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Feststellungs- und Leistungsanträge – Rechtsschutzbedürfnis

LAG Rheinland-Pfalz, Az.: 5 Sa 552/15, Urteil vom 02.06.2016

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 14. Oktober 2015, Az. 1 Ca 740/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über das Weisungsrecht eines Schulleiters und darüber, ob er die Klägerin „mobbt“ bzw. „bosst“.

Die 1954 geborene Klägerin ist seit 1980 im Schuldienst des beklagten Landes als pädagogische Fachkraft angestellt. Sie wird in der R.-Schule in B.-K., einer Schule mit dem Förderschwerpunkt ganzheitliche Entwicklung, beschäftigt. Zwischen der Klägerin und dem Schulleiter gibt es Konflikte; die Ursachen sind streitig. Mit Schreiben vom 18.06.2015 (Bl. 201 d.A.) teilte der Schulleiter der Klägerin folgendes mit:

„Sehr geehrte Frau A.,

hiermit teile ich Ihnen mit, dass ich Sie mit Wirkung vom 22.06.2015 von Ihren Aufgaben als Klassenleiterin der Klasse 7 (Oberstufe) entbinde.

In einem persönlichen Gespräch möchte ich Ihnen meine Beweggründe darlegen, was mir derzeit durch Ihre Erkrankung nicht möglich ist.

Diese Veränderung in der Klassenleitung Klasse 7 kommuniziere ich sowohl mit den Eltern als auch innerschulisch mit der Sprachregelung „Wechsel der Klassenleitung aus schulorganisatorischen Gründen“.

Ich weise Sie hiermit dienstlich an, dieser Sprachregelung in allen Kommunikationszusammenhängen zu folgen.

Ich wünsche Ihnen gute Besserung und verbleibe mit besten Grüßen

(Unterschrift)“

Feststellungs- und Leistungsanträge - Rechtsschutzbedürfnis
Symbolfoto: fizkes/Shutterstock.com

Nach dem Vorbringen des beklagten Landes war Anlass für die Entscheidung des Schulleiters, der Klägerin die Klassenleitung zu entziehen, ihr Verhalten im Zusammenhang mit der Aufarbeitung eines sexuellen Übergriffs eines Schülers aus ihrer Klasse auf eine Mitschülerin bei einer Sportveranstaltung, der am 11.05.2015 gemeldet worden ist. Das Schuljahr endete am 21.07.2015. Vom 17.06. bis 05.07.2015 war die Klägerin krankgeschrieben. Am 22.07.2015 erhob sie die vorliegende Klage.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestands und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 14.10.2015 Bezug genommen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

1. das beklagte Land zu verurteilen, den Schulleiter der R.-Schule B.-K. anzuweisen, ihre von ihm am 18.06.2015 ausgesprochene Entbindung von den Aufgaben als Klassenleiterin der Klasse 7 (Oberstufe) zurückzunehmen,

2. festzustellen, dass der Schulleiter H. Sch. sie in unzulässiger Weise mobbt bzw. bosst.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Trier hat mit Urteil vom 14.10.2015 beide Anträge als unzulässig abgewiesen. Für den Antrag zu 1) fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Die Klassenleitung werde einer Lehrkraft zu Beginn eines jeden Schuljahres neu zugeteilt. Wegen des zwischenzeitlichen Schuljahreswechsels habe der Schulleiter neue Entscheidungen über die Zuteilung der Klassenleitungen getroffen. Das Begehren der Klägerin beziehe sich somit auf einen abgeschlossenen, zurückliegenden Zeitraum. Ein Bedürfnis, eine abgeschlossene Maßnahme im Nachhinein „zurückzunehmen“ bestehe nicht. Der Antrag zu 2) sei nicht hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Begriffe „Mobbing“ und „Bossing“ seien konturenlos. Im Übrigen fehle es auch für diesen Antrag am Rechtsschutzbedürfnis. Die Klägerin könnte im Fall ihres Obsiegens allein die Feststellung erlangen, dass sie „gemobbt“ bzw. gebosst“ werde. Von dieser Feststellung sei kein Rechtsfrieden zu erwarten. Wegen der Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 14.10.2015 Bezug genommen.

