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Festlohnvereinbarung – muss fixe monatliche Arbeitszeit vereinbart werden?

LAG Berlin-Brandenburg – Az.: 3 Sa 1406/11 – Urteil vom 13.12.2011

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 17. Mai 2011 – 2 Ca 160/11 – wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten der ersten Instanz bei einem Streitwert von 1.843,12 EUR haben der Kläger zu 96% und die Beklagte zu 4% zu tragen.

III. Die Kosten der zweiten Instanz hat die Beklagte zu tragen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger noch restliche Vergütung für Januar 2011 zu zahlen.

Der Kläger ist seit dem 12. April 2002 für die Beklagte am Standort Schwedt als Kraftfahrer für Gefahrgut tätig. Er ist nicht Mitglied einer Gewerkschaft. Die Beklagte ist auf Transportdienstleistungen spezialisiert und an ihrer Niederlassung in Magdeburg Mitglied im Landesverband des Verkehrsgewerbes in Sachsen Anhalt e.V..

Ziffer 1 des zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrages vom 11. April 2002 lautet:

„1. Vertragsgrundlagen

sind die jeweils zwischen den Arbeitgeber – und Arbeitnehmer-Organisationen gültigen Lohn- und Manteltarifverträge.

7. Arbeitsentgelt

a) für eine monatliche Arbeitszeit bis zu 260 Stunden, exklusive gesetzlicher Pause

b) der monatliche Brutto-Lohn beträgt € 2.045,17

c) Einsatzstunden (ab 261) werden mit gesetzlichen und/oder tariflichen Zuschlägen vergütet.

d) Sonderzeiten (z.B. Sonn- und Feiertage von 0 bis 22 Uhr) werden gesondert bezahlt mit den gesetzlichen und/oder tariflichen Aufschlägen.“

Den Grundlohn von 2.045,17 Euro zahlte die Beklagte dem Kläger in den Monaten von April 2002 bis Juli 2010. Im Juli 2010 legte die Beklagte dem Kläger einen schriftlichen Arbeitsvertrag vor, gemäß dessen § 4 ein Festgehalt in Höhe von 1.353,08 Euro brutto gezahlt werden sollte. In einer dem Kläger ebenfalls von der Beklagten vorgelegten Fahrerbelehrung sollte die 40-Stunden-Woche als regelmäßige Arbeitszeit vereinbart werden, die im Rahmen des gesetzlich Zulässigen erhöht werden kann, wobei für jede Stunde, die über die 40. in der Woche hinausgeht, Überstundenvergütung oder Freizeitausgleich zu leisten ist. Der Kläger unterschrieb den ihm angebotenen Arbeitsvertrag nicht, sondern lehnte mit Schreiben vom 5. September 2010 das Angebot ausdrücklich ab. Seit August 2010 vergütet die Beklagte dennoch die Tätigkeit auf der Basis der von ihr angebotenen Bedingungen. Für den Monat Januar 2011 zahlte die Beklagte dem Kläger einen Monatslohn in Höhe von 1.353,64 Euro brutto, eine Überstundenvergütung in Höhe von 554,84 Euro und von 63,59 Euro brutto, des Weiteren Nachtzuschläge und vermögenswirksame Leistungen. Auf den Inhalt der Abrechnung wird Bezug genommen (Bl. 12 der Akte).

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte schulde ihm für Januar 2011 restlichen Lohn in Höhe von 73,10 Euro brutto, weil sie auf der Grundlage des Arbeitsvertrages verpflichtet sei, ihm monatlich ein Grundgehalt von 2.045,17 Euro zu zahlen. In der Regel habe er weniger als 260 Stunden im Monat gearbeitet.

