schwerbehinderung gefragt worden. Schwerbehinderte Bewerberinnen und Bewerber würden im Rahmen des Vorstellungsgesprächs durch die Vertrauensfrau der schwerbehinderten Menschen lediglich danach gefragt, ob im Hinblick auf die offengelegte Schwerbehinderung spezielle Hilfsmittel bei der Erfüllung des Arbeitsplatzes erforderlich seien. Der B.verwaltung seien im Vorfeld der Personalauswahl auch weder die Fehlzeiten der Klägerin noch sonstige Belastungen aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis offengelegt worden.

Im Schriftsatz vom 25. Februar 2011 hat die Beklagte vorsorglich zu den Gründen der von ihr getroffenen Auswahlentscheidung vorgetragen. Sie hat vorgetragen, die Personalauswahlentscheidung sei nach Maßgabe der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistungen der zum Bewerbungsgespräch erschienenen vier Bewerberinnen getroffen worden. Die Eignung im engeren Sinne sei auf der Grundlage der Schulabschluss- sowie der Berufsabschlusszeugnisse und den Eindrücken aus dem Vorstellungsgespräch ermittelt worden. Zur Ermittlung der Befähigung seien die beruflichen Erfahrungen sowie das durch berufliche Weiterbildungen gewonnene fachliche Wissen und die Eindrücke aus dem Vorstellungsgespräch herangezogen worden. Im Rahmen des Vorstellungsgespräches seien sechs Themenkomplexe für die Ermittlung der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zugrunde gelegt worden. Wegen der weiteren diesbezüglichen Ausführungen wird auf den Schriftsatz vom 25. Februar 2011, Seiten 7 bis 12, Bl. 89 bis 94 der Akte, Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 19. Mai 2011 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Ein Entschädigungsanspruch nach § 15 AGG bestehe nicht. Es würden keine Indizien für eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vorliegen. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, die Absageentscheidung gegenüber der Klägerin zu begründen. Die Verpflichtung nach § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX bestehe nur, wenn der Arbeitgeber seine sich aus § 71 SGB IX ergebende Beschäftigungspflicht nicht erfülle. Es sei davon auszugehen, dass die Beklagte ihre Beschäftigungspflicht erfülle. Aus der von der Klägerin selbst eingereichten Aufstellung aus dem Jahr 2003 (Bl. 138 der Akte) ergebe sich nämlich, dass die Quote bereits im Jahr 2002 erreicht worden sei und im Jahr 2003 auf 5,4% gesteigert worden sei. Dem Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, man habe die Quote in den vergangenen Jahren regelmäßig gesteigert, sei die Klägerin nicht entgegengetreten. Es stelle kein Indiz für eine Benachteiligung dar, dass die ausgewählte Bewerberin jünger als die Klägerin sei. Nach Überzeugung der Kammer sei die Klägerin auch im Vorstellungsgespräch nicht nach dem Grund der Behinderung gefragt worden. Auf ausdrückliche Nachfrage in der mündlichen Verhandlung am 19. Mai 2011 habe die Klägerin vielmehr ausgeführt, man habe sie nach der Erforderlichkeit von Hilfsmitteln gefragt und danach, ob sie die Tätigkeit der ausgeschriebenen Stelle ausführen könne und beispielsweise in der Lage sei, Überstunden zu leisten. Eine solche Frage habe mit Diskriminierung aber nichts zu tun. Da keine Beweiserleichterung eingreife, sei die Klägerin verpflichtet gewesen, die Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs im vollen Umfang darzulegen. Dies habe sie nicht getan.

Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen, Bl. 149 bis 153 der Akte.

