Übersicht:
- Der Fall vor Gericht
- Freistellung ist nicht gleich Freistellung: Wann Urlaub trotz Kündigung als genommen gilt
- Der Streit um 15 Tage Resturlaub und eine Kündigungsklausel
- Die Kernfragen vor dem Landesarbeitsgericht
- Die Entscheidung des LAG: Berufung erfolglos, Freistellung war wirksam
- So begründeten die Richter ihr Urteil
- Juristische Einordnung: Was bedeutet das Urteil für die Praxis?
- Allgemeine Auswirkungen und juristischer Kontext
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Kann der Arbeitgeber nach einer Kündigung einfach so Freistellung unter Anrechnung des Urlaubs anordnen?
- Was bedeutet „unwiderrufliche Freistellung“ genau und warum ist das wichtig?
- Muss der Arbeitgeber bei einer Freistellung genau festlegen, wann der Urlaub genommen wird?
- Welche Rolle spielt die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) beim Thema Urlaubsanrechnung bei Freistellung?
- Was kann ich tun, wenn mein Arbeitgeber mich freistellt und meinen Urlaub anrechnet, ich aber das Gefühl habe, dass dies nicht rechtens ist?
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 7 Sa 193/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
- Datum: 21.08.2024
- Aktenzeichen: 7 Sa 193/23
- Rechtsbereiche: Arbeitsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Die ehemalige Mitarbeiterin, die Zahlung für offene Urlaubstage forderte.
- Beklagte: Die ehemalige Arbeitgeberin, die argumentierte, die Urlaubstage seien durch Freistellung gewährt worden.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin und stellte sie unter Anrechnung auf Urlaubstage von der Arbeit frei. Die Klägerin hatte noch 15 offene Urlaubstage und forderte deren finanzielle Abgeltung, da sie die Freistellung nicht als ausreichende Urlaubsgewährung ansah.
- Kern des Rechtsstreits: Zentrale Frage war, ob eine pauschale Freistellung von der Arbeit mit Anrechnung auf Urlaubstage den gesetzlichen Urlaubsanspruch erfüllt. Dabei ging es insbesondere darum, ob die Freistellung ausdrücklich unwiderruflich sein oder konkrete Urlaubszeiträume festlegen musste.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht wies die Berufung der Klägerin zurück. Damit wurde ihr Anspruch auf finanzielle Abgeltung der Urlaubstage abgewiesen.
- Begründung: Das Gericht entschied, dass die Freistellung unter Anrechnung auf Urlaub den Anspruch erfüllte. Eine ausdrückliche Bezeichnung als „unwiderruflich“ war nicht nötig, da die Anrechnung auf Urlaub dies impliziert. Auch die fehlende Festlegung konkreter Urlaubstage war unschädlich, da die Klägerin sich die Tage innerhalb der Freistellung selbst aussuchen konnte.
- Folgen: Die Klägerin erhielt keine Auszahlung für ihre verbliebenen 15 Urlaubstage. Das Urteil bestätigt, dass eine Freistellung unter Anrechnung auf Urlaub den Anspruch auf Urlaub erfüllen kann, wenn sie endgültig ist und der Arbeitnehmer die Tage faktisch nehmen kann.
Der Fall vor Gericht
Freistellung ist nicht gleich Freistellung: Wann Urlaub trotz Kündigung als genommen gilt
Ein gekündigter Arbeitnehmer wird vom Chef bis zum Vertragsende freigestellt – und der offene Urlaub soll damit auch abgegolten sein. Doch reicht eine einfache Formulierung im Kündigungsschreiben, oder muss die Freistellung ausdrücklich „unwiderruflich“ sein und der Urlaub zeitlich genau festgelegt werden? Mit dieser Frage beschäftigte sich das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in einem aktuellen Urteil (Az.: 7 Sa 193/23) und gab wichtige Hinweise zur Auslegung solcher Klauseln. Im Kern ging es darum, ob eine Arbeitnehmerin trotz pauschaler Freistellung Anspruch auf eine Urlaubsabgeltung – also die Auszahlung nicht genommenen Urlaubs – hatte.
Der Streit um 15 Tage Resturlaub und eine Kündigungsklausel

Im Mittelpunkt des Falles stand eine 1973 geborene Bürofachkraft, die seit Juli 2019 bei ihrer Arbeitgeberin beschäftigt war und zuletzt rund 2.500 Euro brutto im Monat verdiente. Das Arbeitsverhältnis endete durch eine ordentliche Kündigung der Arbeitgeberin vom 10. März 2022 zum 30. April 2022. Entscheidend für den späteren Rechtsstreit war eine Formulierung im Kündigungsschreiben: „Sie werden mit sofortiger Wirkung von der Arbeit unter Anrechnung der noch bestehenden Urlaubsansprüche freigestellt.“
Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin noch einen Resturlaubsanspruch von insgesamt 15 Tagen (sieben Tage aus 2021 und acht Tage aus 2022). Bei einem Tagesverdienst von 144,00 Euro machte sie eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 2.160,00 Euro brutto geltend.
Die Position der Klägerin: Keine echte Urlaubserholung möglich
Die Klägerin war der Ansicht, ihr Urlaubsanspruch sei durch die Freistellung nicht erfüllt worden. Ihre Argumente:
- Die Freistellung sei nicht ausdrücklich als unwiderruflich bezeichnet worden.