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht Eberswalde die Vergütungsdifferenzen für die Monate August 2010 bis November 2010 eingeklagt. Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen 2 Ca 827/10 geführt. Mit Klageerweiterung vom 13. Februar 2011 zu dem Aktenzeichen 2 Ca 827/10 hat der Kläger die Zahlung der Vergütungsdifferenz für Januar 2011 in Höhe von 73,10 Euro brutto nebst Zinsen geltend gemacht. Durch Beschluss vom 17. Februar 2011 hat das Arbeitsgericht die Klageerweiterung vom 13. Februar 2011 von dem Verfahren 2 Ca 827/10 abgetrennt. Das abgetrennte Verfahren ist unter dem arbeitsgerichtlichen Aktenzeichen 2 Ca 160/11 weitergeführt worden. Mit beim Arbeitsgericht am 3. Mai 2011 eingegangenen und der Beklagten am 16. Mai 2011 zugestellten Schriftsatz hat der Kläger die Klage erweitert und beantragt, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab März 2011 eine monatliche Bruttovergütung von mindestens 2.045,17 Euro zu zahlen.

Der Kläger hat nach Klagerücknahme im Übrigen beantragt, die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 73,10 Euro nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 24. Februar 2011 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat im Wesentlichen vorgetragen: Ihr im Jahr 2009 neu berufener Geschäftsführer habe feststellen müssen, dass die Arbeitsverträge gegen die Arbeitszeitbestimmungen verstießen. Sie sei daher verpflichtet, hinsichtlich der Arbeitszeit neue gesetzes- und tarifvertragskonforme Regelungen zu treffen. Der im Arbeitsvertrag in Bezug genommene Manteltarifvertrag für die Beschäftigten des privaten Verkehrsgewerbes im Land Sachsen-Anhalt vom 20. November 1996 schreibe eine 40-Stunden-Woche für Kraftfahrer fest. Da der Kläger nach seinem Arbeitsvertrag von 2002 für 260 Stunden im Monat 2.045,17 Euro verdiene, ergebe sich daraus ein Stundenlohn von 7,87 Euro brutto. Bei Anpassung des Arbeitsvertrages an die gesetzlich und tariflich vorgeschriebene Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich errechne sich ein Bruttomonatslohn von 1.353,64 Euro. Ziffer 7 des Arbeitsvertrages sei nichtig und im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung anzupassen. Erlaubt sei eine Arbeitszeit von 172 Stunden. Daher sei die arbeitsvertragliche Vergütung automatisch proportional an die veränderte Arbeitszeit anzupassen.

Im Übrigen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils (Bl. 92 bis 94 der Akte) verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 17. Mai 2011 die Beklagte verurteilt, an den Kläger 73,10 Euro brutto nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Februar 2011 zu zahlen, die Kosten des Rechtstreits der Beklagten auferlegt und die Berufung zugelassen. Das Arbeitsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger stehe für Januar 2011 noch ein restlicher Vergütungsanspruch in Höhe von 73,10 Euro brutto zu. Der Anspruch ergebe sich aus § 611 BGB iVm. dem Arbeitsvertrag vom 11. April 2002, der nicht geändert worden sei. Der Arbeitsvertrag sei weder nichtig noch teilnichtig. Ziffer 7 des Arbeitsvertrages verstoße nicht gegen das Arbeitszeitgesetz und auch nicht gegen die gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten. Die zulässige Arbeitszeit richte sich nicht nach einem Tarifvertrag, denn die Parteien hätten keinen bestimmten Tarifvertrag vereinbart. Ziffer 1 des Arbeitsvertrages lasse nicht erkennen, auf welchen Lohn- und Manteltarifvertrag verwiesen werde. Dies könne auch durch Auslegung nicht ermittelt werden. Ziffer 7 des Arbeitsvertrages sei nicht so auszulegen, als habe der Kläger 260 Stunden im Monat zu leisten. Ziffer 7 beinhalte keine Regelung über die zu leistende Arbeitszeit, sondern über das zustehende Arbeitsentgelt, welches für eine monatliche Arbeitszeit bis zu 260 Stunden 2.045,17 Euro brutto betragen solle. Ziffer 7 hindere den Kläger nicht, die gesetzlich zulässige Arbeitszeit einzuhalten. Die Regelung stelle auch klar, dass der Kläger den Anspruch auf den Grundlohn von 2.045,17 Euro brutto habe für jeden Monat, den er für die Beklagte arbeite, also auch dann, wenn er 172 Stunden fahre oder gar weniger, wenn die Beklagte ihn nicht in Vollzeit beschäftigen könne. Da Ziffer 7 des Arbeitsvertrages keine nichtige Vertragsklausel enthalte, sei die Beklagte nicht berechtigt, eine Anpassung einseitig vorzunehmen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils, Bl. 94 bis 97 der Akte, Bezug genommen.

