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Entscheidung über Altersteilzeit eines Arbeitsnehmers nach billigem Ermessen

Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt, Az.: 6 Sa 406/13, Urteil vom 11.11.2014

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 05.06.2013 – 9 Ca 3548/12 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Begründung eines Altersteilzeitvertrages (im Folgenden: ATZ-Vertrag). Die am 11.03.1956 geborene Klägerin ist seit 01.09.1994 bei dem beklagten Land als Justizbeschäftigte im mittleren Dienst bei der Staatsanwaltschaft H tätig. Die Rechtsbeziehungen der Parteien bestimmen sich nach dem Arbeitsvertrag vom 01.09.1994 (Bl. 4 f d.A.), der wiederum auf den BAT-O bzw. die diesen Tarifvertrag ergänzenden und ersetzenden Tarifverträge verweist.

Mit Schreiben vom 06.02.2012 (Bl. 6 d.A.) beantragte die Klägerin Altersteilzeit im Blockmodell „zum nächstmöglichen Termin“ und verwies auf einen zum 01.04.2021 gegebenen Anspruch auf Rente wegen Alters.

Das beklagte Land lehnte unter Hinweis auf die bei der Staatsanwaltschaft H bestehende angespannte Personalsituation im Bereich des mittleren Dienstes mit Schreiben vom 25.10.2012 (Bl. 7 d.A.) den Abschluss eines ATZ-Vertrages ab.

Dieses Begehren verfolgt die Klägerin, konkret für den Zeitraum 01.04.2012 bis 31.03.2021 mit einer Arbeitsphase bis zum 30.09.2016 und einer anschließenden Freistellungsphase, mit der vorliegenden Klage weiter. Sie hat die von dem beklagten Land in dem Ablehnungsschreiben geltend gemachte, der Bewilligung von Altersteilzeit entgegenstehende angespannte Personalsituation bei der Staatsanwaltschaft H mit Nichtwissen bestritten.

Die Klägerin hat beantragt, das beklagte Land zu verurteilen, den Antrag der Klägerin vom 06.02.2012, gerichtet auf Vereinbarung von Altersteilzeit im Blockmodell mit einer Arbeitsphase vom 01.04.2012 bis zum 30.09.2016 und einer Freistellungsphase vom 01.10.2016 bis zum 31.03.2021 anzunehmen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land hat sich – wie bereits im Ablehnungsschreiben vom 25.10.2012 – auf die angespannte Personalsituation bei der Staatsanwaltschaft H berufen. Die Belastung im mittleren Dienst liege bereits zum Stichtag 31.12.2012 je Mitarbeiter bei 1,03. Bis zum Beginn der von der Klägerin angedachten Freistellungsphase werden weitere sechs Beschäftigte im mittleren Dienst aus dem aktiven Beschäftigungsverhältnis ausscheiden. Angesichts der haushalterischen Vorgaben sei eine Nachbesetzung dieser Stellen weitestgehend ausgeschlossen. Darüber hinaus sei die Stelle der Klägerin nach den haushaltsrechtlichen Vorgaben bei Abschluss eines ATZ-Vertrages der Titelgruppe 96 zuzuordnen. Damit entfalle die Stelle der Klägerin bei ihrem Eintritt in den Ruhestand.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 05.06.2013 die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, für die Klägerin sei kein Anspruch auf Abschluss eines ATZ-Vertrages auf tarifrechtlicher Grundlage gegeben. Vielmehr stehe die Annahme des diesbezüglichen Angebots der Klägerin im Ermessen des beklagten Landes. Angesichts der im Justizdienst bestehenden Personalsituation im mittleren Dienst sei die Ablehnung nicht ermessensfehlerhaft. Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf Bl. 31 – 41 d.A. verwiesen.

Gegen dieses, ihr am 15.08.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10.09.2013 Berufung eingelegt und jene nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 15.11.2013 am 14.11.2013 begründet.

Mit ihrem Rechtsmittel hält sie an ihrem erstinstanzlichen Klageziel fest und bestreitet weiterhin die von dem beklagten Land dargestellte personelle Situation im Bereich der Staatsanwaltschaft H. Im Übrigen stehen haushaltsrechtliche Vorgaben dem tariflich begründeten Anspruch auf Abschluss eines ATZ-Vertrages nicht entgegen.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Halle vom 05.06.2013 – 9 Ca 3548/12 – das beklagte Land zu verurteilen, den Antrag der Klägerin vom 06.02.2012, gerichtet auf die Vereinbarung von Altersteilzeit im Blockmodell mit Arbeitsphase vom 01.04.2012 bis 30.09.2016 und Freistellungsphase vom 01.10.2016 bis zum 31.03.2021 anzunehmen.

