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Flugdienstuntauglichkeit Flugbegleiter aufgrund rezidivierender depressiver Störung

ArbG Köln – Az.: 8 Ca 6532/17 – Urteil vom 15.03.2018

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.537,68 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 1.030,00 Euro seit dem 01. Dezember 2017 sowie auf weitere jeweils 2.376,92 Euro seit dem 01. Januar 2018, 01. Februar 2018, 01. März 2018 und 01. April 2018 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen pauschalen Schadenersatz in Höhe von 200,00 Euro zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 61 % und die Beklagte zu 39 %.

5. Der Streitwert wird festgesetzt auf 26.701,24 Euro.

6. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund tarifvertraglicher auflösender Bedingung sowie über Zahlungsansprüche.

Die Beklagte ist die größte deutsche Fluggesellschaft und hat ihren Sitz in K.

Der am 11.02.1963 geborene Kläger ist seit dem 20.02.2000 bei der Beklagten als Flugbegleiter beschäftigt. Er ist der Station F. a. M. zugeordnet.

Aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung finden die Haus-Tarifverträge der Beklagten auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.

Der im Volltext zur Gerichtsakte gereichte „Manteltarifvertrag Nr. 2 für das Kabinenpersonal“ in der Fassung vom 01.01.2013 (Anlage B1, Bl. 101 – 165d. A.), auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, lautet auszugsweise:

Flugdienstuntauglichkeit Flugbegleiter aufgrund rezidivierender depressiver Störung
(Symbolfoto: Friends Stock/Shutterstock.com)

§ 13 Krankenbezüge ( … )

§ 19 Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Erreichens der Altersgrenze

(1) Das Arbeitsverhältnis endet – ohne dass es einer Kündigung bedarf – mit Ablauf des Monats, in dem das 55. Lebensjahr vollendet wird.

(2) Das Arbeitsverhältnis des Kabinenmitarbeiters kann bei körperlicher und beruflicher Eignung in beiderseitigem Einvernehmen über das 55. Lebensjahr hinaus verlängert werden.

( … )

(3) Kabinenmitarbeiter können nach Erreichen der Altersgrenze, wenn und solange sie noch voll leistungsfähig sind, in einer anderen Tätigkeit innerhalb der Gesellschaft weiterbeschäftigt werden, sofern eine fliegerische Tätigkeit nicht mehr in Betracht kommt. ( … )

§ 20 Verlust der Flugdiensttauglichkeit, Beendigung des Arbeitsverhältnisses

(1) a) Wird durch eine fliegerärztliche Untersuchungsstelle festgestellt, dass ein Mitarbeiter wegen körperlicher Untauglichkeit seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, so endet das Arbeitsverhältnis, ohne dass es einer Kündigung bedarf, zu dem Zeitpunkt, zu dem nach Feststellung und Bekanntgabe der Flugdienstuntauglichkeit an den Betroffenen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 22 frühestens zulässig gewesen wäre.Flugdienstuntauglichkeit im Sinne dieser Bestimmungen ist das auf einem unbehebbaren oder aller Wahrscheinlichkeit nach unbehebbaren körperlichen Mangel beruhende Unvermögen, eine fliegerische Tätigkeit nach den einschlägigen Vorschriften weiter auszuüben.( … )c) Dem Mitarbeiter steht von dem Tage an, an dem die dauernde Flugdienstuntauglichkeit festgestellt wird, die Grundvergütung (§ 5 Abs. (1) Buchstabe a)) zu, soweit er nicht gemäß § 13 Krankenbezüge beanspruchen kann.

Der Kläger leidet seit seiner Jugend an einer rezidivierenden depressiven Störung, die derzeit durch Medikamente stabil remittiert ist.

Infolge der depressiven Störung kam es ca. im 16. Lebensjahr des Klägers zu einem Suizidversuch des Klägers. Jedenfalls im Jahr 1999 kam es zu einer weiteren depressiven Episode im Zusammenhang mit der Trennung des Klägers von seinem damaligen Lebenspartner und dem damit verbundenen Wechsel des Wohnortes aus den Niederlanden zurück in die hessische Heimat und dem Wechsel des Klägers von der niederländischen Fluggesellschaft K. zur Beklagten. Der Kläger befindet sich seit dem Jahr 2005 in regelmäßiger Behandlung bei dem Facharzt für Psychiatrie Dr. S.

Ca. ab Ende des Jahres 2008 und im Jahr 2009 kam es beim Kläger zum Ausbruch einer weiteren depressiven Episode, die von den behandelnden Ärzten teilweise als „mittelschwer“ und teilweise als „schwer“ bezeichnet wurde. Der Kläger klagte insofern gegenüber den behandelnden Ärzten u. a. über Antriebslosigkeit und berufliche Überlastung.

Anfang 2009 wurde insofern zunächst eine „mittelgradige depressive Episode“ diagnostiziert. Vom 10.02.2009 bis 07.04.2009 befand sich der Kläger insofern in stationärer Behandlung. Aus dieser wurde er arbeitsunfähig entlassen, mit einem voraussichtlichen Arbeitsunfähigkeitszeitraum von noch vier bis sechs Wochen.Anschließend erfolgte vom 02.07.2009 bis 24.07.2009 eine erneute stationäre Behandlung des Klägers. Hierbei wurde eine „gegenwärtig schwere depressive Episode“ sowie „Dysthirna“ sowie eine „Persönlichkeitsstörung“ beim Kläger diagnostiziert.In der Folgezeit wurde auf Wunsch des Klägers zur Verringerung der beruflichen Belastung eine Teilzeit-Tätigkeit auf ca. 80 Prozent vereinbart.

Für diese Teilzeittätigkeit erhielt der Kläger zuletzt ein Grundgehalt von 2.376,92 Euro brutto. Inklusive Zulagen erhielt er ein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt von zuletzt (Monatsdurchschnitt des Jahreswerts Januar bis Juli 2017) 3.142,44 Euro.

Seit dem Jahr 2010 sind beim Kläger keine psychischen Auffälligkeiten mehr aktenkundig, der Kläger hat seitdem seine Arbeitstätigkeit als Flugbegleiter nach Aktenlage beanstandungslos ausgeführt.

Am 24.03.2015 kam es bei der konzernangehörigen Tochtergesellschaft der Beklagten G. zu einem Flugzeugabsturz mit 150 Todesopfern, der durch den Co-Piloten des Fluges, der an einer depressiven Störung litt, vorsätzlich herbei geführt wurde.

Im Sommer 2017 stellte sich der Kläger, der für seine Tätigkeit als Flugbegleiter nach den Vorschriften des Luftsicherheitsgesetzes einer Erlaubnis bedarf und sich insofern turnusmäßig medizinischen Untersuchungen zu unterziehen hat, beim Medizinischen Dienst der Beklagten zur Durchführung des „Routine-Medicals“ vor.

Der insofern am 30.06.2017 den Kläger untersuchende Arzt des Medizinischen Dienstes Dr. T. D. hatte Zweifel an der psychischen Flugdiensttauglichkeit des Klägers. Da Herr Dr. D. Fliegerarzt und Facharzt für Innere Medizin, jedoch nicht für Psychiatrie ist, verwies er den Kläger insofern zur weiteren Untersuchung im Auftrag des Medizinischen Dienstes an den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. A. U.