Gegen das der Beklagten am 16. Juni 2011 zugestellte Urteil hat diese mit beim Landesarbeitsgericht am 7. Juli 2011 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit beim Landesarbeitsgericht am 4. August 2011 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte trägt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen vor: Die im Arbeitsvertrag unter Ziffer 7a) geregelte Arbeitszeitklausel sei gemäß §§134, 139 BGB nichtig. Sie verstoße gegen das Arbeitszeitgesetz. Nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen hätten die Parteien in Ziffer 7a) des Arbeitsvertrages vereinbart, dass der Kläger verpflichtet sei, monatlich, also jeden Monat, bis zu 260 Stunden zu arbeiten. Hiernach habe die Beklagte von dem Kläger verlangen können sollen, jede beliebige Stundenzahl bis zur Höhe von 260 Stunden im Monat für sie zu arbeiten. Auch die systematische und teleologische Auslegung spreche dafür, dass in Ziffer 7 eine Regelung zur Arbeitszeit getroffen worden sei. Ein Arbeitnehmer könne sich nicht wirksam verpflichten, bis zu 260 Stunden im Monat zu arbeiten. Daher sei die Arbeitszeitregelung insgesamt nichtig. Die verbotenen Teile eines nichtigen Arbeitsvertrages seien durch die einschlägigen gesetzlichen oder tariflichen Bestimmungen zu ersetzen. Wenn man wie das Arbeitsgericht von einer unwirksamen In-Bezugnahme des Manteltarifvertrages ausgehe, richte sich die Arbeitszeit nach den gesetzlichen Bestimmungen und betrage hiernach 40 Stunden wöchentlich, dies entspreche 173 Stunden monatlich. Die Vergütung sei daher entsprechend anzupassen und zwar proportional an die zulässige Arbeitszeit. Wenn sich die zu erbringende Arbeitszeit verringere, verringere sich automatisch die zu zahlende Vergütung. Es liege hier auch kein Ausnahmefall vor, bei dem kein unmittelbares Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliege. Auf dieser Annahme beruhe jedoch das erstinstanzliche Urteil. Vorliegend spreche bereits der Wortlaut der Vereinbarung für eine unmittelbare, also synallagmatische Verknüpfung zwischen Arbeitszeit und Vergütung. Aus der Tatsache, dass der Arbeitsvertrag eine monatliche Arbeitszeit „von bis zu 260 Stunden“ und nicht von 260 Stunden vorsehe, lasse sich nichts anderes ableiten. Es erschließe sich der rechtliche Unterschied zwischen beiden Formulierungen nicht, weil eine Arbeitszeitvereinbarung immer nur eine Obergrenze enthalte. Es komme aber zu einer Störung im Austauschverhältnis, wenn es dem Arbeitnehmer aus rechtlichen Gründen nicht möglich sei, bis zu einer bestimmten Obergrenze zu arbeiten. Diese Störung sei durch eine ergänzende Vertragsauslegung zu lösen. Es sei auch lebensfremd anzunehmen, die Parteien hätten für eine monatliche Arbeitszeit von bis zu 173 Stunden eine Vergütung von 2.045,17 Euro brutto vereinbart. Eine Änderungskündigung sei nicht erforderlich.

Der Kläger ist trotz Zustellung der Berufungsbegründung mit dem Hinweis nach § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG und trotz Terminsladung zu der mündlichen Verhandlung am 13. Dezember 2011 nicht erschienen.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Eberswalde, Aktenzeichen 2 Ca 160/11 – vom 17. Mai 2011, zugestellt am 16. Juni 2011, die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung und die Sitzungsniederschriften beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a ArbGG statthaft und gemäß §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519 Abs. 1 und Abs. 2, 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufungsbegründung genügt noch den Anforderungen einer ausreichenden Berufungsbegründung.

