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Erlöschen des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 2 Sa 116/20 – Urteil vom 09.06.2021

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 21.01.2020 – 6 Ca 3280/19 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über einen Anspruch des Klägers auf Abgeltung von Urlaubsansprüchen.

Der Kläger war bei der Beklagten zunächst in den Jahren 2011 bis 2014 als Geschäftsführer tätig und seit dem 1. Oktober 2015 als Leiter Projektentwicklung auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 6. Oktober 2015 (Bl. 11-15 d. A.) beschäftigt. In § 9 des Arbeitsvertrags der Parteien ist ein kalenderjährlicher Erholungsurlaub von 28 Arbeitstagen vereinbart.

Unter dem 17. Juni 2019 schlossen die Parteien zur Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2019 einen Aufhebungsvertrag (Bl. 70, 71 d. A.), der auszugsweise wie folgt lautet:

§ 1 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Das zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer bestehende Arbeitsverhältnis wird in gegenseitigem Einvernehmen zum 31. Dezember 2019 beendet.

§ 2 Vergütungsfortzahlung

Der Arbeitgeber verpflichtet sich, bis zum 31. Dezember 2019 die regelmäßige monatliche Vergütung in Höhe von EUR 9.000,00 brutto sowie den Arbeitgeber-Anteil zu den monatlichen Vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von EUR 40,00, die monatlichen Beiträge zur Direktversicherung in Höhe von EUR 146,00 weiterzuzahlen und ordnungsgemäß abzurechnen.

Mit der monatlichen Entgeltfortzahlung ist ein etwaiger Urlaubsanspruch zum 31.12.2019 abgegolten.

(…)

§ 5 Ausgleich aller Ansprüche

Der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sind sich darüber einig, dass mit der Erfüllung der vorstehenden Vereinbarung keine wechselseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis mehr gegeneinander bestehen. Diese sind vielmehr durch diese Aufhebungsvereinbarung abschließend geregelt und erledigt.

§ 6 Anfechtungs- und Widerrufsrechte

Der Arbeitnehmer erklärt, diese Vereinbarung sorgfältig gelesen zu haben und ohne zeitlichen Druck unterschrieben zu haben. Er verzichtet auf alle Anfechtungs- und Widerrufsrechte.“

Am 27. September 2019 um 10:06 Uhr teilte der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger per E-Mail (Bl. 29 d. A.) Folgendes mit:

„Guten Morgen ,

vielen Dank für die Darstellung Deiner Sicht.

Es hat mich darin bestätigt, dass Du für Dich und für uns noch den Erfolg suchst, aber von uns wegen fehlender Unterstützung bzw. fehlenden Arbeitsmitteln daran gehindert bist.

Daran soll es aber nicht scheitern.

Ich denke es ist in unser beider Sinn, dass Du Dich hier mit Erfolg und erhobenen Hauptes verabschieden kannst.

Ich lass Dir jetzt hier einen Arbeitsplatz einrichten.

Du erhälst ebenfalls eine Liste an „to-do“s, die sofort in die Abarbeitung gehen können.

Da werden wir gemeinsam die Sache angehen.

Ich freue mich darauf.

Bitte sei ab 07.10.2019 8.30 bei uns im Büro.

Wir möchten, dass Du ab diesem Tag bis zum Ausscheiden in unserem Büro in C-Stadt arbeitest.“

Darauf erwiderte der Kläger per E-Mail (Bl. 28, 29 d. A.) um 12:23 Uhr wie folgt:

„Lieber N.,

vielen Dank für das nette Angebot, was ich wirklich gerne annehmen würde.

Aber leider werde ich eine Arbeit in C-Stadt ablehnen müssen, da mir seit Anfang 2018 von der S. Geschäftsführung Homeoffice angewiesen wurde, und ich dementsprechend mein privates und geschäftliches Leben darauf ausgerichtet habe. Und mal ganz ehrlich: Wie motivierend wäre das für mich? Was würde im Endeffekt dabei rumkommen? Wir beide wissen, warum du das machst.

N., ich möchte echt keinen Streit mit Dir. Wenn es für uns eine Zukunft gibt, lass uns das doch bitte konstruktiv gestalten. Ich will auch weder Geld oder Vorschüsse, sondern Ideen und Empfehlungen, um das auf die richtige Schiene zu setzen. Das letzte Jahrzehnt war für mich echt super, und ich durfte viel lernen.

Das Anstellungskonzept passt aber nicht mehr zu meinem Lebensweg und meines Erachtens können wir erfolgreiche Geschäftspartner werden, da jeder den anderen schätzt und vertraut.

Durch meine Anstellung bei T. stehen mir Vertriebsresourcen zur Verfügung, die mir mit großer Wahrscheinlichkeit die Möglichkeit geben, mit der P. weiterzumachen. Zum Aufbau einer Pipeline von PPA-Projekten und Ausschreibungs-Projekten bedarf es aber mehr als 3 Monaten, sondern eher 1 Jahr und mehr. Und was liegt hier näher, als meinem Freund N. diese Projekte anzudienen?

