Skip to content

Formulararbeitsvertrag – vereinbarte Verfallklausel vor MiLoG

ArbG Nürnberg – Az.: 11 Ca 340/16 – Urteil vom 09.02.2017

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Streitwert des Schlussurteils wird auf 9.996,56 € festgesetzt.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

4. Die Berufung wird gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im noch zur Entscheidung anstehenden Teil um einen Urlaubsabgeltungsanspruch für 28 Tage aus dem Kalenderjahr 2015 sowie um die Erteilung eines qualifizierten Endzeugnisses.

Der Kläger war bei dem Beklagten auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages ab dem 01.01.2014 als technischer Sachbearbeiter/Versorgungstechniker beschäftigt (vgl. Arbeitsvertrag Anlage K 1, Ergänzungsvereinbarung vom 03.03.2015, Anlage K 1a).

Der Arbeitsvertrag ist auf der ersten Seite maschinenschriftlich auf den 08.10.2013 datiert. Der Kläger hat den Vertrag ausweislich des auf Seite 7 des Vertrages handschriftlich eingetragenen Datums am 27.10.2013 unterzeichnet. Die Unterschrift des Beklagten trägt das maschinenschriftlich eingetragene Datum 08.10.2014.

Die zuletzt abgerechnete Vergütung betrug 4.361,00 € brutto (vgl. Anlage K 2). Das Arbeitsverhältnis wurde durch Kündigung vom Beklagten mit Wirkung zum 31.07.2015 beendet.

Der Arbeitsvertrag lautet auszugsweise wie folgt:

§ 5 Urlaub

Als Urlaub werden dem Arbeitnehmer 28 Arbeitstage (bezogen auf das volle Jahr) gewährt. (…)

§ 10 Ausschlussklausel

Ansprüche beider Parteien aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit schriftlich gegenüber der Gegenseite geltend gemacht werden. Entscheidend ist der Zugang des Schreibens. Nach Ablauf der Frist kann der Anspruch nicht mehr geltend gemacht werden.

Lehnt die Gegenseite den Anspruch ab oder äußert sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen ab Zugang der Geltendmachung, so ist der Anspruch innerhalb von weiteren drei Monaten ab Zugang der Ablehnung bzw. bei Ablauf der Zweiwochenfrist bei Gericht anhängig zu machen. Andernfalls ist der Anspruch verfallen und kann nicht mehr geltend gemacht werden.

Per E-Mail vom 06.07.2015 übersandte der Kläger der Mitarbeiterin des Beklagten, Frau …, eine E-Mail, in der er eine Auflistung seiner Urlaubsanträge für das Jahr 2014 und 2015 vornahm (vgl. Anlage K 3). Darin kommt er zu dem Ergebnis, dass ihm ein Resturlaubsanspruch für 2014 in Höhe von 5 Tagen sowie für 2015 in Höhe von 28 Tagen zusteht. Auf dieser E-Mail ist ein handschriftlicher Vermerk enthalten, auf dem für das Jahr 2015 16 Urlaubstage und für das Jahr 2014 5 Urlaubstage, somit gesamt 21 Tage vermerkt wurden mit dem Zusatz „H. A. bitte RS wegen Abstimmung!“.

Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 14.09.2015 (Anlage B1) machte der Kläger die streitgegenständlichen Ansprüche gegenüber dem Beklagten geltend unter Fristsetzung zum 30.09.2015.

Mit Schreiben vom 28.09.2015 (Anlage B2), der Klagepartei per Fax zugegangen am selben Tag, lehnte der Beklagte die Urlaubsansprüche für 2014 als verfallen ab. Hinsichtlich der Urlaubsansprüche für 2015 führte der Beklagte aus: „Der Anspruch Ihres Mandanten beläuft sich somit maximal auf 5.589,08 brutto, wobei sich mein Mandant die Überprüfung der übrigen Parameter vorbehält.“ Die Ansprüche auf Überstundenabgeltung wies der Beklagte in diesem Schreiben zurück, machte Gegenansprüchen in Höhe von 6.245,43 € netto geltend und teilte mit, dass eine einvernehmliche Lösung angestrebt werde.

