Übersicht:
- Der Fall vor Gericht
- Geschäftsführer gekündigt: Kein Arbeitnehmerstatus nach Abberufung – LAG bestätigt Kündigungsentscheidung
- Der Streitfall: Vom Geschäftsführerposten zur umstrittenen Kündigung
- Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts: Kein Arbeitnehmerstatus nach Abberufung
- Juristische Einordnung: Die Abgrenzung von Dienst- und Arbeitsverhältnis
- Allgemeine Auswirkungen: Klare Linie bei der Statusfrage von Geschäftsführern
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet „Abberufung“ eines GmbH-Geschäftsführers genau?
- Unter welchen Voraussetzungen gilt ein GmbH-Geschäftsführer als Arbeitnehmer?
- Was ist der Unterschied zwischen einer fristlosen Kündigung und einer ordentlichen Kündigung?
- Welche Rolle spielt der Anstellungsvertrag eines Geschäftsführers im Falle einer Kündigung?
- Was bedeutet der Begriff „wichtiger Grund“ im Zusammenhang mit einer fristlosen Kündigung?
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 5 SLa 39/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
- Datum: 22.08.2024
- Aktenzeichen: 5 SLa 39/24
- Verfahrensart: Berufung
- Rechtsbereiche: Arbeitsrecht, Antidiskriminierungsrecht, Dienstvertragsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Ehemaliger Geschäftsführer, der die Feststellung eines fortbestehenden Arbeitsverhältnisses und die Unwirksamkeit einer fristlosen Kündigung begehrte.
- Beklagte: Gemeinnützige GmbH, die den Kläger als Geschäftsführer angestellt hatte und das Anstellungsverhältnis fristlos kündigte.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Der Kläger war Geschäftsführer der beklagten GmbH. Nach seiner Abberufung als Geschäftsführer sprach die Beklagte eine fristlose Kündigung aus. Der Kläger klagte vor dem Arbeitsgericht auf Feststellung, dass ein Arbeitsverhältnis besteht und die Kündigung unwirksam ist.
- Kern des Rechtsstreits: Streitig war, ob das Anstellungsverhältnis nach der Abberufung des Klägers zum Arbeitsverhältnis wurde und ob die Arbeitsgerichte für die Prüfung der Kündigung zuständig und die Kündigung wirksam war.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Landesarbeitsgericht wies die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts ab. Die Klage auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses und der Kündigungsunwirksamkeit wurde endgültig abgewiesen.
- Begründung: Das Gericht bestätigte zwar die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für die Klärung der Statusfrage. Es stellte jedoch fest, dass der Kläger als Geschäftsführer kein Arbeitnehmer war und seine Abberufung diesen Status nicht veränderte.
- Folgen: Da kein Arbeitsverhältnis vorlag, fanden arbeitsrechtliche Vorschriften wie das Kündigungsschutzgesetz oder das Betriebsverfassungsgesetz keine Anwendung. Eine inhaltliche Prüfung der fristlosen Kündigung nach den Regeln für Dienstverhältnisse erfolgte nicht durch die Arbeitsgerichte.
Der Fall vor Gericht
Geschäftsführer gekündigt: Kein Arbeitnehmerstatus nach Abberufung – LAG bestätigt Kündigungsentscheidung
Ein jüngst ergangenes Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Rheinland-Pfalz (Az.: 5 SLa 39/24) beleuchtet erneut die oft komplexe Frage, wann ein GmbH-Geschäftsführer als Arbeitnehmer gilt und welche Konsequenzen sich daraus für Kündigungen ergeben. Im Kern ging es darum, ob ein als Geschäftsführer angestellter Kläger nach seiner Abberufung für die wenigen Tage bis zur fristlosen Kündigung seines Anstellungsvertrages als Arbeitnehmer zu behandeln war und ob die Kündigung somit den strengeren arbeitsrechtlichen Maßstäben unterlag.
Der Streitfall: Vom Geschäftsführerposten zur umstrittenen Kündigung

Der Kläger, geboren 1957, war seit November 2012 bei einer gemeinnützigen GmbH als Geschäftsführer angestellt. Die GmbH betreibt anerkannte Werkstätten für behinderte Menschen und beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer sowie einen Betriebsrat. Laut Anstellungsvertrag vom 22. Juli 2012 übte der Kläger „in seiner Funktion“ als Geschäftsführer gleichzeitig die Positionen des Werkstattleiters und des Technischen Leiters aus. Seine Vergütung orientierte sich in Teilen am Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L Rheinland-Pfalz), ebenso wie Regelungen zu Arbeitszeit, Urlaub und Entgeltfortzahlung. Am 1. November 2023 erreichte der Kläger das gesetzliche Renteneintrittsalter.