Am 13.07.2017 fand eine weitere Untersuchung des Klägers durch Herrn Dr. U. statt. Zu diesem brachte der Kläger weisungsgemäß ein aktuelles Attest seines behandelnden Psychiaters Dr. S., datierend vom 07.07.2017, mit. In diesem wird dem Kläger von Herrn Dr. S. bestätigt, dass „eine rezidivierende depressive Störung vorliegt, die unter einer anti-depressiven Pharmakotherapie mit Venlafaxin und Aripripazol stabil remittiert ist“ (Anlage K3, Bl. 36 d. A.). Auf Nachfrage des Medizinischen Dienstes ergänzte Dr. S. später, dass die stabile Remission seit ca. anderthalb Jahren besteht.

Es kam zu einer telefonischen Erörterung zwischen Herrn Dr. U. und Herrn Dr. D. sowie zwischen Herrn Dr. U. und Herrn Dr. S..

Im Nachgang zu dem Untersuchungstermin nahm der Kläger zunächst noch an einigen Langstrecken-Flugumläufen als Flugbegleiter teil.

Nach Rückkehr eines Umlaufs aus Orlando fand der Kläger am 22.07.2017 in seinem Postfach ein Schreiben des Medizinischen Dienstes datierend vom 18.07.2018 vor, in dem der Kläger für aktuell arbeitsunfähig erklärt und eine vorübergehende Flugdienstuntauglichkeit festgestellt wurde.

Es kam in der Folgezeit zu weiteren Terminen des Klägers beim Medizinischen Dienst. In einem Gespräch am 23.08.2017 avisierte Herr Dr. D. dem Kläger, diese müsse voraussichtlich mit einer dauerhaften Flugdienstuntauglichkeit / DFU rechnen, insofern sei lediglich noch die Zustimmung der Leiterin des Medizinischen Dienstes am F.Flughafen Fr. Dr. Sch. erforderlich.

Unter dem 04.09.2017 wurde der Kläger durch die fliegerärztliche Kommission des Medizinischen Dienstes der Beklagten am F. Flughafen für dauerhaft flugdienstuntauglich erklärt (Anlage K8, Bl. 17 d. A.).

Mit Schreiben vom 12.09.2017 (Anlage K9, Bl. 18/19 d. A.) teilte die Beklagte daraufhin dem Kläger mit, dass sein Arbeitsverhältnis infolgedessen zum 31.03.2018 ende, sofern nicht eine Weiterbeschäftigung auf einem geeigneten Bodenarbeitsplatz möglich sei. Dem Kläger wurde insofern eine Frist bis zum 10.10.2017 gesetzt zur Erklärung, ob er an einem Bodenarbeitsplatz interessiert sei. Diese Frist ließ der Kläger ohne diesbezügliche Erklärung verstreichen.

Der Kläger hat am 02.10.2017 die vorliegende Klage erhoben, mit der er primär geltend macht, nicht flugdienstuntauglich zu sein. Die Erklärung der DFU beruhe auf einer medizinischen Fehldiagnose, die er durch Einholung fliegerärztlicher Gegengutachten widerlegen wolle.

Am 17.10.2017 hat im vorliegenden Rechtsstreit der Gütetermin stattgefunden. In diesem hat der Kläger über seinen Prozessvertreter erklären lassen, er sei „auf gar keinen Fall an einem Bodenarbeitsplatz interessiert“. Der Vorsitzende hat im Gütetermin gegenüber den Parteien dringend angeregt, einen vergleichsweisen Wechsel des Klägers vom Kabinenpersonal auf einen Bodenarbeitsplatz zu prüfen. Daraufhin hat der Kläger am 19.10.2017 der Beklagten seinen Lebenslauf übermittelt und der Beklagten erklärt, nunmehr an einem Bodenarbeitsplatz interessiert zu sein.

Der Kläger hat noch für sechs Wochen ab Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Juli 2017 Entgeltfortzahlung seitens der Beklagten und alsdann bis einschließlich 17.11.2017 über seine Krankenkasse Krankengeld erhalten. Seit dem 18.11.2017 bis zum 31.03.2018 hat der Kläger keinerlei Bezüge erhalten, auch nicht die seitens der Beklagten im Schreiben vom 12.09.2017 ausdrücklich angekündigte Fortzahlung der Grundvergütung nach § 20 I c) MTV.

Im laufenden Rechtsstreit hat der Kläger diverse ärztliche Stellungnahmen zur Gerichtsakte gereicht, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird.

Zunächst hat er eine ärztliche Stellungnahme des Flugmediziners und Internisten Dr. M. M. vom 23.10.2017 vorgelegt (Anlage K11, Bl. 62 d. A.). Dieser schreibt – ohne nähere Begründung -, er sehe die sehe „die negative Beurteilung des medizinischen Dienstes vom 04.09.2017 als nicht korrekt an“ und „beurteile (den Kläger) für weiter normal diensttauglich“, müsse den Kläger jedoch zur „endgültigen gutachterlichen Klärung“ an Herrn Dr. Q. vomAeromedical Center (AMC) S. verweisen.

Herr Dr. Q. – ebenfalls Flugmediziner, aber kein Facharzt für Psychiatrie – hat den Kläger wiederum weiter verwiesen an Fr. Dr. W., Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Suchtmedizin, Oberärztin an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in T.

Fr. Dr. W. hat unter dem 07.03.2018 eine umfangreiche „fachärztliche psychiatrische Stellungnahme“ über den Kläger schriftlich erstellt (Anlage K12,Bl. 237 ff. d. A.), auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Frau Dr. W. führt hierbei aus, dass alle drei beim Kläger getroffenen psychischen Diagnosen bereits jeweils für sich genommen geeignet sind, eine Flugdienstuntauglichkeit zu begründen. Die aktuelle psychiatrische Diagnose betreffend den Kläger laute jedoch lediglich „rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig remittiert (ICD-10: F 33.4)“. Die weitere Diagnose der „Dysthymie“ teile sie nicht, da die depressiven Symptome dieser Störung bereits der diagnostizierten rezidivierenden depressiven Störung zuzuordnen seien und es insofern keiner gesonderten weiteren Diagnose bedürfe. Auch die weitere betreffend den Kläger in der Vergangenheit getroffene Diagnose der „ängstlichen (vermeidenden) Persönlichkeitsstörung“ teile sie nicht.

Abschließend hält Frau Dr. W. fest, dass für eine derzeit aktuelle psychische Stabilität des Klägers spreche, dass er nach einer „schweren Krankheitsepisode in den Jahren 2008/2009“ viele Jahre „normaler Alltagsbewältigung“ gehabt habe und auch in der aktuellen belastenden Situation, in welcher dem Kläger „den geliebten Beruf nicht ausüben“ kann, es nicht zu einer erneuten depressiven Episode gekommen ist. Zusammenfassend kommt FrauDr. W. insofern zu der Einschätzung, dass keine „überdauernde Flugdienstuntauglichkeit als Flugbegleiter besteht“, der Kläger jedoch „jährlich mittels eines fachärztlichen psychiatrischen Attestes seines behandelnden Psychiaters belegen (müsse), dass sich seine affektive Erkrankung weiterhin in Remission befindet“.