In der Folgezeit gab es mehrere Telefonate und Schreiben zwischen den Prozessbevollmächtigten (vgl. hierzu Schriftsatz des Klägervertreters vom 15.10.2015 – Anlage K 7, Fristverlängerungsgesuch dem Beklagten vom 19.10.2015 – Anlage K 8, Schriftsatz dem Beklagten vom 29.10.2015 – Anlage K 9).

Mit Schreiben vom 26.11.2015 (Anlage K 10) teilte der Klägervertreter seinem Mandanten mit, dass er derzeit die Klage vorbereite, die Klageschrift bereits diktiert habe und der Beklagtenvertreter ihm gegenüber am 25.11.2015 ein erhöhtes Vergleichsangebot von 5.000,-€ unterbreitet habe. Er sei mit dem Beklagtenvertreter so verblieben, dass er (der Klägervertreter) dem Kläger das modifizierte Vergleichsangebot mitteile und vor Klageeinreichung Rücksprache halte und bat den Kläger um telefonische Rücksprache.

Mit Schreiben vom 15.01.2016 lehnte der Beklagte ein Vergleichsangebot von 7.500 € ab (vgl. Anlage K 14).

Der Kläger begehrt mit seiner am 21.01.2016 bei Gericht eingegangenen, dem Beklagten am 27.01.2016 zugestellten Klage zuletzt noch die Abgeltung von 28 Urlaubstagen für das Jahr 2015 in Höhe von gesamt 5.635,56 € brutto sowie die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses.

Von den ihm arbeitsvertraglich für das Jahr 2015 zustehenden Urlaubstagen habe er noch keinen Tag eingebracht. Im Übrigen ergebe sich aus dem handschriftlichen Vermerk auf seiner E-Mail vom 06.07.2015 ein Anerkenntnis des Beklagten hinsichtlich der dort dargestellten Urlaubstage. Zudem habe der Beklagtenvertreter in seinem Schreiben vom 28.09.2015 die Ansprüche auf Urlaubsabgeltung für das Jahr 2015 anerkannt. Soweit sich der Beklagte auf die arbeitsvertraglich vereinbarte Ausschlussfrist berufe, so sei dies ein Verstoß gegen Treu und Glauben, da die späte Klageeinreichung auf das Verhalten des Beklagtenvertreters zurückzuführen gewesen sei. Nach dem Gespräch vom 25.11.2015 sei bis zum 15.01.2016 keine Rückmeldung des Beklagtenvertreters mehr erfolgt. Erst an diesem Tag sei per Fax die Ablehnung des erhöhten Vergleichsvorschlages des Klägers erfolgt (Anlage K14). Im Übrigen sei die Ausschlussklausel des Arbeitsvertrages unwirksam, da sie Ansprüche nach dem Mindestlohngesetz nicht ausnehme und auch die in § 309 Nr. 7 BGB geregelten Fälle der Verschuldenshaftung nicht ausnehme. Eine geltungserhaltende Reduktion sei ausgeschlossen, vgl. LAG Hamm vom 25.09.2012 – 14 Sa 280/12. Da der Beklagte den Arbeitsvertrag ausweislich des im Vertrag genannten Datums der am 10.08.2014 geltenden Rechtslage unterwerfen wollte, sei die nach Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes geltende Rechtslage maßgeblich.

Der Kläger beantragt zuletzt noch:

Formulararbeitsvertrag - vereinbarte Verfallklausel vor MiLoG
(Symbolfoto: Von kan_chana/Shutterstock.com)

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.635,56 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen EU-Basiszinssatz seit 01.08.2015 zu bezahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis über die Leistung und Führung im Betrieb zu erstellen und herauszugeben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Etwaige Ansprüche seien nach § 10 des Arbeitsvertrages verfallen, da der Kläger zwar die erste Stufe der Ausschlussfrist durch das Schreiben seines Bevollmächtigten vom 14.09.2015 noch eingehalten habe, die Klage beim Arbeitsgericht Nürnberg aber erst am 21.01.2016 anhängig geworden ist. Die vereinbarte Ausschlussfrist sei wirksam. Der Arbeitsvertrag sei am 08.10.2013, nicht 2014, ausgefertigt worden, bei der Zahl 2014 habe es sich lediglich um ein Schreibversehen gehandelt. Soweit der Kläger behauptet, nach dem 25.11.2015 habe es an dem Beklagten gelegen, weitere Schritte bzgl. Vergleichsverhandlungen zu unternehmen, so sei dies nicht zutreffend, wie sich auch aus dem Schreiben des Klägervertreters an den Kläger ergebe. Der Klägervertreter habe einen Rückruf geschuldet, nicht der Beklagtenvertreter. Der Beklagtenvertreter habe dennoch am 22.12.2015 versucht, den Klägervertreter zu erreichen, was ihm aber nicht gelungen sei. Ein zugesagter Rückruf sei ebenfalls unterblieben, was die Zeugin … bestätigen könne. Erst am 13.01.2016 habe der Klägervertreter angerufen und ein Vergleichsangebot von 7.500-8.000,-€ unterbreitet. Dieses Angebot habe der Beklagte am 15.01.2016 zurückgewiesen. Zu keinem Zeitpunkt sei zwischen den Parteien über die Ausschlussfrist gesprochen worden. Es sei daher nicht rechtsmissbräuchlich, dass sich der Beklagte auf die Ausschlussfrist berufe.

