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Entschädigungszahlung – Benachteiligung wegen Alters bei einer Bewerbung

Landesarbeitsgericht Hamburg, Az.: 5 Sa 56/13, Urteil vom 19.03.2014

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 25.7.2013 – 23 Ca 10/13 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung einer Entschädigung nach dem AGG wegen einer Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters bei einer Bewerbung.

Entschädigungszahlung - Benachteiligung wegen Alters bei einer Bewerbung
Symbolfoto: Von Photographee.eu/Shutterstock.com

Die Beklagte ist eine in England und Wales eingetragene L. Li. P., eine Anwaltspartnerschaftsgesellschaft nach englischem Recht. Die Beklagte besteht aus zwei Partnern und beschäftigt drei angestellte Anwälte. Einer der Partner ist britischer Staatsbürger und in England aufgewachsen und hat in London 7 Jahre gearbeitet. Herr Dr. Lo. hat 10 Jahre in internationalen Großkanzleien im Bereich Mergers & Aquisitions in Deutschland gearbeitet. Die Beklagte berät vorrangig englischsprachige Mandanten bzw. Mandanten mit internationaler Ausrichtung und auch die interne Kanzleikommunikation ist vorrangig in Englisch gehalten. Der Beratungsschwerpunkt der Beklagten liegt dabei auf internationalen Transaktionen und Verträgen.

In der Neuen Juristischen Wochenschrift 2012, Heft 46, vom 08.11.2012 erschien eine Stellenanzeige der Beklagten (Anlage K 1, Bl. 5 d. A.), in der es heißt:

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Der 1953 geborene Kläger ist seit März 1988 Einzelanwalt in R.. Die erste juristische Staatsprüfung absolvierte der Kläger am 29. Mai 1979 in B.-W. mit der Note befriedigend und die zweite juristische Staatsprüfung am 2. Februar 1983 ebenfalls in B.-W. mit der Note befriedigend. Der Kläger ist promoviert. Ausweislich des Abiturzeugnisses des Klägers vom 8. Juni 1973 (Anlagenkonvolut B 1, Bl. 21, 23 d. A.) hatte der Kläger den Englischunterricht bereits vor Beginn der 12. Klasse mit der Note „ausreichend“ abgeschlossen.

Der Kläger bewarb sich mit einer E-Mail vom 15. November 2012 (Anlagenkonvolut B 1, Bl. 18 ff. d. A.) unter Beifügung von Bewerbungsunterlagen – einschließlich seines Abiturs – bei der Beklagten auf die ausgeschriebene Stelle. Darin heißt es u.a.

„…

Gute Englischkenntnisse und Teamfähigkeit sind selbstverständlich.“

Mit einer E-Mail vom 29. November 2012 (Anlage K 3, Bl. 6 d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er nicht in die engere Auswahl einbezogen worden sei, da es andere Bewerber gegeben habe, die dem Anforderungsprofil mehr entsprochen hätten. Mit Schreiben vom 30. November 2012 (Anlage K 4, Bl. 7 f. d. A.) rügte der Kläger seine Benachteiligung wegen seines Alters und machte eine Entschädigung in Höhe von € 10.000,00 und Schadensersatz in Höhe von € 50.000,00 sowie die Erstattung anwaltlicher Gebühren und Auslagen in Höhe von € 1.761,08 einschließlich Mehrwertsteuer geltend.

Die ausgeschriebene Stelle besetzten die Beklagten mit Herrn Rechtsanwalt O. W.. Ausweislich des Xing-Profils von Herrn W. bezeichnet dieser seine Englischkenntnisse als „fließend“ (Anlage K 5, Bl. 38 d. A.).

Mit seiner am 7. Januar 2013 bei Gericht eingegangenen Klage begehrte der Kläger zunächst Auskunft über die Vergütung der ausgeschriebenen Stelle sowie eine Entschädigung und Schadensersatz. Der Kläger schätzt die Jahresvergütung der ausgeschriebenen Stelle auf € 60.000,00.

Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagten hätten ihn wegen seines Alters nicht berücksichtigt. Das ergebe sich aus der Stellenanzeige wegen der erwarteten Berufserfahrung von nur 1 – 3 Jahren und der vorgesehenen Mitarbeit in einem jungen und dynamischen Team. Bei diskriminierungsfreier Auswahl hätte er die Stelle erhalten müssen. Er sei auch vergleichbar mit dem eingestellten Herrn W., der nicht „verhandlungssicher“ Englisch spreche.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Entschädigung nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger sei für die ausgeschriebene Stelle objektiv nicht geeignet gewesen, da er – unstreitig – nicht über verhandlungssichere Englischkenntnisse verfüge. Der Kläger verfüge auch nicht über die in der Bewerbung behaupteten „guten Englischkenntnisse“. Dies ergebe sich aus dem Abiturzeugnis. Die Bewerbung sei auch nicht ernst gemeint, sondern diene evident nur dazu, Entschädigungsansprüche nach § 15 Abs. 2 AGG zu erlangen. Die ausgeschriebene Stelle sei lediglich mit einem Jahresgehalt von maximal 35.000,00 € bis 40.000,00 € dotiert. Dementsprechend werde auch dem von der Beklagten eingestellten Bewerber O. W. derzeit nur ein Teilzeitgehalt von 2.000,00 € brutto monatlich gezahlt.

Durch das dem Kläger am 5. August 2013 zugestellte Urteil vom 25. Juli 2013, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die am 23. September 2013 eingelegte und mit am 28. August 2013 beim Landesarbeitsgericht Hamburg eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung des Klägers.

Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Das angefochtene Urteil verkenne den Unterschied zwischen der objektiven Eignung einerseits und der fachlichen und persönlichen Qualifikation andererseits. Die Englischkenntnisse gehörten zur letzteren Kategorie. Die mögliche bessere Eignung anderer Bewerber schließe eine Diskriminierung nicht aus. Er habe grundsätzlich Englischkenntnisse. Soweit er in der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht erklärt habe, dass er „kein ganz fließendes Englisch“ spreche, handele es sich um angelsächsisches Understatement.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hamburg vom 25. Juli 2013 – 23 Ca 10/13 – die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Entschädigung nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Wenn der Kläger behaupte, auf Grundlage von lediglich wenigen Jahren Pflichtschulunterricht im Englischen, welchen er bereits vor Beginn der 12. Klasse, d.h. vor mehr als 41 Jahren, mit der Note „ausreichend“ abgeschlossen habe, problemlos auch englischsprachige Mandate in einer international ausgerichteten Wirtschaftskanzlei bearbeiten zu können, sei das absurd.

Die Bewerbung des Klägers sei nicht ernst gemeint, vielmehr missbräuchlich, wie sich aus den Indizien – Vielzahl seiner Klagen, Bewerbung nur auf missverständliche Anzeigen, standardisiertes Bewerbungsschreiben, Vergabe eines Aktenzeichens, unmittelbare Geltendmachung von Ansprüchen nach Ablehnung usw. – ergebe. Sie verweist auf das Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 31. Oktober 2013 (21 Sa 1380/13), das ihre Auffassung bestätige.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien, ihrer Beweisantritte und der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung des Klägers ist gemäß § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft und im Übrigen form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden und damit zulässig (§§ 64Abs. 6, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

Mit ausführlicher, überzeugender Begründung hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Dem folgt das Berufungsgericht.

Die Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegenüber den Beklagten auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen Altersdiskriminierung.

1. Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Antrag ist zulässig. Der Antrag des Klägers ist hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger durfte die Höhe der von ihm begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts stellen. Dies folgt aus § 15 Abs. 2 S. 1 AGG, der für einen Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld vorsieht. Dem Gericht wird insoweit bei der Bestimmung der Höhe der Entschädigung ein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Deshalb ist eine Bezifferung des Antrages nicht notwendig. Die vom Kläger benannten Tatsachen, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrages heranziehen soll, und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung sind hinreichend angegeben.