Zugleich legt der Kläger im Rechtsstreit eine ebenfalls auf den 07.03.2018 datierte mehrseitige „Aktennotiz“ des Herrn Dr. U. vor, auf die ebenfalls wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Anlage K13, Bl. 250 ff. d. A.). In dieser wird auf das maßgebliche Untersuchungsdatum „13.07.2017“ Bezug genommen. Herr Dr. U. führt hier aus, dass der Kläger ihm berichtet habe, dass es noch vor ca. einem Jahr zu einem „plötzlichen Stimmungseinbruch einhergehend mit Gedanken, dass er am Elend der Welt Schuld habe, gekommen sei“. Weiter führt Herr Dr. U. aus, dass es bei einer depressiven Episode „ohne jegliche Auslöser und sehr plötzlich zu massiven depressiven Störungen einschließlich Suizidialität kommen“ kann und insofern flugmedizinisch Vorsicht geboten sei. Grundsätzlich mache die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung daher fluguntauglich. Nach einer vollständigen Remission und nach genauer Betrachtung des Einzelfalls könne ausnahmsweise Tauglichkeit erwogen werden. Hierbei sei einerseits der offenbar über Jahre hinweg stabile Verlauf im Krankheitsbild des Klägers zu berücksichtigen, andererseits jedoch auch der Umstand, dass es jederzeit beim Kläger wieder zu einer depressiven Episode kommen kann und in der Vergangenheit auch bereits gekommen ist. Bei einer rezidivierenden depressiven Störung, die wahnhafte (d.h. psychotische) Symptome mit sich bringen kann, bestehe insofern ein dauerhaft erhöhtes Risiko für ernsthafte Gefährdungen (Suizid). Insofern sei der Ausspruch dauerhafter Flugdienstuntauglichkeit zu erwägen.

Nachdem hinsichtlich eines Bodenarbeitsplatzes durch ärztliche Untersuchung des Klägers im Dezember 2017 die diesbezügliche generelle Eignung – unter Ausschluss von Nachtschichten – festgestellt worden war, hat alsdann auf Einladung der Beklagten im Januar 2018 ein „BEM Boden“ betreffend den Kläger stattgefunden. Mit auf den 26.03.2018 datiertem Schreiben – beim Kläger eingegangen am Ostersamstag, 31.03.2018 – hat die Beklagte dem Kläger daraufhin einen Boden-Arbeitsplatz angeboten (Vertragsangebot Bl. 288 ff. d. A.). Der Kläger wollte diesen nicht dauerhaft, sondern lediglich im Rahmen eines Prozess-Arbeitsverhältnisses annehmen. Unter dem 24.04.2018 hat man daraufhin mit Wirkung ab dem 25.04.2018 ein für die Dauer des hiesigen Beendigungs-Rechtsstreits befristetes Prozess-Arbeitsverhältnis betreffend einen Boden-Arbeitsplatz vereinbart. In der diesbezüglichen schriftlichen Vereinbarung (Bl. 292 ff. d. A.), auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, heißt es auszugsweise:

„3. L. (die Beklagte) hält an der Wirksamkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 20 Abs. 1a) MTV Nr. 2 fest und begibt sich mit dieser Vereinbarung keiner Rechte.

4. Die Parteien stellen klar, sollte im Rechtsstreit rechtskräftig eine dauerhafte Flugdienstuntauglichkeit des Klägers gemäß § 20 Abs. 1 a) MTV Nr. 2 festgestellt werden, stehen dem Kläger zum 31. März 2018 die Leistungen nach dem Tarifvertrag zur befristeten Absicherung bei der dauerhaften Flugdienstuntauglichkeit ( … ) zu.“

Bei den letztgenannten Leistungen handelt es sich um diverse Versicherungsleistungen, eine Betriebsrente sowie einen Zahlungsanspruch in Höhe von ca. 164.000 Euro aus einem Versorgungsguthaben, das der Kläger bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen DFU beanspruchen kann.

Auf Befragen des Gerichts im Kammertermin hat der Kläger ausdrücklich erklärt, dass ihm eine Beschäftigung am Boden „überhaupt nicht liege“ und ein dauerhafter Boden-Arbeitsplatz für ihn „nicht in Frage komme“. Er habe das angebotene Prozess-Arbeitsverhältnis allein aus finanziellen Gründen in Anbetracht der bis dato seit Monaten ausgebliebenen Zahlungen angenommen.

Der Kläger hält sich für flugdiensttauglich. Er verweist insofern auf die von ihm vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen, die seiner Ansicht nach von denjenigen des Medizinischen Dienstes abweichen würden. Die Ärzte des Medizinischen Dienstes der Beklagten seien nach Ansicht des Klägers inkompetent. Der Kläger verweist darauf, dass weder Dr. D. noch die Leiterin des Medizinischen Dienstes der Station F. a. M. Frau Dr. Sch. fachpsychiatrische Kompetenz hätten. Die DFU sei letztlich nach Ansicht des Klägers alleinige Meinung des Herrn Dr. D. gewesen, der auch Herrn Dr. U. in dem Telefonat, das der Kläger mitgehört habe, noch habe überzeugen müssen. Der Kläger behauptet, die Untersuchung bei Herrn Dr. U. habe nur ca. zehn Minuten gedauert. Hierbei habe Herr Dr. U. dem Kläger vermeintliche Wahnvorstellungen dahingehend, er habe „Schuld am Elend der Welt“, in den Mund gelegt.

Mit dem mittels Klageerweiterung geltend gemachten Zahlungsanspruch begehrt der Kläger im Hauptantrag Annahmeverzugslohn in Höhe des vollen durchschnittlichen Lohns 2017, mit dem Hilfsantrag zumindest die Grundvergütung, gestützt auf § 20 Abs. 1 c) MTV Kabine Nr. 2. Weiter begehrt er Pauschal-Schadenersatz nach § 288 Abs. 5 BGB.

Der Kläger beantragt,

1) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die auflösende Bedingung zum 31.03.2018 beendet wurde,

2) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 31.03.2018 hinaus fortbesteht und auch nicht durch andere Beendigungstatbestände aufgelöst wird,

3) die Beklagte zu verurteilen, den Kläger für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungantrag zu 1) zu unveränderten Bedingungen als Flugbegleiter entsprechend des Arbeitsvertrages vom 09.02.2000 bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens weiter zu beschäftigen,

4) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 13.931,48 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 1.361,72 Euro seit dem 01.12.2017 sowie auf weitere jeweils 3.142,44 Euro seit dem 01.01.2018, 01.02.2018, 01.03.2018 und 01.04.2018 zu zahlen,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 4),

5) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 10.537,68 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 1.030,00 Euro seit dem 01.12.2017 sowie auf weitere jeweils 2.376,92 Euro seit dem 01.01.2018, 01.02.2018, 01.03.2018 und 01.04.2018 zu zahlen,

6) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen pauschalen Schadenersatz in Höhe von 200,00 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie teilt die Einschätzung der DFU durch den medizinischen Dienst und verweist darauf, dass der Arbeitgeber hier in Anbetracht der ärztlichen Schweigepflicht auch nur eingeschränkt Informationen des Medizinischen Dienstes erhalte, zu denen näher Stellung genommen werden könnte. Sie verweist darauf, dass keine Einflussnahmemöglichkeit der Beklagten auf die Ärzte des Medizinischen Dienstes bestünde, sondern diese insofern allein der Aufsicht des Luftfahrtbundesamt unterstünden.

Auf einen zumutbaren Arbeitsplatz am Boden brauche sich die Beklagte ebenfalls nicht verweisen lassen, da der Kläger diesen – jedenfalls als Dauer-Arbeitsplatz – abgelehnt habe. Insofern habe das Arbeitsverhältnis auch aufgrund der DFU zum 31.03.2018 sein Ende gefunden.