Das beklagte Land beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Das beklagte Land verteidigt die angefochtene Entscheidung und ergänzt seinen Sachvortrag hinsichtlich der Personalsituation im mittleren Dienst bei der Staatsanwaltschaft H u.a. durch namentliche Benennung der sechs dort tätigen Beschäftigten, die bis zum Beginn der von der Klägerin angedachten Freistellungsphase aus dem aktiven Dienst ausscheiden werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

Die an sich statthafte (§§ 8Abs. 2, 64 ArbGG) und auch im Übrigen zulässige (§ 66 Abs. 1 ArbGG) Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis die Klage zu Recht abgewiesen.

I.

Die Leistungsklage ist zulässig. Insbesondere ist der Klagantrag unter Berücksichtigung der Klagbegründung als hinreichend bestimmt i. S. d. § 253 Abs. 2 ZPO anzusehen, wie das Arbeitsgericht auf Seite 6 der Entscheidungsgründe zutreffend ausgeführt hat.

II.

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Für die Klägerin besteht kein Anspruch auf Abschluss eines ATZ-Vertrages im Blockmodell für den Zeitraum 01.04.2012 bis 30.03.2021 mit einer bis 30.09.2016 andauernden Arbeitsphase aus § 2 des Tarifvertrages zur Regelung der Altersteilzeit im Bereich der Landesverwaltung Sachsen-Anhalts vom 25.01.2012 ( TV ATZ LSA). Diese Bestimmung lautet:

㤠2 Voraussetzungen der Altersteilzeit

(1) Der Arbeitgeber kann mit Beschäftigten, die

a) das 55 Lebensjahr vollendet und

b) innerhalb der letzten 5 Jahre vor Beginn der Altersteilzeitarbeit mindestens 1080 Kalendertage in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch gestanden haben,

die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes (AltTZG) vereinbaren; das Altersteilzeitarbeitsverhältnis muss ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des Dritten Buches Sozialgesetzbuch sein.

(2) Beschäftigte, die das 60. Lebensjahr vollendet haben und die Voraussetzungen nach Abs. 1 b) erfüllen, haben Anspruch auf Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. Der Beschäftigte hat den Arbeitgeber 3 Monate vor dem geplanten Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses über die Geltendmachung des Anspruchs zu informieren, von dem Fristerfordernis kann einvernehmlich abgewichen werden.

(3) Der Arbeitgeber kann die Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ablehnen, soweit dringende dienstliche bzw. betriebliche Gründe entgegenstehen.

(4) Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis soll mindestens für die Dauer von zwei Jahren vereinbart werden. Es muss vor dem 1. Januar 2017 beginnen. Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis muss sich auf die Zeit erstrecken, bis eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann.“

1. Unstreitig findet, weil die Klägerin das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, § 2 Abs. 2 und Abs. 3 TV ATZ LSA auf die Rechtsbeziehungen der Parteien keine Anwendung (vgl. BAG 12.10.2000 – 9 AZR 706/99).

2. Der Klägerin steht auch nicht aus § 2 Abs. 1 TV ATZ LSA ein Anspruch auf Abschluss eines ATZ-Vertrages mit dem streitgegenständlichen Inhalt zu.

Der Arbeitnehmer hat nach § 2 Abs. 1 TV ATZ LSA nur einen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber bei der Entscheidung über seinen Antrag billiges Ermessen entsprechend § 315 Abs. 1 BGB wahrt (BAG 15.04.2008 – 9 AZR 111/07 – Rn. 30).

Nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 1 TV ATZ kann der Arbeitgeber mit Arbeitnehmern, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis vereinbaren. Mit der Formulierung „kann“ wird regelmäßig ausgedrückt, dass dem Berechtigten die Entscheidung überlassen wird, ob er tätig wird oder nicht. Für die Auslegung der Tarifvorschrift gilt nichts anderes. Der Arbeitgeber ist danach nicht verpflichtet, dem Antrag eines Arbeitnehmers auf Änderung des Arbeitsvertrags allein deshalb zu entsprechen, weil dieser die in der Vorschrift bestimmten Voraussetzungen erfüllt. Die Tarifvertragsparteien haben die Entscheidung über die vom Arbeitnehmer verlangte Vertragsänderung vielmehr in das Ermessen des Arbeitgebers gestellt. Der Arbeitgeber ist allerdings nicht frei in der Ausübung seines Ermessens. Ersichtlich haben die Tarifvertragsparteien mit der „Kann – Bestimmung“ nicht allein die Selbstverständlichkeit wiederholt, dass der Arbeitgeber Vertragsfreiheit (§ 305 BGB) genießt und daher mit den Arbeitnehmern auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes Verträge schließen kann. Der Arbeitnehmer hat vielmehr Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber bei der Entscheidung über seinen Antrag billiges Ermessen wahrt (§ 315 Abs. 1 BGB entsprechend). Der Arbeitgeber ist verpflichtet, bei seiner Entscheidung die wesentlichen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen und die beiderseitigen Interessen angemessen zu wahren (BAG 12.10.2000 – 9 AZR 706/99 – juris Rn. 24, 25).

a. Die Klage scheitert allerdings nicht daran, dass die Klägerin ihren Anspruch bereits vor In-Kraft-Treten des Tarifvertrages am 01.04.2012 (§ 11 TV ATZ LSA) mit Antrag vom 06.02.2012 geltend gemacht hat. Aus dem Inhalt des Antrages („… zum nächst möglichen Termin.“) wird deutlich, dass sich ihr Antrag – quasi aufschiebend bedingt – auf einen Zeitpunkt beziehen soll, der nach In-Kraft-Treten des bereits im Januar 2012 abgeschlossenen Tarifvertrages liegt.

b. Nach dem sich bietenden Sachvortrag ergibt die Anwendung der vorstehenden Rechtsgrundsätze jedoch keine Ermessensbindung des beklagten Landes „auf Null“ dahingehend, dass dieses zur Annahme des von der Klägerin unterbreiteten Vertragsangebotes verpflichtet ist. Die Ablehnung des Vertragsangebotes der Klägerin hält sich vielmehr im Rahmen des von dem beklagten Land auszuübenden billigen Ermessens.

Dabei rechtfertigt nach Auffassung des Berufungsgerichts bereits die von dem beklagten Land (in der Berufungserwiderung ergänzend) dargelegte Personalsituation bei der Staatsanwaltschaft H die ablehnende Entscheidung. Im Bereich des mittleren Dienstes ist danach ein Ausscheiden von sechs Mitarbeitern bis zum Beginn der von der Klägerin gewünschten Freistellungsphase am 01.10.2016 zu prognostizieren. Zwar hat die Klägerin diese Angaben des beklagten Landes erstinstanzlich mit Nichtwissen bestritten und diesen Sachvortrag in der Berufungsbegründung wiederholt. Dieses Bestreiten ist, jedenfalls nachdem das beklagte Land seinen diesbezüglichen Sachvortrag durch namentliche Benennung von Kolleginnen der Klägerin nebst dem jeweiligen Austrittsdatum in der Berufungserwiderung konkretisiert hat, nicht mehr als prozessual erheblich anzusehen.

Ungeachtet der weiteren streitigen Frage, welche Personalbelastung bei der Beschäftigungsbehörde der Klägerin im mittleren Dienst bereits im Jahr 2012 bestand, begründet der zu erwartende Weggang von sechs Mitarbeiterinnen des mittleren Dienstes ein ausreichendes dienstliches Interesse des beklagten Landes am Erhalt der Arbeitskraft der Klägerin. Das beklagte Land konnte auch zu Recht bei seiner Ermessensentscheidung davon ausgehen, dass eine Nachbesetzung dieser Stellen aufgrund des auf Stellenabbau ausgerichteten Personalkonzepts der Landesregierung jedenfalls mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein wird. Dass ein Stellenabbau im Bereich der Justiz erfolgen soll, hat auch die Klägerin nicht in Abrede gestellt (Schriftsatz vom 18.04.2012, S. 1). Ein über den Wunsch nach Altersteilzeit „an sich“ hinausgehendes besonderes Interesse an der Umgestaltung ihres Arbeitsverhältnisses hat die Klägerin demgegenüber nicht geltend gemacht.

III.

Nach alledem konnte das Rechtsmittel der Klägerin keinen Erfolg haben.

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

C.

Gegen diese Entscheidung findet ein weiteres Rechtsmittel nicht statt. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Den entscheidungserheblichen Rechtsfragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Kammer weicht mit ihrer Entscheidung auch nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung ab.

Auf § 72a ArbGG wird hingewiesen.

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