Die Vorgeschichte: Renteneintritt, Nachfolgersuche und Abberufung
Im Frühjahr 2022 hatte der Kläger eine Verlängerung seiner Tätigkeit um zwei Jahre über das Renteneintrittsalter hinaus angeboten. Der Verwaltungsrat der Beklagten lehnte dies im September 2022 ab und setzte eine Nachfolgekommission ein. Zum 1. Juli 2023 wurde ein Nachfolger eingestellt. Die Vorsitzende des Verwaltungsrats bestätigte dem Kläger schriftlich sein „altersbedingtes Ausscheiden“, nannte dabei jedoch widersprüchliche Daten für das Vertragsende (einmal Ende Oktober, einmal 31. Dezember 2023). Gespräche über die Modalitäten des Ausscheidens blieben ohne Ergebnis.
Am 23. Juli 2023 wurde der Kläger in einer außerordentlichen Verwaltungsratssitzung einstimmig und mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer abberufen. Die Abberufung ist der Akt, durch den einem Geschäftsführer seine Organstellung entzogen wird. Diese wurde am 22. August 2023 ins Handelsregister eingetragen. Nur wenige Tage nach der Abberufung, mit Schreiben vom 27. Juli 2023, kündigte die Beklagte das Anstellungsverhältnis des Klägers fristlos mit sofortiger Wirkung. Eine fristlose Kündigung beendet ein Vertragsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist und setzt einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) voraus. Ein solcher Grund liegt vor, wenn Tatsachen gegeben sind, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
Der Weg vor die Gerichte: Kläger sieht sich als Arbeitnehmer
Der Kläger zog am 28. Juli 2023 vor das Arbeitsgericht Mainz. Er beantragte die Feststellung, dass sein „Arbeitsverhältnis“ weder durch die fristlose Kündigung noch durch andere Umstände beendet worden sei und zu unveränderten Bedingungen fortbestehe. Zudem verlangte er die Weiterbeschäftigung als Geschäftsführer.
Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Es sah sich zwar für zuständig an (ein sogenannter „sic-non“-Fall, bei dem die Zuständigkeit von der Schlüssigkeit der klägerischen Behauptung abhängt, hier das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses), verneinte aber, dass nach der Abberufung ein Arbeitsverhältnis im rechtlichen Sinne bestanden habe. Ein Arbeitsverhältnis ist durch persönliche Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber charakterisiert. Die Funktionen als Werkstattleiter und Technischer Leiter seien Teil seiner Geschäftsführerfunktion gewesen, nicht separate Arbeitsverhältnisse. Auch eine Altersdiskriminierung sah das Gericht nicht, da die Kündigung auf (teilweise streitige) Verhaltensweisen gestützt wurde.
Gegen dieses Urteil legte der Kläger Berufung beim Landesarbeitsgericht ein. Sein zentrales Argument: Durch die Abberufung als Geschäftsführer am 23. Juli sei er für die kurze Zeitspanne bis zur Kündigung am 27. Juli zu einem „normalen“ Arbeitnehmer geworden, da sein ursprünglicher Vertrag nicht nur die Geschäftsführer-, sondern auch die Werkstattleiter- und Technikleiterfunktion umfasst habe und dieser Vertragsteil nicht beendet worden sei. Mit der Abberufung sei ein arbeitsrechtliches Weisungsrecht der Beklagten entstanden. Er bestritt zudem die Wirksamkeit der Beschlüsse zur Abberufung und Kündigung und machte geltend, die Kündigung sei unwirksam wegen fehlender Anhörung des Betriebsrats (erforderlich nach § 102 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) bei Arbeitnehmerkündigungen), fehlendem wichtigen Grund nach § 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) (das KSchG bietet Arbeitnehmern Schutz vor sozial ungerechtfertigten Kündigungen) und Altersdiskriminierung gemäß §§ 1, 7 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Das AGG zielt darauf ab, Benachteiligungen unter anderem wegen des Alters zu verhindern.
Die Beklagte verteidigte das erstinstanzliche Urteil und argumentierte, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei (hilfsweise) unzulässig, da sich der Charakter des Anstellungsvertrags eines Organvertreters durch dessen Abberufung nicht ändere.
