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Erteilung einer ordnungsgemäßen Abrechnung nach § 108 GewO

Landesarbeitsgericht Hamm – Az.: 12 Ta 233/22 – Beschluss vom 08.02.2023

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin vom 13.06.2022 gegen den Zwangsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts Rheine vom 03.06.2022 – 2 Ca 809/21 wird zurückgewiesen.

Die Schuldnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gegenstandswert: 400,00 Euro.

Zusammenfassung:

In dieser Auseinandersetzung geht es um einen Rechtsfall, in dem ein Schuldner aufgefordert wurde, für einen bestimmten Zeitraum eine ordnungsgemäße Buchführung vorzulegen, was er jedoch trotz Zahlungen nicht tat. Der Gläubiger leitete ein Vollstreckungsverfahren ein, und das Gericht verurteilte den Schuldner zur Zahlung eines Zwangsgeldes, weil er dem früheren Beschluss nicht nachgekommen war. Der Schuldner legte gegen diese Entscheidung Berufung ein und behauptete, gegen die ursprüngliche Entscheidung Berufung eingelegt zu haben. Das Gericht hielt die Berufung jedoch für unbegründet, da die Verpflichtung des Schuldners zur ordnungsgemäßen Rechnungslegung in der ursprünglichen Entscheidung eindeutig festgelegt war. Das Gericht stellte außerdem fest, dass der Schuldner mit den von ihm vorgelegten Rechnungslegungsunterlagen seiner Verpflichtung nicht nachgekommen war. Daher bestätigte das Gericht die frühere Entscheidung und forderte den Schuldner auf, die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. In dem Fall geht es um das Versäumnis des Schuldners, eine ordnungsgemäße Buchführung vorzulegen, und um die Bemühungen des Gläubigers, den früheren Gerichtsbeschluss durchzusetzen.

Gründe

I.

Erteilung einer ordnungsgemäßen Abrechnung nach § 108 GewO
(Symbolfoto: wutzkohphoto/Shutterstock.com)

Mit Urteil vom 14.02.2022 wurde die Schuldnerin mittlerweile rechtskräftig verurteilt der Gläubigerin u.a. ordnungsgemäße Abrechnungen für die Monate April bis August 2020 und für November 2020 bis Januar 2021 über die jeweilige Vergütung in Höhe von 1.000,00 Euro zu erteilen, auch über die abzuführenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Den Anspruch hat das Arbeitsgericht ausweislich der Entscheidungsgründe auf § 108 GewO gestützt. In dem Verfahren stritten die Parteien über die Höhe der Vergütung vor dem Hintergrund einer streitigen Kurzarbeitsvereinbarung. Im Laufe des Rechtsstreits erbrachte die Schuldnerin Nachzahlungen, erteilte jedoch keine aktualisierten Abrechnungen.

Unter dem 12.05.2022 leitete die Gläubigerin das Zwangsvollstreckungsverfahren hinsichtlich der nicht korrigierten Abrechnungen trotz Zahlung ein.

Mit Beschluss vom 03.06.2022 setzte das Arbeitsgericht gegen die Schuldnerin zur Erzwingung der Verpflichtung aus dem Urteil, Abrechnungen zu erteilen, ein Zwangsgeld in Höhe von 400,00 Euro fest.

Gegen diesen Beschluss legte die Schuldnerin am 13.06.2022 sofortige Beschwerde ein und begründe sie später damit, dass Berufung gegen das Urteil eingelegt worden sei.

Mit Beschluss vom 24.06.2022 half das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht ab, sondern legte sie dem Beschwerdegericht vor.

Im Laufe des Verfahrens legte die Schuldnerin mit Schriftsatz vom 17.11.2022 eine Abrechnung vor, die den Zeitraum April 2020 bis Juni 2021 abbildet, insgesamt 7 Blätter umfasst, die einzelnen Monate als Nachberechnung aufführt und als Aussteller „Testmandant“ angibt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Prozessakte verwiesen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte (§§ 793, 567, 569 ZPO, 62 Abs. 2, 78 ArbGG), mithin zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht ein Zwangsgeld festgesetzt.

1. Der Vollstreckungstitel ist auch bestimmt genug und daher für die Vollstreckung geeignet.

a) Durch den Vollstreckungstitel werden in objektiver Hinsicht Inhalt und Umfang der Zwangsvollstreckung festgelegt. Der vollstreckungsrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz ist daher nicht anders zu verstehen als die Bestimmtheit nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wonach die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag enthalten muss. Abgegrenzt werden dabei einerseits der Streitgegenstand, aber andererseits auch die Voraussetzungen für eine etwa erforderlich werdende Zwangsvollstreckung. Hinreichend bestimmt ist der Tenor, wenn der ausgeurteilte Anspruch konkret bezeichnet ist und eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren ermöglicht (vgl. BAG 31.05.2012 – 3 AZB 29/12). Der Grundsatz, dass das Vollstreckungsverfahren formalisiert ist, beinhaltet damit auch das Erfordernis, zwischen dem Erkenntnisverfahren und dem Vollstreckungsverfahren trennscharf zu unterscheiden. Gegenüber dem Erkenntnisverfahren hat das Vollstreckungsverfahren wesentliche geringere Erkenntnismöglichkeiten, da in der Regel nicht mündlich verhandelt wird und auf die üblichen Beweismittel nicht zurückgegriffen werden kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts liegt daher ein vollstreckbarer Titel vor, wenn das, was der Schuldner zu leisten hat, aus dem Titel selbst eindeutig bestimmt werden kann (vgl. BAG, 28.02.2003 – 1 AZB 53/02). Der Inhalt des Titels muss aus sich heraus jedem Dritten verständlich sein. Dabei können Tatbestand und Entscheidungsgründe zur Auslegung herangezogen werden (vgl. BAG 16.12.2021 – 2 AZR 235/21; BAG 10.4.2014 – 2 AZR 812/12).

b) Diesen Anforderungen wird der Tenor des Urteils vom 14.02.2022 gerecht.