Gegen das der Klägerin am 20. Juni 2011 zugestellte Urteil hat diese mit beim Landesarbeitsgericht am 19. Juli 2011 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit beim Landesarbeitsgericht am 19. August 2011 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Klägerin trägt zur Begründung der Berufung im Wesentlichen vor: Das Arbeitsgericht sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass die Beklagte ihrer Pflicht zur Beschäftigung behinderter Menschen im vollen Umfang nachkomme. Dies sei durch das Arbeitsgericht nicht ermittelt worden. Die verwendete Statistik beziehe sich auf den 31. Oktober 2003, neuere Statistiken seien nicht ermittelt worden, obwohl solche existieren. – Die Klägerin reicht insoweit Auszüge aus dem Bericht über die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen im öffentlichen Dienst des Bundes vom 22. März 2006 ein (Anlage B1, Bl. 173 bis 207 der Akte). – Der Beklagtenvertreter habe im Termin die Behauptung aufgestellt, es gebe einen ganz aktuellen Bericht über die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen im B.. Es wäre die Pflicht der Beklagten aus § 81 SGB IX gewesen, diesen Bericht vorzulegen, da die Beklagte ihre Beschäftigungsquote nachweisen müsse. Das Gericht hätte ausgehend von seiner Auffassung zu § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX Beweis erheben müssen. Das Gericht habe ihre überzeugende Darstellung, dass auch gezielt nach ihren Erkrankungen und der Behinderung gefragt worden sei, nicht beachtet. Mit der Frage im Vorstellungsgespräch, ob sie spezielle Hilfsmittel bei der Ausübung der angestrebten Tätigkeit benötige, ob sie in der Lage sei, Überstunden zu leisten, sei sie im Ergebnis ausgeforscht worden. Hierdurch sei versucht worden, den Grund der Behinderung zu erforschen. Bereits vor dem Vorstellungsgespräch habe ein verbaler Angriff durch die Behindertenbeauftragte Frau L. stattgefunden, die Frau R. im aggressiven Ton gefragt habe, wer sie sei, was sie wolle und ermahnt habe, dass Frau R. sich nicht zur Teilnahme gemeldet habe. Die Klägerin meint, sie habe Indizien, die eine Benachteiligung vermuten lassen, dargelegt und bewiesen. Sie sei offensichtlich wegen ihres Alters und ihrer Behinderung benachteiligt worden. Um beurteilen zu können, ob der Beurteilungsspielraum nach Art. 33 Abs. 2 GG gewahrt sei, müssten die Gründe, die zur Ablehnung führten, von der Behörde mitgeteilt werden oder wenigstens müsse Akteneinsicht gewährt werden. Beides sei nicht geschehen. Indizien für die Diskriminierung seien auch: Es sei eine jüngere Bewerberin vorgezogen worden, die zurzeit weder aus dem Öffentlichen Dienst gekommen sei, da diese geringere Bezüge erhalte und hinsichtlich der Kündigungszeit und anderer Kriterien flexibler zu handhaben sei, obwohl ältere Bewerberinnen wesentlich bessere Berufserfahrungen haben. Die Beklagte habe nur auf die Noten der Bewerber abgestellt, daneben sei aber auch die Berufserfahrung zu berücksichtigen. Die Beklagte habe gegen das Prinzip der Bestenauslese verstoßen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 19. Mai 2011 – 59 Ca 19231/10 – die Beklagte und Berufungsbeklagte zu verurteilen, an die Klägerin und Berufungsklägerin eine angemessene Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens aber in Höhe von 7.500,00 Euro, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. Oktober 2010 zu zahlen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt unter Wiederholung ihres Vorbringens das erstinstanzliche Urteil. Sie meint ferner, durch die von der Klägerin vorlegten Statistiken werde ihr Vortrag zur Erfüllung der Beschäftigungsquote gerade unterstützt. Die Auswahlentscheidung sei allein unter Beachtung der Kriterien Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung erfolgt. Frau N. sei nach diesen Kriterien besser als die Klägerin für die Stelle qualifiziert gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung und die Sitzungsniederschriften beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A. Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b ArbGG statthaft und gemäß §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519 Abs. 1 und Abs. 2, 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden.

B. Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung zu.

I. Die Klage ist zulässig.

1. Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin die Höhe der von ihr begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts gestellt hat. Nach § 15 Abs. 2 AGG kann eine angemessene Entschädigung in Geld verlangt werden. Dem Gericht wird damit hinsichtlich der Höhe der Entschädigung ein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Steht dem Gericht ein solcher hinsichtlich der Entschädigungshöhe zu bzw. hängt die Bestimmung eines Betrages vom billigen Ermessen des Gerichts ab, ist ein unbezifferter Zahlungsantrag zulässig. Die Klägerin muss allerdings Tatsachen, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrages heranziehen soll, benennen und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angeben (vgl. BAG 28. April 2011 – 8 AZR 515/10 – Rn. 17, NJW 2011, 2458; 22. Oktober 2009 – 8 AZR 642/08 – AP AGG § 15 Nr. 2 = EzA AGG § 15 Nr. 4).

2. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin hat einen Sachverhalt dargelegt, der dem Gericht die Festsetzung der Höhe einer Entschädigung ermöglicht, und Angaben zur Größenordnung dieser Entschädigung getätigt, in dem sie einen Mindestbetrag von 7.500,00 Euro fordert.

II. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung aus § 15 Abs. 2 AGG bzw. aus § 15 Abs. 2 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX.

1. Die Klägerin hat allerdings einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG innerhalb der Frist des § 15 Abs. 4 AGG schriftlich, nämlich mit Schreiben vom 25. Oktober 2010, gegenüber der Beklagten geltend gemacht und die Klagefrist des § 61b Abs. 1 ArbGG eingehalten.

2. Die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch liegen aber nicht vor.

a) Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG kann der oder die Beschäftigte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Der Entschädigungsanspruch setzt einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG voraus. Dies stellt § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG zwar nicht ausdrücklich klar, ergibt sich aber aus dem Gesamtzusammenhang der Bestimmungen in § 15 AGG. Gemäß § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale benachteiligt werden (BAG 28. April 2011 – 8 AZR 515/10 – Rn. 21, NJW 2011, 2458; 17. Dezember 2009 – 8 AZR 670/08 – Rn. 14, NZA 2010, 383; 22. Januar 2009 – 8 AZR 906/07 – mwN, EzA § 15 AGG Nr. 1). Nach § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX in der ab 18. August 2006 geltenden Fassung dürfen Arbeitgeber schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Nach § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX gelten hierzu die Regelungen des ebenfalls am 18. August 2006 in Kraft getretenen AGG. Ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 81 Abs. 2 SGB IX begründet nach § 15 Abs. 2 AGG iVm. § 81 Abs. 2 SGB IX einen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung in Geld wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist (BAG 19. August 2010 – 8 AZR 370/09 – Rn. 21, NZA 2011, 200).

b) Die Beklagte hat weder gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG noch gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 81 Abs. 2 SGB IX verstoßen.

aa) Die Klägerin ist Beschäftigte iSd. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG, weil sie Arbeitnehmerin der Beklagten ist und sich im Übrigen auf eine von der Beklagten ausgeschriebene Stelle beworben hat. Die Beklagte ist Arbeitgeberin ISv. § 6 Abs. 2 AGG.

bb) Die Klägerin beruft sich auf eine unmittelbare Benachteiligung aus Gründen ihrer Schwerbehinderung und ihres Alters. Sie hat allerdings keine Indizien vorgetragen, die vermuten lassen, dass die Beklagte gegen das Benachteiligungsverbot nach § 7 Abs. 1 AGG bzw. § 81 Abs. 2 SGB IX verstoßen hat.