Was hälst Du davon? Laß uns doch mal telefonieren oder ein persönliches Gespräch führen. Ich bin 100% davon überzeugt, dass dies wesentlich zweckdienlicher ist, als anachronistischer Arbeitgeberdruck. Denn das freie und liberale Arbeiten bei S. hat mich so erfolgreich gemacht.“

Nachfolgend legte der Kläger der Beklagten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 30. September 2019 (Bl. 30 d. A.) vor, nach der er in der Zeit vom 30. September bis 28. Oktober 2019 arbeitsunfähig erkrankt ist.

Mit Schreiben vom 9. Oktober 2019 (Bl. 16 d. A.) kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos. Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner am 23. Oktober 2019 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Kündigungsschutzklage gewandt. Soweit das Arbeitsgericht im vorliegenden Verfahren dem gegen die fristlose Kündigung vom 9. Oktober 2019 gerichteten Kündigungsschutzantrag in Ziff. 1. des Tenors seines Urteils vom 21. Januar 2020 – 6 Ca 3280/19 – stattgegeben hat, ist das Urteil inzwischen rechtskräftig, nachdem die Beklagte mit ihrer Berufung insoweit das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts nicht angefochten hat.

Unter Berücksichtigung des jeweils bereits gewährten Urlaubs verblieb für das Jahr 2015 von dem anteiligen Teilurlaub für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2015 noch ein Resturlaub von drei Tagen, für das Kalenderjahr 2016 ein Resturlaub von 21 Tagen, für das Kalenderjahr 2017 ein Resturlaub von 13 Tagen und für das Kalenderjahr 2018 ein Resturlaub von 21 Tagen. Für das Jahr 2019 hat der Kläger 26 Resturlaubstage vorgetragen, von denen die Beklagte meint, 15 Urlaubstage erfüllt zu haben.

Mit E-Mail vom 23. Oktober 2019 (Bl. 76 d. A.) bot der Kläger für die Zeit nach Beendigung seiner Arbeitsunfähigkeit seine Arbeitsleistung an und beantragte zugleich Urlaub bis zum Jahresende mit der Bitte um Bestätigung des Urlaubs, die seitens der Beklagten jedoch nicht erfolgte.

Mit seiner beim Arbeitsgericht Koblenz erhobenen Klage hat der Kläger u. a. – soweit für das Berufungsverfahren von Interesse – die Abgeltung seiner Resturlaubsansprüche für die Jahre 2015 bis 2019 von insgesamt 84 Tagen (3 Tage für 2015, 21 Tage für 2016, 13 Tage für 2017, 21 Tage für 2018 und 26 Tage für 2019) in Höhe von insgesamt 34.891,92 EUR brutto (9.000,00 EUR x 3 : 65 = 415,38 EUR brutto pro Urlaubstag x 84 Tage = 34.891,92 EUR brutto) geltend gemacht.

Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 21. Januar 2020 – 6 Ca 3280/19 – Bezug genommen.

Mit dem vorgenannten Urteil hat das Arbeitsgericht die Beklagte – soweit für das Berufungsverfahren von Interesse – u.a. antragsgemäß verurteilt, an den Kläger Urlaubsabgeltung in der geltend gemachten Höhe von 34.891,92 EUR brutto nebst Zinsen zu zahlen (Ziff. 7 des Urteilstenors). Wegen der diesbezüglichen Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils (zu II. 2. f der Gründe) Bezug genommen. Gegen das ihr am 5. März 2020 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 16. März 2020, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 1. April 2020 eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 29. April 2020, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet. Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte ausschließlich gegen die dem Kläger zuerkannte Urlaubsabgeltung in Höhe von 34.891,92 EUR brutto (Ziff. 7. des Urteilstenors), während sie im Übrigen das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts nicht angefochten hat.