2. Der Antrag des Klägers ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht einen Anspruch des Klägers nach § 15 Abs. 2 AGG auf Entschädigung abgelehnt, weil er nicht wegen Alters diskriminiert worden ist.

Gemäß § 15 Abs. 2 S. 1 AGG in Verbindung mit § 15 Abs. 1 S. 1 AGG kann ein Beschäftigter, der z. B. bei einer Einstellungsentscheidung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt wird, wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Auch das Alter gehört zu den in § 1 AGG genannten Gründen. Nach § 15 Abs. 2 S. 2 AGG ist die Höhe der Entschädigung auf drei Monatsgehälter beschränkt, wenn der benachteiligte Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

a) Die Frist zur Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen (zwei Monate seit der am 29. November 2012 erfolgten Ablehnung seiner Bewerbung gemäß § 15 Abs. 4 AGG) hat der Kläger mit seiner am 30. November 2012 erfolgten schriftlichen Geltendmachung seiner Ansprüche eingehalten. Die Frist zur Klageerhebung (drei Monate seit der schriftlichen Geltendmachung gemäß § 61 b Abs. 1 ArbGG) hat der Kläger mit seiner den Beklagten am 16. Januar 2014 zugestellten Klage vom 3. Januar 2014 eingehalten.

b) Der Kläger fällt als „Beschäftigter“ im Sinne des AGG unter den persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG gelten als Beschäftigte auch Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis. Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG ist Arbeitgeber im Sinne des Gesetzes, wer „Personen nach Abs. 1“ des § 6 AGG „beschäftigt“. Arbeitgeber ist also jedenfalls derjenige, der um Bewerbungen für ein von ihm angestrebtes Beschäftigungsverhältnis nachsucht (BAG vom 26.09.2013, 8 AZR 650/12; BAG vom 19.08.2010, 8 AZR 466/09).

c) Eine Benachteiligung wegen des Alters kann nach § 3 Abs. 1 und 2 AGG nicht nur unmittelbar erfolgen, indem die Auswahlentscheidung unmittelbar an das Alter anknüpft, ohne dass dies gerechtfertigt ist, sondern auch mittelbar, indem Personen einer bestimmten Altersgruppe durch den Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sehr viel häufiger negativ betroffen sind als Personen einer anderen Altersgruppe, ohne dass dies durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Jedoch ist stets Voraussetzung dass sich die benachteiligten und begünstigten Personen in einer vergleichbaren Situation befinden.

Das Vorliegen einer „vergleichbaren Situation“ setzt zunächst voraus, dass der Kläger objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet war, denn vergleichbar (nicht gleich) ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen (BAG vom 26.09.2013, aaO.; BAG vom 13.10.2011, 8 AZR 608/10). Für das Vorliegen einer Benachteiligung ist es nämlich erforderlich, dass eine Person, die an sich für die Tätigkeit geeignet wäre, nicht ausgewählt oder schon nicht in Betracht gezogen wurde. Könnte auch ein objektiv ungeeigneter Bewerber immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangen, stünde dies nicht im Einklang mit dem Schutzzweck des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (BAG vom 26.09.2013, aaO.). Jenes Gesetz will vor ungerechtfertigter Benachteiligung schützen, nicht aber eine unredliche Gesinnung des Arbeitgebers sanktionieren. Die objektive Eignung ist somit keine ungeschriebene Voraussetzung der Bewerbereigenschaft, sondern Kriterium der „vergleichbaren Situation“ (BAG vom 26.09.2013, aaO.).