(1) Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

(2) Zugunsten der Klägerin wird davon ausgegangen, dass sie eine weniger günstige Behandlung erfahren hat als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation, weil ihre Bewerbung anders als die von Frau M. N. abgelehnt wurde.

(3) Die Klägerin hat aber nicht in ausreichender Weise dargelegt, dass sie die weniger günstige Behandlung wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe oder wegen ihrer Schwerbehinderung erfahren hat.

(a) Der in § 3 Abs. 1 AGG bzw. § 3 Abs. 1 AGG iVm. § 81 Abs. 2 SGB IX geforderte Kausalzusammenhang zwischen dem Nachteil und dem Diskriminierungsmerkmal ist gegeben, wenn die Ungleichbehandlung an einen der in § 1 AGG genannten oder mehrerer der in § 1 AGG genannten Gründe oder an die Schwerbehinderung anknüpft oder durch sie motiviert ist. Ausreichend ist, dass das Diskriminierungsmerkmal Bestandteil eines Motivbündels ist, das die Entscheidung beeinflusst hat. Auf ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an (vgl. BAG 19. August 2010 – 8 AZR 530/09 – Rn. 54, NZA 2010, 1412; 22. Januar 2009 – 8 AZR 906/07 – AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1).

(b) Nach der allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregel muss grundsätzlich derjenige, der einen Anspruch geltend macht, die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegen und beweisen (BAG 17. August 2010 – 9 AZR 839/08 – Rn. 32, NZA 2011, 153). Zu den anspruchsbegründenden Tatsachen gehört auch die Kausalität zwischen dem Nachteil und einem der in § 1 AGG genannten Gründe bzw. zwischen dem Nachteil und der Schwerbehinderung. Hinsichtlich der Kausalität zwischen Nachteil und dem verpönten Merkmal ist in § 22 AGG eine Beweislastregelung getroffen, die sich auch auf die Darlegungslast auswirkt. Der Beschäftigte genügt danach seiner Darlegungslast, wenn er Indizien vorträgt, die seine Benachteiligung wegen eines verbotenen Merkmals vermuten lassen. Dies ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen dieses Merkmals erfolgt ist. Durch die Verwendung der Wörter „Indizien“ und „vermuten“ bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass es hinsichtlich der Kausalität zwischen einem der in § 1 AGG genannten Gründe und einer ungünstigeren Behandlung genügt, Hilfstatsachen vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität zulassen, die aber die Annahme rechtfertigen, dass die Kausalität gegeben ist (BAG 19. August 2010 – 8 AZR 530/09 – Rn. 55, NZA 2010, 1412; 20. Mai 2010 – 8 AZR 287/08 (A) – NZA 2010, 1006). Die Würdigung, ob der Anspruchssteller der durch § 22 AGG modifizierten Darlegungslast genügt hat, unterliegt der freien Überzeugung des Tatsachengerichts nach § 286 Abs. 1 ZPO wie dies hinsichtlich der Erbringung des „Vollbeweises“ durch die darlegungs- und beweispflichtige Partei der Fall ist (BAG 17. Dezember 2009 – 8 AZR 670/08 – Rn. 20, NZA 2010, 383; zu § 611a BGB aF: BAG24. April 2008 – 8 AZR 257/07 – AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6). Werden von dem Arbeitnehmer, der eine Benachteiligung geltend macht, Hilfstatsachen vorgetragen, die jeweils für sich allein betrachtet nicht ausreichen, um die Vermutungswirkung des § 22 AGG herbeizuführen, ist vom Tatsachengericht eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, ob diese Hilfstatsachen zur Begründung der Vermutungswirkung geeignet sind (BAG 22. Juli 2010 – 8 AZR 1012/08 – Rn. 83, DB 2011, 177; vgl. zu § 611a BGB aF: BAG 24. April 2008 – 8 AZR 257/07 – AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6). Liegt eine Vermutung für die Benachteiligung vor, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat (BAG 19. August 2010 – 8 AZR 530/09 – Rn. 55, NZA 2010, 1412; 17. Dezember 2009 – 8 AZR 670/08 – EzA AGG § 15 Nr. 6).

(c) Die Klägerin hat keine Hilfstatsachen vorgetragen, die für sich betrachtet oder jedenfalls aufgrund einer Gesamtbetrachtung die Vermutungswirkung des § 22 AGG herbeiführen.

(aa) Aus § 22 AGG ergibt sich, dass es nicht ausreichend für ein schlüssiges Klagevorbringen ist, wenn diejenige Person, die sich auf eine Benachteiligung beruft, im Prozess lediglich vorträgt, sie habe sich beworben, sei unberücksichtigt geblieben, erfülle das in der Ausschreibung geforderte Anforderungsprofil und habe wegen der Schwerbehinderung bzw. wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale eine ungünstigere Behandlung als eine andere Person erfahren (vgl. auch BAG 20. Mai 2010 – 8 AZR 287/08 (A) – Rn. 16, 18, NZA 2010, 1006). Daher genügt der Vortrag der Klägerin, sie erfülle die Anforderungen für die ausgeschriebene Stelle und sie sei wegen ihrer Schwerbehinderung bzw. ihres Alters nicht berücksichtigt worden, nicht.