- Es habe keine konkrete zeitliche Festlegung der Urlaubstage innerhalb der Freistellungsphase gegeben.
- Sie habe daher nicht sicher planen können, insbesondere keine längeren Reisen, da sie jederzeit mit einem Widerruf der Freistellung und einer Rückberufung zur Arbeit hätte rechnen müssen. Es sei ihr unklar gewesen, wann genau sie sich im Urlaub befand und wann lediglich in einer widerruflichen Freistellung.
- Dies widerspreche den Grundsätzen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Konkretheit und Transparenz bei der Urlaubsgewährung.
Die Freistellungsphase vom 10. März bis zum 30. April 2022 war unstrittig länger als der Urlaubsanspruch von 15 Tagen.
Die Sicht der Beklagten: Urlaub durch Freistellung erledigt
Die Beklagte hingegen vertrat die Auffassung, der Urlaubsanspruch sei durch die Freistellung unter Anrechnung auf die Urlaubsansprüche erfüllt worden. Die Freistellung sei als unwiderruflich zu verstehen gewesen.
Das Urteil der Vorinstanz
Das Arbeitsgericht Koblenz hatte die Klage in erster Instanz abgewiesen. Es argumentierte, die Beklagte habe den Urlaubsanspruch durch die Freistellung erfüllt. Die fehlende ausdrückliche Bezeichnung als „unwiderruflich“ sei unschädlich, da sich dies aus der Anrechnung auf den Urlaub ergebe. Auch die fehlende zeitliche Festlegung der Urlaubstage stehe der Erfüllung nicht entgegen; die Klägerin habe erkennen können, dass ihr die zeitliche Lage des Urlaubs freigestellt sei. Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung ein.
Die Kernfragen vor dem Landesarbeitsgericht
Das LAG Rheinland-Pfalz musste somit mehrere zentrale Rechtsfragen klären:
- Ist eine Freistellung nur dann urlaubserfüllend, wenn sie ausdrücklich als „unwiderruflich“ deklariert wird?
- Steht die fehlende konkrete zeitliche Festlegung der Urlaubstage innerhalb eines längeren Freistellungszeitraums der Erfüllung des Urlaubsanspruchs entgegen?
- Genügt die pauschale Erklärung im Kündigungsschreiben, die Freistellung erfolge „unter Anrechnung der noch bestehenden Urlaubsansprüche“, um den Urlaubsanspruch zu erfüllen?
- Führt die Rechtsprechung des EuGH, die vom Arbeitgeber ein aktives und transparentes Handeln bei der Urlaubsgewährung fordert, zu einer anderen Bewertung?
Die Entscheidung des LAG: Berufung erfolglos, Freistellung war wirksam
Das Landesarbeitsgericht wies die Berufung der Klägerin zurück und bestätigte damit das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz. Die Kosten des Berufungsverfahrens musste die Klägerin tragen. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen.
Die Richter kamen zu dem Schluss, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) hat. Dieser Paragraph regelt, dass Urlaub, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann, abzugelten, also in Geld auszuzahlen ist. Ein solcher Anspruch setzt jedoch voraus, dass bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses überhaupt noch ein offener Urlaubsanspruch bestand. Dies war nach Ansicht des LAG hier nicht der Fall.
So begründeten die Richter ihr Urteil
Das LAG schloss sich im Wesentlichen der Argumentation der Vorinstanz an und stützte seine Entscheidung auf die etablierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG).
Die entscheidende Klausel: „Unter Anrechnung der noch bestehenden Urlaubsansprüche“
Zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs, so das Gericht, sei eine Freistellungserklärung des Arbeitgebers erforderlich. Diese Erklärung ist eine sogenannte Empfangsbedürftige Willenserklärung. Das bedeutet, sie wird erst wirksam, wenn sie dem Arbeitnehmer zugeht, und ihr Inhalt muss aus der Sicht eines objektiven Empfängers ausgelegt werden (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)). Der Arbeitnehmer muss klar erkennen können, dass die Freistellung dazu dient, seinen Anspruch auf Erholungsurlaub zu erfüllen.
Entscheidend dafür ist, dass der Arbeitnehmer endgültig von seiner Arbeitspflicht befreit wird. Eine Freistellung, die der Arbeitgeber jederzeit widerrufen kann (eine widerrufliche Freistellung), erfüllt den Urlaubsanspruch daher nicht. Denn Urlaub dient der Erholung, und diese ist nicht gewährleistet, wenn der Arbeitnehmer ständig damit rechnen muss, doch wieder zur Arbeit gerufen zu werden.
„Unwiderruflich“ – Muss das explizit drinstehen?
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es nach Ansicht des LAG und der ständigen Rechtsprechung des BAG nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber die Unwiderruflichkeit der Freistellung ausdrücklich im Schreiben erwähnt. Die Formulierung, dass die Freistellung „unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche“ erfolge, bewirke bereits, dass für die Dauer der Freistellung die urlaubsrechtlichen Folgen eintreten. Und zu diesen Folgen gehört eben auch die Unwiderruflichkeit der Arbeitsbefreiung für die Dauer des angerechneten Urlaubs.