Die mit der Klage zunächst auch geltend gemachten Ansprüche auf Urlaubsabgeltung für das Jahr 2014 sowie auf Überstundenvergütung hat die Kammer am 22.09.2016 durch Teilurteil abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung zum LAG Nürnberg eingelegt, Az. 7 Sa 560/16.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien, der erteilten Hinweise des Gerichts sowie der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß §§ 46 Abs. 2, 495 Abs. 1, 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsprotokolle vom 07.03.2016, 22.09.2016 und 09.02.2017 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a, 46, 48 ArbGG, §§ 17 f. GVG eröffnet.

Das Arbeitsgericht Nürnberg ist gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG, §§ 12, 17 ZPO örtlich zuständig, da der Beklagte seinen Sitz in C-Stadt und damit im Bezirk des Arbeitsgerichts Nürnberg hat.

II.

Die Klage ist jedoch unbegründet, da etwaig entstandene Ansprüche des Klägers aufgrund der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist mit Ablauf des 28.12.2015 erloschen sind. Dabei geht das Gericht aufgrund des insoweit unstreitigen Sachvortrags davon aus, dass dem Kläger zunächst ein Urlaubsabgeltungsanspruch in der beantragten Höhe sowie das begehrte qualifizierte Endzeugnis zustanden. Eine abschließende Klärung dieser Ansprüche dahinstehen, da die Kammer der Auffassung ist, dass die in § 10 des Arbeitsvertrags geregelte zweistufige Ausschlussfrist wirksam ist, auch wenn sie ausweislich des Wortlautes für „Ansprüche beider Parteien aus dem Arbeitsverhältnis“ gilt und somit weder Ansprüche bei Vorsatzhaftung noch auf den Mindestlohn explizit ausnimmt und dass der Beklagte auch nicht daran gehindert war, sich auf diese Ausschlussfrist zu berufen.

1. Die Ausschlussfrist ist nicht wie vom Kläger vorgetragen wegen der Formulierung „Ansprüche beider Parteien aus dem Arbeitsverhältnis“ wegen Verstoßes gegen §§ 202 Abs. 1, 276 Abs. 3 oder 309 Nr. 7 BGB unwirksam.

Unstreitig im Verfahren ist die Annahme, dass die Bedingungen des Arbeitsvertrages als Allgemeine Geschäftsbedingungen anzusehen sind, die von dem Beklagten vorgegeben wurden. Hierfür spricht auch das äußere Erscheinungsbild (vgl. BAG 19.03.2014 – 5 AZR 299/13).

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind dabei nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Maßgebend sind die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden nicht rechtskundigen Vertragspartners. Anhaltspunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut (vgl. BAG vom 24. Januar 2013 – 8 AZR 965/11 – Rn. 24).

