Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 1 Sa 241/20 – Urteil vom 26.03.2021
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 24.06.2020, Az. 4 Ca 116/20, abgeändert und die Klage, soweit die Parteien den Rechtsstreit nicht in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
4. Die Rechtsbeschwerde hinsichtlich der Kostenentscheidung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Nach übereinstimmender Teil-Erledigungserklärung im Berufungsverfahren hinsichtlich des vom Kläger geltend gemachten Urlaubsabgeltungsanspruchs des Jahres 2019 streiten die Parteien nunmehr noch über Restvergütungsansprüche des Monats Oktober 2019.
Der Kläger war bei der Beklagten vom 01.06.2019 bis 15.10.2019 als Arbeitnehmer beschäftigt. Die Bruttomonatsvergütung betrug arbeitsvertraglich zuletzt 6.000,- EUR.
Die Beklagte stellte dem Kläger einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung und für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zur Verfügung. Der Kläger nutzte dieses Fahrzeug im Monat Oktober 2019 nicht mehr, sondern gab dieses bereits am 30. September 2019 an die Beklagte zurück. In der Abrechnung der Brutto/Netto-Bezüge des Monats Oktober 2019 (Bl. 9 d.A.) wies die Beklagte als Brutto-Beträge neben dem anteiligen Gehalt (3.000,- EUR) für das überlassene KFZ 614,- EUR für Privatfahrten und 1.160,46 EUR für Fahrten Wohnung/Arbeit aus. Aus dem Gesamtbruttobetrag von 4.774,46 EUR errechnete sie die steuerrechtlichen (1.512,30 EUR) und sozialversicherungsrechtlichen (566,13 EUR) Abzüge und führte diese zugunsten des Klägers an die zuständigen Stellen ab. Von dem sich errechnenden Netto-Verdienst (2.696,03 EUR) zog sie unter der Position „Firmenwagen Privatnutzung“ einen Betrag von 1.774,46 EUR (Privatfahrten + Fahrten Wohnung/Arbeit) ab, so dass an den Kläger 921,57 EUR überwiesen wurden.
Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe im Hinblick auf die Rückgabe des Fahrzeugs bereits am 30. September 2019 die private Nutzungsmöglichkeit im Oktober nicht berücksichtigen dürfen, so dass ihm ein Restvergütungsanspruch in Höhe von 3.000,- EUR brutto abzüglich gezahlter 921,57 EUR netto zustehe.

Soweit für das Berufungsverfahren noch von Interesse hat das Arbeitsgericht Mainz mit Urteil vom 24. Juni 2020, Az. 4 Ca 116/20, die Beklagte (unter anderem) verurteilt, an den Kläger 3.000,- EUR brutto abzüglich von 921,57 EUR netto nebst gesetzlicher Verzugszinsen seit dem 1. Januar 2020 zu zahlen. Nach Rückgabe des Fahrzeugs noch im September habe die Beklagte für Oktober 2019 zu Unrecht einen geldwerten Vorteil berechnet.
Das genannte Urteil ist der Beklagten am 23. Juli 2020 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 24. August 2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 23. September 2020, am gleichen Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangen, begründet.
Soweit für das Berufungsverfahren von Interesse macht die Beklagte zur Begründung ihrer Berufung mit dem genannten Schriftsatz sowie weiterem Schriftsätze vom 11. Januar und 9. Februar 2021, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 79 ff., 124 f., 146 f. d.A.), im Wesentlichen geltend:
Der Vergütungsanspruch des Klägers für den Monat Oktober 2019 sei erfüllt. Sie habe zu Recht auch die Privatnutzung des KFZ in Ansatz gebracht, da es nur auf die Nutzungsmöglichkeit ankomme. Selbst wenn sie den geldwerten Vorteil zu Unrecht in Ansatz gebracht hätte und demgemäß zu viel Lohnsteuer und Sozialabgaben abgeführt hätte, sei ihr aufgrund gesetzlicher Bestimmungen eine Korrektur nicht mehr möglich und der Kläger auf den Lohnsteuerjahresausgleich bzw. Erstattungsansprüche gegenüber den Trägern der Sozialversicherung zu verweisen.
Soweit die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich der Urlaubsabgeltung teilweise für erledigt erklärt haben, sei dies im Rahmen der Kostenentscheidung zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen, da er ohne die erst im Berufungsverfahren erfolgte Vorlage einer Bescheinigung des vormaligen Arbeitgebers nach § 6 Abs. 2 BUrlG hinsichtlich dieser Position unterlegen wäre.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 24.06.2020, Az. 4 Ca 116/20, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Soweit keine Erledigung des Rechtsstreits eingetreten ist, verteidigt der Kläger mit seinen Schriftsätzen vom 19. Oktober 2020, 25. Januar und 4. Februar 2021, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 90 ff., 134 f., 138 d.A.), das angefochtene Urteil als zutreffend. Die Beklagte habe zu Unrecht bei der Abrechnung des Monats Oktober 2019 Beträge für eine angebliche Privatnutzung angesetzt und deshalb einen zu geringen Netto-Betrag zur Auszahlung gebracht. Tatsächlich habe keine Nutzungsmöglichkeit mehr bestanden. Soweit die Beklagte damit zu viel an Lohnsteuer und Sozialversicherungsabgaben abgeführt habe, müsse sie bei den zuständigen Stellen die Rückforderung betreiben.
Hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Urlaubsabgeltungsanspruchs seien die hierauf entfallenden Kosten bei der Kostenentscheidung zu Lasten der Beklagten zu berücksichtigen. Mangels Erfüllung der Wartezeit im Arbeitsverhältnis zur Beklagten finde § 6 BUrlG keine Anwendung.
Im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Parteien haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung ist zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet.
II.
Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht ein weiterer Vergütungsanspruch für den Monat Oktober 2019 nicht zu. Die Beklagte kann dem Kläger wegen der Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen einen besonderen Erfüllungseinwand entgegenhalten.
1.
Es ist nicht bestritten, dass die Beklagte so wie in der Gehaltsabrechnung des Monats Oktober 2019 ausgewiesen ausgehend von einem Bruttobetrag von 4.774,46 EUR, mithin von mehr als 3.000,- EUR, Steuern und Sozialversicherungsabgaben abgeführt hat. Streitig ist zwischen den Parteien insoweit nur, ob die Beklagte zu viel an Steuern und Sozialversicherungsabgaben abgeführt hat. Dies ändert aber nichts daran, dass die Beklagte an den Kläger nicht nur den ihm ausbezahlten Nettobetrag, sondern jedenfalls auch die auf 3.000,- EUR brutto entfallenden Steuern und Sozialversicherungsabgaben geleistet hat, so dass der geltend gemachte Vergütungsanspruch erfüllt ist.
Mit dem Abzug und der Abführung von Lohnbestandteilen erfüllt der Arbeitgeber seine Zahlungspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer. Die Abführung begründet einen besonderen Erfüllungseinwand (vgl. etwa BAG 30.04.2008 -5 AZR 725/07- Rn. 16 ff.; 21.12.2016 -5 AZR 266/16- Rn.17; BFH 17.06.2009 -VI R 46/07- Rn. 17, juris). Die Arbeitsgerichte sind nicht befugt, die Berechtigung der Abzüge für Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge zu überprüfen. Legt der Arbeitgeber nachvollziehbar dar, dass er bestimmte Abzüge für Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge einbehalten und abgeführt hat, kann der Arbeitnehmer die nach seiner Auffassung unberechtigt einbehaltenen und abgeführten Beträge nicht erfolgreich mit einer Vergütungsklage geltend machen. Er ist vielmehr auf die steuer- und sozialrechtlichen Rechtsbehelfe beschränkt, es sei denn, für den Arbeitgeber wäre auf Grund der für ihn zum Zeitpunkt des Abzugs bekannten Umstände eindeutig erkennbar gewesen, dass eine Verpflichtung zum Abzug nicht bestand. Andernfalls tritt die Erfüllungswirkung ein (BAG 30.04.2008, aaO., Rn. 21).
2.
Für die Beklagte war nicht in diesem Sinne eindeutig erkennbar, dass eine Verpflichtung zum Abzug nicht bestand. Es war nicht zweifelsfrei, ob für die Zwecke der Berechnung von Steuern und Sozialversicherungsabgaben ein geldwerter Vorteil zu berücksichtigen war oder nicht.
Die Parteien haben hinsichtlich der Überlassung des Fahrzeugs auch zur privaten Nutzung keine ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarungen getroffen. Jedenfalls war das Fahrzeug dem Kläger ständig überlassen, so dass dem die konkludente vertragliche Vereinbarung zugrunde gelegen haben dürfte, die Dauer der Überlassung an den Bestand des Arbeitsverhältnisses zu knüpfen. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die Parteien anlässlich der Abgabe des Fahrzeugs durch den Kläger eine ausdrückliche Vereinbarung über die Beendigung der Überlassung getroffen haben. Ein steuer- und sozialversicherungsrechtlich zu berücksichtigender geldwerter Vorteil begründet sich nicht in der tatsächlichen Nutzung, sondern in der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte das Fahrzeug vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses zurückgefordert hatte, bestehen nicht. Vielmehr hat der Kläger in der erstinstanzlichen Kammerverhandlung erklärt, das Fahrzeug freiwillig zurückgegeben zu haben. Mit der Rückgabe hat der Kläger damit zunächst nur zum Ausdruck gebracht, dass er für die restliche Dauer des Arbeitsverhältnisses keinen Nutzungswillen mehr hatte. Ob durch dieses tatsächliche Verhalten zugleich konkludent die vertragliche Verpflichtung zur Nutzungsüberlassung und damit die Nutzungsmöglichkeit entfiel, ist eine Frage der Auslegung des Erklärungswertes dieses faktischen Verhaltens. Hierbei kann auch das nachvertragliche Verhalten berücksichtigt werden. Nachdem der Kläger ursprünglich mit seiner Klage auch Schadensersatz wegen vorenthaltener Privatnutzungsmöglichkeit geltend gemacht hatte, war für die Beklagte zumindest nicht eindeutig erkennbar, dass das Verhalten des Klägers ein Angebot des Klägers auf Verzicht auf die rechtlich eingeräumte Nutzungsmöglichkeit darstellen könnte und die Entgegennahme des Fahrzeugs bei einer am Empfängerhorizont orientierten Auslegung als Annahme dieses Angebots gewertet werden könnte.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91Abs. 1, 97 Abs. 2 und § 91a Abs. 1 ZPO. Hinsichtlich des auf Zahlung restlicher Vergütung für den Monat Oktober 2019 gerichteten Anspruchs unterliegt der Kläger, so dass im Rahmen der gemischten Kostenentscheidung zu seinen Lasten ein entsprechender Kostenanteil zu berücksichtigen ist.
Hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Anspruchs auf Urlaubsabgeltung ergibt sich unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes, dass der Kläger mit diesem Anspruch wohl erst im Berufungsverfahren durchgedrungen wäre. Es spricht viel dafür, dass es ihm bereits im Rahmen der Klage erstinstanzlich oblag vorzutragen, wie viele Urlaubstage ihm bereits im vorangegangenen Arbeitsverhältnis im Jahr 2019 gewährt worden waren. Zwar ist § 6 Abs. 1 BUrlG nicht anwendbar, wenn der Arbeitnehmer in zwei aufeinanderfolgenden Arbeitsverhältnissen nur Teilurlaubsansprüche erwirbt. Der nur anteilige Urlaubsanspruch nach § 5 Abs. 1 c) BUrlG ist aber kein Urlaubsanspruch, der von vornherein nur anteilig entsteht, sondern der Sache nach gekürzter Vollurlaub (ErfK/Gallner, 21. Aufl., § 5 BUrlG Rz. 15). Wird der Urlaub nach erfüllter Wartezeit vollständig in der ersten Hälfte eines Jahres gewährt, scheidet der Arbeitnehmer aber vor dem 30. Juni des Jahres aus und begründet sodann ein nachfolgendes Arbeitsverhältnis, bezieht sich der in der ersten Jahreshälfte vollständig gewährte Urlaub zeitlich auf das gesamte Jahr, mithin auch auf den Zeitraum des Nachfolgearbeitsverhältnisses, so dass der mit § 6 Abs. 1 BUrlG verfolgte Zweck der Vermeidung von Doppelansprüchen für denselben Zeitraum betroffen ist. Dann aber wäre es Sache des Klägers gewesen, bereits erstinstanzlich vorzutragen, dass die Voraussetzungen, unter denen § 6 Abs. 1 BUrlG eine Anrechnung von Urlaubsansprüchen vorsieht, nicht vorliegen (BAG 16.12.2014 -9 AZR 295/13, Rn. 40, juris). Hieran fehlt es. Das erstinstanzlich vorgelegte Schreiben der vormaligen Arbeitgeberin vom 17.02.2020 enthält über die tatsächlich gewährten Urlaubstage keine Aussage.
Im Berufungsverfahren hätte der Kläger aller Voraussicht nach hinsichtlich der Urlaubsabgeltung obsiegt, da durch seine vormalige Arbeitgeberin nur 12 Urlaubstage gewährt worden waren. Desungeachtet ist aber im Rahmen billigen Ermessens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes auch in Rechnung zu stellen, dass der Kläger diese Behauptung und das hierauf bezogene Beweisangebot erstmals im Rahmen der Berufungserwiderung unterbreitete, obwohl die Beklagte bereits erstinstanzlich schon mit der Klageerwiderung darauf hingewiesen hatte, dass der Kläger hierzu vortragen müsse. Sachvortrag dazu, wieviel Urlaub er bereits erhalten hatte und die Unterbreitung des im Berufungsverfahren unterbreiteten Beweisangebots (Zeugnis der Frau E.) wären dem Kläger ohne weiteres bereits erstinstanzlich möglich gewesen. Unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 97 Abs. 2 ZPO entspricht es daher der Billigkeit, dem Kläger auch insoweit die Kosten aufzuerlegen.
Nachdem beide Parteien dem zugestimmt haben, konnte die Berufungskammer nach § 128 Abs. 2 ZPO im schriftlichen Verfahren entscheiden.
Ein Revisionszulassungsgrund besteht ebenso wenig wie ein Grund zur Zulassung der Rechtsbeschwerde hinsichtlich der Kostenentscheidung, soweit diese auf § 91a ZPO beruht.
Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Entscheidung in der Hauptsache nach Maßgabe der anliegenden Rechtsmittelbelehrung wird hingewiesen.