(bb) Als Vermutungstatsachen für einen Zusammenhang mit der Behinderung kommen Pflichtverletzungen in Betracht, die der Arbeitgeber begeht, indem er Vorschriften nicht befolgt, die zur Förderung der Chancen schwerbehinderter Menschen geschaffen wurden (Düwell in LPK-SGB IX 2. Aufl. § 81 Rn. 50; vgl. auch BAG 28. April 2011 – 8 AZR 515/10 – Rn. 43 mwN, NJW 2011, 2458, wonach Verstöße gegen ausschließlich zugunsten behinderter Arbeitnehmer bestehende Verpflichtungen ein Indiz iSd. § 22 AGG für eine unzulässige Benachteiligung Behinderter darstellen können).

(aaa) Dem Vortrag der Klägerin lässt sich nicht entnehmen, dass die Beklagte ihre Pflicht nach § 81 Abs. 1 Satz 2 SGB IX, frei werdende Stellen frühzeitig zu melden und mit der Agentur für Arbeit wegen der Vermittlung arbeitsloser und arbeitsuchender schwerbehinderter Menschen Verbindung aufzunehmen, und ihre Pflicht nach § 82 SGB IX, die schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch zu laden, verletzt hat (vgl. zur Vermutungswirkung bei entsprechenden Pflichtverletzungen BAG 12. September 2006 – 9 AZR 807/05 – Juris-Rn. 22f, BAGE 119; 262, vgl. auch BAG 18. November 2008 – 9 AZR 643/07 – Rn. 48, NZA 2009, 728). Aus den von der Beklagten eingereichten Unterlagen ergibt sich, dass diese die freie Stelle der Agentur für Arbeit gemeldet hatte und um einen Vermittlungsvorschlag gebeten hat. Die Beklagte wandte sich an die Agentur für Arbeit, bevor sie die Stelle auch auf ihrer Website ausschrieb. Die Beklagte ist ferner der Verpflichtung aus § 82 Satz 2 SGB IX nachgekommen, indem sie die Klägerin unstreitig zu einem Vorstellungsgespräch einlud und dieses auch durchführte.

(bbb) Die Klägerin hat selber nicht substantiiert eine Verletzung der Prüfpflicht aus § 81 Abs. 1 Satz 1, Satz 6 SGB IX dargelegt. Die Beklagte hat vielmehr vorgetragen, dass sie vor der Besetzung der Stelle geprüft habe, ob die freie Stelle mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden könne und auch die Agentur für Arbeit insoweit eingeschaltet habe. Diesem Vortrag ist die Klägerin nicht entgegengetreten, so dass der Vortrag nach § 138 Abs. 3 ZPO zugestanden ist.

(ccc) Die Klägerin hat des Weiteren keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Beklagte die Schwerbehindertenvertretung nicht über die Vermittlungsvorschläge und vorliegenden Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen entsprechend der Bestimmung nach § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX unterrichtet hat. Sie hat lediglich den diesbezüglichen Vortrag der Beklagten mit Nichtwissen bestritten. Dies genügt nicht. Vielmehr muss die Klägerin die Hilfstatsachen, aus denen sich die Vermutungswirkung ergeben soll, positiv vortragen. Dies gilt insbesondere aufgrund des Umstandes, dass die Klägerin tatsächlich zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden war, an dem auch die Schwerbehindertenvertretung des Deutschen B. teilgenommen hat. Für die Klägerin hatte demnach die Möglichkeit bestanden, Informationen darüber einzuholen, ob die sich aus § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX ergebenden Pflichten eingehalten worden sind.

(ddd) Die Klägerin hat auch nicht geltend gemacht, die Schwerbehindertenvertretung sei mit der Entscheidung, nicht die Klägerin für die zu besetzende Stelle auszuwählen, nicht einverstanden gewesen. Daher ist eine Verletzung der sich aus § 81 Abs. 1 Satz 7 und 8 SGB IX ergebenden Verpflichtungen nicht erkennbar.

(cc) Der Umstand, dass die Beklagte, vertreten durch den Deutschen B., der Klägerin die Gründe über die getroffene Entscheidung, nämlich nicht die Klägerin, sondern Frau N. einzustellen, nicht unverzüglich mitteilte, begründet nicht die Vermutungswirkung des § 22 AGG. Dieser Umstand ist auch im Rahmen einer Gesamtbetrachtung nicht geeignet eine Vermutungswirkung zu begründen, weil sich aus der fehlenden unverzüglichen Unterrichtung überhaupt keine Anhaltpunkte dafür ergeben, dass die Schwerbehinderung der Klägerin auch ein Grund für die Nichtberücksichtigung ihrer Bewerbung gewesen ist.

(aaa) Nach § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX hat der Arbeitgeber alle Beteiligten über die getroffene Entscheidung unter Darlegung der Gründe unverzüglich zu unterrichten. Zu den Beteiligten zählt auch der betroffene Bewerber (BAG 18. November 2008 – 9 AZR 643/07 – Rn. 50, NZA 2009, 728). Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob sich diese Regelung nur auf den Tatbestand des § 81 Abs. 1 Satz 7 SGB IX bezieht und damit nur die Fälle betrifft, in denen der Arbeitgeber seine Beschäftigungspflicht nicht erfüllt (so BAG 15. Februar 2005 – 9 AZR 635/03 – Juris-Rn. 39, BAGE 113, 361; LAG Hessen 28. August 2009 – 19/3 Sa 340/08 – Juris-Rn. 53, DÖD 2010, 79; zweifelnd BAG 18. November 2008 – 9 AZR 643/07 – Rn. 59, NZA 2009, 728; aA zB Düwell in Dau/Düwell/Joussen SGB IX 3. Aufl. § 81 Rn. 104; Gutzeit in BeckOK SGB IX Stand 1. September 2011 § 81 Rn. 7). Dahingestellt bleiben kann auch, ob eine Verletzung der sich aus § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX ergebenden Pflicht überhaupt geeignet ist, eine Indizwirkung iSd. § 22 AGG zu begründen (so LAG Hessen 7. November 2005 – 7 Sa 473/05 – Juris-Rn. 16, NZA-RR 2006, 312; zweifelnd LAG Mecklenburg-Vorpommern 8. September 2009 – 5 Sa 125/09 – Juris-Rn. 46).

