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Fahrtkostenerstattung – außerbetriebliche Betriebsratstätigkeit

LAG Berlin-Brandenburg – Az.: 18 TaBV 1052/13 – Beschluss vom 30.01.2014

I. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2. wird den Beschluss des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 23. April 2013 – 4 BV 21/12 – unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen teilweise im Tenor zu 1. abgeändert:

1. Die Beteiligte zu 2. wird verurteilt, an die Beteiligten zu 3., 4. und 5. jeweils 12,80 EUR (zwölf 80/100) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Juni 2012 zu zahlen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beteiligte zu 2. (im Folgenden: Arbeitgeberin) verpflichtet ist den Beteiligten zu 3. – 5. (im Folgenden: freigestellte Betriebsratsmitglieder) die für eine Fahrt zu einer Besprechung mit ihren hiesigen Verfahrensbevollmächtigten, der zugleich Beisitzer einer bei der Arbeitgeberin gebildeten Einigungsstelle ist entstandenen Kosten zu erstatten sowie darüber, ob die freigestellten Betriebsratsmitglieder verpflichtet sind vor Wahrnehmung von erforderlicher Betriebsratstätigkeit außerhalb des Betriebes sich diese von der Arbeitgeberin unter Angabe der betriebsverfassungsrechtlichen Aufgabe genehmigen zu lassen sowie sich in diesem Zusammenhang bei der Geschäftsführerin ab- bzw. wieder anzumelden.

Im Vorfeld einer für den 02. März 2012 angesetzten Einigungsstellensitzung der seit Sommer 2011 bestehenden Einigungsstelle zum Thema Dienstplangestaltung und Arbeitszeit bestand bei den freigestellten Betriebsratsmitgliedern Bedarf zur rechtlichen Beratung, Klärung von Rechtsfragen sowie zur Besprechung der Taktik und Klärung der Positionen für die Einigungsstellensitzung. Deshalb beabsichtigten die freigestellten Betriebsratsmitglieder am 01. März 2012 ihren hiesigen Verfahrensbevollmächtigten, der auch Beisitzer der Einigungsstelle ist, in seiner Kanzlei in Berlin aufzusuchen.

Im Betrieb der Arbeitgeberin existiert die Dienstanweisung Nr. 10/05 vom 07. November 2005 „Durchführung und Abrechnung von Dienstreisen“ auf deren Inhalt (Bl. 21, 22 d. A.) verwiesen wird.

Unter Verwendung der danach üblichen Dienstreiseantragsformulare beantragten die freigestellten Betriebsratsmitglieder am 24. Februar 2012 für den 01. März 2012 eine Fahrt von Brandenburg nach Berlin und zurück und gaben als Grund „Besprechung mit unseren Beratern in Rechtsfragen“ an. Der Zeitpunkt des Zugangs dieser Anträge bei der Arbeitgeberin ist streitig.

Mit Schreiben vom 01. März 2012 an den Vorsitzenden der Beteiligten zu 1. (im folgenden Betriebsrat) (Bl. 67 d. A.) teilte die Geschäftsführerin der Arbeitgeberin mit, dass sie die Anträge wegen Fehlens des sachlichen Grundes nicht befürworten könne.

Mit Schreiben vom 19. März 2012 (Bl. 16 d. A.) wies die Geschäftsführerin der Arbeitgeberin darauf hin, dass der Grund für die Dienstreise genannt werden müsse und der bloße Hinweis auf Betriebsratsarbeit nicht genüge, da die Arbeitgeberin bei kostenauslösenden Maßnahmen abschätzen können müsse, ob der Betriebsrat im Rahmen seiner Aufgaben nach dem Betriebsverfassungsgesetz tätig ist oder nicht.