Der Arbeitnehmer könne und müsse in einem solchen Fall davon ausgehen, dass er während dieser Zeit nicht zur Arbeit gerufen wird. Diese Bindung des Arbeitgebers sei eine zwingende Voraussetzung für eine wirksame Urlaubserteilung und müsse nicht noch einmal gesondert als „unwiderruflich“ deklariert werden. Im vorliegenden Fall sah das Gericht keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Arbeitgeberin einen Widerruf vorbehalten wollte.
Keine konkreten Urlaubstage genannt – Ein Hindernis?
Auch die Tatsache, dass die Beklagte keine konkreten Tage für die Urlaubsnahme innerhalb der Freistellungsphase (10. März bis 30. April 2022) festgelegt hatte, stand der Erfüllung des Urlaubsanspruchs nach Auffassung des LAG nicht entgegen. Die Richter verwiesen hier ebenfalls auf die BAG-Rechtsprechung (z.B. Urteil vom 20.08.2019 – 9 AZR 468/18). Demnach kann der Arbeitnehmer bei einer nicht näher bestimmten Urlaubsfestlegung innerhalb eines Freistellungszeitraums regelmäßig davon ausgehen, dass der Arbeitgeber ihm die zeitliche Lage seines Urlaubs überlässt.
Für die Klägerin sei somit klar erkennbar gewesen, dass sie während der restlichen Dauer ihres Arbeitsverhältnisses nicht mehr zur Arbeit erscheinen musste. Die Freistellungsdauer von rund sieben Wochen war zudem deutlich länger als der noch offene Urlaubsanspruch von 15 Tagen. Dies bestärkte die Annahme des Gerichts, dass die Beklagte der Klägerin die freie Wahl des Urlaubszeitraums innerhalb der Freistellung überlassen wollte.
Rolle der EuGH-Rechtsprechung zur aktiven Urlaubsgewährung
Den Einwand der Klägerin, die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 06.11.2018 – C-684/16) erfordere eine andere Auslegung, wies das LAG zurück. Der EuGH fordert zwar, dass Arbeitgeber aktiv und transparent handeln müssen, um Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage zu versetzen, ihren Urlaub zu nehmen. Das LAG stellte jedoch fest, dass die Beklagte mit der ausgesprochenen Freistellung gerade eine aktive Handlung zur Urlaubsgewährung vorgenommen habe.
Der Streit drehe sich hier um die Auslegung dieser konkreten Willenserklärung nach nationalem deutschem Recht (§§ 133, 362 BGB), nicht um die allgemeine Frage, ob der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Ermöglichung der Urlaubsnahme nachgekommen ist. Die erfolgte Freistellung sei nach nationaler Rechtsprechung ausreichend transparent gewesen, um der Klägerin die tatsächliche Urlaubsnahme zu ermöglichen.
Es lag zudem im erkennbaren Interesse der Beklagten, den Urlaub noch im bestehenden Arbeitsverhältnis zu gewähren. Damit sollte die Entstehung eines zusätzlichen Abgeltungsanspruchs vermieden werden. Denn nach § 7 Abs. 4 BUrlG setzt ein Abgeltungsanspruch voraus, dass der Urlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden kann – und nicht etwa, dass er nicht mehr gewährt wird, weil der Arbeitnehmer ihn nicht nehmen will.
Daher kam das LAG zum Ergebnis, dass der Urlaubsanspruch der Klägerin im Umfang von 15 Tagen durch die Freistellungserklärung erfüllt wurde und damit gemäß § 362 Abs. 1 BGB (Erlöschen der Schuld durch Leistung) erloschen sei. Folglich bestand kein Anspruch auf Urlaubsabgeltung.
Juristische Einordnung: Was bedeutet das Urteil für die Praxis?
Das Urteil des LAG Rheinland-Pfalz bestätigt die bisherige Linie des Bundesarbeitsgerichts und schafft weitere Klarheit bei der Auslegung von Freistellungsklauseln in Kündigungsschreiben.
Die Rechtsgrundlagen im Fokus: BUrlG und BGB
- § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG): Diese Norm regelt die Urlaubsabgeltung. Sie besagt, dass Urlaub, der wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden kann, finanziell ausgeglichen werden muss.
- § 362 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Dieser Paragraph beschreibt das Erlöschen eines Schuldverhältnisses durch Leistung. Wenn der Schuldner (hier der Arbeitgeber mit der Urlaubsgewährung) die geschuldete Leistung (den Urlaub) bewirkt, erlischt der Anspruch des Gläubigers (hier des Arbeitnehmers auf Urlaub).
- § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Diese Vorschrift ist zentral für die Auslegung von Willenserklärungen. Es ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Bei der Auslegung von Erklärungen wie einer Freistellungsklausel kommt es darauf an, wie sie ein objektiver Empfänger verstehen durfte.
