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Fehlende Unterschrift auf Kündigungsschutzklage

Thüringer Landesarbeitsgericht –  Az.: 1 Sa 82/13 –  Urteil vom 19.11.2013

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Jena vom 23.11.2012 – 3 Ca 208/12 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Fehlende Unterschrift auf Kündigungsschutzklage
Symbolfoto: Von Tero Vesalainen /Shutterstock.com

Die Parteien streiten darüber, ob die Kündigungsschutzklage vom 6.8.2012, die zunächst ohne Unterschrift des Bevollmächtigten bei Gericht einging, nachträglich zuzulassen ist. Ziel des Rechtsschutzbegehrens ist es, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten zum 30.11.2012 beendet wurde.

Am 27.7.2012 ging dem Kläger die Kündigungserklärung zu. Die hiergegen gerichtete Klageschrift vom 6.8.2012 ging am 7.8.2012 bei Gericht ein. Der anwaltliche Schriftsatz war nicht unterzeichnet. Durch Verfügung vom 7.8.2012 wurde Termin zur Güteverhandlung anberaumt mit dem Hinweis auf die fehlende Unterschrift.

Am 10.8.2012 ging die Ladung in der Kanzlei des Klägervertreters ein. Die dortige Mitarbeiterin, Frau N…, nahm die Ladung auf, notierte die Frist und kennzeichnete den Hinweis auf den Mangel mit einem Ausrufezeichen.

Die Sachbearbeiterin ließ den Hinweis unberücksichtigt. Am 17.8.2012 legte die Mitarbeiterin, Frau F…, dem anwaltlichen Vertreter des Prozessbevollmächtigen Schriftverkehr vor, nach welchem ein anwaltlicher Terminsbevollmächtigter aus J… bestellt und der Kläger vom Termin informiert werden sollte. Der Prozessbevollmächtigte selbst befand sich bis zum 3.9.2012 in Erholungsurlaub.

Im Termin am 29.8.2012 wurde der Unterbevollmächtigte auf den Mangel nochmals hingewiesen. Er stellte einen Antrag auf nachträgliche Zulassung. Am 11.9.2012 ging eine unterschriebene Klage per Telekopie bei der Posteingangsstelle des Justizzentrums Jena ein, das Original folgte am 13.9.2012.

Der Kläger hat vorgetragen, es liege ein zweifacher Fehler vor, welcher den Angestellten seines Bevollmächtigten anzulasten sei. Die Mitarbeiterin, Frau K…, welche die Klageschrift im Ausgang betreute, habe verabsäumt, der Anweisung Folge zu leisten, ob die „Formalien“ bei Absendung vollständig und richtig seien. Bei Eingang der Ladung sei diese nebst Hinweis nicht ihm, sondern seiner Sachbearbeiterin, Frau F…, vorgelegt worden.

Diese müsse den Hinweis übersehen haben. Beide Sachbearbeiterinnen seien zuverlässig, hinreichend angeleitet und überprüft.

Mit Schriftsatz vom 5.9.2012 hat der Kläger die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Der Kläger hat weiter beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht durch die Kündigung vom 25.07.2012, zugegangen am 27.07.2012, zum 30.11.2012 beendet wird, sondern zu unveränderten Bedingungen über dieses Datum hinaus fortbesteht;

2. die Kündigungsschutzklage vom 06.08.2012 wird nachträglich zugelassen. Die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand hinsichtlich der Frist nach § 5 Abs. 3 KSchG wird beantragt.

Die Beklagte hat beantragt, den Wiedereinsetzungsantrag und die nachträgliche Zulassung der Klage zurückzuweisen.

Die Beklagte rügt die mangelhafte Organisation der Arbeitsabläufe in der Kanzlei des Klägervertreters sowie Lücken in der Glaubhaftmachung des Vortrags.

