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Freistellung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts: Bindend, Krankschreibung gilt

Ein Arbeitnehmer erhielt die Zusage zur Freistellung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts, doch sein Chef widerrief die Entscheidung kurz darauf mündlich und zweifelte die Krankschreibung an. Der Mitarbeiter behauptete Annahmeverzug und gültige Krankschreibung, stolperte jedoch vor Gericht über die mangelhafte Darlegung seiner Überstunden.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 3 Ca 34/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Arbeitsgericht Nordhausen
  • Datum: 12.06.2025
  • Aktenzeichen: 3 Ca 34/25
  • Verfahren: Zahlung von Arbeitsentgelt und Herausgabe von Unterlagen
  • Rechtsbereiche: Arbeitsentgelt, Freistellung, Urlaubsabgeltung

  • Das Problem: Eine gekündigte Mitarbeiterin forderte ihren Arbeitgeber auf, ihr ausstehenden Lohn, Urlaubsabgeltung und Überstunden zu zahlen. Der Arbeitgeber weigerte sich, da er die ursprüngliche Freistellung für unwirksam hielt und die Krankschreibung anzweifelte.
  • Die Rechtsfrage: Muss der Arbeitgeber der Mitarbeiterin nach einer erklärten Freistellung weiterhin vollen Lohn zahlen, selbst wenn er diese später widerrufen will und ihre Krankmeldungen anzweifelt?
  • Die Antwort: Ja. Das Gericht bestätigte die wirksame Freistellung der Klägerin unter voller Bezahlung. Die Zweifel des Arbeitgebers an der Krankschreibung wurden zurückgewiesen. Der Anspruch auf Überstundenvergütung scheiterte aber an fehlenden Nachweisen der Klägerin.
  • Die Bedeutung: Eine einmal erklärte bezahlte Freistellung ist bindend, wenn der Arbeitgeber keinen schlüssigen Widerruf beweisen kann. Arbeitgeber müssen stichhaltige, konkrete Beweise vorlegen, um den Beweiswert einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern.

Bezahlt freigestellt und doch kein Gehalt: Wann ist eine Freistellungserklärung wirklich bindend?

Eine schriftliche Kündigung, die eine sofortige Freistellung unter Fortzahlung der Bezüge zusichert, scheint eine klare Sache zu sein. Doch was geschieht, wenn der Arbeitgeber kurz darauf behauptet, man habe sich mündlich auf eine Weiterarbeit geeinigt? In einem Fall, der die Fallstricke unklarer Kommunikation am Ende eines Arbeitsverhältnisses beleuchtet, musste das Arbeitsgericht Nordhausen am 12. Juni 2025 (Az. 3 Ca 34/25) eine klare Linie ziehen. Es ging um die Frage, wessen Wort mehr Gewicht hat und wie der hohe Beweiswert einer ärztlichen Krankschreibung nach einer Kündigung zu bewerten ist.

Was genau war passiert?

Bindende Freistellungserklärungen können bei mündlichen Absprachen juristisch angefochten werden. | Symbolbild: KI

Eine Arbeitnehmerin war seit Anfang 2022 bei einem Unternehmen beschäftigt. Ihr ursprünglich befristeter Vertrag war in ein unbefristetes Verhältnis übergegangen, zuletzt mit einem monatlichen Bruttogehalt von 2.159,40 €. Am 15. Oktober 2024 überreichte ihr der Arbeitgeber die Kündigung. Das Schreiben enthielt einen entscheidenden Satz: Sie sei „mit sofortiger Wirkung unter Anrechnung von Urlaub und Überstunden – gemäß unseres Vertrages – freigestellt“.

Die Mitarbeiterin verließ daraufhin den Arbeitsplatz. Noch am selben Tag bekräftigte der Geschäftsführer die Entscheidung in einer WhatsApp-Nachricht an den Vater der Arbeitnehmerin: Sie sei „freigestellt (unter voller Bezahlung)“. Die Sache schien eindeutig. Doch dann folgte die Überraschung: Das Gehalt für Oktober und den halben November blieb aus.