Auf den zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag findet das BGB in der seit dem 2. Januar 2002 geltenden Fassung Anwendung. Demzufolge kann gemäß § 202 Abs. 1 BGB die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden. Diese Vorschrift ergänzt den allgemeinen Grundsatz des § 276 Abs. 3 BGB, wonach die Haftung wegen Vorsatzes dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden kann. § 202 Abs. 1 BGB erfasst nicht nur Vereinbarungen über die Verjährung, sondern auch über Ausschlussfristen. Es handelt sich um eine Verbotsnorm im Sinne von § 134 BGB. Das E. hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass regelmäßig davon auszugehen ist, dass die Vertragspartner mit ihren Vertragsklauseln keine Fälle anders als das Gesetz und unter Verstoß gegen die gesetzliche Verbotsnorm im Sinne des § 134 BGB regeln wollen. Vertragsklauseln, die nur in außergewöhnlichen, von den Vertragspartnern bei Vertragsabschluss nicht für regelungsbedürftig gehaltenen Fällen gegen das Gesetz verstoßen, sind wirksam. Eine am Sinn und Zweck solcher Klauseln orientierte Auslegung ergibt, dass derartige Ausnahmefälle von der Klausel gar nicht erfasst werden sollen (vgl. BAG vom 20.06.2013 – 8 AZR 280/12 mit weiteren Nachweisen, BAG vom 25. Mai 2005 – 5 AZR 572/04). Daher ist eine zwischen den Parteien des Arbeitsvertrages vereinbarte Ausschlussfrist dahingehend auszulegen, dass sie nur die von den Parteien für regelungsbedürftig gehaltenen Fälle erfassen soll. Ohne besondere Hinweise im Einzelfall ist eine Anwendung auch auf die Fälle, die durch zwingende gesetzliche Verbote oder Gebote geregelt sind, regelmäßig gerade nicht gewollt. Ohne solche Besonderheiten kann auch nicht angenommen werden, die Ausschlussfrist beziehe sich auf Kriterien, die aufgrund von Rückausnahmen, hier § 278 Satz 2 BGB, ausnahmsweise doch regelbar seien. Ein Verstoß gegen § 276 Abs. 3 oder 309 Nr. 7 BGB ist daher nicht anzunehmen. Sind von der vertraglich vereinbarten Ausschlussklausel Schadensersatzansprüche der in § 309 Nr. 7 BGB oder § 202 Abs. 1 BGB erfassten Art nicht umfasst, so kommt es auf die weitere Frage, ob die Klausel nach § 309 Nr. 7 BGB unwirksam ist, nicht an (vgl. zum Ganzen BAG vom 20.06.2013 – 8 AZR 280/12).

Insofern ist nach Überzeugung der Kammer davon auszugehen, dass die Parteien in  § 10 des Arbeitsvertrages trotz Fehlens einer expliziten Regelung hierzu nicht entgegen gesetzlicher Regelungen eine Vorsatzhaftung des Schädigers ausnehmen wollten. Anhaltspunkte dafür, dies im vorliegenden Fall anders sehen zu müssen, wurden von keiner Partei vorgetragen und sind für die Kammer auch nicht ersichtlich.

Soweit der Kläger weiter ausführt, dass Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders gehen, so ist dies nach § 305 c Abs. 2 BGB zutreffend. Diese sogenannte Unklarheitenregel stellt bei objektiv mehrdeutigen Klauseln eine Auslegungshilfe dar, wonach in solchen Fällen die Interessen des Verwenders hinter denjenigen der anderen Partei zurücktreten sollen. Auf diese Unklarheitenregel kann jedoch nur zurückgegriffen werden, wenn nach Ausschöpfung der anerkannten Auslegungsmethoden nicht behebbare Zweifel verbleiben (vgl. BAG vom 14. November 2012 – 5 AZR 107/11 – Rn. 19). Derartige Zweifel bei der Auslegung bestehen im vorliegenden Fall nicht (vgl. BAG vom 20.06.2013 – 8 AZR 280/12 m.w.N.).

2. Entgegen der Ansicht der Klagepartei hält die erkennende Kammer § 10 des Arbeitsvertrages auch nicht deshalb für unwirksam, weil Ansprüche auf den Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) nicht explizit ausgenommen sind.

a) Das Gericht geht zunächst davon aus, dass der Arbeitsvertrag zwischen den Parteien am 27.10.2013 geschlossen wurde. Unstreitig hat an diesem Tag der Kläger den Vertrag unterschrieben. Auch wenn die Unterschrift des Beklagten im Vertrag auf den 08.10.2014 datiert, ist die Kammer davon überzeugt, dass dies allein auf einen Schreibfehler zurückzuführen ist und die Unterschrift am 08.10.2013 erfolgt ist. Hierfür spricht, dass der Arbeitsvertrag auf Seite 1 das Datum 08.10.2013 trägt, die Unterschrift des Klägers am 27.10.2013 erfolgte und das Arbeitsverhältnis gemäß § 1 des Arbeitsvertrages ab dem 01.01.2014 beginnen sollte. Der Kläger hat im Verfahren auch zu keinem Zeitpunkt substantiiert dargelegt, dass der Vertrag erst 2014 zustande gekommen ist. Soweit die Klagepartei vorträgt, der Beklagte habe durch die Datierung auf das Jahr 2014 den Vertrag der Rechtslage vom Oktober 2014 unterwerfen wollen, so sind hierfür weder weitere Anhaltspunkte vorgetragen worden noch für das Gericht ersichtlich.