Die Beklagte trägt vor, das Arbeitsgericht habe dem Kläger zu Unrecht den geltend gemachten Anspruch auf Urlaubsabgeltung in Höhe von 34.891,92 EUR brutto zuerkannt. Dabei habe das Arbeitsgericht insbesondere die zwischen den Parteien im Zusammenhang mit der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses getroffenen Vereinbarungen in § 2 und § 5 des Aufhebungsvertrages vom 17. Juni 2019 verkannt. Von maßgeblicher Bedeutung sei im Zusammenhang mit der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses insbesondere auch die Antwort des Klägers auf die E-Mail ihres Geschäftsführers (E-Mail von 27. September 2019). Bei seiner rechtlichen Würdigung habe das Arbeitsgericht die besondere Stellung des Klägers unberücksichtigt gelassen, der zuletzt als leitender Mitarbeiter zuvor über mehrere Jahre hinweg für ein anderes Unternehmen der S.-Unternehmensgruppe als Vorstandsmitglied tätig gewesen sei und zudem bereits während der Tätigkeit für sie ein eigenes Unternehmen gegründet habe, welches sich ebenfalls mit der Entwicklung von Solarprojekten beschäftige. Aus der angeführten E-Mail werde deutlich, dass der Kläger sich seinem eigenen Selbstverständnis nach nicht als „normaler“ Arbeitnehmer verstanden habe, sondern vielmehr als ihr gleichberechtigter Geschäftspartner. Vor diesem Hintergrund habe der Kläger seinerseits um eine Aufhebung des bestehenden Arbeitsverhältnisses gebeten, und zwar vor dem weitergehenden Hintergrund, dass er das elterliche Unternehmen (T.) ab dem 1. Januar 2020 als geschäftsführender Gesellschafter habe übernehmen sollen bzw. zwischenzeitlich übernommen habe. Aus der Mail des Klägers werde insbesondere deutlich, dass dieser ebenfalls im Zuge der mit ihr geführten Verhandlungen im Mai/Juni 2019 eine abschließende vertragliche Regelung im Sinne einer wirtschaftlichen Gesamtregelung gewollt habe, wie diese ihren Ausdruck in dem Aufhebungsvertrag vom 17. Juni 2019 gefunden habe. Im Zuge dieser auf Wunsch des Klägers hin im Zeitraum Mai/Juni 2019 geführten Verhandlungen über eine Beendigung seiner Tätigkeit sei dem Kläger auch bewusst gewesen, dass ihm für die Vergangenheit noch finanziell abzugeltende Urlaubsansprüche in nicht unerheblichem Umfang zugestanden hätten. In diesem Bewusstsein hätten die Parteien sodann auf der Grundlage der zuvor im Mai/Juni 2019 geführten Verhandlungen den vorliegenden Aufhebungsvertrag vom 17. Juni 2019 geschlossen. Entgegen den Ausführungen des Arbeitsgerichts hätten die Parteien damit sehr wohl einen Tatsachenvergleich in Bezug auf den nunmehr streitgegenständlichen Urlaubsabgeltungsanspruch getroffen. Dies ergebe sich auch aus der Formulierung der betreffenden Regelung in § 2 des Aufhebungsvertrages. Die Parteien hätten den Aufhebungsvertrag im Bewusstsein noch wechselseitig bestehender Ansprüche geschlossen. Insbesondere sei sich der Kläger der wirtschaftlichen Folgen dieser Vereinbarung vollumfänglich bewusst gewesen und habe das der Vereinbarung vom 17. Juni 2019 zugrunde liegende wirtschaftliche Gesamtergebnis – einschließlich des Verzichts auf einen ihm zustehenden Urlaubsabgeltungsanspruch – auch ausdrücklich gewollt. Das lasse sich auch seiner E-Mail vom 27. September 2019 entnehmen, in der der Kläger in diesem Zusammenhang wörtlich „Ich will weder Geld oder Vorschüsse, sondern Ideen und Empfehlungen, um das auf die richtige Schiene zu setzen“ ausgeführt habe. Eine zutreffende rechtliche Würdigung der maßgeblichen Regelungen in §§ 2 und 5 des Aufhebungsvertrages hätte folglich zwingend zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass die Parteien bewusst und gewollt im Rahmen der getroffenen Vereinbarung auch eine abschließende Regelung im Sinne eines Anspruchsverzichts des Klägers im Hinblick auf den nunmehr streitgegenständlichen Urlaubsabgeltungsanspruch getroffen hätten. In der von ihr zitierten Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln vom 8. November 2012 – 7 Sa 767/12 – sei zutreffend ausgeführt, dass ein Arbeitnehmer auch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Rahmen eines Aufhebungsvertrages wirksam auf bereits entstandene Urlaubsabgeltungsansprüche verzichten könne und insbesondere die Regelung des § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG dem nicht entgegenstehe. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts stehe somit auch der Umstand, dass der streitgegenständliche Aufhebungsvertrag bereits unter dem 17. Juni 2019 abgeschlossen worden sei, einem wirksamen Anspruchsverzicht aufgrund der dargelegten Besonderheiten des vorliegenden Falls nicht entgegen. Bereits unter dem 13. Juni 2019 habe der Kläger den Entwurf des Aufhebungsvertrages von ihrem Geschäftsführer vorab mit der vorgelegten E-Mail (Bl. 230 d. A.) zur Prüfung erhalten. Zuvor hätten sich die Parteien bereits per Mail vom 12. Juni 2019 (Bl. 234, 235 d. A.) auf eine finale Verhandlung und ggf. Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages am 17. Juni 2019 verständigt. Im Rahmen des daraufhin am 17. Juni 2019 stattgefundenen Gesprächs sei der Kläger ausdrücklich von ihrem Geschäftsführer gefragt worden, ob er in Bezug auf die ihm zuvor bereits per Mail vom 13. Juni 2019 übermittelte Entwurfsfassung des Aufhebungsvertrages Änderungs-/Ergänzungswünsche habe bzw. welche Punkte des Entwurfs geändert bzw. ergänzt werden sollten. Dabei sei durch ihren Geschäftsführer deutlich zum Ausdruck gebracht worden, dass die in der Entwurfsfassung enthaltenen Regelungen sämtlich zur Disposition stünden, was sich im Übrigen bereits aus der vorgelegten E-Mail vom 13. Juni 2019 ergebe. Daraufhin habe der Kläger ihrem Geschäftsführer nach reiflicher Überlegung mitgeteilt, er habe keine Änderungs-/Ergänzungswünsche, vielmehr könne der Vertrag in Gestalt der Entwurfsfassung vom 13. Juni 2019 unverändert unterzeichnet werden, was sodann auch geschehen sei. Dementsprechend sei festzuhalten, dass sie gegenüber dem Kläger den gesamten Inhalt des Vertragsentwurfes vom 13. Juni 2019 zur Disposition gestellt habe und diesem somit ausdrücklich die Möglichkeit des Aushandelns jeder einzelnen Vertragsklausel eingeräumt habe. Dass der Kläger hiervon letztlich keinen Gebrauch gemacht habe, sei insoweit unbeachtlich, weil dem Kläger sowohl ein ausreichender Prüfzeitraum von vier Tagen als auch eine hinreichende Möglichkeit zur Erörterung des Vertragsentwurfes im Rahmen des Termins am 17. Juni 2019 eingeräumt worden sei. In diesem Zusammenhang sei maßgeblich zu berücksichtigen, dass der Kläger nach eigenem Vortrag im Unternehmen zuletzt als Abteilungsleiter Personalverantwortung für 30 Mitarbeiter gehabt und dementsprechend aufgrund seiner beruflichen Stellung sowie Erfahrung – auch im Personalbereich – die Verhandlungen „auf Augenhöhe“ habe führen können und letztlich auch geführt habe.