Die Situation verkomplizierte sich weiter, als die Arbeitnehmerin für die Zeit vom 16. Oktober bis zum 8. November, also unmittelbar nach der Kündigung, zwei ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorlegte. Der Arbeitgeber weigerte sich zu zahlen und stellte sich auf den Standpunkt, man habe sich noch am Tag der Kündigung darauf geeinigt, die Freistellung doch nicht umzusetzen und die Arbeit fortzusetzen. Zudem zweifelte er die Echtheit der Erkrankung an.

Die ehemalige Mitarbeiterin klagte daraufhin auf die ausstehenden Gehälter, die Abgeltung von zehn Resturlaubstagen, die Vergütung von angeblich 485 geleisteten Überstunden und die Herausgabe ihrer Lohnsteuerbescheinigung. Der Arbeitgeber wies die Forderungen zurück und reichte seinerseits eine Widerklage ein, mit der er vermeintlich zu viel gezahlte Beträge zurückforderte.

Welche Gesetze spielten hier die entscheidende Rolle?

Im Zentrum dieses Falles stehen mehrere Grundpfeiler des Arbeitsrechts. Zunächst ist der grundlegende Anspruch auf Vergütung für geleistete Arbeit in § 611a Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verankert. Erklärt der Arbeitgeber jedoch eine Freistellung, gerät er in den sogenannten Annahmeverzug. Das bedeutet: Er verzichtet auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, bleibt aber zur Lohnzahlung verpflichtet, da der Arbeitnehmer seine Arbeit anbietet, der Arbeitgeber sie aber nicht „annimmt“.

Eine entscheidende Rolle spielte auch das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG dient eine ordnungsgemäß ausgestellte ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) als gesetzlicher Nachweis für eine Erkrankung. Ihr kommt ein sehr hoher Beweiswert zu. Ein Arbeitgeber, der diesen Beweiswert erschüttern will, muss mehr vorbringen als bloße Vermutungen.

Für die geforderte Urlaubsabgeltung ist § 7 Abs. 4 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) maßgeblich. Kann Urlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden, muss er in Geld ausgezahlt werden. Die Darlegungs- und Beweislast für Überstunden wiederum liegt grundsätzlich beim Arbeitnehmer. Er muss nach § 612 Abs. 1 BGB nicht nur die Anzahl der Stunden belegen, sondern auch, dass diese vom Arbeitgeber angeordnet oder zumindest geduldet wurden.

Warum entschied das Gericht so – und nicht anders?

Das Arbeitsgericht Nordhausen gab der Klage der Arbeitnehmerin in weiten Teilen statt, wies jedoch die massive Überstundenforderung vollständig ab. Die Widerklage des Arbeitgebers scheiterte ebenfalls. Die richterliche Logik folgte einer klaren Abwägung von schriftlichen Beweisen, gesetzlichen Vermutungen und der Substanz der vorgebrachten Argumente.

Warum war die Freistellungserklärung bindend?

Das Gericht stellte unmissverständlich klar: Die schriftliche Erklärung im Kündigungsschreiben war eindeutig. Der Arbeitgeber hatte die Arbeitnehmerin freigestellt. Diese Klarheit wurde durch die WhatsApp-Nachricht des Geschäftsführers, in der er eine Freistellung „unter voller Bezahlung“ bestätigte, noch zementiert.

Der Versuch des Arbeitgebers, diese Faktenlage durch die Behauptung einer späteren mündlichen Vereinbarung zur Weiterarbeit zu kippen, scheiterte. Das Gericht stufte diesen Vortrag als widersprüchlich und damit nach § 138 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) als unbeachtlich ein. Der Arbeitgeber konnte keinerlei Beweise für diese angebliche Gegen-Absprache vorlegen. Daher stand der Arbeitnehmerin die volle Vergütung für Oktober und die anteilige Vergütung für November zu, da sie aufgrund des Annahmeverzugs des Arbeitgebers einen Lohnanspruch hatte.

Wieso zählte die Krankschreibung trotz der verdächtigen zeitlichen Nähe?

Der Arbeitgeber zweifelte die Arbeitsunfähigkeit an, hauptsächlich weil sie direkt einen Tag nach der Kündigung begann. Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht. Es verwies auf die ständige Rechtsprechung, insbesondere ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urt. v. 13.12.2023, Az. 5 AZR 137/23), wonach der hohe Beweiswert einer AU-Bescheinigung nur durch die Darlegung konkreter Tatsachen erschüttert werden kann.