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts: Kein Arbeitnehmerstatus nach Abberufung
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz wies die Berufung des Klägers zurück und bestätigte damit die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Die Kosten des Berufungsverfahrens muss der Kläger tragen. Eine Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen.
Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte: Ein „Sic-Non“-Fall
Zunächst bestätigte das LAG die Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte. Hier lag ein typischer „sic-non“-Fall vor: Der Kläger behauptete, es bestehe ein Arbeitsverhältnis, und stützte seine Klage auf arbeitsrechtliche Schutzvorschriften (KSchG, BetrVG, AGG). Ob diese Behauptung zutrifft (also ob tatsächlich ein Arbeitsverhältnis bestand), ist dann eine Frage der Begründetheit der Klage, nicht der Zulässigkeit des Rechtswegs. Die bloße Behauptung reicht für die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte aus. Einen Hilfsantrag des Klägers auf Verweisung an das Landgericht wies das LAG zurück, da das Berufungsgericht die Rechtswegentscheidung der Vorinstanz nicht mehr überprüft (§ 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) in Verbindung mit § 65 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG)).
Kein Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Kündigung: Die zentralen Argumente des LAG
Der entscheidende Punkt war jedoch die Feststellung des LAG, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 27. Juli 2023 kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestand.
- Status als Fremdgeschäftsführer: Der Kläger war als sogenannter Fremdgeschäftsführer tätig, das heißt, er war Geschäftsführer, ohne gleichzeitig Gesellschafter der GmbH zu sein. Solche Fremdgeschäftsführer sind nach ständiger Rechtsprechung in aller Regel freie Dienstnehmer und keine Arbeitnehmer. Ein freies Dienstverhältnis unterscheidet sich vom Arbeitsverhältnis dadurch, dass keine persönliche Abhängigkeit und keine umfassende Weisungsgebundenheit hinsichtlich der Art und Weise der Dienstleistung besteht. Zwar übt die Gesellschaft ein unternehmerisches Weisungsrecht aus, dieses begründet aber typischerweise keinen Arbeitnehmerstatus. Eine Ausnahme liegt nur dann vor, wenn die Gesellschaft dem Geschäftsführer sehr detaillierte, arbeitsbegleitende und verfahrensorientierte Weisungen erteilt – dafür gab es hier keine Anhaltspunkte.
- Abberufung ändert Status nicht automatisch: Entgegen der Ansicht des Klägers änderte die Abberufung als Geschäftsführer den rechtlichen Charakter seines Anstellungsverhältnisses nicht. Der reine Akt der Abberufung führt nicht dazu, dass aus einem Geschäftsführer-Dienstvertrag plötzlich ein Arbeitsvertrag wird. Hierfür müssten besondere Umstände vorliegen, etwa ein separater, daneben bestehender Arbeitsvertrag oder einer, der nach der Abberufung explizit neu geschlossen wird oder wiederauflebt.
- Kein separates Arbeitsverhältnis als Werkstattleiter/Technischer Leiter: Solche besonderen Umstände sah das Gericht nicht. Insbesondere bestand laut Vertrag kein eigenständiges Arbeitsverhältnis als Werkstattleiter oder Technischer Leiter. Der Vertrag formulierte klar, dass der Kläger diese Aufgaben „in seiner Funktion“ als Geschäftsführer wahrnahm. Es handelte sich um eine einheitliche Funktion, die operative Aufgaben einschloss, nicht um voneinander trennbare Vertragsmodule. Ein Geschäftsführer, der auch im operativen Betrieb mitarbeitet, wird dadurch nicht zum Arbeitnehmer.
- Kurze Zeitspanne ohne Organstellung unerheblich: Auch die Tatsache, dass zwischen der Abberufung (23. Juli) und der Kündigung (27. Juli) einige Tage lagen, in denen der Kläger formal nicht mehr Geschäftsführer war, führte nicht zur Entstehung eines Arbeitsverhältnisses.
- Freistellung ist keine Weisung im arbeitsrechtlichen Sinne: Die nach der Abberufung erfolgte Freistellung des Klägers wertete das Gericht nicht als Ausübung eines arbeitsrechtlichen Weisungsrechts, sondern als Maßnahme im Zuge der Beendigung des Dienstverhältnisses.
- Sozialversicherungsrechtliche Einordnung irrelevant: Die sozialversicherungsrechtliche Bewertung einer Person als abhängig Beschäftigter (gemäß § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch – SGB IV) ist für die arbeitsrechtliche Einordnung des Verhältnisses nicht ausschlaggebend. Beide Rechtsgebiete verfolgen unterschiedliche Zwecke und haben eigene Kriterien.