1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 ArbGG muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die zivilprozessuale Regelung soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungsführer die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchem Grund er das angefochtene Urteil für unrichtig hält (st. Rspr., vgl. ua. BAG 18. Mai 2011, 4 AZR 522/09 – Rn. 14, EzA-SD 2011, Nr 17, 15; 15. März 2011 – 9 AZR 813/09 – Rn. 11; 28. Mai 2009 – 2 AZR 223/08 – Rn. 14, AP ZPO § 520 Nr. 2; 6. März 2003 – 2 AZR 596/02 – BAGE 105, 200). Dabei dürfen im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie zwar keine unzumutbaren Anforderungen an den Inhalt von Berufungsbegründungen gestellt werden (BAG 28. Mai 2009 – 2 AZR 223/08 – aaO). Die Berufungsbegründung muss aber auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll (BAG 17. Januar 2007 – 7 AZR 20/06 – Rn. 11 mwN, BAGE 121, 18; 25. April 2007 – 6 AZR 436/05 – Rn. 14 mwN, BAGE 122, 190). Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG 18. Mai 2011, 4 AZR 522/09 – Rn. 14, aaO; 15. März 2011 – 9 AZR 813/09 – aaO; 25. April 2007 – 6 AZR 436/05 – Rn 14 mwN, aaO).

2. Zwar setzt sich die Beklagte auf den Seiten 4 bis 8 der Berufungsbegründung erkennbar nicht mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auseinander, weil das Arbeitsgericht Ziffer 7 des Arbeitsvertrages nicht dahin auslegte, dass der Kläger verpflichtet sei, durchschnittlich im Monat 173 Stunden zu arbeiten. Allerdings hat sich die Beklagte später, nämlich auf den Seiten 11 und 12 der Berufungsbegründung, noch in genügender Weise mit dem angegriffenen Urteil auseinandergesetzt, in dem sie ausführte, das Arbeitsgericht habe die Auslegungsgrundsätze verletzt, weil es aus der Formulierung in Ziffer 7 des Arbeitsvertrages folgere, die Beklagte habe sich unabhängig davon, wie viel der Kläger monatlich arbeite, zur Zahlung von 2.045,17 Euro verpflichtet. Aus dem weiteren Vorbringen ergibt sich, wie die Beklagte diese Regelung aus ihrer Sicht auslegt, aus welchen Gründen sie diese Regelung für unwirksam und damit eine ergänzende Vertragsauslegung für erforderlich hält. Auf die Schlüssigkeit der Argumentation kommt es für die Zulässigkeit der Berufung nicht an.

II. Die Berufung ist nicht begründet. Da das Vorbringen der Beklagten eine Abweisung der Klage nicht rechtfertigt, war die Berufung trotz des Nichterscheinens des Klägers in der Berufungsverhandlung zurückzuweisen (§ 539 Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 ArbGG). Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Beklagte verurteilt, an den Kläger 73,10 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen. Die Berufungsbegründung führt zu keiner anderen Beurteilung.

1. Die Beklagte ist zur Zahlung der Vergütungsdifferenz von 73,10 Euro brutto für den Monat Januar 2011 gemäß § 611 BGB iVm. Ziffer 7b) des Arbeitsvertrages vom 11. April 2002 an den Kläger verpflichtet. Die Parteien haben nämlich in Ziffer 7b) des Arbeitsvertrages wirksam die Zahlung eines festen Grundlohns in Höhe von 2.045,17 Euro brutto vereinbart.

a) Die Beklagte beruft sich nicht darauf, dass die Parteien arbeitsvertraglich die Zahlung eines bestimmten Tariflohnes vereinbart haben. Tatsächlich kann dem Arbeitsvertrag vom 11. April 2002 ein entsprechender rechtsgeschäftlicher Wille nicht entnommen werden. Vielmehr haben die Parteien in Ziffer 7 des Arbeitsvertrages Regelungen zur Höhe des Arbeitsentgeltes getroffen.

b) Die Parteien haben unter Ziffer 7 des Arbeitsvertrages vom 11. April 2002 eine Festlohnvereinbarung getroffen, die die Beklagte verpflichtet, dem Kläger monatlich 2.045,17 Euro brutto zu zahlen. Auch nach dem Vortrag der Beklagten hat der Kläger das von der Beklagten im Juli 2010 unterbreitete Änderungsangebot nicht angenommen. Eine Regelung über die von dem Kläger zu leistende Arbeitszeit enthält Ziffer 7 des Arbeitsvertrages dagegen nicht. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Parteien an anderer Stelle des Vertrages eine bestimmte Arbeitszeit des Klägers festgelegt haben.