Mit Schreiben vom 26. März 2012 (Bl. 19, 20 d. A.) war die Geschäftsführerin der Arbeitgeberinnen „bei Durchführung außerbetriebliche Betriebsratstätigkeit um die Beachtung nachfolgender Ausführungen.“ Nachfolgend heißt es unter anderem: „… Ich bitte sie daher, sich künftig vor Verlassen des Betriebes innerhalb der Arbeitszeiten bei der Geschäftsführung abzumelden, und dabei den Ort, sowie die voraussichtliche Dauer der Betriebsratstätigkeit anzugeben. Entsprechend der bisherigen betrieblichen Praxis bitten wir darum, die Abmeldung schriftlich, sowie unter Beschreibung der betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben vorzunehmen, damit die Wahrnehmung der Aufgaben nach BetrVG nachvollzogen werden kann. Die Erstattung der Reisekosten erfolgt ggf. gemäß der Dienstanweisung 10/05. Sie erfordert die rechtzeitige Antragstellung in der bekannten Form und eine Genehmigung vor Reiseantritt durch mich.

Bei ihrer Rückkehr melden sie sich bitte ebenfalls bei mir zurück. Die An- Abmeldung bzw. entsprechende Mitteilung soll dabei ausschließlich an mich erfolgen; die Personalabteilung ist nur dann stattdessen zu benachrichtigen, wenn ich dies Ihnen vorher mitgeteilt habe …

Ein Anspruch auf Erstattung der Reisekosten für außerbetriebliche Betriebsratstätigkeit besteht nur dann, wenn die oben beschriebenen Ab- und Anmeldepflichten beachtet worden sind, die entsprechende Erforderlichkeit für die Betriebsratstätigkeit besteht und die Dienstanweisung10/05 beachtet wurden.“

Der Betriebsrat sowie die freigestellten Betriebsratsmitglieder haben die Auffassung vertreten, es bestehe ein Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten gemäß § 40 BetrVG, da es sich bei der Fahrt um erforderliche Betriebsratstätigkeit gehandelt habe und dass die freigestellten Betriebsratsmitglieder nicht verpflichtet seien den Anordnungen der Geschäftsführerin der Arbeitgeberin im Schreiben vom 26. März 2012 Folge zu leisten.

Der Beteiligte zu 1. und die Beteiligten zu 3. bis 5. haben beantragt,

1. die Beteiligte zu 2. zu verurteilen, an die Beteiligten zu 3., 4. und 5. jeweils 12,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. März 2012 zu zahlen;

2. festzustellen, dass die freigestellten Mitglieder des Beteiligten zu 1. von Dienstreisen nicht verpflichtet sind,

a. eine Genehmigung der Reise durch die Beteiligte zu 2. einzuholen,

b. der Abmeldung eine Beschreibung der betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben beizufügen;

3. festzustellen, dass die vollständig freigestellten Mitglieder des Beteiligten zu 1. nicht verpflichtet sind,

a. sich vor Verlassen des Betriebes innerhalb der Arbeitszeiten abzumelden;

b. den Ort sowie die voraussichtliche Dauer der Betriebsratstätigkeit anzugeben;

c. sich bei ihrer Rückkehr bei der Geschäftsführerin der Beteiligten zu 2. bzw. in der Personalabteilung der Beteiligten zu 2. zurückzumelden.

Die Beteiligte zu 2. hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass auch freigestellte Betriebsratsmitglieder sich beim Verlassen des Betriebes ab- und zurückzumelden hätten, da sie gerade auch bei Notfällen wissen müsse, „wer im Hause sei“. Die Erstattung der Reisekosten werde abgelehnt, da kein prüffähiger Antrag der Beteiligten zu 3. bis 5. vorgelegen habe.