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 21. Januar 2020 – 6 Ca 3280/19 – teilweise abzuändern, soweit dem Kläger gemäß Ziffer 7 des Urteilstenors ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung zuerkannt wird, und die Klage hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf Urlaubsabgeltung in Höhe eines Betrages von 34.891,92 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. Januar 2020 abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er erwidert, ein Verzicht auf einen Urlaubsabgeltungsanspruch könne nach § 13 BUrlG erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und daher erst nach Entstehung des Urlaubsabgeltungsanspruchs wirksam vereinbart werden, weil ansonsten der unabdingbare Urlaubsanspruch im bestehenden Arbeitsverhältnis negiert würde. Die Regelungen in § 2 Abs. 2 und § 5 des Aufhebungsvertrages vom 17. Juni 2019 seien daher nichtig. Entgegen der Auffassung der Beklagten lasse sich aus seiner E-Mail vom 27. September 2019 auch nicht entnehmen, dass er eine abschließende vertragliche Regelung im Sinne einer wirtschaftlichen Gesamtregelung gewollt habe. Ein Zusammenhang zwischen seiner E-Mail und dem drei Monate vorher zustande gekommenen Aufhebungsvertrag vom 17. Juni 2019 sei konstruiert und nicht erkennbar. Der von der Beklagten aus dem Zusammenhang gerissene Satz aus seiner E-Mail beziehe sich ersichtlich nicht auf den Aufhebungsvertrag, sondern auf seine zukünftige neue Tätigkeit ab dem 1. Januar 2020 als Geschäftsführer der T. und einer möglichen Zusammenarbeit zwischen der Beklagten und ihm. Vor diesem Hintergrund sei die subjektive Wahrnehmung der Beklagten, dass er sich nicht als „normaler“ Arbeitnehmer verstanden habe, sondern vielmehr als „gleichberechtigter Geschäftspartner der Beklagten“, weder nachvollziehbar noch rechtlich entscheidend. Entgegen der Auffassung der Beklagten liege auch kein sog. Tatsachvergleich vor. Das Arbeitsgericht habe zutreffend ausgeführt, dass in § 2 Abs. 2 des Aufhebungsvertrages von den Parteien nur aufgenommen worden sei, dass mit der monatlichen Entgeltfortzahlung etwaige Urlaubsansprüche zum 31. Dezember 2019 abgegolten seien, ohne den Urlaubsanspruch in irgendeiner Form zu präzisieren oder ohne dass tatsächlich Urlaub gewährt worden sei. Zwischen den Parteien habe zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses kein Streit über die Anzahl der noch nicht gewährten und noch offenen Urlaubstage bestanden. Der Vertrag sei von den Parteien nicht im Einzelnen ausgehandelt oder diskutiert worden. Er habe ohne vorherige anwaltliche Beratung oder tatsächliche Möglichkeit, auf einzelne Klauseln Einfluss zu nehmen, den Vertrag innerhalb kürzester Zeit unterschrieben. Auch wenn die Arbeitsvertragsparteien hinsichtlich des vertraglichen Mehrurlaubs nicht an die nach § 13 BUrlG grundsätzlich zwingenden Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes gebunden seien, befreie dies nicht von den §§ 305 ff. BGB und führe auch nicht zu deren Verdrängung. Da die Erledigungsklausel den unverzichtbaren Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Urlaubs nicht ausnehme, verstoße sie gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und sei damit insgesamt unwirksam. Er könne den vorgelegten E-Mail-Verkehr aus Juni 2019 und die im Zusammenhang damit aufgestellten Behauptungen der Beklagten nur mit Nichtwissen bestreiten, nachdem die Beklagte bereits im Verlauf des Jahres 2019 den Zugang zu seinem dienstlichen E-Mail-Account gesperrt habe. Er sei sich sicher, dass er nicht gefragt worden sei, ob er bezüglich des Entwurfes des Aufhebungsvertrags Änderungs- oder Ergänzungswünsche habe und welche Punkte des Entwurfes geändert bzw. ergänzt werden sollten. Sicher sei er nicht gefragt worden, dass die in der Entwurfsfassung enthaltenen Regelungen sämtlich zur Disposition stünden. Letzteres behaupte die Beklagte auch nicht in ihrem Schriftsatz vom 4. Februar 2021. Vielmehr solle der Geschäftsführer der Beklagten lediglich „deutlich zum Ausdruck gebracht haben“, dass die Regelungen des Entwurfes zur Disposition stünden. Es sei auch nicht ansatzweise dargelegt und auch nicht vorstellbar, wie man – wenn nicht durch eine ausdrückliche Erklärung – „zum Ausdruck“ gebracht haben könnte bzw. überhaupt bringen könne, dass Regelungen „sämtlich zur Disposition“ stünden bzw. stehen. Bei Unterzeichnung des Vertrages sei von Seiten der Beklagten „nicht lange gefackelt“ worden, sondern er sei mehr oder weniger der Form halber gefragt worden, ob er mit der Vereinbarung einverstanden sei. Es bleibe daher dabei, dass die Vertreter der Beklagten mitnichten die Regelungen ernsthaft zur Disposition gestellt hätten. Auch die schriftsätzliche Behauptung erschöpfe sich in einer Wiederholung der Anforderungen, die nach der Rechtsprechung an eine im Einzelnen ausgehandelte Klausel zu stellen seien. Ein natürlicher Lebenssachverhalt werde von der Beklagten nicht dargelegt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle und den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten, die sich allein gegen den vom Arbeitsgericht zuerkannten Urlaubsabgeltungsanspruch (Ziff. 7 des Urteilstenors des angefochtenen Urteils) richtet, ist unbegründet.