(bbb) In dem die Beklagte in dem Schreiben vom 1. September 2010 die Gründe für ihre Entscheidung nicht näher darlegte, hat sie jedenfalls unabhängig vom Umfang der sich aus § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX ergebenden Verpflichtung objektiv keinerlei Anschein dafür gesetzt, dass die Schwerbehinderung der Klägerin bei der Entscheidungsfindung auch zum Nachteil der Klägerin mitberücksichtigt wurde. Angesichts der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15. Februar 2005 – 9 AZR 635/03 -, die bislang nicht ausdrücklich aufgegeben worden ist, kann für den Bewerber aufgrund der unterbliebenen unverzüglichen Unterrichtung über die Gründe für die getroffene Entscheidung ein Anschein, dass seine Chancen im Bewerbungsverfahren geschmälert wurden oder die Auskunft deshalb unterblieb, weil die Schwerbehinderung jedenfalls auch zu seinem Nachteil berücksichtigt wurde, überhaupt nur dann entstehen, wenn der Arbeitgeber die Beschäftigungsquote des § 71 SGB IX nicht erfüllte (vgl. auch LAG Hessen 28. August 2009 – 19/3 Sa 340/08 – Juris-Rn. 55, DÖD 2010, 79). Erfüllt der Arbeitgeber nämlich die Beschäftigungsquote nach § 71 SGB IX bzw. nach § 159 SGB IX, muss der Bewerber davon ausgehen, dass die Unterrichtung allein deshalb unterblieb, weil sich der Arbeitgeber unter Anwendung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht verpflichtet hält, entsprechende Informationen zu geben.

(ccc) Die Klägerin hat nicht substantiiert dargelegt, dass die Beklagte die sich aus § 71 SGB IX bzw. § 159 SGB IX ergebende Beschäftigungsquote nicht erfüllte oder davon ausgehen musste, dass sie die Quote nicht erfüllt. Die Beklagte hat unter Beweisantritt vorgetragen, dass sie im relevanten Zeitraum insgesamt 2.765 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigte, von denen 218 Personen als schwerbehindert anerkannt oder solchen Personen gleichgestellt sind. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Erfüllung der Beschäftigungsquote nachzuweisen oder aktuelle Statistiken vorzulegen. Es ist im Übrigen nicht erkennbar, weshalb eine von der Beklagten selbst aufgestellte Statistik aussagekräftiger sein soll als der hier im Prozess seitens der Beklagten erfolgte Vortrag zu den aktuellen Zahlen. Es obliegt vielmehr der Klägerin, die Indiztatsachen für eine Benachteiligung wegen ihrer Schwerbehinderung vorzutragen. Hierzu gehört auch die Nichterfüllung der Beschäftigungsquote, wenn die Klägerin aus der Verletzung des § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX eine Vermutungswirkung herleiten möchte. Nicht ausreichend ist daher ein einfaches Bestreiten der von der Beklagten dargelegten Zahlen. Die Klägerin hat keinerlei Indizien dafür vorgetragen, weshalb die von der Beklagten angegebenen Zahlen unzutreffend sein sollen, zumal sich auch aus den von der Klägerin eingereichten Statistiken ergibt, dass in der Verwaltung des Deutschen B. in den Jahren 2003 und 2006 die gemäß § 71 SGB IX geforderte Quote erreicht wurde. Die Klägerin trägt nicht vor, weshalb sie davon ausgeht, dass diese Quote im Sommer 2010 nicht mehr erreicht wurde. Die Klägerin hat noch nicht einmal angegeben, von welcher Quote ihrer Ansicht nach auszugehen ist.

(dd) Auch die mit Schreiben vom 10. Dezember 2010 erfolgte Ablehnung der Beklagten, die Auswahlentscheidung zu begründen, begründet keinerlei Anschein für eine Benachteiligung der Klägerin wegen ihrer Schwerbehinderung bzw. wegen ihres Alters.

(aaa) Die Beklagte wies die Klägerin unter Zitierung von Literaturstellen in dem Schreiben darauf hin, dass sie nicht verpflichtet sei, die Auswahlentscheidung zu begründen. Auch der Umstand, dass die Beklagte nicht bereit war, der Klägerin auf die schriftliche Aufforderung vom 25. Oktober 2010 die „Akte in Kopie“ zu überlassen, lässt in keiner Weise darauf schließen, dass die Schwerbehinderung der Klägerin oder ein in § 1 AGG genannter Grund bei der Auswahlentscheidung nachteilig mitberücksichtigt wurde. Die Beklagte war nicht verpflichtet, der Klägerin außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens Unterlagen, die das Bewerbungsverfahren und die Auswahlentscheidung betrafen, in Kopie zu überlassen. Eine Anspruchsgrundlage für die Überlassung solcher Kopien besteht nicht. Auch aus Art. 9 und Art. 10 der Richtlinie des Rates 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf folgt nicht, dass dem Bewerber außergerichtlich ein Anspruch auf Überlassung von Kopien einer Akte, in der Bewerbungsvorgänge oder die Auswahlentscheidung dokumentiert sind, gewährt werden muss (vgl. auch EuGH 21. Juli 2011 – C-104/10 – RIW 2011, 796, wonach Art. 4 der Richtlinie 76/207 oder Art. 1 Nr. 3 der Richtlinie 2002/73 dahin auszulegen sind, dass sie einem Bewerber für eine Berufsausbildung keinen Anspruch auf Einsichtnahme in im Besitz des Veranstalters dieser Ausbildung befindliche Informationen über die Qualifikationen der anderen Bewerber um diese Ausbildung verleihen, wenn dieser Bewerber meint, keinen Zugang zu dieser Ausbildung nach den gleichen Kriterien wie die anderen Bewerber gehabt zu haben und im Sinne von Art. 4 aufgrund des Geschlechts diskriminiert worden zu sein, oder wenn dieser Bewerber rügt, im Sinne von Art. 1 Nr. 3 aufgrund des Geschlechts in Bezug auf den Zugang zu dieser Berufsausbildung diskriminiert worden zu sein).