Für die Beurteilung der objektiven Eignung ist nicht nur auf das formelle und bekannt gegebene Anforderungsprofil, das der Arbeitgeber erstellt hat, zurückzugreifen. Maßgeblich sind vielmehr die Anforderungen die der Arbeitgeber an einen Bewerber in redlicher Weise stellen durfte. Zwar vermag der Arbeitgeber über den einer Stelle zugeordneten Aufgabenbereich und die dafür geforderten Qualifikationen der Stelleninhabers grundsätzlich frei zu entscheiden. Durch überzogene Anforderungen, die nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung unter keinem nachvollziehbaren Gesichtspunkt durch die Erfordernisse der wahrzunehmenden Aufgaben gedeckt sind, darf er allerdings die Vergleichbarkeit der Situation nicht willkürlich gestalten und dadurch den Schutz des AGG de facto beseitigen (BAG, NZA 2012, 667).

Die objektive Eignung ist zu trennen von der individuellen fachlichen und persönlichen Qualifikation des Bewerbers, die nur als Kriterium der Auswahlentscheidung auf der Ebene der Kausalität zwischen Benachteiligung und verbotenem Merkmal einer Rolle spielt. Damit ist gewährleistet, dass der Arbeitgeber über den der Stelle zugeordneten Aufgabenbereich frei zu entscheiden hat, wie Art. 12 Abs. 1 GG es gebietet, aber nicht durch das Stellen hierfür nicht erforderlicher Anforderungen an Bewerber die Vergleichbarkeit der Situation selbst gestalten und den Schutz des AGG de facto beseitigen kann. Bewerber, die die auf der zu besetzenden Stelle auszuübenden Tätigkeiten grundsätzlich verrichten können, oder aber jede Voraussetzung des Anforderungsprofils zu erfüllen, bedürfen des Schutzes vor Diskriminierung, weil gerade Anforderungsprofile in Stellenanzeigen häufig Qualifikationen benennen, deren Vorhandensein der Arbeitgeber sich für den Idealfall zwar wünscht, die aber keinesfalls zwingende Voraussetzung einer erfolgreichen Bewerbung sind (BAG vom 19.08.2010, 8 AZR 466/09).

Der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der weniger günstigen Behandlung und dem Alter ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an das Alter anknüpft oder durch dieses motiviert ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund das ausschließliche Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist. Ausreichend ist vielmehr, dass das verpönte Merkmal Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die Entscheidung beeinflusst hat (BAG vom 24.01.2013, 8 AZR 429/11; BAG vom 26.09.2013, aaO.). Dabei genügt der Arbeitnehmer nach der Beweislastregel des § 22 AGG seiner Darlegungs- und Beweislast wenn er Indizien vorträgt und ggf. beweist, die seine Benachteiligung wegen des Alters vermuten lassen. Dies ist der Fall, wenn die vorgetragenen und ggf. bewiesenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen des Alters erfolgt ist (BAG, aaO.). Gelingt dies, trägt nach § 22 AGG der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorliegt.

d) Unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs ist ein Entschädigungsanspruch ausnahmsweise ausgeschlossen, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls davon auszugehen ist, dass es sich um keine ernsthafte Bewerbung handelt, sondern diese nur deshalb erfolgt ist, um einen Entschädigungsanspruch zu erlangen (BAG vom 24.1.2013, aaO.) Das Verbot des Rechtsmissbrauchs ist ein anerkannter Grundsatz des Gemeinschaftsrechts. Die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Ernsthaftigkeit der Bewerbung – also den Rechtsmissbrauch – liegt beim Arbeitgeber. Dieser muss Indizien vortragen, die geeignet sind, den Schluss auf die fehlende Ernsthaftigkeit zuzulassen (BAG vom 24.1.2013, aaO.). Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer eine Vielzahl von Entschädigungsklagen erhoben hat, ist für sich genommen noch kein ausreichender Grund für die Annahme, die Bewerbung sei nicht ernsthaft erfolgt. Vielmehr kann eine Vielzahl von Entschädigungsklagen auch damit zusammenhängen, dass die betreffende Person besonders häufig diskriminiert worden ist (LAG Berlin-Brandenburg vom 31.10.2013, 21 Sa 1380/13). Abgesehen davon, ist niemand daran gehindert, aus seiner Sicht bestehende Rechte auszuüben (BAG vom 21.07.2009, 9 AZR 431/08).