b) Das Mindestlohngesetz ist am 16.08.2014 in Kraft getreten, Artikel 15 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie. § 3 S. 1 MiLoG sieht vor, dass Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, insoweit unwirksam sind. In der Literatur wird vertreten, dass § 3 S. 1 MiLoG auch auf Ausschlussfristen anzuwenden ist, dass aber zumindest bei Altverträgen, d.h. Verträgen, die (wie hier) vor Inkrafttreten des MiLoG am 16.08.2014 geschlossen wurden, vereinbarte Ausschlussfristen nicht vollständig unwirksam sind, weil § 3 S. 1 MiLoG die Unwirksamkeit von Ausschlussfristen nur „insoweit“ anordnet (vgl. hierzu ErfK/Franzen MiLoG § 3 Rn. 2-3a, mit vielen weiteren Nachweisen, beck-online).

Nach Ansicht der Kammer kommt es im hier zur Entscheidung stehenden Fall jedoch nicht auf die Frage der Bedeutung und der hieraus zu ziehenden rechtlichen Konsequenzen des Wortes „insoweit“ an, weil der hier vorliegende Altvertrag so auszulegen ist, dass Ansprüche auf Mindestlohn nicht erfassen werden sollten.

Wie bereits oben unter im Rahmen der Vorsatzhaftung dargestellt, sind allgemeine Geschäftsbedingungen nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Die Auslegung orientiert sich an dem Maßstab dessen, was die Parteien, hätten sie die Unwirksamkeit der AGB-Klausel erkannt, bei einer angemessenen Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten (vgl. BAG vom 16.12.2009 – 5 AZR 888/08, Rn. 22 bei juris).

Nach dem Wortlaut von § 10 Arbeitsvertrag enthält die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist keine sachlichen Einschränkungen. Danach fallen – vom Wortlaut her – unter den darin verwendeten Begriff der „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ alle gesetzlichen, tariflichen und vertraglichen Ansprüche, die die Vertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsstellung gegeneinander haben, somit auch Ansprüche auf Mindestlohn. Nach Ansicht der erkennenden Kammer ist dabei jedoch zu berücksichtigen, dass die Parteien den Arbeitsvertrag zu einem Zeitpunkt abgeschlossen haben, als das Mindestlohngesetz noch nicht in Kraft getreten war. Insofern ist – mangels Anhaltspunkten dafür – nicht davon auszugehen, dass sie auch solche Ansprüche der Ausschlussfrist unterwerfen wollten oder dass sie, hätten sie den Vertrag später abgeschlossen, in Kenntnis des Mindestlohngesetzes dennoch eine Ausschlussklausel ohne Ausnahme vereinbart hätten. Daher ist die Ausschlussfrist nach Überzeugung der Kammer so auszulegen, dass Ansprüche auf den Mindestlohn mit der Klausel nicht geregelt werden sollten und dieser damit nicht unterfallen.

Diese Möglichkeit wird auch nicht durch das – aufgrund der vergleichbaren gesetzlichen Regelung möglicherweise auf den Bereich des Mindestlohngesetzes übertragbare – Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24.08.2016 – 5 AZR 703/15 ausgeschlossen. Dieses hat für den dort zu entscheidenden Bereich der Pflegearbeitsbedingungenverordnung (PflegeArbbV) angemerkt, dass für Altverträge eine einengende, das Mindestentgelt nicht erfassende Auslegung in Erwägung gezogen werden könnte (vgl. BAG, a.a.O., Orientierungssatz 2/ Rn. 20). Genau dies hat die erkennende Kammer hier getan.

Für die Anwendung der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB bleibt mangels Zweifeln bei der Auslegung – wie bereits oben zur Vorsatzhaftung dargestellt – kein Raum.