Dem Kläger steht gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG ein Anspruch auf Abgeltung seiner restlichen Urlaubsansprüche von insgesamt 84 Tagen aus den Jahren 2015 bis 2019 in der geltend gemachten Höhe von 34.891,92 EUR brutto zu.

I. Im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien zum 31. Dezember 2019 bestanden noch Resturlaubsansprüche von insgesamt 84 Tagen, die nicht nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen waren.

1. Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, dass Resturlaubsansprüche von drei Tagen für das Jahr 2015, 21 Tagen für das Jahr 2016, 13 Tagen für das Jahr 2017 und 21 Tagen für das Jahr 2018 noch bestanden hätten. Diese Resturlaubsansprüche sind nicht zum Ende des betreffenden Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraums gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen, weil die Beklagte ihren Mitwirkungsobliegenheiten nicht genügt hat.

Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, erlischt der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub (§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG) nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei einer mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG konformen Auslegung von § 7 BUrlG nur dann am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Bei einem richtlinienkonformen Verständnis von § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG trifft den Arbeitgeber die Initiativlast bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs. Die Erfüllung der hieraus in richtlinienkonformer Auslegung abgeleiteten Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers ist grundsätzlich Voraussetzung für das Eingreifen des urlaubsrechtlichen Fristenregimes des § 7 Abs. 3 BUrlG (BAG 22. Oktober 2019 – 9 AZR 98/19 – Rn. 12, NZA 2020, 307). Hat der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht entsprochen, tritt der am 31. Dezember des Urlaubsjahres nicht verfallene Urlaub zu dem Urlaubsanspruch hinzu, der am 1. Januar des Folgejahres entsteht. Die Grundsätze der Befristung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs gelten auch für den vertraglichen Mehrurlaub des Klägers. Es ist insoweit von einem Gleichlauf auszugehen, weil die Parteien ihre Mitwirkungsobliegenheiten bei der Verwirklichung des vertraglichen Mehrurlaubs und die Voraussetzungen seiner Befristung nicht abweichend von § 7 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BUrlG geregelt haben (vgl. hierzu BAG 22. Oktober 2019 – 9 AZR 98/19 – Rn. 17, NZA 2020, 307). § 9 des Arbeitsvertrags der Parteien bestimmt allein einen über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehenden Umfang des Urlaubsanspruchs des Klägers und verweist im Übrigen auf die gesetzlichen Bestimmungen.

Gemäß den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts hat der Kläger unwidersprochen vorgetragen, dass die Beklagte die ihr obliegenden Mitwirkungspflichten nicht erfüllt hat, so dass die restlichen Urlaubsansprüche aus den Jahren 2015, 2016, 2017 und 2018 dem jeweiligen Urlaubsanspruch des Folgejahres und letztlich dem zuletzt entstandenen Urlaubsanspruch für das Jahr 2019 hinzugetreten sind.