aa) Bei den im Arbeitsvertrag vom 11. April 2002 enthaltenen Bestimmungen handelt es sich nach dem Vorbringen der Beklagten um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Dahin ist jedenfalls ihr Vortrag auf Seite 6 der Berufungsbegründung zu verstehen. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss (BAG 17. August 2011 – 10 AZR 322/10 – Rn. 17; EzA-SD 2011, Nr. 24, 7 (red. Leitsatz); 9. Januar 2011 – 10 AZR 738/09 – Rn. 13, AP BGB § 307 Nr. 50; 25.  August 2010 – 10 AZR 275/09 – Rn. 19, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 49).

bb) Nach Ziffer 7 des Arbeitsvertrages ist die Beklagte verpflichtet, dem Kläger monatlich einen festen Grundlohn in Höhe von 2.045,17 Euro brutto zu zahlen, und zwar unabhängig von der Anzahl der tatsächlich seitens der Beklagten von dem Kläger geforderten Arbeitsstunden. Für den Fall, dass die Beklagte den Kläger mehr als 260 Stunden beschäftigt, hat der Kläger nach der vertraglichen Absprache Anspruch auf die Zahlung von Zuschlägen. Dies ergibt die Auslegung dieser Bestimmung,

(1) Die Kammer schließt sich zunächst den folgenden überzeugenden Ausführungen der Kammer 19 des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg in dem Urteil vom 23. August 2011 – 19 Sa 748/11 – an:

„Nach dem Wortlaut dieser Klausel sowie ihrer Überschrift ergibt sich zwanglos, dass die Parteien eine nicht flexible und nicht variable Monatsvergütung für die Arbeitsleistung des Klägers vereinbart haben. Sie haben nämlich einen monatlichen Bruttolohn mit einer entsprechenden Festsumme (2.045,17 €) vereinbart. Diese Vereinbarung gilt erkennbar für alle Vertragsmonate, für die der Kläger für die Beklagte tätig ist. Mangels abweichender Vereinbarungen handelt es sich auch um einen Festbetrag, da sich aus der Regelung weder eine Variabilität der Vergütung noch eine an sonstige Leistungserbringungen des Klägers gebundene Flexibilität ergibt. Ob diese Regelung unüblich, überhöht oder aus sonstigen Gründen für die Beklagte nachteilig ist, kann dahingestellt bleiben, weil solche Erwägungen keinen Einfluss auf die Rechtswirksamkeit einer solchen Festlohnvereinbarung haben. Ein Fall der Verletzung von §§ 134, 138 BGB ist von beiden Seiten nicht vorgetragen und auch nicht erkennbar.“

(2) Bereits aus der Überschrift der Ziffer 7 des Arbeitsvertrages folgt, dass in dieser Klausel nicht der Umfang der geschuldeten Arbeitszeit, sondern ausschließlich das Arbeitsentgelt geregelt werden soll. Auch dem Wortlaut der Bestimmungen in Ziffer 7 kann in keiner Weise entnommen werden, dass eine vertragliche Absprache hinsichtlich der von dem Kläger zu leistenden Arbeitszeit getroffen werden sollte. Dort ist nicht formuliert, dass die Arbeitszeit des Klägers eine bestimmte Anzahl von Stunden beträgt oder dass er verpflichtet ist, eine bestimmte Anzahl von Stunden monatlich zu leisten. Ziffer 7a) des Arbeitsvertrages bezieht sich durch die Verwendung des Wortes „für“ erkennbar auf die Regelungen in Ziffer 7b) und c) und verdeutlicht damit ausschließlich, dass für eine tatsächlich geleistete Arbeitszeit von bis zu 260 Stunden nach dem Willen der Vertragspartner keine Zuschläge, sondern nur der Bruttobetrag von 2.045,17 Euro gezahlt wird, und erst bei Einsatzstunden, also tatsächlich geleisteten Stunden, die über 260 Stunden im Monat hinausgehen, gesetzliche und/oder tarifliche Zuschläge gezahlt werden sollen. Auch insoweit werden nur Regelungen zum Arbeitsentgelt festgelegt.