Die „Anrechnungsklausel“ als Schlüssel zur Urlaubserfüllung
Das Urteil unterstreicht die Bedeutung der Formulierung „unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche“. Diese Klausel signalisiert dem Arbeitnehmer, dass die Freistellung nicht nur eine Suspendierung von der Arbeitspflicht ist, sondern dass damit auch der noch offene Urlaubsanspruch abgegolten werden soll. Aus dieser Formulierung leitet die Rechtsprechung die für die Urlaubserfüllung notwendige Unwiderruflichkeit ab, zumindest für die Dauer des angerechneten Urlaubs. Arbeitgeber, die eine solche Anrechnung beabsichtigen, sollten diese Formulierung daher verwenden. Arbeitnehmer wiederum müssen bei einer solchen Klausel davon ausgehen, dass ihr Urlaub als genommen gilt, sofern die Freistellungsperiode ausreichend lang ist.
Die Abgrenzung zur widerruflichen Freistellung
Wichtig bleibt die Unterscheidung zu einer rein widerruflichen Freistellung. Wenn sich der Arbeitgeber das Recht vorbehält, den Arbeitnehmer jederzeit wieder zur Arbeit zu rufen, kann der Urlaubsanspruch nicht erfüllt werden. Der Erholungszweck des Urlaubs wäre dann nicht gesichert. Das aktuelle Urteil stärkt jedoch die Position von Arbeitgebern, die mit einer klaren, wenn auch nicht explizit als „unwiderruflich“ bezeichneten Freistellung unter Urlaubsanrechnung agieren.
Allgemeine Auswirkungen und juristischer Kontext
Die Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz reiht sich in die bestehende Rechtsprechung ein und hat Auswirkungen auf die Gestaltung von Freistellungsvereinbarungen im Zuge von Kündigungen.
Bedeutung für Freistellungsvereinbarungen in Kündigungssituationen
Das Urteil bekräftigt, dass eine klare Freistellungserklärung unter Anrechnung auf bestehende Urlaubsansprüche in der Regel ausreicht, um den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers zu erfüllen, auch wenn die „Unwiderruflichkeit“ nicht ausdrücklich erwähnt wird und keine taggenaue Festlegung des Urlaubs erfolgt. Voraussetzung ist, dass der Freistellungszeitraum den offenen Urlaubsanspruch abdeckt und keine Umstände ersichtlich sind, die auf einen bloßen Widerrufsvorbehalt hindeuten. Dies gibt Arbeitgebern eine gewisse Sicherheit bei der Formulierung von Kündigungsschreiben, die eine Freistellung beinhalten.
Der schmale Grat zwischen wirksamer Urlaubsgewährung und bloßer Suspendierung
Für Arbeitnehmer bedeutet dies, dass sie bei einer Freistellung „unter Anrechnung von Urlaub“ in der Regel davon ausgehen müssen, dass ihr Urlaub damit als gewährt gilt. Die Möglichkeit, stattdessen eine Abgeltung zu verlangen, ist dann meist ausgeschlossen. Die Transparenz der Erklärung bleibt ein wichtiger Aspekt: Der Arbeitnehmer muss erkennen können, dass der Arbeitgeber mit der Freistellung den Urlaubsanspruch erfüllen will. Das LAG Rheinland-Pfalz hat im konkreten Fall aber deutlich gemacht, dass die übliche Formulierung der Anrechnung diesen Transparenzanforderungen genügt und die EuGH-Grundsätze zur aktiven Urlaubsgewährung einer solchen Auslegung nicht entgegenstehen, wenn der Arbeitgeber durch die Freistellung selbst aktiv wird.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil des LAG Rheinland-Pfalz klärt, dass eine Freistellung „unter Anrechnung bestehender Urlaubsansprüche“ auch ohne explizite Bezeichnung als „unwiderruflich“ den Urlaubsanspruch erfüllt. Arbeitnehmer können bei solchen Formulierungen in Kündigungsschreiben nicht auf zusätzliche Urlaubsabgeltung hoffen, selbst wenn keine konkreten Urlaubstage innerhalb der Freistellungsphase festgelegt wurden. Für Beschäftigte in Kündigungssituationen bedeutet dies, dass sie bei einer Freistellung mit Urlaubsanrechnung davon ausgehen müssen, dass ihr Resturlaub damit verbraucht ist und kein Anspruch auf finanzielle Abgeltung besteht.
Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Kann der Arbeitgeber nach einer Kündigung einfach so Freistellung unter Anrechnung des Urlaubs anordnen?
Nach einer Kündigung kommt es häufig vor, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeiter bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses von der Arbeitsleistung freistellen. Dies wird oft als Freistellung bezeichnet. Dabei stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber den noch offenen Urlaub auf diese Zeit anrechnen kann.
Grundsätzlich ist eine solche Anrechnung möglich, aber sie ist an klare Bedingungen geknüpft. Entscheidend ist, wie die Freistellung ausgestaltet ist.
Wann ist die Anrechnung von Urlaub auf die Freistellung möglich?
Damit der Arbeitgeber den Urlaub auf die Freistellung anrechnen kann, muss die Freistellung unwiderruflich sein. Das bedeutet, der Arbeitnehmer wird endgültig von der Pflicht zur Arbeitsleistung entbunden. Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer nicht mehr zur Arbeit zurückrufen. Stellen Sie sich vor, Sie sind freigestellt und könnten nicht mehr zur Arbeit zurückgerufen werden, selbst wenn im Betrieb Not am Mann wäre. In diesem Fall können Sie Ihre Zeit frei gestalten und sich erholen – das ist der eigentliche Zweck des Urlaubs.