2. In Bezug auf das Urlaubsjahr 2019 hat das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt, dass dem Kläger für das Jahr 2019 die geltend gemachten 26 Resturlaubstage zustehen und insoweit auch keine Erfüllung eingetreten ist. Zwar hat sich die Beklagte darauf berufen, dass sich der Kläger nach Abschluss des Aufhebungsvertrages vom 17. Juni 2019 während der Sommerferien 2019 für einen Zeitraum von drei Wochen tatsächlich in Urlaub befunden habe. Die Beklagte hat aber selbst ausgeführt, dass dieser „Urlaub“ durch den Kläger nicht einmal angezeigt worden sei. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, setzt die Erfüllung des Urlaubsanspruchs gemäß § 7 Abs. 1 BUrlG eine entsprechende Bewilligung durch den Arbeitgeber voraus, was hier nicht erfolgt ist. Weiterhin hat das Arbeitsgericht zutreffend angenommen, dass sich auch aus der in § 2 Abs. 2 des Aufhebungsvertrages getroffenen Regelung nicht entnehmen lässt, dass der Kläger berechtigt gewesen wäre, sich selbst zu beurlauben und eine einseitige „Urlaubsnahme“ als Urlaubsgewährung einzuordnen wäre. Mithin ist der noch verbliebene Resturlaubsanspruch des Klägers von 26 Urlaubstagen für das Jahr 2019 auch nicht teilweise gemäß § 362 Abs. 1 BGB erfüllt worden. Danach sind noch Resturlaubsansprüche aus den Jahren 2015 bis 2019 von insgesamt 84 Tagen verblieben.

II. Die verbliebenen Resturlaubsansprüche sind nicht aufgrund des Aufhebungsvertrages der Parteien vom 17. Juni 2019 ausgeschlossen.

1. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Parteien keinen Tatsachenvergleich dergestalt getroffen haben, dass Urlaub tatsächlich in einem gewissen Zeitraum genommen worden wäre. Vielmehr haben sie in § 2 des Aufhebungsvertrages lediglich geregelt, dass mit der monatlichen Entgeltfortzahlung „ein etwaiger Urlaubsanspruch“ zum 31. Dezember 2019 abgegolten ist. Der Kläger ist nicht unwiderruflich von der Arbeitsleistung unter Gewährung von Urlaub freigestellt worden. Vielmehr hat die Beklagte dem Kläger nach Abschluss des Aufhebungsvertrages in Abänderung der bisherigen Arbeitserledigungen Tätigkeiten am Tätigkeitsort C-Stadt zugewiesen. Die Regelung, dass etwaige Urlaubsansprüche mit der monatlichen Entgeltfortzahlung zum 31. Dezember 2019 abgegolten sein sollen, beinhaltet keinen Tatsachenvergleich über die noch offenen Urlaubsansprüche, sondern vielmehr einen Anspruchsverzicht. Wie die Beklagte selbst ausgeführt hat, sollte eine abschließende Regelung im Sinne eines Anspruchsverzichtes des Klägers getroffen werden, während die noch nicht gewährten und damit noch offenen Urlaubstage nicht im Streit standen bzw. über deren Umfang keine Regelung getroffen wurde.

2. Der in §§ 2 Abs. 2 und 5 des Aufhebungsvertrags der Parteien geregelte Verzicht auf die Urlaubsansprüche des Klägers ist nicht wirksam erfolgt.

a) Der im Aufhebungsvertrag vom 17. Juni 2019 während des noch laufenden Arbeitsverhältnisses vereinbarte Anspruchsverzicht ist insoweit gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG unwirksam, als er den gesetzlichen Mindesturlaub des Klägers für die Jahre 2016 bis 2019 von 50 Arbeitstagen betrifft.

Die Parteien haben in § 9 des Arbeitsvertrags vom 6. Oktober 2015 einen Erholungsurlaub von 28 Arbeitstagen vereinbart, der den gesetzlichen Mindesturlaub von 20 Arbeitstagen bei einer Fünf-Tage-Woche (vier Wochen) umfasst und darüber hinaus einen vertraglichen Mehrurlaub von acht Arbeitstagen beinhaltet. Im Streitfall ist davon auszugehen, dass für das Jahr 2015 ein anteiliger Anspruch auf Teilurlaub für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2015 von sieben Arbeitstagen (28 Arbeitstage x 3/12) entstanden ist und nach der vorgelegten Abrechnung vier Arbeitstage Urlaub gewährt worden sind, wonach der geltend gemachte Resturlaub von drei Arbeitstagen für das Jahr 2015 verbleibt. Im Hinblick darauf, dass der anteilige gesetzliche Mindesturlaub fünf Arbeitstage für das Jahr 2015 betragen hat (20 Arbeitstage x 3/12), verbleibt nach der Gewährung von vier Urlaubstagen ein gesetzlicher Mindesturlaub von einem Urlaubstag, während zwei Urlaubstage über dem gesetzlichen Mindesturlaub liegen. Im Übrigen hat die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 14. Dezember 2020 die Urlaubsansprüche für die weiteren Jahre 2016 bis 2019 zutreffend in gesetzlichen Mindesturlaub und vertraglichen Mehrurlaub aufgegliedert. Danach setzt sich der Gesamturlaubsanspruch von 84 Arbeitstagen für die Jahre 2015 bis 2019 aus 50 Arbeitstagen gesetzlichen Mindesturlaub und 34 Arbeitstagen vertraglichen Mehrurlaub zusammen.