(3) Ziffer 7 des Arbeitsvertrages kann bereits aufgrund des eindeutigen Wortlautes auch nicht dahin verstanden werden, dass die Vergütung in Höhe von 2.045,17 Euro brutto nur dann in voller Höhe zu zahlen ist, wenn der Kläger tatsächlich eine Arbeitszeit von 260 Stunden im Monat erbracht hat. Weder in Ziffer 7a) noch in Ziffer 7b) ist bestimmt, dass bei einer monatlichen Arbeitszeit von 260 Stunden das Bruttoentgelt 2.045,17 Euro beträgt. In Ziffer 7a) wird ausdrücklich eine monatliche Arbeitszeit „bis zu 260 Stunden“ erwähnt und in Ziffer 7b) wird der Umfang einer zu leistenden Arbeitszeit explizit nicht genannt. Danach ist gemäß Ziffer 7b) der Bruttolohn von 2.045,17 Euro gerade unabhängig von der Erbringung einer monatlich festgelegten Arbeitszeit vereinbart worden. Aus dem systematischen Zusammenhang der Regelungen in Ziffer 7a) und b) des Arbeitsvertrages folgt, dass die Beklagte sich verpflichtet hat, dem Kläger losgelöst von der konkret monatlich von diesem zu leistenden Arbeitszeit mindestens den Betrag von 2.045,17 Euro brutto zu zahlen.

c) Die Regelung in Ziffer 7a) und 7b) des Vertrages sind nicht unwirksam. Da in Ziffer 7 des Vertrages keine Vereinbarung über den Umfang der vom Kläger zu leistenden Arbeitszeit getroffen worden ist, liegt insoweit kein Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz vor. Der Umstand, dass die Beklagte den Kläger uU rechtswidrig angewiesen hat, Arbeitszeiten zu erbringen, die mit dem Arbeitszeitgesetz nicht in Einklang stehen, berührt die Wirksamkeit der zwischen den Parteien getroffenen Festgeldabrede nicht. Die Parteien eines Arbeitsvertrages sind nicht verpflichtet, als Gegenleistung für eine bestimmte Monatsvergütung nur eine fixe monatliche Arbeitszeit zu vereinbaren. Es steht den Parteien vielmehr frei, eine bestimmte monatlich feststehende Vergütung zu vereinbaren, die unabhängig von dem Umfang der tatsächlich von dem Arbeitgeber dann abgerufenen Arbeitsleistung zu zahlen ist. Dies haben die Parteien in Ziffer 7 des Arbeitsvertrages getan.

d) Da die Parteien in Ziffer 7b) des Arbeitsvertrages vom 11. April 2002 eine Festlohnvereinbarung getroffen haben, verbietet sich schon im Grundsatz eine einseitige Reduzierung der Vergütungshöhe durch die Beklagte. Es gelten die Grundsätze „do ut des“ und „pacta sunt servanda“. Weder liegen die Anwendungsvoraussetzungen von § 315 Abs. 3 BGB vor, noch bedarf es einer sogenannten ergänzenden Vertragauslegung, weil die Parteien eine nicht anpassungsbedürftige, klare und eindeutige Vergütungsregelung in ihrem Arbeitsvertrag getroffen haben (so zutreffend LAG Berlin-Brandenburg 23. August 2011 – 19 Sa 748/11). Eine ergänzende Vertragsauslegung setzt voraus, dass der Vertrag eine Regelungslücke enthält, also planwidrig unvollständig ist. Dem Vortrag der Beklagten lässt sich aber nicht entnehmen, dass der Vertrag hinsichtlich der Vergütungsabsprache unvollständig ist. Die Vergütungsabrede ist, wie bereits ausgeführt, nicht unwirksam. Sie wird auch nicht dadurch unvollständig, weil die Beklagte nicht berechtigt ist, den Kläger zu einer monatlichen Arbeitszeit von 260 Stunden heranzuziehen. Denn der getroffenen Vergütungsabrede ist gerade immanent, dass die Vergütung in Höhe von 2.045,17  Euro brutto auch dann zu zahlen ist, wenn die Beklagte nicht eine Arbeitszeit von 260 Stunden monatlich abruft. Allein der Umstand, dass die Beklagte eventuell davon ausgegangen ist, sie sei berechtigt, von dem Kläger 260 Stunden Arbeitszeit abzurufen, führt angesichts der Festgeldabrede aber nicht zu einer Regelungslücke im Vertrag.