Gegen das am 16.11.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 14.12.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 16.02.2016 verlängerten Begründungsfrist mit am 08.02.2016 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Klägerin macht nach Maßgabe ihrer Schriftsätze vom 08.02.2016 und vom 09.05.2016, auf die ergänzend Bezug genommen wird, im Wesentlichen geltend, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht das Rechtsschutzbedürfnis für den Klageantrag zu 1) verneint. Die Klasse 7 sei nach dem Schuljahreswechsel aufgrund der Besonderheiten in einer Förderschule nicht zur Klasse 8 geworden. Die Klasse werde vielmehr bis zur Ausschulung der Schüler den Namen behalten. Sie müsse nach wie vor praktisch die Klassenleitung ausüben, weil sich die Lehrerin, der die Leitung übertragen worden sei, aufgrund ihrer Teilzeitbeschäftigung außer Stande sehe, die Verantwortung zu übernehmen. Auch wenn die Übertragung der Klassenleitung schuljahresbezogen erfolge, müsse im Streitfall beachtet werden, dass sie vom Schulleiter willkürlich und in diskriminierender Art und Weise unmittelbar vor dem Ende des Schuljahres von der Leitungsfunktion entbunden worden sei. Persönlich habe er ihr seine Beweggründe nicht mitgeteilt. Die Entscheidung des Schulleiters sei keinesfalls rechtskonform. Zwar sei im Arbeitsvertrag keine Klassenleitung als Arbeitsaufgabe vereinbart worden. Sie sei jedoch seit ihrer Einstellung – nur mit einer kleinen Unterbrechung – immer als Klassenleiterin tätig gewesen. Für alle, insb. auch für die Eltern der Schüler, sei klar erkennbar, dass sie durch den Schulleiter abgestraft und diszipliniert werde.

Auch die Ausführungen des Arbeitsgerichts zum Klageantrag zu 2) überzeugten nicht. Die Feststellung, dass das Verhalten des Schulleiters als „Mobbing“ oder „Bossing“ bewertet werde, reiche ihr aus. Sie habe kein Interesse daran, ihre Arbeitsleistung zurückzuhalten oder Schmerzensgeld zu verlangen. Das Arbeitsgericht habe die Wirkung der bloßen Feststellung des „Bossings“ verkannt. Das Verhalten des Schulleiters habe sie so sehr im Innersten getroffen, dass sie an ihrer Gesundheit beschädigt worden sei. Sie leide sehr unter den Anfeindungen und den nicht hinnehmbaren Verhaltensweisen der Schulleitung.

Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich, das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 14.10.2015, Az. 1 Ca 740/15, abzuändern und nach den Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.

Das beklagte Land beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Das beklagte Land verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe des Schriftsatzes vom 12.04.2016, auf den ergänzend Bezug genommen wird, als rechtlich zutreffend.

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und ausreichend begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

II.

In der Sache hat die Berufung der Klägerin keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat beide Klageanträge zu Recht als unzulässig abgewiesen.

1. Der Klageantrag zu 1) ist unzulässig. Die Klägerin will mit diesem Antrag erreichen, dass der Schulleiter angewiesen wird, den mit Schreiben vom 18.06.2015 erfolgten Entzug der Klassenleitung zurückzunehmen. Für diesen Antrag besteht kein Rechtsschutzbedürfnis.

a) Nach ständiger Rechtsprechung zu Feststellungs- und Leistungsanträgen besteht für die gerichtliche Entscheidung über Verpflichtungen aus einem konkreten Vorgang kein Rechtsschutzbedürfnis mehr, wenn der konfliktauslösende Vorgang abgeschlossen ist und keine Rechtsfolgen mehr erzeugt (vgl. BAG 26.07.2012 – 6 AZR 221/11 – Rn. 51 mwN).

b) So liegen die Dinge hier. Der von der Klägerin begehrte Ausspruch könnte keine rechtlichen Wirkungen mehr entfalten, denn er wäre auf die Begutachtung eines in der Vergangenheit liegenden abgeschlossenen Sachverhalts beschränkt. Das Schuljahr endete am 21.07.2015. Da die Entscheidung über die Leitung einer Klasse für jedes Schuljahr erneut getroffen wird – was die Berufung nicht in Abrede stellt – können sich aus der begehrten Rücknahme der am 18.06.2015 angeordneten Entbindung der Klägerin von den Aufgaben als Klassenleiterin der Klasse 7 (Oberstufe) keine Rechtsfolgen für die Zukunft ergeben.