Zu den Zahlungsansprüchen führt die Beklagte aus, Annahmeverzug bestünde mangels Leistungsfähigkeit des Klägers nicht. Auch ein Anspruch nach dem Hilfsantrag bestehe nicht, die Grundvergütung könne der Kläger nur dann verlangen, wenn das Arbeitsverhältnis tatsächlich aufgrund der DFU sein Ende findet.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt und insbesondere die Sitzungsprotokolle sowie die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage war teilweise begründet.

Die Bestandsschutzanträge waren allesamt unbegründet, da das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund dauerhafter Flugdienstuntauglichkeit des Klägers zum 31.03.2018 sein Ende gefunden hat.

Die Zahlungsanträge waren zum Hilfsantrag und hinsichtlich des Pauschal-Schadenersatzes begründet, zum Hauptantrag jedoch unbegründet.

I.

Der Feststellungsantrag zu 1) war unbegründet.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat aufgrund festgestellter dauerhafter Flugdienstuntauglichkeit zum 31.03.2018 sein Ende gefunden gemäß § 20 Abs. 1 a) MTV Nr. 2 für das Kabinenpersonal der Beklagten.

Diese Vorschrift bestimmt, dass das Arbeitsverhältnis kraft auflösender Bedingung unter Wahrung einer sozialen Auslauffrist entsprechend der ordentlichen Kündigungsfrist endet, wenn „durch eine fliegerärztliche Untersuchungsstelle“ dauerhafte Flugdienstuntauglichkeit (DFU) festgestellt wird.

Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Der Medizinische Dienst der Beklagten – der eine vom Luftfahrtbundesamt anerkannte fliegerärztliche Untersuchungsstelle ist – hat am 04.09.2017 die dauerhafte Flugdienstuntauglichkeit des Klägers festgestellt.

Mithin sind nach dem Wortlaut der tarifvertraglich vereinbarten auflösenden Bedingung deren Voraussetzungen für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfüllt. Es ist ausreichend, wenn eine (!) fliegerärztliche Untersuchungsstelle die DFU feststellt. Nicht erforderlich ist, dass mehrere fliegerärztliche Untersuchungsstellen die DFU feststellen müssten. Auch bei unterschiedlichen Ergebnissen unterschiedlicher fliegerärztlicher Untersuchungsstellen ist im Interesse der Sicherheit des Luftverkehrs nach der klaren tarifvertraglichen Regelung ausreichend, wenn eine fliegerärztliche Untersuchungsstelle die DFU feststellt. Ein etwaiger medizinischer Meinungsstreit ist nicht auf dem Rücken der Flugpassagiere auszutragen.

Der gerichtlichen Überprüfung unterfällt insofern die Auslegung des § 20 I a) MTV Nr. 2 Kabine L.und die Subsumtion, ob der medizinisch festgestellte Sachverhalt in der rechtlichen Beurteilung nach der Wertung des Tarifvertrages tatsächlich zu einer dauerhaften Flugdienstuntauglichkeit führt (vgl. z. B. LAG München, Urteil vom 09.11.2011, 10 Sa 912/10, juris). Insofern handelt es sich um eine vom Gericht zu entscheidende Rechtsfrage, die nicht etwa – wie übereinstimmend von beiden Parteien angeregt – auf einen gerichtlich bestellten medizinischen Sachverständigen übertragen werden darf. Ein Gericht darf ein Sachverständigengutachten – wie generell hinsichtlich jeder Beweisaufnahme – nur dann einholen, wenn konkrete entscheidungserhebliche Tatsachenbehauptungen zwischen den Parteien streitig sind. Dem Beweis zugänglich sind insofern allein Tatsachen, d. h. im medizinischen Bereich Diagnosen. Nicht dem Beweis zugänglich im Zivilprozess sind demgegenüber Wertungen und Meinungen.

Hiervon ausgehend bedurfte es vorliegend keiner Beweisaufnahme in Form der Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Denn die medizinische Diagnose ist betreffend den Kläger vollkommen unstreitig. Es liegt beim Kläger unstreitig und unzweifelhaft eine rezidivierende depressive Störung vor, die derzeit durch Medikamenteneinnahme stabil remittiert ist. Dies ergibt sich aus sämtlichen vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen aller beteiligten Ärzte und ist zwischen den Parteien vollkommen unstreitig. Streitig ist zwischen den Parteien allein die hieraus resultierende Wertung, ob dies zu dauerhafter Flugdienstuntauglichkeit führt. Hierbei handelt es sich um eine vom Gericht zu entscheidende Rechtsfrage. Die – neben den bereits umfangreich und detailliert vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen – von den Parteien gewünschte zusätzliche Einholung eines weiteren gerichtlichen Sachverständigengutachtens hätte lediglich die Einholung einer weiteren ärztlichen „Meinung“ dargestellt, zu der es zivilprozessual keine Veranlassung gab.

Nach der vom Gericht vorzunehmenden Subsumtion des sich insbesondere aus den ärztlichen Stellungnahmen ergebenden unstreitigen Sachverhalts unter die Norm des § 20 Abs. 1 a) MTV Nr. 2 Kabine L. ist vorliegend – entsprechend den Feststellungen des Medizinischen Dienstes der Beklagten vom 04.09.2017 – dauerhafte Flugdienstuntauglichkeit beim Kläger gegeben.

Insofern hat Herr Dr. U. in seiner Stellungnahme – die sich insofern mit derjenigen der Fr. Dr. W. deckt, auf die sich der Kläger beruft – ausgeführt, dass die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung regelmäßig zur Flugdienstuntauglichkeit führt. Nur ausnahmsweise nach besonderen Umständen des Einzelfalls und einer anzunehmenden vollständigen Remission kann Flugdiensttauglichkeit angenommen werden. Insofern steht der beurteilenden fliegerärztlichen Untersuchungsstelle ein Ermessensspielraum zu. Bis zu diesem Punkt kommen sämtliche im Rechtsstreit vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen auch zum gleichen Ergebnis, sie unterscheiden sich allein dahingehend, wie nunmehr dieser Ermessensspielraum auszuüben ist.

Während Frau Dr. W. bei der Ermessensausübung – wenngleich mit Einschränkungen – eine Flugdiensttauglichkeit im Einzelfall befürwortet, kommt die zuständige fliegerärztliche Kommission der Beklagten am 04.09.2017 letztlich zu der Ermessensentscheidung, das Risiko der Beurteilung des Klägers als flugdiensttauglich nicht eingehen zu können.

Insofern ist die am 04.09.2017 vom Medizinischen Dienst getroffene Entscheidung nach der insofern vom Gericht – lediglich – vorzunehmenden Überprüfung zur vollen Überzeugung der Kammer in sich schlüssig, nachvollziehbar undwiderspruchsfrei.