Ein enger zeitlicher Zusammenhang allein reicht dafür nicht aus. Im vorliegenden Fall kamen weitere Umstände hinzu, die gegen die Zweifel des Arbeitgebers sprachen: Die Krankschreibung endete bereits eine Woche vor dem Ende der Kündigungsfrist. Zudem hatte der Geschäftsführer in seiner WhatsApp-Nachricht selbst die Möglichkeit einer depressiven Reaktion der Arbeitnehmerin auf die Kündigung angedeutet. Der Arbeitgeber hatte also keine handfesten Beweise, die ernsthafte Zweifel an der Erkrankung rechtfertigten. Die AU-Bescheinigungen behielten ihren vollen Beweiswert.

Wie wurde der Anspruch auf Urlaubsabgeltung berechnet?

Da die Arbeitnehmerin während eines Teils der Freistellungsphase nachweislich krank war, konnte dieser Zeitraum nicht auf ihren Urlaub angerechnet werden. Krankheit sticht Urlaub. Das Gericht berechnete den anteiligen Urlaubsanspruch für die zehn vollen Beschäftigungsmonate im Jahr 2024, was 17 Tage ergab. Nach Abzug der Tage, die als Urlaub während der restlichen Freistellung angerechnet wurden, verblieben genau die von der Klägerin geforderten 10 Tage zur Abgeltung. Der Anspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG war somit begründet.

Warum scheiterte die Forderung nach 485 Überstunden?

Bei der Überstundenvergütung wendete sich das Blatt. Hier liegt die Beweislast vollständig bei der Arbeitnehmerin. Sie muss detailliert darlegen und beweisen, an welchen Tagen sie wie viele Überstunden auf Anordnung oder mit Duldung des Arbeitgebers geleistet hat.

Dieser Pflicht kam die Klägerin nicht nach. Sie legte zwar Stundennachweise vor, konnte aber keine vom Arbeitgeber unterzeichneten Zeitnachweise präsentieren. Ihr Vortrag blieb pauschal. Der Arbeitgeber bestritt die Stunden und behauptete zudem, die Stechuhr sei gar nicht funktionstüchtig gewesen. Ohne einen substanziierten Vortrag, der für jeden einzelnen Tag die geleisteten Überstunden und deren Veranlassung belegt, hatte die Forderung vor Gericht keine Chance.

Weshalb wurde die Gegenforderung des Arbeitgebers abgewiesen?

Auch der Arbeitgeber scheiterte mit seiner hilfsweise erklärten Aufrechnung und Widerklage. Er forderte gut 1.200 € zurück, konnte diese Summe aber nicht nachvollziehbar herleiten. Sein Vortrag war unzureichend substantiiert; es fehlte eine klare Berechnung und ein Beweisangebot. Eine bloße Behauptung, es bestünden Gegenansprüche, genügt vor Gericht nicht. Die Forderung muss schlüssig dargelegt und im Streitfall bewiesen werden.

Welche Lehren lassen sich aus diesem Urteil ziehen?

Dieses Urteil des Arbeitsgerichts Nordhausen verdeutlicht mehrere zentrale Prinzipien, die im Arbeitsleben von großer Bedeutung sind. Es ist eine Lektion über die Macht der Dokumentation und die klaren Regeln der Beweislast.

Die erste und wichtigste Lehre ist die Verbindlichkeit schriftlicher Erklärungen. Eine klare, schriftlich fixierte Freistellung kann nicht einfach durch eine später aufgestellte, unbewiesene mündliche Behauptung aus der Welt geschafft werden. Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass Freistellungserklärungen mit Bedacht formuliert werden müssen, da sie in der Regel bindend sind und eine Lohnfortzahlungspflicht auslösen. Für Arbeitnehmer schafft eine solche schriftliche Zusage eine starke Rechtsposition.

Eine zweite Erkenntnis betrifft den Umgang mit Krankschreibungen nach einer Kündigung. Das Urteil bestätigt die gefestigte Rechtsprechung: Der gesetzlich verankerte hohe Beweiswert einer ärztlichen Bescheinigung ist eine hohe Hürde. Bloßes Misstrauen oder der zeitliche Zufall allein reichen nicht aus, um eine Lohnfortzahlung zu verweigern. Ein Arbeitgeber, der eine Krankschreibung anzweifelt, muss konkrete, beweisbare Fakten vorbringen, die ernsthafte Zweifel an der Erkrankung begründen.