Wird die Freistellung hingegen widerruflich erklärt, behält sich der Arbeitgeber das Recht vor, den Arbeitnehmer bei Bedarf wieder zur Arbeit zu holen. In diesem Fall steht der Arbeitnehmer weiterhin im Grunde zur Verfügung. Da er jederzeit mit einer Rückkehr rechnen muss, kann er sich nicht uneingeschränkt erholen. Eine widerrufliche Freistellung erfüllt somit nicht den Erholungszweck des Urlaubs. Daher ist bei einer widerruflichen Freistellung eine Anrechnung des Urlaubs in der Regel nicht möglich.
Wichtig ist auch, dass der Arbeitgeber die Freistellung eindeutig und unmissverständlich erklären muss, insbesondere ob und in welchem Umfang der Urlaub angerechnet wird. Eine pauschale Freistellung ohne ausdrückliche Anrechnungserklärung führt meist dazu, dass der Urlaub nicht verrechnet wird.
Was passiert mit nicht angerechnetem Urlaub?
Verbleibt nach der Kündigung noch Urlaubsanspruch, der nicht durch eine Unwiderrufliche Freistellung verrechnet werden konnte, muss dieser Urlaub nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses in der Regel ausbezahlt werden. Dies nennt man Urlaubsabgeltung. Der Anspruch auf Freizeitausgleich für Überstunden oder restliche Gleitzeittage wird ebenfalls oft abgegolten, wenn er nicht mehr genommen werden kann.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Anrechnung von Urlaub auf eine Freistellung nach Kündigung ist rechtlich nur zulässig, wenn die Freistellung unwiderruflich erfolgt und der Arbeitgeber die Anrechnung klar erklärt. Andernfalls bleibt der Urlaubsanspruch bestehen und muss unter Umständen ausbezahlt werden.
Was bedeutet „unwiderrufliche Freistellung“ genau und warum ist das wichtig?
Wenn ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber freigestellt wird, bedeutet das, dass er von seinen Arbeitspflichten entbunden ist, in der Regel aber weiterhin sein Gehalt erhält. Der entscheidende Unterschied liegt in der Art der Freistellung: Ist sie widerruflich oder unwiderruflich?
Eine unwiderrufliche Freistellung bedeutet, dass der Arbeitgeber seine Entscheidung, Sie von der Arbeitspflicht zu entbinden, nicht mehr rückgängig machen kann. Selbst wenn sich die Umstände ändern, kann der Arbeitgeber von Ihnen nicht verlangen, vor Ablauf der Freistellungsfrist oder des Arbeitsverhältnisses wieder zur Arbeit zu erscheinen.
Warum ist die Unwiderruflichkeit wichtig?
Für Sie als Arbeitnehmer hat eine unwiderrufliche Freistellung mehrere wichtige Auswirkungen:
- Planungssicherheit: Der wichtigste Punkt ist die verbindliche Sicherheit. Da Sie nicht mehr mit einer Rückberufung an Ihren Arbeitsplatz rechnen müssen, können Sie die Zeit der Freistellung sicher planen, sei es für die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz, private Angelegenheiten oder die Vorbereitung auf das Ende des Arbeitsverhältnisses. Sie müssen nicht in ständiger Bereitschaft sein.
- Anrechnung von Urlaub: Bei einer unwiderruflichen Freistellung kann der Arbeitgeber durch eine entsprechende Formulierung in der Freistellungsvereinbarung oder im Kündigungsschreiben den Ihnen noch zustehenden Urlaub auf die Zeit der Freistellung anrechnen. Das bedeutet, dass Ihr Urlaubsanspruch durch die Freistellungstage erfüllt wird. Dies ist bei einer widerruflichen Freistellung in der Regel nicht möglich, da Sie ja theoretisch jederzeit hätten zurückkehren müssen und somit keinen „echten“ Urlaub nehmen konnten. Die Unwiderruflichkeit ist also oft die Grundlage dafür, dass der offene Urlaub während dieser Zeit „abgegolten“ werden kann.
Muss der Arbeitgeber bei einer Freistellung genau festlegen, wann der Urlaub genommen wird?
Bei einer Freistellung, also wenn der Arbeitgeber Sie von der Arbeitspflicht entbindet, stellt sich oft die Frage, was mit Ihrem noch offenen Urlaub passiert. Viele Arbeitgeber sprechen in solchen Fällen eine pauschale Freistellung aus und erklären, dass damit auch der restliche Urlaub abgegolten sei.
Hier ist die rechtliche Situation etwas nuancierter. Urlaub muss nach den gesetzlichen Regeln gewährt werden. Das bedeutet, der Arbeitgeber muss Ihren Urlaubswünschen grundsätzlich entsprechen, es sei denn, dringende betriebliche Gründe oder Urlaubswünsche anderer Mitarbeiter, die Vorrang haben, stehen dem entgegen.
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass eine bloße pauschale Freistellung vom Arbeitgeber nicht automatisch dazu führt, dass der gesamte noch vorhandene Urlaub des Arbeitnehmers verbraucht ist. Der Arbeitgeber muss auch bei einer Freistellung die Regeln für die Urlaubsgewährung beachten.
