ArbG Düsseldorf – Az.: 12 Ca 2521/20 – Beschluss vom 17.09.2020
Der Antrag auf Erlass einer Entscheidung nach Lage der Akten wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Voraussetzungen einer Entscheidung nach Lage der Akten liegen im erstinstanzlichen Kammertermin am 17.09.2020 nicht vor.Nach §§ 331a, 251a Abs. 2 Satz 1 ZPO darf ein Urteil nach Aktenlage nur dann ergehen, wenn in einem früheren Termin bereits mündlich verhandelt worden ist. In der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte wird es nicht einheitlich beurteilt, ob die Erörterung der Parteien im Gütetermin als ein „Verhandeln“ in diesem Sinne aufgefasst werden kann. In früheren Entscheidungen wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass auch im ersten Kammertermin ein Urteil nach Aktenlage gemäß §§ 251a, 331a ZPO ergehen könne, wenn eine Güteverhandlung stattgefunden habe, in der die Seehund Rechtslage erörtert worden sei (LAG Berlin, Urteil vom 03.02.1997 – 9 Sa 133/|| – juris (nur Leitsatz); LAG Hessen, Urteil vom 31.10.2000 – 9 Sa 2072/99 -, Rn. 25, Juris; so auch Germelmann/Matthes/Prütting, 9. Aufl. 2017, § 59 ArbGG Rn. 21; Gravenhorst, jurisPR-ArbR 31/2011 Anm. 6). Dies folge aus der für das arbeitsgerichtliche Verfahren geltenden Vorschrift des § 54 Abs. 1 ArbGG, nach der die mündliche Verhandlung mit der Güteverhandlung vor den Vorsitzenden beginne.
Überwiegend wird der Erlass eines Urteils nach Aktenlage jedoch abgelehnt, wenn – wie im vorliegenden Fall – der mündlichen Verhandlung, in der die klägerische Partei säumig war, lediglich ein Gütetermin vorangegangen ist, in dem keine Sachanträge gestellt wurden (LAG Hessen, Urteil vom 10.11.2015 – 15 Sa 476/15 -, Rn. 32, juris; LAG Hamm, Urteil vom 04.03.2011 -18 Sa 970/10 -, Rn. 36, juris; LAG Hamm Urteil vom 20.07.2011 – 2 Sa 422/11 -, Rn. 30, juris; LAG Bremen, Urteil vom 25.06.2003 – 2 Sa 67/03 Rn. 29, juris). Hier wird insbesondere auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgericht vom 04.12.2002 (BAG, Urteil vom 04.12.2002 – 5 AZR 556/01 -, Rn. 20, juris) Bezug genommen. Die genannte Entscheidung hatte einen Kammertermin im Berufungsverfahren zum Gegenstand, in dem das Gericht ein kontradiktorisches Urteil erlassen hatte, nachdem es die Sach- und Rechtslage mit den Parteien zwar erörtert, die Klägerin aber keinen Antrag gestellt hatte. Das Bundesarbeitsgericht hat hier festgehalten, dass ein Verhandeln im Sinne des § 333 ZPO ohne Sachantrag nicht vorliegen könne. Gemäß §§ 137 Abs. 1, 297 ZPO beginne die mündliche Verhandlung grundsätzlich mit dem Stellen der Anträge und dies trage der aus § 308 ZPO folgenden prozessualen Notwendigkeit Rechnung, den Prozessgegenstand durch einen konkreten Antrag zu bestimmen. Eine bloß streitige Erörterung der Sach- und Rechtslage erfülle diesen Zweck nicht. Die Kammer schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Das Bundesarbeitsgericht hat deutlich gemacht, dass aus Gründen der Begrenzung des Streitgegenstandes und wegen § 308 ZPO jedenfalls hinreichend klar sein muss, über welchen Antrag des Klägers entschieden werden soll. Demnach kann allenfalls auf eine ausdrückliche Antragstellung der beklagten Partei verzichtet werden, wenn zuvor die klagende Partei einen hinreichend präzisen Antrag gestellt hat. Die Kammer hält vor diesem Hintergrund die Erwägungen des Bundesarbeitsgerichts zu einer Säumnissituation vor dem Berufungsgericht auf die Säumnissituation vor dem Arbeitsgericht nach vorangegangener Güteverhandlung für übertragbar (so auch LAG Hessen, Urteil vom 10.11.2015 -15 Sa 476/15-, Rn. 32, juris; LAG Bremen, Urteil vom 25.06.2003 – 2 Sa 67/03 -, Rn. 29, juris). Mit dieser Interpretation kommt es auch zum Gleichlauf mit der Rechtslage im Zivilprozess. Auch dort wird für eine Entscheidung nach Lage de r Akten darauf abgestellt, ob zuvor Sachanträge gestellt wurden und eine vorausgegangene Güteverhandlung nach dem – durch das ZPO-RG 2002 eingeführten und § 54 ArbGG nachgebildeten – § 278 Abs. 2 ZPO nicht als ausreichend angesehen (Zöller/Greger, 32. Aufl. 2018, § 251a ZPO Rn. 4). Aus § 54 Abs. 1 Satz 1 ArbGG folgt keine andere Bewertung. Zwar beginnt nach dieser Vorschrift die mündliche Verhandlung im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren mit einer Verhandlung vor dem Vorsitzenden zum Zweck der gütlichen Einigung der Parteien. Dadurch stellt die Vorschrift jedoch lediglich klar, dass – in Abgrenzung zu § 137 Abs. 1 ZPO – zu Beginn des Gütetermins keine Anträge zu stellen sind, damit eine ungehinderte Erörterung der Sache mit dem Ziel einer gütlichen Einigung erfolgen kann. Entsprechend ordnet § 54 Abs. 2 Satz 1 ArbGG an, dass die Klage bis zum Stellen der Anträge – im Kammertermin – ohne Einwilligung der beklagten Partei zurückgenommen werden kann (Germelmann/Matthes/Prütting/Germelmann/Künzl, 9. Aufl. 2017, § 54 ArbGG Rn. 37). Die Vorschrift gibt dem Arbeitsgericht jedoch nicht die Befugnis, nach vorausgegangener Güteverhandlung bei Säumnis einer Partei im Kammertermin ein Urteil nach Lage der Akten zu erlassen (zu allem vorstehenden ausdrücklich; Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 10. April 2018-4 Sa 1024/16 -, Rn. 48 – 53, juris).
Dem schließt sich die hiesige Kammer an.
Diese Entscheidung ist nach § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §336 Abs. 2 ZPO unanfechtbar.