Schließlich zeigt der Fall exemplarisch die hohen Anforderungen an die Geltendmachung von Überstunden. Ein pauschaler Verweis auf eine Gesamtzahl von Stunden ist juristisch wertlos. Arbeitnehmer, die Überstundenvergütung einklagen wollen, müssen akribisch Buch führen. Sie benötigen eine detaillierte Aufstellung, die für jeden Arbeitstag Beginn, Ende und Dauer der Überstunden sowie deren Anlass und die Anordnung durch den Vorgesetzten dokumentiert. Ohne eine solche lückenlose Dokumentation ist die Durchsetzung eines solchen Anspruchs vor Gericht kaum möglich.

Die Urteilslogik

In Arbeitsstreitigkeiten setzt sich stets die klare Dokumentation gegen unbewiesene mündliche Behauptungen und pauschale Forderungen durch.

  • Verbindlichkeit der Freistellungserklärung: Ein Arbeitgeber kann eine einmal schriftlich erteilte Freistellung, die zur Lohnzahlung verpflichtet, nicht durch den bloßen Vortrag einer späteren, unbewiesenen mündlichen Absprache entkräften.
  • Erschütterung des Krankheitsnachweises: Der Arbeitgeber muss konkrete Tatsachen darlegen und beweisen, um den hohen Beweiswert einer ärztlichen Krankschreibung anzugreifen; bloße Vermutungen oder die zeitliche Nähe zur Kündigung genügen dafür nicht.
  • Anforderung an den Überstundennachweis: Arbeitnehmer sichern ihren Vergütungsanspruch für Überstunden nur durch eine akribische, lückenlose Dokumentation, die für jeden Tag die Anordnung oder Duldung der Mehrarbeit durch den Arbeitgeber belegt.

Die Durchsetzung von Ansprüchen im Arbeitsrecht hängt fundamental davon ab, wer welche Tatsachen schlüssig beweisen kann und damit die strenge Darlegungslast erfüllt.


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Experten Kommentar

Ein klar formuliertes Kündigungsschreiben, das die sofortige bezahlte Freistellung ausspricht, ist keine Verhandlungsbasis, sondern ein bindendes Versprechen des Arbeitgebers. Der Fall liefert die klare, praktische Erkenntnis: Eine einmal erteilte Freistellung kann nicht durch nachträgliche, unbewiesene Behauptungen über eine mündliche Kehrtwende wieder kassiert werden. Auch der hohe Beweiswert einer Krankschreibung unmittelbar nach der Kündigung bleibt bestehen; Misstrauen oder der zeitliche Zufall allein erschüttern diesen Schutz nicht. Für Arbeitnehmer gilt im Gegenzug: Ohne eine lückenlose, substanziierte Dokumentation von Anordnung und Durchführung sind pauschale Forderungen nach hunderten Überstunden vor Gericht wertlos.


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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Ist eine Freistellungserklärung des Arbeitgebers unter voller Bezahlung rechtlich bindend?

Eine schriftliche Freistellungserklärung unter voller Bezahlung schafft eine sehr starke rechtliche Position für Arbeitnehmer. Sie ist hochgradig bindend und kann vom Arbeitgeber nicht einfach durch nachträgliche, unbewiesene mündliche Behauptungen zur Weiterarbeit aufgehoben werden. Gerichte betrachten solche Versuche, eine klare schriftliche Zusage zu kippen, in der Regel als widersprüchlich und unbeachtlich. Sie dürfen darauf vertrauen, dass die einmal gegebene Zusage Bestand hat.

Mit der schriftlichen Freistellungserklärung gerät der Arbeitgeber sofort in den Annahmeverzug (§ 615 BGB). Dies bedeutet, dass die Pflicht zur Lohnzahlung unabhängig davon besteht, ob Sie tatsächlich gearbeitet haben oder nicht. Da der Arbeitgeber die Arbeitsleistung nicht mehr annehmen will, bleibt Ihr Vergütungsanspruch bis zum Ende der Kündigungsfrist vollständig erhalten. Zusätzliche digitale Kommunikation, wie etwa E-Mails oder WhatsApp-Nachrichten, die den Freistellungswillen bestätigen, zementieren diese rechtliche Situation.