Dem steht die Tenorierung „ordnungsgemäß Abrechnung“ nicht entgegen.

a) Zu unterscheiden ist zwischen der Abrechnung des Arbeitsentgelts nach § 108 GewO und dem allgemeinen Abrechnungsanspruch. Bei letzterem wird zurecht angenommen, dass die Verurteilung, das Arbeitsverhältnis „ordnungsgemäß“ abzurechnen, zu unbestimmt ist (vgl. BAG 25.04.2001 – 5 AZR 395/99; LAG Hamm, 24.06.2019 – 12 Ta 184/19), weil im Vollstreckungsverfahren nicht überprüft werden kann, was „ordnungsgemäß“ ist. Diese vorausschauende Abrechnung dient dazu, Zahlungsansprüche, die noch nicht befriedigt worden sind, einer Bezifferung zugänglich zu machen. Demgegenüber verfolgt die Abrechnung nach § 108 GewO andere Zwecke. Diese eröffnet dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zu erkennen, warum er gerade den ausgezahlten Betrag erhält. (vgl. BAG, 12.10.2022 – 10 AZR 496/21). Der Arbeitnehmer soll erkennen können, wie sich aus dem zugrunde gelegten Bruttobetrag der zur Auszahlung gelangte Nettobetrag ergibt, ob und in welcher Höhe der Arbeitgeber Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt hat. Insofern stellt der Anspruch nach § 108 GewO keinen selbständigen Abrechnungsanspruch zur Vorbereitung eines Zahlungsanspruchs dar, sondern eine reine Wissenserklärung und keine Willenserklärung (vgl. BAG 05.07.2012 – 4 AZR 867/16). Diese unterschiedlichen Zielsetzungen sind bei Beurteilung des Begriffs „ordnungsgemäß“ zu berücksichtigen.

b) Was eine „ordnungsgemäße Abrechnung“ ist, ergibt sich aus § 108 GewO selbst. Der Begriff hat im Gesetz in Abs. 2 seinen Niederschlag gefunden. Denn diese, nämlich die ordnungsgemäße Abrechnung über das Arbeitsentgelt, entbindet den Arbeitgeber von der Verpflichtung zur Erteilung einer neuerlichen Abrechnung, wenn sich keine Änderungen ergeben haben. Abs. 1 bestimmt die Mindestangaben (Abrechnungszeitraum und Zusammensetzung des Arbeitsentgelts). Hinsichtlich der Zusammensetzung sind insbesondere Angaben über Art und Höhe der Zuschläge, Zulagen, sonstige Vergütungen, Art und Höhe der Abzüge, Abschlagszahlungen sowie Vorschüsse erforderlich. Soweit eine Entgeltbescheinigung nach § 108 Abs. GewO in Rede steht ergeben sich Einzelheiten aus der Entgeltbescheinigungsverordnung. Nicht zur „Ordnungsgemäßheit“ gehört die inhaltliche Richtigkeit der Abrechnung (LAG Mecklenburg-Vorpommern 05.04.2022 – 5 Sa 282/21). Eine Abrechnung ist danach „ordnungsgemäß“, wenn sie den Anforderungen des §108 GewO entspricht.

Deshalb genügt die Lektüre des Gesetzestextes, um zu erkennen, was der Titel von der Schuldnerin verlangt.

2. Das Arbeitsgericht hat auch zu Recht ein Zwangsgeld festgesetzt.

a) Die Vollstreckung folgt aus § 888 ZPO, da die Verpflichtung zur Erteilung der Abrechnung nach § 108 GewO eine nicht vertretbare Handlung betrifft. Denn wie dargestellt ist eine Wissenserklärung gefordert.

b) Die allgemeinen Voraussetzungen für die Einleitung des Zwangsvollstreckungsverfahrens der §§ 62 Abs. 2 S. 1 ArbGG, 794 Abs. 1 Nr. 1, 795, 724, 750 ZPO sind gegeben (Titel, Klausel, Zustellung).

c) Die Erfüllung des Titels steht der Vollstreckung nicht entgegen. Dieser Einwand ist im Zwangsvollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Schuldnerin kann nicht auf die Vollstreckungsgegenklage verwiesen werden. (BAG, 05.02.2020 – 10 AZB 31/19, Rn. 17; BGH, 06.06.2013 – 1 ZB 56/12; LAG Hamm, 10.01.2017 – 12 Ta 567/16). Die Schuldnerin hat die ausgeurteilte Verpflichtung zur Erteilung ordnungsgemäßer Abrechnungen für die tenorierten Monate nicht erfüllt. Die mit Schriftsatz vom 27.10.2022 an die Klägervertreter überreichten Gehaltsabrechnungen sind diejenigen, die bereits zuvor überreicht worden sind und die die zwischenzeitlich erfolgten Zahlungen nicht erfassen. Sie waren auch Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens und sind vom Arbeitsgericht als unzureichend angesehen worden. Die im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 17.11.2022 eingereichten Abrechnungen, die sämtlich unter dem 08.11.2022 datieren, sind schon deswegen nicht ordnungsgemäß, weil sie keine Firmenangabe erhalten, sondern lediglich ein „Testmandant“ angeben. Sie lassen den Aussteller nicht erkennen und entsprechen damit auch nicht der Entgeltbescheinigungsverordnung.

3. Da die sofortige Beschwerde erfolglos bleibt, hat die Schuldnerin gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

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