3. Das Gericht geht weiter davon aus, dass der geltend gemachte Anspruch auf Urlaubsabgeltung keinen Anspruch auf Mindestentgelt im Sinne des Mindestlohngesetzes darstellt. § 1 MiLoG setzt den Mindestlohn je Zeitstunde fest, Regelungen über Mindesturlaub bzw. dessen Abgeltung hingegen sind nicht getroffen. Für den Urlaubsabgeltungsanspruch können seit der Aufgabe der Surrogatstheorie tarifliche oder vertragliche Ausschlussfristen oder Verfallfristen in Arbeitsverträgen Anwendung finden (vgl. ErfK/Gallner BUrlG § 7 Rn. 84-86,m. w. N., beck-online)

Auch das begehrte Zeugnis unterfällt nicht dem Mindestlohngesetz. Insofern unterliegen beide Ansprüche der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist.

4. Unter Zugrundelegung der wirksamen Ausschlussfrist sind die Ansprüche des Klägers mit Ablauf des 28.12.2015 erloschen.

Streitig ist im Verfahren allein die Einhaltung der 2. Stufe der Ausschlussfrist, nachdem der Kläger mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 14.09.2015 (vgl. Anlage B 1), dem Kläger zugegangen am 15.09.2015, die Ansprüche unter Fristsetzung zum 30.09.2015 geltend gemacht hat.

Jedoch hat die Klagepartei mit der Klagerhebung vom 21.01.2016, dem Beklagten zugestellt am 27.01.2015, die 2. Stufe der Ausschlussfrist nicht gewahrt. Mit Schreiben des Beklagtenvertreters vom 28.09.2015 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass nach Ansicht des Beklagten die Urlaubsansprüche für das Jahr 2014 verfallen seien, er sich die Prüfung der weiteren Parameter hinsichtlich des Urlaubsanspruchs 2015 vorbehalte und die weiter geltend gemachten Ansprüche auf Überstundenvergütung bestritten würden. Hinsichtlich des begehrten Zeugnisses hat sich der Beklagte in diesem Schreiben nicht geäußert. Insofern war dem Kläger mit Zugang dieses Schreibens am 28.09.2015 bekannt, dass der Beklagte die Ansprüche des Klägers nicht ohne weiteres zu erfüllen gedenkt, auch wenn der Beklagte grundsätzlich Vergleichsbereitschaft signalisiert hat. Nach Ansicht der Kammer hat mit Zugang dieses Schreibens somit die Frist der 2. Stufe der Verfallsklausel zur gerichtlichen Geltendmachung begonnen. Diese Frist hat 3 Monate nach Zugang des Ablehnungsschreibens, somit am 28.12.2015 geendet, so dass die am 21.01.2015 erfolgte Klageerhebung nicht fristgerecht erfolgte.

Dabei geht die Kammer davon aus, dass dieser Fristablauf nicht durch die zwischen den Parteien erfolgten Vergleichsverhandlungen gemäß §§ 203 BGB gehemmt wurde.

Ausschlussfristen sind von Verjährungsfristen streng zu unterscheiden. Sie sind in Anwendungsbereich, Rechtswirkung und Zweck grundlegend verschieden. Anders als bei der Verjährungsfrist führt der Ablauf der Ausschlussfrist zum Erlöschen eines nicht fristgemäß geltend gemachten Anspruchs. Eine Übertragung von Wertungen des Verjährungsrechts ist wegen der strukturellen Verschiedenheit nur möglich, soweit hierfür Sachgründe bestehen oder diese Wertungen nicht auf die spezifische Rechtsnatur der Verjährung als Einrede zugeschnitten sind. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts muss es aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit möglich sein, eine zeitliche Begrenzung für die Geltendmachung eines Anspruches zu setzen (BAG 30.3.1962 NJW 1962, 1460, 1461). Der Schuldner solle binnen einer angemessenen Frist darauf hingewiesen werden müssen, welche Ansprüche gegen ihn noch geltend gemacht werden. Ferner soll er sich darauf verlassen können, dass nach Fristablauf gegen ihn keine Ansprüche mehr erhoben werden (vgl. zum Ganzen ErfK/Preis BGB § 218 Rn. 32, beck-online). Diesen Grundsätzen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit würde es entgegenstehen, wenn Verhandlungen über den Anspruch zu einer Fristverlängerung führen würden. Insofern sind nach Auffassung der Kammer die Regelungen der §§ 203 ff. BGB im vorliegenden Fall nicht auf den Ablauf der Frist zu gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs anzuwenden.