Wegen des diesem Streit weiter zugrunde liegenden unstreitigen Sachverhaltes und des streitigen Vorbringens der Beteiligten in der ersten Instanz wird auf I. der Gründe des erstinstanzlichen Beschlusses (Bl. 137 – 140 d. A.) sowie auf die zwischen den Beteiligten in der Eingangsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Durch Beschluss vom 13. April 2013 hat das Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel den Anträge des Betriebsrats und der freigestellten Betriebsratsmitglieder stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, ein Anspruch auf Erstattung der Fahrkosten bestehe gemäß § 40 BetrVG, denn dies Aufwendungen seien durch Betriebsratstätigkeit, nämlich zur Vorbereitung der Einigungsstellensitzung am 02. März 2012 entstanden. Eine Pflicht zur vorherigen Einholung einer Reisegenehmigung unter Beachtung der Dienstanweisung Nr. 10/05 unter Angabe der betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben bestehe für die freigestellten Betriebsratsmitglieder nicht, da es sich bei der Wahrnehmung von erforderlicher Betriebsratstätigkeit außerhalb des Betriebes nicht um eine Dienstreise im Sinne der Dienstanweisung handele. Ferner lasse sich aus Sinn und Zweck der Ab- und Rückmeldepflichten für nicht freigestellte Betriebsratsmitglieder ableiten, dass eine solche für freigestellte Betriebsratsmitglieder nicht bestehe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung der Entscheidung wird auf die dortigen Gründe (Bl. 140 – 144 d. A.) verwiesen.

Gegen diesen ihr am 16. Mai 2013 zugestellten Beschluss hat die Arbeitgeberseite mit am 12. Juni 2013 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 30. Juli 2013 mit am 30. Juli 2013 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Arbeitgeberin vertritt weiter die Auffassung, ein Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten bestehe nicht. Die Kostentragungspflicht des § 40 BetrVG erfasse nur erforderliche Kosten der Betriebsratstätigkeit, deshalb müsse die Arbeitgeberin im Rahmen ihrer Kostentragungspflicht die Möglichkeit der Prüfung haben und dazu seien entsprechende Informationen erforderlich. Die Angabe „Besprechung mit unseren Beratern in Rechtsfragen“ sei nicht ausreichend konkret gewesen um diese Prüfung zu ermöglichen. Es sei den Betriebsratsmitgliedern zumutbar diese notwendigen Informationen vorher zu geben. Außerdem hätten die Betriebsratsmitglieder in der Vergangenheit stets Dienstreiseanträge gestellt und die Hintergründe hierfür skizziert.

Auch für eine Ab- und Rückmeldung der freigestellten Betriebsratsmitglieder bestehe ein berechtigtes Interesse der Arbeitgeberin. Die freigestellten Betriebsratsmitglieder treffe nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Pflicht sich für anfallende Betriebsratstätigkeit im Betrieb bereitzuhalten und von dieser Pflicht seien sie nur entbunden, soweit eine Abwesenheit vom Betrieb zu Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich sei. Vor diesem Hintergrund treffe freigestellte Mitglieder des Betriebsrats bei Verlassen des Betriebes die gleichen Pflichten wie nicht freigestellte Mitglieder des Betriebsrats bei Verlassen ihres Arbeitsplatzes, nämlich die Pflicht zur Ab- und Anmeldung unter Angabe des Grundes.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Arbeitgeberin in der Beschwerdeinstanz wird auf den Beschwerde Begründungsschriftsatz vom 30. Juli 2013 und den Schriftsatz vom 29. Januar 2014 verwiesen.

Die Beteiligte zu 2. und Beschwerdeführerin beantragt, den Beschluss des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 23. April 2013 – 4 BV 21/12 – abzuändern und die Anträge der Beteiligten zu 1. sowie 3. bis 5. zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 1. und die Beteiligten zu 3. bis 5. beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Sie ist gemäß § 8Abs. 4, 87 Abs. 1 ArbGG statthaft und frist- und formgerecht im Sinne der §§ 87Abs. 2, 66 Abs. 1,89 ArbGG eingelegt und begründet worden.

2. Die Beschwerde der Arbeitgeberin hat jedoch nur in geringem Umfang Erfolg.

a) Der Betriebsrat bzw. die freigestellten Betriebsratsmitglieder haben Anspruch gegen die Arbeitgeberin auf Erstattung von jeweils 12,80 EUR Fahrtkosten für die von ihnen vorgenommene Fahrt von Brandenburg nach Berlin und zurück am 01. März 2012 gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG, denn es handelt sich um erforderliche Kosten der Betriebsratstätigkeit.

Dies ist nach dem Vortrag in der Antragsschrift vom 16. Juni 2012, zugestellt am 27. Juni 2012, dass die Fahrt zum Zwecke der Vorbereitung der Einigungsstellensitzung am 02. März 2012 erfolgte, zwischen den Beteiligten eigentlich nicht mehr streitig.