(bbb) Die Beklagte hat im Übrigen der Klägerin während des Rechtsstreits, nämlich mit Schriftsatz vom 25. Februar 2011, die Gründe für ihre Auswahlentscheidung mitgeteilt, und zwar unter Vorlage der aus Sicht der Beklagten maßgeblichen Dokumente. Auf diese Weise hat sie der Klägerin ermöglicht, im Prozess zu überprüfen, ob bei der Auswahlentscheidung auch ihre Schwerbehinderung bzw. ihr Alter berücksichtigt wurden. Daher bedarf es hier auch keiner Entscheidung, ob und welche Auswirkungen eine Verweigerung von Informationen durch die Beklagte auf die Darlegungslast der Klägerin gemäß § 22 AGG hat (vgl. hierzu auch die Vorlage des Bundesarbeitsgerichts an den Gerichtshof der Europäischen Union vom 20. Mai 2010 – 8 AZR 287/08 (A) – NZA 2010, 1006; vgl. auch EuGH 21. Juli 2011 – C-104/10 – Rn. 39, RIW 2011, 796). Die von der Beklagten vorgebrachte Begründung der Auswahlentscheidung gibt ebenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass die Schwerbehinderung der Klägerin oder ein sonstiger in § 1 AGG genannter Grund im Bewerbungsverfahren jedenfalls mitberücksichtigt wurde.

(ee) Dem Vorbringen der Klägerin lassen sich auch im Zusammenhang mit dem Vorstellungsgespräch am 20. August 2010 keine Indiztatsachen für die Benachteiligung der Klägerin wegen ihrer Schwerbehinderung oder ihres Alters entnehmen.

(aaa) Allein der Umstand, dass die Schwerbehinderung in dem Vorstellungsgespräch angesprochen worden ist und die Klägerin von der Vertrauensfrau für Schwerbehinderte Frau L. gefragt wurde, ob sie spezielle Hilfsmittel bei der Ausübung der angestrebten Tätigkeit benötige und ob sie in der Lage sei, Überstunden zu leisten, lässt keinerlei Rückschluss darauf zu, dass die Schwerbehinderung der Klägerin im Bewerbungsverfahren in irgendeiner Weise nachteilig berücksichtigt wurde. Die Frage nach dem Vorliegen einer Schwerbehinderung stellt für sich gesehen nicht bereits eine Indiztatsache für eine Benachteiligung dar. Die Frage kann nämlich zB auch aus dem Grund gestellt werden, weil man bevorzugt Schwerbehinderte einstellen möchte (vgl. BAG 7. Juli 2011 – 2 AZR 396/10 – Rn. 43). Auch die Frage, ob die Klägerin Hilfsmittel benötigen würde oder ob sie in der Lage sei, Überstunden zu leisten, kann allein aus dem Grund gestellt worden sein, um bei ihrer Einstellung von vornherein Rücksicht auf ihre spezifischen Bedürfnisse nehmen zu können bzw. um zu prüfen, ob der Bewerber überhaupt in der Lage ist, die Arbeit zu erbringen. Der Umstand, dass die Klägerin bereits in ihrem Bewerbungsschreiben auf ihre bestehende Schwerbehinderung und ihre Belastbarkeit hingewiesen hat, lässt insoweit keine andere Beurteilung zu. Denn zum einen kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Inhalt des Bewerbungsschreibens dem Fragesteller nicht mehr vollständig präsent war. Zum anderen ist es völlig üblich, auch die bereits in den Bewerbungsunterlagen mitgeteilten Informationen noch einmal in dem Vorstellungsgespräch anzusprechen, um auf diese Weise einen persönlichen Eindruck zu bekommen und eventuelle Missverständnisse auszuräumen.

(bbb) Die Klägerin hat auch nicht substantiiert vorgetragen, dass in dem Vorstellungsgespräch tatsächlich nach dem Grund ihrer Behinderung gefragt wurde. Die Klägerin legt nicht dar, welche Person eine solche Frage in welchem Zusammenhang gestellt haben soll. Wie sich aus ihrem Schriftsatz vom 18. August 2011, Seite 5 (Bl. 171 der Akte) ergibt, schließt die Klägerin vielmehr aus dem Umstand, dass sie gefragt wurde, ob sie spezielle Hilfsmittel bei der Ausübung der angestrebten Tätigkeit benötige und ob sie in der Lage sei, Überstunden zu leisten, dass sie im Ergebnis ausgeforscht und hierdurch versucht worden sei, den Grund der Behinderung zu erfragen. Wie sich aus den obigen Ausführungen aber ergibt, bewirken diese Fragen keine Indizwirkung für eine Benachteiligung.