Wann zählt Urlaub bei Freistellung als genommen?
Damit Urlaub während einer Freistellung wirksam genommen wird, muss der Arbeitgeber grundsätzlich klar und unmissverständlich erklären, dass die Freistellung gerade auch zur Anrechnung des Urlaubs dient.
Entscheidend ist: Wenn der Arbeitgeber in der Freistellung nicht genau festlegt, auf welche konkreten Tage der Urlaub fallen soll, dann kann der Arbeitnehmer unter Umständen selbst entscheiden, welche Tage innerhalb des Freistellungszeitraums als Urlaubstage gelten sollen.
Stellen Sie sich vor, Sie werden für vier Wochen freigestellt und es heißt nur allgemein, Ihr Resturlaub von zehn Tagen werde damit verrechnet. Ohne genaue Datumsangabe für die Urlaubstage könnten Sie argumentieren, dass Sie die zehn Tage selbst innerhalb dieser vier Wochen platzieren können.
Was bedeutet das in der Praxis?
Eine pauschale Erklärung, dass der Urlaub „mit der Freistellung verrechnet wird“, ohne die genauen Urlaubstage zu bestimmen, reicht nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts oft nicht aus, um den Urlaub wirksam zu gewähren und damit zu verbrauchen. Das liegt daran, dass die gesetzlichen Regeln zur Urlaubsgewährung, die dem Arbeitnehmer ein Mitbestimmungsrecht beim Zeitpunkt des Urlaubs einräumen, auch während einer Freistellung grundsätzlich gelten.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Eine Freistellung allein verbraucht Urlaub nicht automatisch. Damit der Urlaub wirksam als genommen gilt, muss der Arbeitgeber die gesetzlichen Anforderungen an die Urlaubsgewährung erfüllen. Dazu gehört in der Regel eine konkrete zeitliche Festlegung der Urlaubstage innerhalb der Freistellung. Fehlt diese Festlegung, kann der Arbeitnehmer möglicherweise selbst bestimmen, wann der Urlaub innerhalb des freigestellten Zeitraums liegen soll.
Welche Rolle spielt die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) beim Thema Urlaubsanrechnung bei Freistellung?
Die Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) haben die Regeln zur Anrechnung von Urlaub, insbesondere auch bei einer Freistellung von der Arbeit, grundlegend verändert. Sie haben das Ziel, den Urlaubsanspruch der Arbeitnehmer effektiv zu schützen.
Was der EuGH verlangt: Aktives Handeln des Arbeitgebers
Der EuGH betont, dass der gesetzliche Urlaub dem Arbeitnehmer zur tatsächlichen Erholung dienen soll. Damit dieser Zweck erreicht wird, darf der Arbeitgeber nicht einfach abwarten, ob der Arbeitnehmer seinen Urlaub beantragt. Stattdessen muss der Arbeitgeber aktiv werden.
Das bedeutet konkret: Der Arbeitgeber muss seine Mitarbeiter klar und rechtzeitig über ihren konkreten Urlaubsanspruch informieren. Er muss sie außerdem eindeutig dazu auffordern, diesen Urlaub auch zu nehmen. Zusätzlich muss er darauf hinweisen, dass der Urlaub sonst verfallen kann, wenn er nicht genommen wird. Nur wenn der Arbeitgeber diese Informations- und Aufforderungspflichten erfüllt, kann Urlaub am Ende des Jahres (oder eines Übertragungszeitraums) überhaupt verfallen.
Wie sich das auf Freistellungen auswirkt
Dieses Prinzip des aktiven Handelns des Arbeitgebers gilt auch im Zusammenhang mit einer Freistellung von der Arbeit.
Wenn ein Arbeitnehmer freigestellt wird – beispielsweise während einer Kündigungsfrist oder aus anderen Gründen –, bedeutet dies nicht automatisch, dass der noch offene Urlaubsanspruch während dieser Zeit „mitgenommen“ oder „abgefeiert“ wird.
Damit Urlaub während einer Freistellung wirksam angerechnet werden kann, muss der Arbeitgeber:
- Den Arbeitnehmer konkret für den Zeitraum der Freistellung auch zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs freistellen. Es muss also klar sein, dass die Freistellung auch oder gerade zur Inanspruchnahme des Urlaubs dient.
- Zusätzlich die oben genannten Informations- und Aufforderungspflichten erfüllt haben – also den Arbeitnehmer über seinen Anspruch informiert und ihn zur Inanspruchnahme aufgefordert haben.
Wird ein Arbeitnehmer lediglich allgemein von der Arbeitspflicht freigestellt, ohne dass der Arbeitgeber ausdrücklich den noch offenen Urlaub für diese Zeit gewährt und seine Informationspflichten erfüllt hat, dann wird der Urlaubsanspruch in der Regel nicht erfüllt und bleibt bestehen. Die EuGH-Rechtsprechung schützt hier die tatsächliche Erholungsmöglichkeit des Arbeitnehmers.
Was kann ich tun, wenn mein Arbeitgeber mich freistellt und meinen Urlaub anrechnet, ich aber das Gefühl habe, dass dies nicht rechtens ist?