Die hiergegen von der Berufung erhobenen Einwände greifen nicht durch. Soweit die Klägerin geltend macht, dass sie „nach wie vor praktisch“ die Klassenleitung ausübe, weil sich die Lehrerin, der die Leitung übertragen worden sei, aufgrund ihrer Teilzeitbeschäftigung außer Stande sehe, die Verantwortung zu übernehmen, kann sie damit ein Rechtsschutzbedürfnis an der begehrten Entscheidung nicht begründen. Selbst wenn die Lehrerin – aus welchen Gründen auch immer – ihren Leitungsaufgaben nicht nachkommen sollte, könnte die Klägerin hieraus für sich nichts herleiten. Auch der subjektive Eindruck der Klägerin, dass ihr der Schulleiter kurz vor dem Schuljahresende „willkürlich“ und in „diskriminierender Art und Weise“ die Klassenleitung entzogen habe, ersetzt nicht das fehlende Rechtschutzbedürfnis an der Begutachtung eines in der Vergangenheit liegenden Sachverhalts. Es ist auch unerheblich, dass ihr der Schulleiter – entgegen seiner Ankündigung im Schreiben vom 18.06.2015 – seine Beweggründe nicht persönlich mitgeteilt hat, nachdem sie die vorliegende Klage erhoben hat. Auch mit der pauschalen Behauptung, dass „für alle“, insb. auch für die Eltern der Schüler, klar erkennbar sei, dass sie durch den Schulleiter „abgestraft und diszipliniert“ werde, lässt sich das Rechtsschutzbedürfnis nicht begründen.

2. Der Klageantrag zu 2) ist ebenfalls unzulässig. Er betrifft kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO.

a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann die gerichtliche Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses beantragt werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse an einer entsprechenden alsbaldigen richterlichen Entscheidung hat. Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO ist jedes durch die Herrschaft einer Rechtsnorm über einen konkreten Sachverhalt entstandene rechtliche Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache Dabei sind einzelne Rechte und Pflichten ebenso Rechtsverhältnisse wie die Gesamtheit eines einheitlichen Schuldverhältnisses. Kein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO sind dagegen abstrakte Rechtsfragen, bloße Elemente eines Rechtsverhältnisses oder rechtliche Vorfragen. Hierzu gehört grundsätzlich auch die rechtliche Bewertung eines konkreten Verhaltens der Gegenseite. Namentlich die Rechtswidrigkeit des gegnerischen Verhaltens kann nicht Gegenstand einer allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO sein (ständige Rechtsprechung, siehe nur BAG 18.04.2012 – 4 AZR 371/10 – Rn. 10 mwN).

b) Die von der Klägerin begehrte Feststellung betrifft kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis, sondern erstrebt die Bewertung des Verhaltens des Schulleiters ihr gegenüber als „unzulässiges Mobbing bzw. Bossing“. Mit dem Antrag wird von der Klägerin ein Unwerturteil ohne Einbeziehung oder gar den Ausspruch möglicher rechtlicher Folgen der Beanstandung für die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien begehrt. Die Beanstandung eines bestimmten Verhaltens ist kein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO, sondern allenfalls eine Vorfrage, auf die es für individualrechtliche Ansprüche ankommen mag. Eine Sachentscheidung über den gestellten Antrag würde auf die Erstellung eines Rechtsgutachtens hinauslaufen, das für sich selbst ohne unmittelbare rechtliche Folgen für die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien bliebe. Die Erstellung von Rechtsgutachten ist den Gerichten indes verwehrt.

c) Im Übrigen ist der Feststellungsantrag schon deshalb unzulässig, weil der Antrag aufgrund der aufgenommenen Begriffe „in unzulässiger Weise mobbt bzw. bosst“ nicht hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist. Auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts kann diesbezüglich verwiesen werden.

III.

Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

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