(ccc) Die Klägerin hat auch die Art und Weise der Fragestellung, die ihre Behinderung bzw. Krankheit betreffen, nicht näher dargestellt. Sie hat weder konkretisiert, in welchem Zusammenhang diese Fragen an sie gerichtet worden sein sollen noch hat sie geschildert, wie oft ihr diese Fragen gestellt worden sein sollen. Die Klägerin hat auch ihre Antworten auf diese Fragen nicht geschildert. Daher gibt es auch insoweit keine Anzeichen dafür, dass sich ihre Schwerbehinderung nachteilig auf das Bewerbungsverfahren oder die Auswahlentscheidung auswirkte.

(ddd) Die nach dem Vortrag der Klägerin von Frau L. an Frau R. vor Beginn des Vorstellungsgespräches gerichteten Fragen bzw. die getätigte Äußerung lassen ebenfalls in keiner Weise auf eine Diskriminierung der Klägerin wegen ihrer Schwerbehinderung schließen. Die Fragen sind verständlich, da ein Bewerber normalerweise allein zu einem Vorstellungsgespräch erscheint. Der Hinweis, dass sich Frau R. offenbar nicht zur Teilnahme angemeldet hatte, ist offenbar richtig, anderes behauptet auch die Klägerin nicht. Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich im Übrigen, dass Frau R. an dem Gespräch teilnehmen konnte. Die Klägerin hat auch nicht dargelegt, dass dieses Ansinnen von der Beklagten in Frage gestellt worden war. Allein ein aggressiver Ton der Vertrauensfrau spricht nicht dafür, dass die Schwerbehinderung bei dem Vorstellungsgespräch nachteilig gewertet wurde.

(eee) Die Anzahl der an dem Vorstellungsgespräch teilnehmenden Personen lässt keinen Zusammenhang mit einem Diskriminierungsmerkmal erkennen. Die Klägerin hat auch nicht behauptet, dass an Vorstellungsgesprächen, die mit den anderen Bewerberinnen durchgeführt wurden, weniger Personen seitens der Beklagten teilnahmen. Da die Klägerin zuvor nicht in der Verwaltung des Deutschen B. beschäftigt war, kann aus dem Umstand, dass ein Vorstellungsgespräch unter Beteiligung der dort für die Entscheidungsfindung maßgebenden Personen stattfand, in keiner Weise auf eine Diskriminierung der Klägerin geschlossen werden.

(ff) Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass die Beklagte bei der Auswahlentscheidung Art. 33 Abs. 2 GG verletzt hat. Auch nach ihrem Vortrag ist nicht erkennbar, dass sie aufgrund ihrer Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung besser oder jedenfalls gleich gut für die ausgeschriebene Stelle in Betracht kam wie Frau N.. Eine längere Berufserfahrung rechtfertigt in keiner Weise die Annahme, der Bewerber sei besser geeignet oder besser befähigt als eine Person mit kürzerer Berufserfahrung. Die Dauer der Berufstätigkeit sagt nämlich weder etwas über die Qualität der erbrachten Leistung noch über die konkrete Eignung oder die tatsächlich erworbenen Befähigungen etwas aus. Zu ihren dienstlichen Beurteilungen im Arbeitsverhältnis mit der Beklagten trägt die Klägerin nicht konkret vor. Im Übrigen begründet allein die Nichtbeachtung der nach Art. 33 Abs. 2 GG maßgeblichen Kriterien kein Indiz für eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung oder eines in § 1 AGG genannten Grundes. Denn die unter Missachtung des Art. 33 Abs. 2 GG getroffene Einstellungsentscheidung kann auch auf Erwägungen beruhen, die mit den in § 1 AGG genannten Gründen oder mit einer bestehenden Schwerbehinderung in keinerlei Zusammenhang stehen, nämlich zB auf persönlichen Kontakten bzw. einer zwischen dem Bewerber und der für die Auswahlentscheidung verantwortlichen Person bestehenden Freundschaft. Der Vortrag der Klägerin, es bestehe der Verdacht, dass es bereits vor der Bewerbung von Frau N. eine Verbindung zwischen Frau N. und der Vizepräsidentin des Deutschen B., Frau P. P., gegeben habe und sie vermutlich nur zum Schein zu dem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei, spricht gerade dafür, dass ihre Schwerbehinderung und/oder ihr Alter nicht mitursächlich für die Entscheidung war, Frau N. und nicht die Klägerin einzustellen.

(gg) Wie bereits ausgeführt, reicht es für die Vermutungswirkung nicht aus, wenn die Klägerin vorträgt, sie sei für die ausgeschriebene Stelle geeignet gewesen und Frau N. sei eingestellt worden, weil sie jünger als die Klägerin und nicht behindert sei. Es gibt auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der erhöhte Kündigungsschutz für Behinderte oder das Alter der Klägerin in irgendeiner Weise bei der Auswahlentscheidung von Bedeutung gewesen sind. Genauso wenig gibt es irgendein Anzeichen dafür, dass bei der Entscheidung, mit welcher Person die Stelle zu besetzen ist, das Alter der Bewerberinnen eine Rolle gespielt hat. Zum einen kann allein aus dem Umstand, dass die Beklagte die Vorschriften des Tarifrechts anwenden möchte, und dass möglicherweise Frau N. nach den Bestimmungen des TVöD ein geringeres Entgelt als die Klägerin aufgrund ihres Besitzstandes beanspruchen kann, und dass für ein mit Frau N. begründetes Arbeitsverhältnis gegebenenfalls nach den tariflichen Vorschriften kürzere Kündigungsfristen gelten, geschlossen werden, dass es für die Verwaltung des Deutschen B. überhaupt darauf ankam, welche konkreten Beträge als Gehalt zu zahlen sind bzw. welche Kündigungsfristen gelten. Zum anderen kann aus einer beabsichtigten Anwendung von tariflichen Vorschriften, die im Übrigen hinsichtlich der Entgelts und der Kündigungsfristen nicht mehr nach dem Lebensalter differenzieren und auch hinsichtlich der Überleitungsvorschriften nicht gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen (vgl. auch EuGH 8. September 2011 – C-297/10 –), nicht auf eine Benachteiligung eines Bewerbers geschlossen werden.