Wenn Ihr Arbeitgeber Sie von der Arbeit freistellt – das bedeutet, Sie müssen nicht zur Arbeit erscheinen, erhalten aber weiterhin Ihr Gehalt – und dabei Urlaubstage anrechnet, kann dies Fragen aufwerfen. Der gesetzliche Urlaub dient grundsätzlich der Erholung. Eine Anrechnung von Urlaub auf eine Freistellung ist daher nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich.
Eine solche Anrechnung kommt in der Regel nur in Betracht, wenn die Freistellung unwiderruflich erfolgt und der Arbeitgeber bei der Freistellung ausdrücklich erklärt, dass damit der Urlaub gewährt und angerechnet wird. Ist die Freistellung widerruflich oder fehlt die klare Erklärung zur Urlaubsanrechnung, wird der Urlaub oft als nicht genommen betrachtet.
Falls Sie das Gefühl haben, dass die Anrechnung Ihres Urlaubs auf die Freistellung nicht korrekt erfolgt ist, gibt es allgemeine Schritte, die in solchen Situationen oft in Betracht gezogen werden.
Zunächst ist es ratsam, das Gespräch mit dem Arbeitgeber zu suchen, um die Situation zu klären und die Hintergründe der Freistellung und Urlaubsanrechnung zu verstehen. Möglicherweise liegt ein Missverständnis vor.
Sollte das Gespräch keine Klärung bringen, können Sie dem Arbeitgeber gegenüber einen formellen Widerspruch gegen die Anrechnung des Urlaubs erklären. Es ist oft sinnvoll, diesen Widerspruch schriftlich zu formulieren, um einen Nachweis zu haben. Darin können Sie darlegen, warum Sie die Anrechnung für unrechtmäßig halten und dass Sie die betreffenden Tage nicht als Urlaubstage betrachten.
Bei allen Schritten im Arbeitsrecht ist die Beachtung von Fristen extrem wichtig. Im Arbeitsrecht gibt es oft sehr kurze Fristen, sogenannte Ausschlussfristen, die im Arbeitsvertrag oder in einem Tarifvertrag stehen können. Innerhalb dieser Fristen müssen Ansprüche (wie zum Beispiel auf Urlaubsgewährung oder Zahlung von Urlaubsgeld) geltend gemacht werden, sonst können sie verfallen. Auch für eine mögliche Klärung vor dem Arbeitsgericht, beispielsweise bei einer Kündigung, gibt es eine strikte Frist von drei Wochen ab Erhalt der Kündigung. Obwohl dies eine Kündigungsfrist ist, zeigt es die allgemeine Bedeutung von Fristen im Arbeitsrecht. Es ist daher entscheidend, mögliche Fristen, die für Ihren Fall relevant sein könnten, genau zu prüfen und einzuhalten.
Sollten die informellen Schritte nicht erfolgreich sein und die Fristen beachtet werden müssen, besteht die Möglichkeit, die Angelegenheit rechtlich klären zu lassen. Dies erfolgt in Deutschland üblicherweise vor den Arbeitsgerichten.
Es ist wichtig zu verstehen, dass die genauen Voraussetzungen für die Anrechnung von Urlaub im Einzelfall von den Umständen der Freistellung und den Regelungen in Ihrem Arbeitsvertrag oder einem geltenden Tarifvertrag abhängen können.
Bitte beachten Sie: Diese Informationen stellen allgemeine Hinweise dar und ersetzen keine individuelle rechtliche Prüfung Ihres spezifischen Falls.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Urlaubsabgeltung
Urlaubsabgeltung bezeichnet die finanzielle Entschädigung für Urlaubstage, die ein Arbeitnehmer wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr nehmen konnte. Gemäß § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) hat der Arbeitnehmer in solchen Fällen Anspruch auf Auszahlung des nicht genommenen Urlaubs. Die Abgeltung tritt nur ein, wenn der Urlaub tatsächlich nicht mehr gewährt werden kann, etwa weil das Arbeitsverhältnis bereits endet oder der Urlaub aus anderen Gründen nicht mehr genommen werden kann. Beispiel: Wenn ein Arbeitnehmer bei Ende seines Arbeitsverhältnisses noch 10 Urlaubstage übrig hat, diese aber nicht mehr nehmen kann, muss der Arbeitgeber diese Tage finanziell ersetzen.
Freistellung unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche
Diese Formulierung bedeutet, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht befreit, gleichzeitig aber die Freistellungszeit auf den noch offenen Urlaubsanspruch anrechnet. Das heißt, der Arbeitnehmer „verbraucht“ während der Freistellung seinen restlichen Urlaub, ohne tatsächlich auszupendeln oder tageweise Urlaub zu nehmen. Für die Wirksamkeit dieser Anrechnung muss die Freistellung mindestens unwiderruflich sein, damit der Erholungszweck des Urlaubs erfüllt wird. Beispiel: Wird ein Arbeitnehmer bis Ende April freigestellt und ihm wird gesagt, dass die Freistellung auf den noch offenen Urlaub angerechnet wird, gilt der Urlaub als genommen, wenn die Freistellung nicht widerrufbar ist.