Das Arbeitsgericht Jena hat den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Klage mit Urteil vom 23.11.20012 – 3 Ca 208/12 – zurückgewiesen. Es sieht die Ursache für die Versäumung der Frist in der Kanzleiorganisation. Mit Beschluss vom 9.4.2013 ist der Tatbestand im Hinblick auf den Zugang der Telekopie am 11.9.2013 ergänzend berichtigt worden. – Gegen diese dem Vertreter des Klägers am 21.2.2013 zugestellte Entscheidung hat der Kläger mit am 19.3.2013 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und das Rechtsmittel nach Verlängerung der Begründungsfrist zum 21.5.2013 mit am 21.5.2013 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Kläger führt aus, ihm könne das Verschulden der Mitarbeiterinnen seines Prozessbevollmächtigten nicht zugerechnet werden.

Der Kläger beantragt, in Abänderung des Zwischenurteils des Arbeitsgerichts Jena vom 23.11.2012 – 3 Ca 208/12 – die Kündigungsschutzklage vom 6.8.2012 nachträglich zuzulassen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung. Die Kammer hat im Termin darauf hingewiesen, dass ein persönliches Verschulden des anwaltlichen Vertreters vorliege.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung nicht beschieden. Das ist insofern unschädlich, weil bei Versäumung der Frist des § 4 KSchG der Anwendungsbereich der §§ 233 ZPO ff. nicht eröffnet ist (statt vieler: Gallner, KSchG, § 5 Rn 5). Es geht nicht um Fortsetzung infolge Versäumnis einer Notfrist, sondern um den ersten Zugang.

Die hier gegebene Möglichkeit eines Antrags auf nachträgliche Zulassung der Klage hat das Arbeitsgericht im Ergebnis zutreffend abgewiesen.

Der Anwendungsbereich des § 5 KSchG ist eröffnet, weil der Kläger die 3-Wochen-Frist des § 4 KSchG nicht eingehalten hat.

Die Zwei-Wochen-Frist des § 5 Abs. 3 KSchG ist vorliegend gewahrt. Die Bemessung der Frist ist davon abhängig, worin das Hindernis für die Verspätung begründet ist und wann es behoben wurde. Die Klage war nicht rechtzeitig, weil der zunächst eingereichte Schriftsatz keine Unterschrift enthielt. Rechtzeitig wäre die Klage erhoben, wenn auf die am 27.7.2012 zugegangene Kündigung bis zum 17.8.2012 mit einer unterschriebenen Klage oder mit einer entsprechenden Protokollerklärung eingegangen worden wäre. Daran fehlt es, doch bezeichnet dieser Vorgang nicht die Ursache, sondern nur die Folge. Der Rückschluss führt dahin, dass das Hindernis die fehlende Kenntnis vom Vorliegen einer Unterschrift sein muss. Dieses Hindernis wurde in der Güteverhandlung am 29.8.2012 durch den mündlichen Hinweis des Gerichtes gegenüber dem im Termin anwesenden Unterbevollmächtigten beseitigt. Ab diesem Zeitpunkt bestand Kenntnis vom Hindernis und dessen Behebung. Diese Tatsachen sind der Akte zu entnehmen.

Mit der Stellung des Antrags auf nachträgliche Zulassung in der Güteverhandlung am 29.8.2012 und der Einreichung einer unterschriebenen Klageschrift am 11.9.2012 ist die Frist des § 5 Abs. 3 S.1 KSchG gewahrt. Die im Termin in Gang gesetzte Frist lief nach zwei Wochen, also am 11.9.2012 ab. Damit war der Verbund von Antrag und Nachholung einer formgerechten Klage zeitgerecht.

Der Antrag ist indes nicht begründet. Der Kläger war nämlich nicht trotz der Anwendung aller nach Lage der Umstände zu erwartenden Sorgfalt gehindert, zeitgerecht den Formmangel zu beheben.

Anders als das Arbeitsgericht sieht die Kammer im Vordergrund nämlich nicht eine – schwieriger zu belegende – fehlerhafte Organisation der Kanzlei, als vielmehr ein direktes anwaltliches Versagen.