Streitig ist vielmehr, ob die Angabe des Grundes der Fahrt mit „Besprechung mit unseren Beratern in Rechtsfragen“ vor Antritt der Fahrt ausreichend war, um die Kostentragungspflicht der Arbeitgeberin auszulösen.

Damit stellt sich die Frage, ob die Angabe dieses Grundes i.V.m. dem Kostenerstattungsantrag bereits die Fälligkeit dieses Anspruches auslöste und damit die Forderung bereits ab dem 26. März 2012 zu verzinsen ist.

Nach Auffassung der erkennenden Beschwerdekammer reichte vor dem Hintergrund, dass zwischen den Parteien eine Vielzahl von betriebsverfassungsrechtlichen Streitpunkten bestehen, diese recht pauschal und schlagwortartige Angabe des Grundes der Kostenentstehung nicht aus, um Verzug der Arbeitgeberin zu begründen. Eine konkretere Angabe – wie dann auch in der Antragsschrift geschehen – wie etwa „Vorbesprechung der Einigungsstellensitzung“ wäre nach Auffassung der erkennenden Beschwerdekammer insoweit erforderlich gewesen.

Mithin war erst ab 27. Juni 2012 von Verzug der Arbeitgeberin auszugehen und auf die Beschwerde der Arbeitgeberin der erstinstanzliche Beschluss im Thema zu 1. insoweit teilweise abzuändern.

b) Die freigestellten Betriebsratsmitglieder sind jedoch nach Auffassung der erkennenden Beschwerdekammer nicht verpflichtet sich vor kostenauslösenden Fahrten aus Anlass erforderlicher Betriebsratstätigkeit diese Fahrten unter Angabe einer Beschreibung der betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben von der Arbeitgeberin genehmigen zu lassen.

Eine solche Pflicht trifft die (freigestellten) Betriebsratsmitglieder nicht.

Die Arbeitgeberin kann die Erstattung von Kosten gemäß § 40 BetrVG nicht von der vorherigen Genehmigung durch sie abhängig machen.

Einzige Voraussetzung für den Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 40 BetrVG ist, dass die entstandenen Aufwendungen erforderlich sind/waren im Rahmen der Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben. Bestreitet die Arbeitgeberin aus berechtigtem Anlass, dass diese Voraussetzungen vorliegen, hat der Betriebsrat oder die Betriebsratsmitglieder, die Kostenerstattung verlangen, die Erforderlichkeit und den Zusammenhang zu betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben anzugeben. Dies kann jedoch – auch wenn dies zweckmäßig zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten wäre – von der Arbeitgeberin nicht vor Kostenentstehung und zudem nicht im Rahmen einer Art Genehmigungsverfahren von den Betriebsratsmitgliedern verlangt werden. Dies sieht § 40 BetrVG im Gegensatz zu § 81 Abs. 3 BetrVG nicht vor.

Eine entsprechende Pflicht ergibt sich auch nicht aus der im Betrieb geltenden Dienstanweisung Nr. 10/05, denn diese erfasst den vorliegenden Sachverhalt nicht, denn es handelt sich vorliegend nicht um eine „Dienstreise“ der Betriebsratsmitglieder in ihrer Funktion als Arbeitnehmer der Arbeitgeberin, sondern um die Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben in ihrer Funktion als Mitglieder des Betriebsrats.

c) Schließlich kann den (vollständig) freigestellten Mitgliedern des Betriebsrates von der Arbeitgeberin nach Auffassung der erkennenden Beschwerdekammer auch nicht die Pflicht auferlegt werden sich vor der Wahrnehmung von Betriebsratstätigkeit außerhalb des Betriebes bei der Arbeitgeberin abzumelden und sich nach Rückkehr wieder anzumelden.