Möchte der Arbeitgeber später von dieser Zusage abrücken, muss er den Nachweis erbringen, dass eine wirksame Gegenvereinbarung getroffen wurde. Der pauschale Vortrag einer angeblichen mündlichen Absprache reicht dafür vor Gericht keinesfalls aus. Die Beweislast liegt vollständig beim Arbeitgeber, und ohne beweiskräftige Fakten scheitert dieser Versuch, die Freistellung nachträglich unwirksam zu machen. Die Rechtslage schützt Sie vor dem Risiko, dass das Gehalt trotz schriftlicher Freistellung ausbleibt.

Sichern Sie umgehend eine Kopie der Kündigung und aller schriftlichen oder digitalen Bestätigungen der Freistellung auf einem unabhängigen Datenträger als Beweis.


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Wann kann der Arbeitgeber den Beweiswert einer Krankschreibung nach Kündigung wirklich erschüttern?

Der Arbeitgeber muss sehr hohe Hürden überwinden, um die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) nach einer Kündigung erfolgreich anzufechten. Die ärztliche Bescheinigung genießt einen gesetzlich verankerten, hohen Beweiswert. Bloßes Misstrauen oder der zeitliche Zusammenhang zwischen Kündigung und Krankheitsbeginn reichen nicht aus, um die Lohnfortzahlung zu verweigern. Der Arbeitgeber muss konkrete, beweisbare Tatsachen darlegen, die objektiv ernsthafte Zweifel an der Erkrankung begründen.

Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) dient die AU-Bescheinigung als primärer Nachweis der Erkrankung. Um diesen starken Beweiswert zu erschüttern, muss der Arbeitgeber konkrete, objektiv belegbare Beweise vorbringen. Dies könnten beispielsweise Beobachtungen sein, dass der Arbeitnehmer während der Krankschreibung Tätigkeiten ausübt, die der Genesung eindeutig widersprechen. Der Arbeitgeber trägt dabei die volle Beweislast, weshalb seine Ansprüche oft scheitern, wenn er nur Mutmaßungen vorbringt.

Nehmen wir an, die Krankschreibung beginnt direkt am Tag nach der Kündigung. Die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts belegt klar, dass dieser enge zeitliche Zufall allein kein Argument für Zweifel ist. Der Arbeitgeber müsste zusätzliche Fakten liefern, etwa widersprüchliche eigene Äußerungen des Arbeitnehmers über seinen Gesundheitszustand oder das Gutachten eines Medizinischen Dienstes. Solange solche substanziierten Gegenbeweise fehlen, behält die Krankschreibung vollen Beweiswert und sichert den Anspruch auf die Lohnfortzahlung.

Senden Sie die AU-Bescheinigung sofort nach Erhalt in Kopie per Einschreiben an den Arbeitgeber und dokumentieren den Versandtermin, um Ihrer Mitteilungspflicht nachzukommen.


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Welche Beweise brauche ich, um meine Forderung nach Überstunden vor Gericht durchzusetzen?

Die Beweisanforderungen für die Vergütung von Überstunden sind in Deutschland extrem hoch und liegen nach § 612 Abs. 1 BGB vollständig beim Arbeitnehmer. Um Ihr hart verdientes Geld einzufordern, reichen pauschale Angaben auf internen Listen nicht aus. Sie benötigen eine akribische, lückenlose Dokumentation für jeden einzelnen Tag, die vor allem die Veranlassung der Mehrarbeit beweist.

Der zentrale Punkt vor Gericht ist der Nachweis, dass der Arbeitgeber die Überstunden entweder explizit angeordnet hat oder sie trotz Kenntnis stillschweigend geduldet wurden. Ohne diese Verknüpfung zwischen der geleisteten Arbeit und dem Willen des Vorgesetzten scheitert die Klage. Gerichte lehnen pauschale Stundennachweise kategorisch ab, weil sie nicht die notwendige Detailtiefe für eine juristische Prüfung liefern. Nur eine präzise Dokumentation erfüllt die Darlegungslast.