Dabei kann hier ebenfalls zunächst dahin stehen, ob nicht schon die fehlende, eigene Ausgangskontrolle ursächlich für das Fehlen der Unterschrift ist. Die Rechtsprechung differenziert insofern zwischen der Verantwortung des Prozessbevollmächtigten (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl. § 233 Rn. 23 „Ausgangskontrolle“ mwN) und Eingriffen des Büropersonals (BGH NJW 2012, 856; JurBüro 2010, 56). Zweck der Unterschrift sind bei bestimmenden Schriftsätzen die Identifizierung durch den Aussteller verbunden mit der Autorisierung des Inhalts (schon RGZ 151, 82). Fehlt die Unterschrift, hat der Schriftsatz kein prozessuales Gewicht. Es erscheint zweifelhaft, hier, wenn der Prozessbevollmächtigte weiß, dass er einen Schriftsatz verfertigt hat, davon auszugehen, dass ihm das Fehlen seiner eigenen Unterschrift nicht zugerechnet werden kann, obwohl diese eigentlich den Schlussstein der Tätigkeit des Verfassers darstellt. Das Arbeitsgericht ist allerdings von einem nicht verschuldeten Verhalten ausgegangen, und die Kammer macht sich diese Sicht des Klägers ebenfalls zu Eigen.

In Anwendung der auch für die Auslegung des § 5 Abs. 1 KSchG hilfreichen Maßstäbe des § 85 Abs. 2 ZPO (vgl. BAG AP KSchG 1969 § 4 Nr. 68 und später § 5 Nr. 16) kann jedoch ein Verschulden der anwaltlichen Urlaubsvertretung am 17.8.2012 nicht außer Acht gelassen werden. An diesem Tag, an welchem auch die ursprüngliche Klagefrist auslief, legte die Kanzleimitarbeiterin F… der Urlaubsvertretung zwei Schreiben vor. Im Schreiben an den Kläger wurde dieser über den Termin vom 29.8.2012 informiert. Das ist unschädlich. Das Schreiben an den Unterbevollmächtigten Rechtsanwalt B… in J… (Blatt 61) enthält hingegen die Mandatierung eines weiteren Rechtsanwaltes, um die Gerichtstermine im fern gelegenen J… wahrzunehmen. Es heißt in diesem Schreiben: „Wir beauftragen Sie … den Termin zur Güteverhandlung … gemäß der beigefügten Terminsladung … für uns in Untervollmacht wahrzunehmen.“ Mithin hat an diesem Tag ein anwaltlich Bevollmächtigter des Klägers die Terminsladung mit dem Hinweis auf die fehlende Unterschrift in der Hand gehalten, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Die Kammer verkennt nicht, dass solche Untermandate in der anwaltlichen Praxis als Routinehandlungen angelegt sind. Gleichwohl bildet die – partielle – Weitergabe des Mandats eine Schnittstelle, an der im Interesse des Auftraggebers eine größtmögliche Sorgfalt an den Tag zu legen ist. Hier wäre ein prüfender Blick in die Handakte angezeigt, jedenfalls war ein Blick auf die Terminsladung zu werfen, bei der unschwer das von der den Eingang des Schriftstücks am 10.8.2012 betreuenden Frau N… gesetzte Ausrufungszeichen hätte ins Auge fallen müssen. All dies ist nicht passiert.

In der Konsequenz hat der am 17.8.2012 unterzeichnende Rechtsanwalt in der vom Kläger beauftragten Rechtsanwaltskanzlei sich einer wichtigen Erkenntnis verstellt, er hat das Fehlen der Unterschrift nicht erkannt. Zu diesem Zeitpunkt war es ihm möglich, einen Schriftsatz zu unterzeichnen, per Telekopie zu übermitteln und damit die Klagefrist zu wahren. Das Säumnis beruht mithin auf einem fahrlässigen Fehler des Rechtsanwaltes.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Kammer lässt die Revision zu. Die Sache hat grundsätzliche Bedeutung. Zwar hat der Bundesgerichtshof in mehreren Entscheidungen zur Verteilung der Verantwortung zwischen Verkehrsanwalt und Prozessanwalt Stellung genommen. Die Pflichten bei der Übertragung eines Untermandates sind – soweit ersichtlich – noch nicht konkret geklärt.

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