e) Unter Zugrundelegung der vorstehenden Grundsätze ist ein Anspruch des Klägers auf Entschädigung nicht gegeben.

aa). Die von der Beklagten in ihrer Anzeige geforderten nachweisbaren verhandlungssicheren Englischkenntnisse bilden eine redliche und angemessene Bedingung für eine Tätigkeit bei ihr, denn die Beklagte ist eine in England und Wales eingetragene L. Li. P., eine Anwaltspartnerschaftsgesellschaft nach englischem Recht. Die Beklagte berät vorrangig englischsprachige Mandanten bzw. Mandanten mit internationaler Ausrichtung und auch die interne Kanzleikommunikation ist vorrangig in Englisch gehalten. Der Beratungsschwerpunkt der Beklagten liegt dabei auf internationalen Transaktionen und Verträgen.

Das Verlangen nach verhandlungssicherem Englisch ist damit nicht eine Frage der fachlichen und persönlichen Qualifikation, sondern der objektiven Eignung. Verhandlungssicheres Englisch zu fordern, ist angesichts der internationalen Ausrichtung der Beklagten nicht überzogen, sondern selbstverständlich und von der Rechtsordnung zu akzeptieren. Das Arbeitsgericht hat völlig zu Recht ausgeführt, dass in einer Kanzlei, die vorrangig englischsprachige Mandanten bzw. Mandanten mit internationaler Ausrichtung in den Bereichen Corporate, M&A und Commercial berät, es geradezu zwingend ist, dass die die dort tätigen Anwälte fließend Englisch sprechen und auch in der schriftlichen Korrespondenz entsprechend fehlerfrei auftreten. Dies ist in der Tat gerichtsbekannt. Von Willkür bei der Erstellung des Anforderungsprofils kann keine Rede sein.

Diesen Anforderungen kann der Kläger nicht genügen. Er hat den Englischunterricht vor sehr langer Zeit vor der 12. Klasse im Gymnasium abgeschlossen mit einer unterdurchschnittlichen, nämlich „ausreichenden“ Bewertung. Diese Frage ist in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ausführlich erörtert worden. Auf Nachfrage, ob der Kläger nicht noch nach der Schulzeit Auslandsaufenthalte verbracht habe o.ä. oder jedenfalls entsprechende Kurse besucht hat, wurde geantwortet, dass dies in diesem Verfahren vorgetragen worden wäre. Auch wenn die Selbsteinschätzung des Klägers, er habe die englischen Mandate mit Anstand über die Bühne gebracht, so verstanden wird, dass er eine Kommunikation auf Englisch führen kann, muss der Einschätzung der Beklagten, es sei fernliegend, dass damit auch problemlos englischsprachige Mandate in einer international ausgerichteten Wirtschaftskanzlei bearbeiten werden können, beigetreten werden. Die objektive Eignung des Klägers für die ausgeschriebene Stelle fehlt.

bb) Es kann deshalb offen bleiben, ob der Kläger die geforderten überzeugenden juristischen Qualifikationen aufweist. Offen bleiben kann auch, ob ein Anspruch des Klägers auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG auch an der mangelnden Ernsthaftigkeit seiner Bewerbung scheitert. Auch dies ist in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erörtert worden. Bereits der Inhalt und die Form des Bewerbungsschreibens des Klägers sprechen für die mangelnde Ernsthaftigkeit der Bewerbung. Dies bedarf vorliegend jedoch keiner weiteren Vertiefung.

Nach allem war die Berufung vollumfänglich zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG.

 

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