Im Fall des Arbeitsgerichts Nordhausen scheiterte die Forderung nach 485 Überstunden exemplarisch genau an dieser fehlenden Akribie. Es reichte nicht, die Gesamtzahl der Stunden zu nennen; Sie müssen vielmehr eine detaillierte Aufstellung vorlegen, die den Beginn, Ende und Dauer jeder einzelnen Überstunde klar ausweist. Fügen Sie unbedingt den konkreten Anlass (z.B. „Fertigstellung Projekt X“) sowie den Namen des Vorgesetzten hinzu, der die Leistung abforderte.

Erstellen Sie sofort eine tabellarische Aufstellung, die rückwirkend für jede Überstunde Datum, Uhrzeit, Dauer und die Anordnung durch den Vorgesetzten lückenlos dokumentiert.


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Was tun, wenn mein Arbeitgeber trotz Freistellung die Lohnzahlung verweigert oder widerruft?

Geraten Sie durch die verweigerte Lohnzahlung in finanzielle Not, ist das eine beunruhigende Situation. Wichtig ist jedoch: Durch die einmal schriftlich erklärte Freistellung gerät der Arbeitgeber automatisch in den Annahmeverzug. Ihr Anspruch auf Lohnfortzahlung bleibt damit rechtlich gesichert, selbst wenn das erwartete Gehalt zunächst ausbleibt. Sie müssen die eingeforderte Arbeitsleistung nicht erbringen.

Der Annahmeverzug bedeutet, der Arbeitgeber hat die Annahme Ihrer Arbeitsleistung wirksam abgelehnt. Er kann diese einseitige Entscheidung nicht einfach widerrufen oder durch widersprüchliche Behauptungen vor Gericht kippen. Das Gesetz sieht vor, dass Sie Ihre Vergütung erhalten, obwohl Sie keine tatsächliche Arbeit leisten müssen, da die Arbeitsleistung vom Arbeitgeber nicht angenommen wird. Diese Bindungswirkung entsteht sofort mit der Freistellungserklärung.

Folgen Sie keinesfalls der Aufforderung zur Wiederaufnahme der Arbeit, falls der Arbeitgeber versucht, die Freistellung mündlich zu widerrufen. Eine Wiederaufnahme der Tätigkeit könnte die klare Beweislage des Annahmeverzugs gefährden und es dem Arbeitgeber ermöglichen, nachträglich eine angebliche mündliche Vereinbarung zu konstruieren. Dies würde Ihre Lohnzahlungspflicht untergraben. Bei weiterem Zahlungsverzug haben Sie sofortigen Anspruch, die ausstehenden Gehälter vor dem Arbeitsgericht einzuklagen.

Senden Sie dem Arbeitgeber unverzüglich eine schriftliche Mahnung per Einschreiben und setzen eine kurze Frist zur Begleichung der ausstehenden Bezüge.


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Wirkt sich eine Krankschreibung während der Freistellung auf meinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung aus?

Ja, eine Krankschreibung während der Freistellung wirkt sich direkt und positiv auf Ihren Anspruch aus. Der Grund dafür ist der juristische Grundsatz Krankheit sticht Urlaub. Diese Regelung schützt Sie davor, dass Urlaubstage als genommen gelten, obwohl Sie arbeitsunfähig waren. Die Freistellung zur Anrechnung von Urlaub wird für die Dauer der nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeit rechtlich unterbrochen.

Der Arbeitgeber ist daran gehindert, die Zeit einer attestierten Krankheit als gewährtem Erholungsurlaub anzurechnen. Obwohl Sie während der Freistellung ohnehin nicht arbeiten müssen, bleibt der Schutz des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) für Sie bestehen. Juristisch liegt ein Fall der Unmöglichkeit der Urlaubsgewährung vor, solange eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Dadurch bleiben die entsprechenden Urlaubstage erhalten und können nicht als verbraucht gelten.