Bei der rezidivierenden depressiven Störung handelt es sich um eine Erkrankung, die fortdauernd besteht, jedoch lediglich in unregelmäßig auftretenden Schüben (daher „rezidivierend“) sich tatsächlich akut bemerkbar macht. Außerhalb dieser Schübe ist eine normale Arbeitstätigkeit, auch als Flugbegleiter,unzweifelhaft möglich. Das Problem besteht nun allerdings darin, dass fürAußenstehende nicht frühzeitig erkennbar ist, ob und ggf. wann ein solcher „Schub“ auftritt und aus einer stabil remittierten rezidivierenden depressiven Störung wiederum eine psychisch problematische Phase (depressive Episode), in der es zu Selbst- und / oder Fremdgefährdungstendenzen des Klägers kommen kann. Herr Dr. U. führt insofern überzeugend aus, das auch bei einer stabil remittierten rezidivierenden depressiven Störung es jederzeit plötzlich und ohne erkennbaren äußeren Anlass wieder zu einer depressiven Episode mit Suizidgedanken kommen kann und insofern ein Einsatz des Klägers im Flugverkehr problematisch erscheint.

Demgegenüber kommt Frau Dr. W. zu der Einschätzung, dass der Kläger seine Erkrankung gut im Griff habe und gerade, da er ihr gegenüber keine Bagatellisierungstendenzen gezeigt habe, davon auszugehen sei, dass der Kläger wahrscheinlich selbst frühzeitig in der Lage sein würde, Symptome einer erneuten depressiven Episode zu erkennen und Gegenmaßnahmen einzuleiten.

Zu letztgenanntem Punkt hält die Kammer allerdings fest, dass es sein mag, dass der Kläger im Gespräch mit Frau Dr. W. offen war und keine Bagatellisierungstendenzen bezogen auf seine Krankheit gezeigt haben mag, derartige Bagatellisierungstendenzen allerdings in seinem Vortrag im hiesigen Rechtsstreit sehr wohl anzutreffen sind. So hat der Kläger hinsichtlich der im Jahr 2009 diagnostizierten „schweren depressiven Episode“, die nach den nunmehr vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen mit mehreren mehrwöchigen stationären Behandlungen verbunden war und zu ganz erheblichen Arbeitsunfähigkeitszeiten geführt hat, diese in seinem schriftsätzlichen Vortrag zunächst völlig verharmlost und als einen stationären Aufenthalt bezeichnet, der zwar stattgefunden habe, aber nach Ansicht des Klägers medizinisch gar nicht erforderlich gewesen sei und dessen Hintergrund lediglich eine „Medikamentenumstellung“ gewesen sei. Stärkere Bagatellisierungstendenzen sind kaum vorstellbar.

Insofern erscheint für das Gericht die Einschätzung des Dr. U. in seiner Stellungnahme, das Risiko, dass der Kläger nicht rechtzeitig erkenne, wenn aus der derzeit remittierten Phase seiner Depression es wieder zu einer depressiven Episode kommt und er nicht rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergreift, sei für den Flugverkehr zu hoch, absolut ermessensfehlerfrei und nachvollziehbar.

Nachvollziehbar ist auch, wenn der medizinische Dienst der Beklagten im Nachgang zur G.-Katastrophe im März 2015 nunmehr einen strengeren Prüfungsmaßstab anlegt bei der Frage, inwiefern depressive Störungen die Flugdiensttauglichkeit beeinträchtigen.

Nicht nachvollziehen kann die Kammer die Einschätzung des Klägers, strenge Maßstäbe könnten insofern lediglich für Piloten aufgestellt werden und für Kabinenpersonal müssten großzügigere Maßstäbe gelten. Gerichtsbekannt haben auch die Mitglieder des Kabinenpersonals erhebliche sicherheitsrelevante Aufgaben an Bord, gerade wenn es in der Luft zu Problemsituationen kommen sollte. Insofern ist die vollständige physische und auch psychische Einsatzfähigkeit nicht nur des Cockpitpersonals, sondern auch des Kabinenpersonals unabdingbar.Auch ist es im Konzern der Beklagten seit der G.-Katastropheüblich, dass in Form eines „Vier-Augen-Prinzips“ regelmäßig ein Mitglied der Crew ins Cockpit kommt, wenn einer der Piloten das Cockpit verlässt, damit nicht ein Pilot alleine im Cockpit ist, wie dies beim vorsätzlich verursachten Absturz des G.-Flugzeuges am 24.03.2015 der Fall war (vgl. zu dieser seitdem geänderten Praxis zuletzt u. a. Kölner Stadt-Anzeiger vom 31.07.2018, S. 31). Damit besteht dann aber naturgemäß eine besondere Gefahrensituation, wenn das dann im Cockpit befindliche Mitglied des Kabinenpersonals selbst suizidgefährdet ist.

Unzweifelhaft stellt auch ein suizidgefährdeter Flugbegleiter ein Problem für die Luftsicherheit dar.

Das Gericht verkennt hierbei nicht, dass in Anbetracht des Umstandes, dass seit dem Jahr 2010 keinerlei nennenswerte psychische Auffälligkeiten des Klägers im Zusammenhang mit seiner Berufstätigkeit oder auch außerhalb aktenkundig sind, der Kläger seine Krankheit offenbar seit dem Jahr 2010 „im Griff“ hat. Seit dem Jahr 2010 hat es offenbar lediglich eine „Stimmungsschwankung“ im Jahr 2016 gegeben, vor der der Kläger Herrn Dr. U. nach dessen Stellungnahme berichtet hat und die insofern auch bestätigt wird durch die Stellungnahmen des Herrn Dr. S. aus dem Sommer 2017, nach denen seinerzeit – erst – seit eineinhalb Jahren die Krankheit des Klägers stabil remittiert sein soll und es zuvor noch eine Medikamentenumstellung gegeben haben soll. Ansonsten hat es offenbar über die letzten sieben Jahre keine nennenswerten psychischen Auffälligkeiten beim Kläger gegeben. Der Kläger hat seine Arbeitsleistung ordnungsgemäß erbracht.

Die Kammer geht mit dem Kläger davon aus, dass es eine überwiegende Wahrscheinlichkeit gibt, dass dies auch künftig so sein würde, würde der Kläger weiterhin als Flugbegleiter eingesetzt.

Allerdings reicht eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ insofern nicht aus.Der Bereich des Luftverkehrs stellt einen sehr neuralgischen Bereich mit extrem hohen Sicherheitsanforderungen dar. Dem Schutzinteresse der Allgemeinheit und der Sicherheit des Luftverkehrs kommt bei einer Interessenabwägung ein extrem hohes Gewicht zu. Die Anforderungen an die physische und psychische Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter des fliegenden Personals sind sehr hoch; im Gegenzug hierfür werden im Luftverkehr dem fliegenden Personal auch weit überdurchschnittliche Vergütungen gezahlt und es sind tarifvertraglich umfangreiche Kompensationsleistungen vorgesehen für Mitarbeiter, die aufgrund einer festgestellten dauerhaften Flugdienstuntauglichkeit nicht mehr im fliegenden Personal eingesetzt werden können.

Eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ ist insofern im Luftverkehr nicht der Maßstab. Es reicht nicht, wenn eine überwiegende oder ggf. sogar eine ganz überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein Passagierflugzeug sicher wieder landet. Ein Luftverkehrsunternehmen ist gehalten, sämtliche potentiellen – auch geringen – Risikofaktoren für die Sicherheit des Luftverkehrs insofern zu minimieren, dass keine Störfälle eintreten.

Insofern ist bei einer ärztlich diagnostizierten rezidivierenden depressiven Störung regelmäßig – auch bei Flugbegleitern – von einer dauerhaften Flugdienstuntauglichkeit i. S. des § 20 Abs. 1 a) MTV Nr. 2 Kabine Lufthansa auszugehen.