Die Arbeitgeberin hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass freigestellte Betriebsratsmitglieder aufgrund des § 38 Abs. 1 BetrVG nur von ihrer beruflichen Tätigkeit, d.h. der Pflicht zur vertraglichen Arbeitsleistung, grundsätzlich aber nicht von ihrer Verpflichtung freigestellt sind, während der vertraglichen Arbeitszeit im Betrieb anwesend zu sein und sich für dort anfallende Betriebsratstätigkeit bereitzuhalten. Der Freistellungsregelung des § 38 Abs. 1 BetrVG liegt die Vermutung des Gesetzgebers zugrunde, dass in Betrieben der dort genannten Größenordnung erforderliche Betriebsratstätigkeit im Sinne von § 37 Abs. 2 BetrVG regelmäßig in einem solchen Umfang anfällt, dass sie die Arbeitszeit eines oder mehrerer Betriebsratsmitglieder voll in Anspruch nimmt. Soweit ein gemäß § 38 Abs. 1 BetrVG freigestelltes Betriebsratsmitglied innerhalb des Betriebes Betriebsratsarbeit verrichtet, ist daher grundsätzlich nicht zu prüfen, ob diese erforderlich ist. Anders verhält es sich jedoch bei Tätigkeiten außerhalb des Betriebs. Denn grundsätzlich muss auch das freigestellte Betriebsratsmitglied im Betrieb erreichbar sein und für erforderliche Betriebsratsarbeit zur Verfügung stehen, weil hierfür sonst weitere (nicht freigestellte) Betriebsratsmitglieder herangezogen werden müssten. Von dieser Anwesenheitspflicht ist daher auch das gemäß § 38 Abs. 1 BetrVG freigestellte Betriebsratsmitglied nur entbunden, soweit seine Abwesenheit vom Betrieb zur Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist. Insoweit besteht mithin kein Unterschied zu Betriebsratsmitgliedern, die nicht gemäß § 38 Abs. 1 BetrVG freigestellt sind.8 vgl. BAG, Urteil vom 31. Mai 1989, 7 AZR 277/88, Rdnr. 12; zitiert nach juris)

Diese Grundsätze begründen jedoch nach Auffassung der erkennenden Beschwerdekammer nicht die Pflicht zu der von der Arbeitgeberin verlangten Ab- und Anmeldung.

Dies ist – wie schon das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat – aus dem Sinn und Zweck der Pflicht von nicht freigestellten Betriebsratsmitgliedern zur Ab- und Anmeldung bei Verlassen des Arbeitsplatzes zur Ausübung von Betriebsratstätigkeit abzuleiten.

Ein Betriebsratsmitglied, das seinen Arbeitsplatz verlässt, um Aufgaben nach dem Betriebsverfassungsgesetz wahrzunehmen, hat sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aufgrund arbeitsvertraglicher Nebenpflicht beim Arbeitgeber abzumelden. Es ist auch verpflichtet, sich zurückzumelden, sobald es nach Beendigung der Betriebsratstätigkeit seine Arbeit wieder aufnimmt.

Dies ist nicht nur eine kollektivrechtliche Obliegenheiten zur Ab- und Rückmeldung aufgrund des Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit aus § 2 Abs. 1 BetrVG. Die Pflicht, sich beim Arbeitgeber abzumelden, wenn während der Arbeitszeit die geschuldete Arbeitsleistung nicht erbracht wird, trifft alle Arbeitnehmer gleichermaßen. Sie ist – ebenso wie die Rückmeldepflicht – eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht.

Diese Meldepflichten dienen dem Zweck, dem Arbeitgeber die Arbeitseinteilung zu erleichtern, vor allem den Arbeitsausfall des Arbeitnehmers zu überbrücken. Um diesen Zweck zu erfüllen, genügt es, wenn das Betriebsratsmitglied bei der Abmeldung den Ort und die voraussichtliche Dauer der Betriebsratstätigkeit angibt. Aufgrund dieser Mindestangaben ist der Arbeitgeber imstande, die Arbeitsabläufe in geeigneter Weise zu organisieren und Störungen im Betriebsablauf zu vermeiden. Das Betriebsratsmitglied muss die Art der geplanten Betriebsratstätigkeit deshalb nicht mitteilen und es ist seine Sache wie das Betriebsratsmitglied die Meldungen bewirkt, (vgl. BAG 13. Mai 1997 – 1 ABR 2/97 – a.a.O.).