e) Eine Anpassung des Vertrages ist nicht nach § 313 BGB möglich. Eine Störung der Geschäftsgrundlage ist auch nach dem Vortrag der Beklagten nicht erkennbar. Eine nachträgliche Änderung von Umständen hat die Beklagte nicht geltend gemacht. Es ist aber auch nicht ersichtlich, dass sich wesentliche Vorstellungen der Parteien, die zur Grundlage des Vertrages gemacht worden sind, als falsch herausgestellt haben (§ 313 Abs. 2 BGB). Nicht ersichtlich ist, dass sowohl der Kläger als auch die Beklagte bei Vertragsschluss die Vorstellung hatten, dass die Beklagte in rechtlich zulässiger Weise den Kläger anweisen konnte, 260 Stunden zu arbeiten und beide Seiten die Vorstellung hatten, dieser Umstand sei der maßgebliche Grund für die Vereinbarung des Bruttobetrages von 2.045,17 Euro. Allein eine mögliche diesbezügliche Vorstellung der Beklagten ist unerheblich und berechtigt diese nicht zu einer Anpassung des Vertrages.

f) Da die Beklagte nicht geltend gemacht hat, dass der Kläger im Januar 2011 nicht die von ihr geforderte Arbeitszeit erbracht hat, ist sie verpflichtet, dem Kläger einen Grundlohn von 2.045,17 Euro zu zahlen. Tatsächlich hat sie dem Kläger nur einen Grundlohn von 1.353.64 Euro brutto und Überstundenvergütungen in Höhe von 554,84 Euro brutto und 63,59 Euro brutto gezahlt, so dass der Differenzbetrag von 73,10 Euro offen ist.

2. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 2, 288 Abs. 1, 247 BGB.

III. Die von dem Arbeitsgericht getroffene Kostenentscheidung war gemäß § 308 Abs. 2 ZPO von Amts wegen zu korrigieren. Da der Kläger den Feststellungsantrag erstinstanzlich zurückgenommen hatte, hat er gemäß §§ 269 Abs. 3, 92 Abs. 1 ZPO anteilig Kosten der ersten Instanz zu tragen. Der Feststellungsantrag ist gemäß § 42 Abs. 2 GKG mit 1.842,12 Euro bewertet worden. Dabei ist von dem dreifachen Jahresbetrag der Vergütungsdifferenz (36 x 73,10 Euro = 2.631,60 Euro) ein Abschlag von 30% vorgenommen worden, weil der Kläger sein Ziel nur mit einer gerichtlichen Feststellung durchsetzen wollte. Der daneben gestellte Zahlungsantrag blieb gemäß § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG unberücksichtigt. Unter Berücksichtigung eines für die Kostenquote zu ermittelnden fiktiven Streitwertes von 1.915,22 Euro (1.842,12 Euro + 73,10 Euro) hat der Kläger 96% der Kosten der ersten Instanz zu tragen. Die Kosten für das erfolglose Rechtsmittel hat die Beklagte gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

IV. Die Zulassung der Revision kam gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht in Betracht. Es handelt sich um eine am Einzelfall orientierte Entscheidung ohne grundsätzliche rechtliche Bedeutung. Eine Divergenz zu anderen obergerichtlichen Entscheidungen ist nicht erkennbar. Dies gilt auch hinsichtlich der von der Beklagten eingereichten Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz vom 10. Juni 2010 – 2 Sa 74/10-. Diese Entscheidung betrifft einen anderen Sachverhalt. Im Übrigen hat das Landesarbeitsgericht zwar angenommen, dass die vereinbarte Arbeitszeitregelung unwirksam ist. Dies führte nach Ansicht des Gerichts aber dazu, dass der Arbeitgeber verpflichtet war, zusätzlich zu dem für die unwirksame Arbeitszeit vereinbarten Entgelt noch eine Überstundenvergütung zu zahlen.

 

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