Während die Arbeitsvertragsparteien Urlaubsansprüche, die den gesetzlichen Mindesturlaub von vier Wochen übersteigen, grundsätzlich frei regeln können, ist der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub arbeitsvertraglichen Dispositionen entzogen, die sich zuungunsten des Arbeitnehmers auswirken (§ 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG). Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 19. Februar 2019 – 9 AZR 278/16 – Rn. 17, juris) kann der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub und dessen Abgeltung während des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien ausgeschlossen oder beschränkt werden. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub nach §§ 1, 3 BUrlG ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG unverzichtbar. Von den Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes kann, abgesehen von § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG, nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG dient dem Schutz des Arbeitnehmers. Die Vorschrift stellt sicher, dass der Arbeitnehmer im Laufe des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub hat. Die Parteien haben im Aufhebungsvertrag vom 17. Juni 2019 vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2019 beendet wird. Im Hinblick auf den erst in der Zukunft liegenden Beendigungstermin konnte im Aufhebungsvertrag vom 17. Juni 2019 während des noch laufenden Arbeitsverhältnisse kein Ausschluss des unverzichtbaren Anspruchs auf den gesetzlichen Mindesturlaub vereinbart werden.

b) Der in §§ 2 Abs. 2 und 5 des Aufhebungsvertrags geregelte Verzicht auf die Urlaubsansprüche des Klägers, die im Hinblick auf den gesetzlichen Mindesturlaub gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG unwirksam ist, lässt sich nicht mit dem Inhalt aufrechterhalten, dass nur der vertragliche Mehrurlaub von dem Anspruchsverzicht betroffen sein soll. Dem steht das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB entgegen (vgl. hierzu BAG 19. Juni 2018 – 9 AZR 615/17 – Rn. 29, NZA 2018, 1480).

aa) Bei den in §§ 2 Abs. 2 und 5 des Aufhebungsvertrags enthaltenen Regelungen handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Wie der Geschäftsführer der Beklagten im Termin vom 9. Juni 2021 erklärt hat, handelt es sich bei der Aufhebungsvereinbarung um einen Standard-Vertrag, der von der Personalabteilung der Beklagten erstellt worden ist. Zu dem Standard-Vertrag gehört auch die Regelung, dass mit der Entgeltfortzahlung ein etwaiger Urlaubsanspruch abgegolten ist.

Zwar liegen Allgemeine Geschäftsbedingungen nach § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind. Das war aber hier in Bezug auf die in § 2 Abs. 2 und 5 des Aufhebungsvertrages enthaltene Abgeltungs- bzw. Ausgleichsklausel nicht der Fall.

(1) „Aushandeln“ i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB bedeutet mehr als verhandeln. Es genügt nicht, dass der Vertragsinhalt lediglich erörtert wird und den Vorstellungen des Vertragspartners entspricht. „Ausgehandelt“ i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB ist eine Vertragsbedingung nur, wenn der Verwender die betreffende Klausel inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Das setzt voraus, dass sich der Verwender deutlich und ernsthaft zu gewünschten Änderungen der zu treffenden Vereinbarung bereit erklärt (BAG 18. Januar 2006 – 7 AZR 191/05 – Rn. 23, juris). Dabei muss sich die Möglichkeit der Einflussnahme auf die konkrete Klausel beziehen (BAG 19. Mai 2010 – 5 AZR 253/09 – Rn. 26, NZA 2010, 939). In aller Regel schlägt sich eine Bereitschaft zum Aushandeln auch in erkennbaren Änderungen des vorformulierten Textes nieder. Allenfalls unter besonderen Umständen kann ein Verhandeln auch dann als Ergebnis eines Aushandelns gewertet werden, wenn es schließlich nach gründlicher Erörterung bei dem gestellten Entwurf verbleibt (BGH 3. November 1999 – VIII ZR 269/98 – Rn. 27, NJW 2000, 1110; BAG 19. Mai 2010 – 5 AZR 253/09 – Rn. 25, NZA 2010, 939).

(2) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist weder die in § 2 Abs. 2 des Aufhebungsvertrages enthaltene Abgeltungsklausel noch die in § 5 des Aufhebungsvertrages enthaltene Ausgleichsklausel im Einzelnen zwischen den Parteien ausgehandelt worden i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB. Zwar hat sich die Beklagte darauf berufen, dass in dem Gespräch am 17. Juni 2019 ihr Geschäftsführer „deutlich“ zum Ausdruck gebracht habe, dass die in der Entwurfsfassung enthaltenen Regelungen „sämtlich zur Disposition“ stehen würden. Der Tatsachenvortrag der Beklagten, insbesondere auch der vom Geschäftsführer der Beklagten bei seiner Anhörung im Termin vom 9. Juni 2021 dargelegte Ablauf des Gesprächs vom 17. Juni 2019 rechtfertigt diese rechtliche Schlussfolgerung aber nicht.