Unwiderrufliche Freistellung
Eine unwiderrufliche Freistellung ist eine endgültige Befreiung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht, die der Arbeitgeber nicht mehr zurücknehmen kann. Der Arbeitnehmer muss in diesem Zeitraum nicht mit einer Rückkehr an den Arbeitsplatz rechnen, was eine echte Erholungszeit gewährleistet. Damit kann der Arbeitgeber den Freistellungszeitraum auf den Urlaubsanspruch anrechnen; bei widerruflicher Freistellung bleibt der Urlaub in der Regel bestehen, da der Arbeitnehmer jederzeit zur Arbeit zurückgerufen werden kann. Beispiel: Wenn Sie ab sofort bis Vertragsende freigestellt sind und dies unwiderruflich ist, können Sie sicher planen, da Sie nicht mehr zur Arbeit erscheinen müssen.
Empfangsbedürftige Willenserklärung
Das ist eine Erklärung, die erst wirksam wird, wenn sie dem Empfänger zugeht. Im Arbeitsrecht bedeutet das: Eine Freistellungserklärung des Arbeitgebers wird erst dann wirksam, wenn der Arbeitnehmer sie tatsächlich erhalten hat und verstehen kann, was sie bedeutet. Entscheidend ist außerdem, wie ein objektiver Dritter (also ein verständiger Beobachter) die Erklärung interpretiert (§ 133 BGB). Beispiel: Ein Arbeitgeber schickt eine Freistellung per Brief an den Arbeitnehmer; erst ab dem Zeitpunkt der Zustellung ist die Freistellung wirksam.
§ 362 Abs. 1 BGB – Erlöschen der Schuld durch Leistung
Nach § 362 Abs. 1 BGB erlischt ein Anspruch (Schuld), wenn der Schuldner die geschuldete Leistung erbringt. Im Urlaubsrecht bedeutet das, dass der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers erlischt, sobald der Urlaub „geleistet“ wurde, also gewährt oder durch eine wirksame Freistellung erfüllt ist. Wenn der Arbeitgeber also den Urlaub durch eine unwiderrufliche Freistellung gewährt hat, erlischt der Anspruch auf Urlaubsabgeltung, weil die Leistung bereits erbracht wurde. Beispiel: Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Urlaub während der Freistellung gewährt, kann dieser den Urlaub nicht nachträglich in Geld verlangen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG): Regelt die Urlaubsabgeltung, also die finanzielle Kompensation für nicht mehr genommenen Erholungsurlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Anspruch entsteht nur, wenn der Urlaub „wegen Beendigung“ nicht mehr gewährt werden kann. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das LAG entschied, dass kein Urlaubsabgeltungsanspruch bestand, da der Urlaub durch die Freistellung als genommen galt und somit kein Urlaub mehr offen war.
- § 362 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Beschreibt das Erlöschen eines Schuldverhältnisses durch Leistungserbringung, hier die Gewährung von Urlaub als Leistungerfüllung. Sobald der Urlaub gewährt wurde, ist der Anspruch des Arbeitnehmers darauf erloschen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Freistellung unter Anrechnung auf Urlaub wurde als wirksame Leistung angesehen, sodass der Urlaubsanspruch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses erloschen war.
- § 133 BGB (Auslegung von Willenserklärungen): Bei der Auslegung ist auf den wirklichen, objektiv erkennbaren Willen des Erklärenden abzustellen, nicht allein auf die wörtliche Formulierung. Dies ist wichtig bei der Bewertung, ob eine Freistellung unwiderruflich gemeint ist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht wertete die Freistellungsformulierung „unter Anrechnung der Urlaubsansprüche“ so aus, dass daraus eine verbindliche, unwiderrufliche Urlaubsgewährung folgte.
- EuGH-Rechtsprechung (z.B. C-684/16): Der EuGH verlangt von Arbeitgebern eine aktive und transparente Urlaubsgewährung, damit Arbeitnehmer ihren Urlaub tatsächlich nehmen können. Damit wird der Schutz des Erholungszwecks unterstrichen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das LAG sah die Freistellung als aktive Maßnahme an, die diesen Anforderungen genügt, sodass keine zusätzliche Konkretisierung der Urlaubstage erforderlich war.
- Arbeitsrechtliche Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG): BAG-Urteile betonen, dass für die Wirksamkeit der Urlaubsgewährung eine unwiderrufliche Freistellung erforderlich ist, die der Arbeitnehmer als Erholung erkennen muss. Fehlt eine ausdrückliche Widerrufsfreiheit, kann diese sich aus der Gesamtumstände ableiten. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Formulierung im Kündigungsschreiben wurde von den Gerichten als ausreichend konkret und verbindlich erachtet, sodass der Urlaubsanspruch erfüllt war.
- Bedeutung der Freistellungsklausel („unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche“): Diese Klausel signalisiert dem Arbeitnehmer eindeutig, dass der Freistellungszeitraum auf offene Urlaubsansprüche angerechnet wird und somit den Urlaub ersetzt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Gerichte werteten diese Klausel als klare Willenserklärung zur Urlaubsgewährung, obwohl keine konkrete Urlaubszeit genannt wurde, und versagten daher eine Urlaubsabgeltung.
Das vorliegende Urteil
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 7 Sa 193/23 – Urteil vom 21.08.2024
* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.