Gründe, weshalb im vorliegenden Einzelfall ausnahmsweise Flugdiensttauglichkeit trotz der Diagnose der rezidivierenden depressiven Störung bestehen sollte, sind nicht ersichtlich.

Soweit die Klägerseite im Kammertermin problematisiert hat, ob die zur Gerichtsakte gereichte Stellungnahme von Herrn Dr. U. vom 07.03.2018 stammt oder bereits aus August 2017, kam es hierauf für die Kammer in keiner Weise entscheidungserheblich an, so dass insofern auch kein Schriftsatznachlass zu gewähren war oder der Kammertermin zu vertagen gewesen wäre.Es erscheint nach der Lebenswahrscheinlichkeit sehr naheliegend, dass es sich bei dem Datum „07.03.2018“ lediglich um das – spätere -Ausdruckdatum aufgrund einer diesbezüglichen – in der Praxis häufiger anzutreffenden – Fehleinstellung im Textverarbeitungsprogramm handelt und die Stellungnahme noch vor der Feststellung der DFU am 04.09.2017 erstellt worden ist. Doch auch wenn die Aktennotiz tatsächlich erst im März 2018 erstellt worden sein sollte, ändert dies nichts daran, dass die dortigen Feststellungen und Erwägungen offenbar diejenigen gewesen sein müssen, die auch für die fliegerärztliche Kommission bei ihrer Entscheidungsfindung am 04.09.2017 maßgeblich waren. Denn eine spätere nochmalige Untersuchung des Klägers durch Herrn Dr. U. nach dem 04.09.2017 hat es unstreitig – auch nach eigenem Vortrag des Klägers – nicht gegeben.

2.)

Der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 20 I a) MTV steht nicht entgegen, dass der Kläger auf einem freien geeigneten Boden-Arbeitsplatz dauerhaft weiterbeschäftigt werden könnte.

Zwar tritt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nach inzwischen ständiger Rechtsprechung abweichend vom Wortlaut der tarifvertraglichen Regelung des § 20 I a) MTV die Beendigungswirkung des Arbeitsverhältnisses trotz festgestellter dauerhafter Flugdienstuntauglichkeit dann nicht ein, wenn eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar für beide Parteien dauerhaft auf einem geeigneten freien Boden-Arbeitsplatz möglich ist und der Arbeitnehmer hierzu bereit ist (u. a. BAG. Urteil vom 16.10.2008, 7 AZR 185/07, juris).

Denn Sinn und Zweck der Tarifvorschrift sowie verfassungsrechtliche Gesichtspunkte verlangen insofern eine einschränkende Auslegung, dass eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich dann nicht eintritt, wenn derArbeitnehmer noch auf seinem oder einem anderen, ihm nach seinem Leistungsvermögen zumutbaren freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden könnte (so ausdrücklich BAG, Urteil vom 27.07.2011, 7 AZR 402/10, juris, Rn 42, zu einer Parallelvorschrift einer tarifvertraglichen auflösenden Bedingung imBereich der Post; zuvor bereits BAG, Urteil vom 16.10.2008, 7 AZR 185/07, zur Flugdienstuntauglichkeit nach § 20 MTV; zuletzt BAG, Urteil vom 30.08.2017,7 AZR 204/16, zum TV-L). Im Bereich des Luftverkehrs ist insofern insbesondere bei dauerhafter Flugdienstuntauglichkeit die Möglichkeit der etwaigen Weiterbeschäftigung auf einem geeigneten freien Boden-Arbeitsplatz zu prüfen (BAG, Urteil vom 16.10.2008, 7 AZR 185/07; LAG Köln, Urteil vom 28.05.2018, 2 Sa 704/17; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.01.2017, 4 Sa 900/16; Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 19.12.2016, 17 Sa 530/16, alle veröffentlicht bei juris).

Ein solcher geeigneter freier Boden-Arbeitsplatz ist vorliegend unstreitig vorhanden. Dennoch ist vorliegend die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingetreten. Denn die Alternative der dauerhaften Weiterbeschäftigung auf einem freien Boden-Arbeitsplatz kann dem Kläger nicht aufgezwungen werden. Der Kläger müsste hiermit einverstanden sein. Es handelt sich um eine Tätigkeit, die nicht mehr vom arbeitgeberseitigen Direktionsrecht umfasst ist. Insofern bedürfte es für eine dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf einem Boden-Arbeitsplatz einer einvernehmlichen Vertragsänderung. Zu einer solchen ist der Kläger vorliegend gerade nicht bereit.

Der Kläger hat binnen der ihm zunächst mit Schreiben vom 12.09.2017 gesetzten grundsätzlich angemessenen Frist von nicht ganz einem Monat bis 10.10.2017 trotz ausdrücklicher Aufforderung gerade nicht eine Bereitschaft erklärt, auch auf einem Boden-Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden zu wollen. Noch im Gütetermin am 17.10.2017 hat er erklären lassen, „auf gar keinen Fall“ eine Tätigkeit am Boden ausüben zu wollen. Erst auf gerichtlichen Hinweis im Gütetermin ist es hier offenbar zu einem Sinneswandel des Klägers gekommen und der Kläger hat seitdem zunächst seine Bereitschaft für einen Boden-Arbeitsplatz erklärt. Die Beklagte hat sich insofern auch nicht auf eine vermeintlich abgelaufene Frist 10.10.2017 berufen, sondern die Möglichkeit eins Boden-Einsatzes für den Kläger geprüft und ein BEM Boden durchgeführt. Sie hat ihm am 31.03.2018 – unmittelbar vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses – eine Vertragsänderung für einen Boden-Arbeitsplatz angeboten. Diese hat der Kläger jedoch letztlich – im Kammertermin ausdrücklich – abgelehnt.

Insofern war zwar in Anbetracht der äußerst kurzfristigen Zusendung dieses Angebotes beim Kläger erst am Ostersamstag, 31.03.2018 eingehend, keinesfalls vom Kläger zu verlangen, dass er dieses Angebot noch bis spätestens 31.03.2018 um Mitternacht bei der Beklagten eingehend hätte annehmen müssen. Dem Kläger war vielmehr insofern noch eine angemessene übliche Annahmefrist zuzubilligen. Wie lang diese Annahmefrist zu bemessen war, konnte letztlich vorliegend als entscheidungsunerheblich dahinstehen. Denn letztmöglicher Zeitpunkt zur Annahme war insofern der für das Gericht entscheidungserhebliche Zeitpunkt zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Kammertermin. Das Gericht hat den Kläger persönlich ausdrücklich im Kammertermin unter Darlegung der Rechtlage darauf hingewiesen, dass sich der Kläger – ggf. nach einer von ihm als erforderlich angesehenen Bedenkzeit – nunmehr im Kammertermin erklären müsse, ob er bereit sei, dass von ihm zunächst lediglich als Prozess-Arbeitsverhältnis angenommene Boden-Arbeitsverhältnis – ausgehend von der seitens der Kammer zuvor im Kammertermin auch bereits mündlich dargelegten bestehenden dauerhaften Flugdienstuntauglichkeit – auch dauerhaft auszuüben.

Nach Unterbrechung und Bedenkzeit für den Kläger hat der Kläger insofern im Kammertermin ausdrücklich erklärt, dass eine dauerhafte Tätigkeit auf einem Boden-Arbeitsplatz für ihn nicht in Frage kommt und er auch das Prozess-Arbeitsverhältnis allein aus finanziellen Gründen in Anbetracht der zuvor ausgebliebenen Zahlungen angenommen habe.