5. Dem Beklagten ist es auch nicht wegen der Vergleichsverhandlungen auf Grund von Treu und Glauben verwehrt, sich auf die vereinbarte arbeitsvertragliche Ausschlussfrist zu berufen.

Hinsichtlich des Zeugnisanspruches gab es keine Verhandlungen, so dass diese ohne weiteres drei Monate nach Zugang des Beklagtenschreibens vom 28.09.2015, somit mit Ablauf des 28.12.2015 verfallen sind. Die Klageerhebung vom 21.01.2016 konnte die Frist der 2. Stufe der Verfallklausel nicht wahren.

Hinsichtlich der Urlaubsansprüche für 2015, über die die Parteien Vergleichsverhandlungen geführt haben, ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen zur Überzeugung der Kammer, dass es nach dem Telefonat der Prozessbevollmächtigten vom 25.11.2015 an der Klägerseite lag, den nächsten Schritt zu unternehmen. Dies ergibt sich aus dem Schreiben des Klägervertreters an den Kläger vom 26.11.2015 (vgl. Anlage K 10), in dem er ausdrücklich ausführt, dass er mit dem Beklagtenvertreter so verblieben sei, dass dem Kläger das modifizierte Vergleichsangebot der Gegenseite unterbreitet werden solle und dann (vor Klageeinreichung) mit dem Beklagtenvertreter nochmals Rücksprache gehalten werden sollte. Insofern hält die Kammer den Vortrag der Klagepartei, es habe am Beklagtenvertreter gelegen, sich wieder zu melden, für nicht schlüssig. Im Übrigen wäre der Klagepartei selbst in diesem Fall die rechtzeitige Klageerhebung zur Wahrung der 2. Stufe der Ausschlussfrist bzw. der Versuch einer Einigung mit der Gegenseite über die Verlängerung der Ausschlussfrist möglich gewesen. Das Gespräch hat am 25.11.2015 stattgefunden, so dass noch über einen Monat Zeit gewesen wäre, die Klage rechtzeitig einzureichen. Insofern ist es auch nicht aus Gründen von Treu und Glauben geboten, von der Anwendung der Verfallfrist abzusehen.

6. Auch ist der Beklagte nicht durch den handschriftliche Zusatz hinsichtlich der Urlaubstage auf der E-Mail vom 06.07.2015 (vgl. Anlage K 3) gehindert, sich auf die Ausschlussfrist zu berufen, da diesbezüglich ausweislich des Wortlautes der Anmerkung noch eine Rücksprache zwischen den Parteien erfolgen sollte. Ebenso ist nach Ansicht der Kammer im Schreiben des Beklagtenvertreters vom 28.09.2015 kein Anerkenntnis hinsichtlich der Urlaubsansprüche für das Jahr 2015 zu sehen, da der Beklagte sich darin ausdrücklich die „Überprüfung der weiteren Parameter“ vorbehalten hat.

Die Klage war somit abzuweisen.

III.

1. Die Kostenentscheidung zu Lasten des Klägers ergibt sich aus seinem Unterliegen sowohl im Teilurteil vom 06.10.2016 als auch in diesem Schlussurteil, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

2. Die Streitwertfestsetzung für das Schlussurteil beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG und entspricht der Höhe der geltend gemachten Forderungen sowie einem Bruttomonatsgehalt für das begehrte Zeugnis.

3. Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung war gemäß § 64 Abs. 3 a Satz 1 ArbGG in den Tenor aufzunehmen. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 € übersteigt.

Die Kammer hat zudem die Berufung gesondert zugelassen, weil die Problematik der Wirksamkeit von Ausschlussfristen im Hinblick auf das Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes am 16.08.2014 und die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24.08.2016 nach ihrer Ansicht von grundsätzlicher Bedeutung ist, § 64 Abs. 3 ArbGG.

 

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Arbeitsrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Arbeitsrecht. Vom Arbeitsvertrag bis zur Kündigung. Nehmen Sie noch heute Kontakt zu uns auf.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Arbeitsrecht einfach erklärt

Weitere interessante arbeitsrechtliche Urteile

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!