Diese vertraglichen Nebenpflichten werden nicht dadurch zu betriebsverfassungsrechtlichen, kollektivrechtlich begründeten Pflichten, weil das Betriebsratsmitglied von der Arbeitspflicht befreit werden soll, um Betriebsratstätigkeit auszuüben. § 37 Abs. 2 BetrVG umschreibt nur einen besonderen, betriebsverfassungsrechtlich begründeten Anlass für eine Arbeitsbefreiung ohne Minderung des Anspruchs auf Arbeitsentgelt. Damit werden die Verpflichtungen, sich beim Arbeitgeber ab- und zurückzumelden, keine ausschließlich kollektivrechtlichen Pflichten. Dieselben Verpflichtungen treffen jeden Arbeitnehmer auch in anderen Fällen, in denen er Anspruch darauf hat, unter Fortzahlung der Bezüge von seiner Arbeitspflicht befreit zu sein. Die Ab- und Rückmeldepflichten beruhen ebenso wie der Entgeltanspruch, der dem Betriebsratsmitglied im Fall des § 37 Abs. 2 BetrVG erhalten bleibt, nicht auf Betriebsverfassungsrecht, sondern auf Individualrecht, dem Arbeitsvertrag. Sie sind als Rücksichtspflichten auf die Organisationsinteressen des Arbeitgebers i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB zu verstehen.

Aufgrund der Umstände des Einzelfalls – etwa der Art der Arbeitsaufgabe, der wahrzunehmenden Betriebsratstätigkeit oder der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunterbrechung – können die Rücksichtspflichten jedoch entfallen. Der Arbeitgeber kann dann verlangen, dass ihm die Gesamtdauer der in einem bestimmten Zeitraum verrichteten Betriebsratstätigkeit nachträglich mitgeteilt wird.

Die Verpflichtung des Betriebsratsmitglieds, sich beim Arbeitgeber abzumelden, folgt nicht aus einem Recht des Arbeitgebers, bereits im Voraus zu erfahren, ob das Betriebsratsmitglied seiner Arbeitspflicht nachkommt, die ihm als Arbeitnehmer obliegt. Die Pflicht ist für die Dauer der Betriebsratstätigkeit nach § 37 Abs. 2 BetrVG gerade aufgehoben. Die Abmeldepflicht des Betriebsratsmitglieds beruht vielmehr auf dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers daran, auf den Arbeitsausfall des Betriebsratsmitglieds umgehend reagieren und durch organisatorische Maßnahmen für Abhilfe sorgen zu können. Kommen solche organisatorischen Maßnahmen – z.B. wegen der Art der Tätigkeit, des Zeitpunkts und des Anlasses der Arbeitsunterbrechung sowie ihrer voraussichtlichen Dauer – nicht ernsthaft in Betracht, besteht kein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers daran, schon vor der Aufnahme der Betriebsratstätigkeit über sie informiert zu werden.

(vgl. zum Ganzen BAG, Beschluss vom 29. Juni 20011, 7 ABR 135/09 Rdnr. 19 ff; zitiert nach juris)

Solche Organisationsinteressen der Arbeitgeberin bestehen vorliegend bei Wahrnehmung außerbetrieblicher Betriebsratstätigkeit durch vollständig freigestellte Betriebsratsmitglieder nicht.

Der Arbeitgeberin ist zwar auch diesbezüglich zuzugeben, dass es zweckmäßig wäre, wenn die Ab- und Anmeldung erfolgen würde, um nachfolgende Streitigkeiten im Rahmen der Vergütungszahlung zu vermeiden, eine Verpflichtung der freigestellten Betriebsratsmitglieder hierzu lässt sich hieraus jedoch nicht ableiten.

Nach alledem war auf die Beschwerde der Arbeitgeberin der Beschluss erster Instanz lediglich wie aus dem Tenor ersichtlich teilweise abzuändern, im Übrigen jedoch zurückzuweisen.

III.

Die Rechtsbeschwerde war für die Beteiligte zu 2. gemäß den §§ 92Abs. 1, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zu zulassen.

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