Diese erhaltenen Tage erhöhen am Ende des Arbeitsverhältnisses Ihren Anspruch auf finanzielle Urlaubsabgeltung gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG. Nehmen wir an, Ihr Arbeitgeber hat 15 Urlaubstage in der Freistellung angerechnet, Sie waren aber 10 Tage nachweislich krank. Diese 10 Tage müssen als nicht genommen gelten. Das Arbeitsgericht Nordhausen bestätigte in einem ähnlichen Fall, dass Krankheitstage den Anrechnungszeitraum reduzieren und die Abgeltung zwingend erhöhen müssen.

Berechnen Sie genau, welche Tage Ihrer Freistellungsphase durch ärztliche Bescheinigungen abgedeckt waren, um Ihren korrekten Anspruch auf Auszahlung zu ermitteln.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar für Fachbegriffe aus dem Arbeitsrecht: Der Schriftzug 'Glossar' vor dem Foto einer belebten Baustelle

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Annahmeverzug

Annahmeverzug beschreibt die Situation, in der der Arbeitgeber die ihm angebotene Arbeitsleistung des Mitarbeiters nicht annimmt, aber trotzdem zur Lohnzahlung verpflichtet bleibt. Diese Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) schützt den Arbeitnehmer davor, unverschuldet keine Vergütung zu erhalten, weil der Arbeitgeber die Arbeit nicht abnehmen will, wie es oft bei einer Freistellung der Fall ist.
Beispiel: Da die schriftliche Freistellungserklärung bindend war, geriet der Arbeitgeber automatisch in Annahmeverzug, weshalb die Arbeitnehmerin bis zum Ende der Kündigungsfrist Anspruch auf die volle Vergütung hatte.

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Beweiswert

Juristen nennen den Beweiswert die Überzeugungskraft, die ein Dokument oder Zeugnis vor Gericht entfaltet; bei einer ordnungsgemäß ausgestellten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) ist dieser Wert gesetzlich besonders hoch. Das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) sichert damit ab, dass die medizinische Beurteilung eines Arztes grundsätzlich als wahr und ausreichend angesehen wird, um die Krankheit des Arbeitnehmers nachzuweisen.
Beispiel: Der Arbeitgeber konnte den hohen Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht erschüttern, weil bloßes Misstrauen oder der zeitliche Zufall allein nicht als konkrete Gegenbeweise ausreichen.

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Darlegungs- und Beweislast

Die Darlegungs- und Beweislast bestimmt im Zivilprozess, welche Partei einen bestimmten Sachverhalt detailliert vortragen und notfalls auch beweisen muss. Dieses Prinzip garantiert eine faire Verteilung der Verantwortung zwischen den Prozessparteien und verhindert, dass Gerichte Urteile auf unklaren oder pauschalen Behauptungen fällen.
Beispiel: Für die Geltendmachung der geforderten Vergütung von 485 Überstunden lag die Darlegungs- und Beweislast vollständig bei der Arbeitnehmerin, welche die Anordnung der Mehrarbeit nicht lückenlos nachweisen konnte.

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Urlaubsabgeltung

Urlaubsabgeltung ist die finanzielle Auszahlung von Resturlaubstagen, die ein Arbeitnehmer aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr als Freizeit nehmen konnte. Das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) gewährleistet, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub nicht verfällt, wenn er aufgrund des Ausscheidens nicht mehr in Natur genommen werden kann.
Beispiel: Das Arbeitsgericht berechnete den korrekten Urlaubsanspruch und stellte fest, dass die Arbeitnehmerin Anspruch auf Urlaubsabgeltung für zehn Tage hatte, da die Krankheitszeiten nicht auf den Freistellungsurlaub angerechnet werden durften.

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Widerklage

Eine Widerklage ist ein juristischer Gegenangriff, bei dem der Beklagte im laufenden Prozess seinerseits eigene Ansprüche gegen den Kläger geltend macht. Dieses Prozessinstrument dient der Verfahrensökonomie, indem es zusammenhängende Streitigkeiten zwischen denselben Parteien in einem einzigen Gerichtsverfahren klärt.
Beispiel: Die vom Arbeitgeber eingereichte Widerklage, mit der er vermeintlich zu viel gezahlte Beträge zurückforderte, scheiterte vor Gericht, weil der Vortrag nicht hinreichend substantiiert dargelegt wurde.

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Das vorliegende Urteil


ArbG Nordhausen – Az.: 3 Ca 34/25 – Urteil vom 12.06.2025


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