Insofern hat der anwaltlich vertretene Kläger auch nach Beratung mit seiner Prozessbevollmächtigten und vorherigen gerichtlichen Hinweisen ausdrücklich und nicht auslegungsfähig erklärt, eine Vertragsänderung in einen Boden-Arbeitsplatz abzulehnen. Diese Entscheidung des Klägers war von allen Beteiligten hinzunehmen. Damit können die Parteien nicht auf eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem freien Boden-Arbeitsplatz gegen den Willen des Klägers verwiesen werden. Die festgestellte dauerhafte Flugdienstuntauglichkeit führte mithin trotz des Vorhandenseins eines geeigneten freien Boden-Arbeitsplatzes vorliegend zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

3.)

Mit der vorstehend erörterten Ausnahme, dass nicht bereits die dauerhafte Flugdienstuntauglichkeit allein zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt, sondern erst der hieraus resultierende Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit, ist die Regelung der auflösenden Bedingung in § 20 Abs. 1a) MTV Nr. 2 Kabine L. auch wirksam (vgl. BAG, Urteil vom 16.10.2008, 7 AZR 185/07, juris, Rn 22; LAG München, Urteil vom 09.11.2011, 10 Sa 912/10). Mit dieser Einschränkung genügt die Tarifnorm den sich aus § 14 Abs. 1 TzBfG ergebenden Anforderungen (BAG 16.10.2008, a. a. O.). Es unterfällt grundsätzlich der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien, die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses aufgrund auflösender Bedingung vorzusehen, wenn der Arbeitnehmer die körperlichen / gesundheitlichen Voraussetzungen zur Ausübung seiner Tätigkeit nicht mehr aufweist, jedenfalls wenn ein entsprechender Ausgleich zugunsten des Arbeitnehmers über einen Rentenbezug o. ä. besteht (BAG, Urteil vom 27.07.2011, 7 AZR 402/10, juris, Rn 43 ff. zu einer tarifvertraglichen Regelung im Bereich der Deutschen Post). Eine derartige Absicherung über einen dauerhaft möglichen Rentenbezug ist vorliegend unzweifelhaft gegeben, dies wird auch vom Kläger nicht in Abrede gestellt. Die Beklagte hat insofern die dem Kläger zustehenden Übergangsleistungen und die diesbezügliche Wahlmöglichkeit des Klägers zwischen einer sechsstelligen Einmal-Abfindung und einem dauerhaften monatlichen Rentenbezug dargestellt. Darüber hinausgehend ist bei der vorliegenden tarifvertraglichen Regelung im Bereich des Luftverkehrs – zusätzlich zum vom 7. Senat des BAG in der Entscheidung vom 27.07.2011 zum Bereich der D. P. beurteilten Sachverhalt – noch der Gesichtspunkt der Sicherheit des Luftverkehrs und des diesbezüglichen Interesses der Allgemeinheit zu berücksichtigen. Insofern hat der 7. Senat des BAG in der Entscheidung vom 16.10.2008, 7 AZR 185/07, a. a. O., die Rechtswirksamkeit der Tarifnorm auch nicht vom Erfordernis einer Kompensation durch eine Rentenzahlung abhängig gemacht, die vorliegend jedoch ohnehin gegeben ist.

II.

Da das Arbeitsverhältnis der Parteien bereits zum 31.03.2018 sein Ende gefunden hat, konnten auch die Nebenanträge zur Bestandsstreitigkeit (allgemeiner Feststellungsantrag und ohnehin nur hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1 gestellter Weiterbeschäftigungsantrag) mangels Bestand eines Arbeitsverhältnisses keinen Erfolg haben.

III.

Der Zahlungsantrag war zum Hauptantrag unbegründet.

Mangels Leistungsfähigkeit des Klägers befand sich die Beklagte im Zeitraum 18.11.2017 bis 31.03.2018 nicht im Annahmeverzug. Die Leistungsfähigkeit eines Arbeitnehmers ist unabdingbare Voraussetzung des Annahmeverzugs nach § 615 BGB. Die dauerhafte Flugdienstuntauglichkeit des Klägers steht einer Leistungsfähigkeit für die allein arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit als Flugbegleiter zwingend entgegen.

IV.

Demgegenüber war der Hilfsantrag zum Zahlungsantrag begründet.

Der Kläger hat Anspruch auf die Fortzahlung der monatlichen Grundvergütung nach Feststellung der DFU aus § 20 Abs. 1 c) MTV Nr. 2 Kabine L.

Hiernach steht dem Arbeitnehmer von dem Tage an, an dem die dauernde Flugdienstuntauglichkeit festgestellt wird, die Grundvergütung zu, soweit er nicht nach § 13 MTV Nr. 2 Krankenbezüge beanspruchen kann.

Die dauerhafte Flugdienstuntauglichkeit wurde vorliegend bereits am 04.09.2017 festgestellt. Dieser Zeitpunkt stellt grundsätzlich den Anspruchsbeginn des Anspruchs nach § 20 Abs. 1 c) MTV Nr. 2 Kabine L. dar.Der Kläger macht den Anspruch erst ab dem 18.11.2017 geltend. Die Höhe der Grundvergütung beträgt – insofern auf Befragen im Kammertermin ausdrücklich unstreitig gestellt – 2.376,92 Euro (Protokoll der Sitzung vom 02.08.2018,Bl. 365 d. A.).

Mithin kann der Kläger jedenfalls ab dem 18.11.2017 die Grundvergütung in Höhe von 2.376,92 Euro brutto auch ohne erbrachte Arbeitsleistung aufgrund der festgestellten dauerhaften Flugdienstuntauglichkeit nach § 20 Abs. 1 c) MTV Nr. 2 Kabine L. verlangen.

Konkrete durchgreifende Einwendungen der Beklagten hiergegen bestehen nicht.

Der einzige schriftsätzliche Einwand der Beklagten, § 20 Abs. 1c) MTV Nr. 2 Kabine sei dahingehend einschränkend auszulegen, dass der Anspruch nicht bestehe, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund der dauerhaften Flugdienstuntauglichkeit gar nicht ende, ist obsolet, da nach den vorstehenden Ausführungen das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der festgestellten dauerhaften Flugdienstuntauglichkeit mit dem 31.03.2018 gemäß § 20 Abs. 1a) MTV Nr. 2 Kabine sein Ende gefunden hat.

Soweit die Beklagte in der Erörterung im Kammertermin angesprochen hat, möglicherweise stehe dem Anspruch entgegen, dass der Kläger nach § 13 MTV Nr. 2 Krankenbezüge hätte beanspruchen können, wenn er diese beantragt hätte, stellt dies keinen substantiierten Einwand dar. Die Vorschrift des § 20 Abs. 1 c) MTV Nr. 2 Kabine ist unmissverständlich dahingehend formuliert, dass der klagende Arbeitnehmer als anspruchsbegründende Tatsachen lediglich darzulegen hat die Höhe der Grundvergütung sowie dass zu einem bestimmten Zeitpunkt dauerhafte Flugdienstuntauglichkeit festgestellt wurde. Der Anspruchsausschluss für den Fall, dass ausnahmsweise ein Anspruch auf Krankenbezüge besteht, ist als anspruchsvernichtende Einwendung formuliert, hinsichtlich derer die beklagte Arbeitgeberseite, die sich auf die Einschlägigkeit dieses Ausnahmetatbestandes berufen möchte, vollumfänglich darlegungs- und beweispflichtig ist. Die darlegungsbelastete Arbeitgeberseite setzt sich vorliegend jedoch in keiner Weise mit der Regelung in § 13 MTV Nr. 2 Kabine auseinander. Es ist auch unstreitig, dass der Kläger ab dem 18.11.2017 tatsächlich kein Krankengeld bezogen hat.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 291 BGB. Aufgrund der Fälligkeit der Grundvergütung zum Monatsletzten befand sich die Beklagte ab dem Monatsersten des Folgemonats mit der Zahlung in Verzug und hat ab diesem Zeitpunkt Zinsen in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes zu zahlen.