(hh) Nicht ansatzweise ist erkennbar, dass das B. negativ auf das Bewerbungsverfahren Einfluss genommen hat. Soweit die Klägerin wiederholt auf das Schreiben vom 8. Dezember 2009 verweist, kann offen bleiben, ob dieses Schreiben bei der Verwaltung des Deutschen B. eingegangen ist. Denn selbst wenn dies der Fall war, kann daraus nicht geschlossen werden, dass der Inhalt dieses Schreibens Einfluss auf das Bewerbungsverfahren bezogen auf die ausgeschriebene Stelle eines Zweitsekretärs/einer Zweitsekretärin beim Deutschen B. hatte. Denn in dem Schreiben ist der Name der Klägerin nicht erwähnt. Dem Schreiben war auch lediglich ein anonymisierter Personalbogen beigefügt. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass eine in der Verwaltung des Deutschen B. beschäftigte Person, die in die Auswahlentscheidung über die im Juni 2010 ausgeschriebene Stelle einbezogen war, erkannt hatte, dass die mit Schreiben vom 8. Dezember 2009 erfolgte Anfrage, mit der im Übrigen das B. offensichtlich seiner Verpflichtung aus dem betrieblichen Eingliederungsmanagement nachkommen wollte, gerade die Klägerin betraf. Auch ansonsten hat die Klägerin keinerlei Tatsachen vorgetragen, die darauf schließen lassen, dass vor Beginn dieses Rechtsstreites seitens des B. auf die Verwaltung des Deutschen B. eingewirkt wurde, um eine Einstellung der Klägerin wegen ihrer Behinderung oder ihres Alters zu verhindern.

(ii) Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich nicht, dass sie sich im Personalüberhang befunden hat. Dafür würde nicht genügen, wenn ihre Stelle beim B. wieder besetzt worden ist, weil sie krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage ist, ihre Arbeit beim B. zu leisten. Im Übrigen würde eine Verletzung des § 19 HG 2011, wonach freie Planstellen und Stellen in erster Linie mit Bediensteten zu besetzen sind, die wegen Aufgabenrückgangs oder wegen der Auflösung der Behörde entbehrlich geworden sind, keinerlei Indizwirkung für eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung der Klägerin bzw. wegen ihres Alters auslösen. Denn diese Vorschrift verfolgt nicht den Zweck, unzulässige Benachteiligungen Behinderter oder älterer Personen zu vermeiden, sondern möchte vermeiden, dass der Haushalt durch Neueinstellungen belastet wird, obwohl geeignete Fachpersonal bereits vorhanden ist.

(jj) Eine Verletzung der Verpflichtung aus § 84 Abs. 1 SGB IX hat die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen. Sie hat des Weiteren einen Zusammenhang zwischen einer Verletzung einer solchen Pflicht und der Ablehnung ihrer Bewerbung durch die Verwaltung des Deutschen B. nicht dargelegt. Ein Verstoß gegen § 84 Abs. 2 SGB IX begründet kein Indiz iSd. § 22 AGG für eine unzulässige Benachteiligung Behinderter (vgl. BAG 28. April 2011 – 8 AZR 515/10 – Rn. 43, NJW 2011, 2458).

(kk) Auch bei einer Gesamtbetrachtung des klägerischen Vortrages ergibt sich nicht das Vorliegen einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für eine Benachteiligung der Klägerin wegen ihrer Behinderung und/oder ihres Alters. Es gibt nämlich keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Diskriminierungsmerkmal mitursächlich für die Entscheidung war, die Bewerbung der Klägerin abzulehnen.

cc) Eine mittelbare Diskriminierung macht die Klägerin nicht geltend.

III. Es kann dahinstehen, ob das erstinstanzliche Urteil an Verfahrensmängeln leidet, zu solchen würde ua. gehören, dass die angegriffene Entscheidung durch ein nicht ordnungsgemäß besetztes Gericht ergangen ist oder dass das rechtliche Gehör verletzt wurde. Nach § 68 Abs. 1 ArbGG ist eine Zurückweisung wegen eines Verfahrensmangels nämlich unzulässig. Selbst bei fehlenden Entscheidungsgründen kommt eine Zurückweisung nicht in Betracht, sondern das Berufungsgericht hat in diesem Falle die vollständige Sachaufklärung vorzunehmen (vgl. BAG vom 24. April 1996 – 5 AZN 970/95 – Juris-Rn. 4, NZA 1997, 176; LAG Berlin-Brandenburg 15. März 2011 – 12 Sa 2395/10-). Eine Abänderung des erstinstanzlichen Urteils ist nur möglich, wenn der Klägerin tatsächlich ein Entschädigungsanspruch zustehen würde. Dies ist aber nicht der Fall, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt.

C Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

D. Die Revision wurde gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

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