Der Geschäftsführer der Beklagten hat erklärt, der vorab zur Überprüfung dem Kläger übermittelte Aufhebungsvertrag sei im Gespräch vom 17. Juni 2019 besprochen worden. Es habe dem Kläger freigestanden, die Aufhebungsvereinbarung zu unterzeichnen oder Änderungen anzusprechen. Der Kläger habe erklärt, dass er den Vertrag gelesen und verstanden habe und für ihn alles in Ordnung sei. Sie seien die einzelnen Regelungen durchgegangen. Da der Kläger den Vertrag gekannt habe und mit ihm einverstanden gewesen sei, sei über Änderungen nicht mehr gesprochen worden. Auf Nachfrage habe der Kläger keine Änderungswünsche gehabt.

Danach lässt sich dem Tatsachenvortrag der Beklagten nicht entnehmen, dass die in §§ 2 Abs. 2 und 5 enthaltenen Klauseln im Einzelnen ausgehandelt worden sind. Wie bereits ausgeführt, genügt für ein Aushandeln i.S.d. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht, dass der nach dem Vortrag der Beklagten vorab per Mail zur Prüfung übermittelte Entwurf des Aufhebungsvertrags dem Kläger bekannt war und nicht auf Bedenken gestoßen ist, die einzelnen Regelungen durchgegangen wurden und der Kläger mit dem ihm bekannten Vertrag einverstanden war. Tatsächlich ist über mögliche Änderungen der in § 2 Abs. 2 und § 5 des Aufhebungsvertrages enthaltenen Abgeltungs- bzw. Ausgleichsklausel überhaupt nicht gesprochen worden. Eine allgemein geäußerte Bereitschaft, Vertragsklauseln auf Anforderung des Vertragspartners zu ändern, erfüllt nicht die Voraussetzungen eines Aushandelns der konkreten Klausel i.S.v. § 315 Abs. 1 Satz 3 BGB (vgl. BGH 14. April 2005 – VII ZR 56/04 – Rn. 13, NJW-RR 2005, 1040; BGH 5. Juni 2018 – XI ZR 790/16 – Rn. 33, NJW 2018, 2950; Palandt BGB 80. Aufl. § 305 Rn. 20). Dem Vortrag der Beklagten ist nicht zu entnehmen, auf welche Weise sie welche Gestaltungsmöglichkeiten gerade in Bezug auf die in §§ 2 Abs. 2 und 5 des Aufhebungsvertrages enthaltenen Klauseln eingeräumt haben will und aus welchen Gründen sich danach für den Kläger erkennbar ihre Bereitschaft ergab, gerade die Regelung einer Abgeltung von Urlaubsansprüchen zur Disposition zu stellen. Allein die allgemein gestellte Frage, ob der Kläger Änderungswünsche habe, genügt hierfür nicht. Mithin handelt es sich bei den in §§ 2 Abs. 2 und 5 des Aufhebungsvertrags getroffenen Regelungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB.

bb) Der in §§ 2 Abs. 2 und 5 des Aufhebungsvertrags geregelte Verzicht auf die Urlaubsansprüche des Klägers lässt sich nicht mit dem Inhalt aufrechterhalten, dass nur der vertragliche Mehrurlaub von dem Anspruchsverzicht betroffen sein soll. Dem steht das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB entgegen.

Die Abgeltungs- und Ausgleichsklausel stellt die Rechtslage irreführend dar und suggeriert, dass sämtliche Urlaubsansprüche einschließlich des gesetzlichen Mindesturlaubs abgegolten und erledigt sind. Damit besteht die Gefahr, dass der Arbeitnehmer den Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub nicht mehr durchsetzt, obwohl unter Zugrundelegung der gesetzlichen Bestimmungen kein Verzicht eingetreten ist. Um dieser Gefahr vorzubeugen, muss bei einer Ausgleichsregelung, die zuungunsten des Arbeitnehmers von der gesetzlichen Regelung abweicht, der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub klar und deutlich ausgenommen werden. Die Klausel kann nicht mit dem Inhalt aufrechterhalten werden, dass der Anspruchsverzicht lediglich den vertraglichen Mehrurlaub umfasst. Im Rahmen des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen findet eine geltungserhaltende Reduktion von Vertragsbestimmungen auf den zulässigen Inhalt grundsätzlich nicht statt (BAG 19. Juni 2018 – 9 AZR 615/17 – Rn. 30, NZA 2018, 1480; BAG 16. Dezember 2014 – 9 AZR 295/13 – Rn. 20, NZA 2015, 827).

Mithin ist der im Aufhebungsvertrag geregelte Verzicht auf sämtliche Urlaubsansprüche des Klägers insgesamt unwirksam, während der Vertrag im Übrigen gemäß § 306 Abs. 1 BGB wirksam bleibt.

Danach hat der Kläger gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG Anspruch auf Abgeltung seiner nicht verfallenen Resturlaubsansprüche von insgesamt 84 Tagen aus den Jahren 2015 bis 2019 in unstreitiger Höhe von 34.891,92 EUR brutto.

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 291 i.V.m. 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

 

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