V.

Ebenfalls begründet war der Zahlungsantrag zu 6) hinsichtlich des Pauschal-Schadenersatzes nach § 288 Abs. 5 BGB.

Da die Beklagte nach vorstehenden Ausführungen hinsichtlich der fristgemäßen Zahlung der Grundvergütung nach § 20 Abs. 1 c) MTV Nr. 2 Kabine jeweils zum Monatsende für die Monate November und Dezember 2017 sowie Januar, Februar und März 2018 in Verzug geraten ist. Die Beklagte – die keine Verbraucherin ist – ist insofern Schuldnerin einer Entgeltforderung.

Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten ergibt sich auch aus § 288 Abs. 5 Satz 3 BGB kein Ansatzpunkt für eine Bereichsausnahme für das Arbeitsrecht. § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB findet gerade auch auf Entgeltforderungen eines Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis Anwendung (so bereits mit ausführlicher Begründung LAG Köln, Urteil vom 22.11.2016, 12 Sa 524/16; ebenso z. B. auch LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.03.2017, 15 Sa 1992/16; LAG Niedersachsen, Urteil vom 20.04.2017, 5 Sa 1263716; LAG Düsseldorf, Urteil vom 27.10.2017, 10 Sa 308/17; LAG Baden-Württemberg, Urteile vom 09.10.2017 – 4 Sa 8/17 – und vom 02.11.2017 – 3 Sa 81/16 -, zuvor bereits als obiter dictum LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.10.2016, 3 Sa 34/16 -; LAG Köln, Urteil vom 07.12.2017, 8 Sa 127/17; LAG Niedersachsen, Urteile vom 25.01.2018 – 5 Sa 537/17 – und 27.02.2018 – 10 Sa 25/17 -; LAG München, Urteil vom 18.04.2018, 11 Sa 42/18; a. A. in der zweitinstanzlichen Rechtsprechung soweit ersichtlich allein LAG Köln, Urteil vom 04.10.2017, 5 Sa 229/17).

Insbesondere ergibt sich eine Bereichsausnahme für das Arbeitsrecht nicht aus einer Analogie zu § 12a ArbGG. Es fehlt an einer für eine Analogie erforderlichen Regelungslücke (LAG Köln, Urteil vom 22.11.2016, 12 Sa 52/16). Vielmehr gebietet die systematische Einordnung des § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB im Zusammenhang mit den – unzweifelhaft auch auf Arbeitsentgeltansprüche anwendbaren – gesetzlichen Regelungen zum Verzugszins sowie dem weitergehenden Verzugsschaden eine Anwendung auch auf Arbeitsentgeltansprüche (LAG Köln 22.11.2016, a. a. O., juris, Rn 83). Die 40-Euro-Pauschale knüpft nach der gesetzlichen Regelung an das Verzugsrecht an. Insofern besteht gerade kein notwendiger Zusammenhang mit Rechtsverfolgungskosten. Verzug wird unabhängig von etwaigen Rechtsverfolgungskosten begründet. Auch der Zweck der gesetzlichen Neuregelung, den Druck auf potentiell säumige Schuldner zu erhöhen, ihren Zahlungsverpflichtungen pünktlich und vollständig nachzukommen, besteht gerade auch bei Arbeitsentgeltansprüchen (LAG Köln 22.11.2016, a. a. O., Rn 95).

Insofern kann die Ansicht der hiesigen Beklagten nicht geteilt werden, eine „schlechte Zahlungskultur (sei) im Arbeitsrecht nicht zu befürchten“. Gerichtsbekannt ist eine schlechte Zahlungskultur auch bei Lohnzahlungen im Arbeitsrecht durchaus verbreitet. Auch der hiesige Sachverhalt bildet ein Beispiel hierfür. Nach der unmissverständlichen tariflichen Regelung entsteht der Anspruch auf die Leistungen nach § 20 Abs. 1c) MTV bereits mit der Feststellung der dauerhaften Flugdienstuntauglichkeit. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt aufgrund der tarifvertraglich vorgesehenen Auslauffrist entsprechend der ordentlichen Kündigungsfrist erst zu einem späteren Zeitpunkt. Zweck der Regelung in § 20 Abs. 1c) MTV ist es gerade, dass der Arbeitnehmer in diesem Zwischenzeitraum über die Leistungen aus § 20 Abs. 1c) MTV seinen Lebensunterhalt bestreiten können soll. Weshalb die Beklagte dennoch monatelang keinerlei Zahlungen an den Kläger erbracht hat, obwohl ihrer eigenen Darstellung nach das Arbeitsverhältnis aufgrund festgestellter dauerhafter Flugdienstuntauglichkeit mit Ablauf der Auslauffrist enden sollte und sie die Leistungen nach § 20 Abs. 1c) MTV noch im eigenen Schreiben vom 12.09.2017 ausdrücklich dem Kläger angekündigt hatte, erschloss sich dem Gericht nicht.

Aufgrund des mehrfachen monatlichen erneuten Verzuges fiel die Verzugspauschale auch monatlich erneut an (Argument aus § 288 Abs. 5 Satz 2 BGB, vgl. z. B. LAG Düsseldorf, Urteil vom 21.11.2017, 8 Sa 477/17, juris, Rn 85; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.03.2017, 15 Sa 1992/16, juris, Rn 20).

Soweit die Beklagte schriftsätzlich die Rechtsansicht vertritt, die Verzugspauschale sei nicht nochmals zu verzinsen, bedurfte es insofern vorliegend keiner Entscheidung, da der Kläger vorliegend gar keine Zinsen auf die Verzugspauschale beantragt hat. Ein Gericht ist nicht befugt, einer Partei mehr zuzusprechen, als von ihr beantragt wurde (§ 308 Abs. 1 ZPO).

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 zweite Alternative ZPOi. V. m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Hiernach waren die Kosten des Rechtsstreits zwischen den Parteien anhand des Verhältnisses von Obsiegen und Unterliegen nach der nachfolgenden Streitwertfestsetzung aufzuteilen.

Der gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzende Streitwert wurde auf drei Bruttomonatsgehälter für den Bestandsschutzantrag (§ 42 Abs. 2 Satz 1 GKG), ein weiteres Bruttomonatsgehalt für den Weiterbeschäftigungsantrag sowie die bezifferten Werte der Zahlungsanträge festgesetzt. Dem allgemeinen Feststellungsantrag kam kein eigener Streitwert zu.

Gründe, die Berufung gemäß § 64 Abs. 3, Abs. 3 a ArbGG gesondert zuzulassen, waren nicht gegeben.

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