- Anlehnung an TV-L ist statusneutral: Klauseln im Dienstvertrag, die sich an tarifvertraglichen Regelungen wie dem TV-L orientieren (z.B. bei Gehalt, Urlaub), sind für die Statusfrage neutral. Sie machen aus einem Dienstverhältnis kein Arbeitsverhältnis, solange die charakteristische weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeitsleistung fehlt.
Kein Verstoß gegen das Altersdiskriminierungsverbot
Das LAG verneinte auch einen Verstoß der Kündigung gegen das Verbot der Altersdiskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Zwar gelten die Diskriminierungsverbote des AGG auch für Kündigungen (§ 2 Abs. 4 AGG). Die Beklagte hatte die fristlose Kündigung jedoch auf verhaltensbedingte Gründe gestützt (angebliches Fehlverhalten des Klägers bei einer Betriebsversammlung, öffentliche negative Äußerungen). Die Kündigung als solche knüpfte also nicht am Alter des Klägers an.
Selbst wenn die Beklagte, wie vom Kläger vermutet, fälschlicherweise davon ausgegangen sein sollte, der Dienstvertrag würde aufgrund des Erreichens des Rentenalters automatisch enden, mache dies die konkrete, auf Verhalten gestützte Kündigung vom 27. Juli 2023 nicht altersdiskriminierend. Das AGG erlaubt zwar unter bestimmten Voraussetzungen Altersgrenzenregelungen (§ 10 Satz 3 Nr. 5 AGG), die streitgegenständliche Kündigung basierte aber nicht auf einer solchen Klausel, sondern auf dem Verhalten des Klägers.
Keine Prüfung des wichtigen Grundes für die Kündigung
Ein wichtiger Punkt der Entscheidung ist, dass das Landesarbeitsgericht nicht prüfte, ob die von der Beklagten angeführten verhaltensbedingten Gründe tatsächlich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung des Dienstvertrags nach § 626 BGB darstellten. Da nach nationalem Recht kein Arbeitsverhältnis vorlag, sind die Arbeitsgerichte sachlich nicht zuständig, über die Wirksamkeit der Kündigung eines freien Dienstverhältnisses materiell-rechtlich zu entscheiden. Zwar ist § 626 BGB auch auf Dienstverhältnisse anwendbar, die Prüfung obliegt dann aber den ordentlichen Gerichten (Amts- oder Landgericht).
Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte war im vorliegenden „sic-non“-Fall darauf beschränkt zu klären, ob ein Arbeitsverhältnis vorlag. Nur wenn dies bejaht worden wäre, hätten die Arbeitsgerichte auch die arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften (KSchG, BetrVG) angewandt und die materiellen Kündigungsgründe geprüft. Da kein Arbeitsverhältnis festgestellt wurde, war die Klage als unbegründet abzuweisen, ohne dass eine inhaltliche Prüfung der Kündigungsgründe für das (Dienst-)Verhältnis erfolgte.
Juristische Einordnung: Die Abgrenzung von Dienst- und Arbeitsverhältnis
Das Urteil unterstreicht die grundlegende Unterscheidung im deutschen Recht zwischen einem Arbeitsverhältnis und einem (freien) Dienstverhältnis, insbesondere im Kontext von GmbH-Geschäftsführern.
Der Status des Fremdgeschäftsführers
Ein Fremdgeschäftsführer einer GmbH ist typischerweise kein Arbeitnehmer. Er unterliegt zwar den Weisungen der Gesellschafterversammlung in Bezug auf die Unternehmenspolitik und strategische Ausrichtung (sogenanntes unternehmerisches Weisungsrecht), ist aber in der Regel bei der Ausübung seiner täglichen Tätigkeit und der Führung der Geschäfte weitgehend frei und nicht in dem Maße persönlich abhängig und weisungsgebunden, wie es für einen Arbeitnehmer typisch ist. Arbeitnehmer sind in die Betriebsorganisation eingegliedert und unterliegen dem Direktionsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Arbeitsausführung.
Die Abberufung als Organ beendet zwar die organschaftliche Stellung, lässt aber den zugrundeliegenden Anstellungsvertrag (der die Rechte und Pflichten regelt) zunächst unberührt. Dieser muss separat gekündigt werden. Das Urteil stellt klar, dass allein die Abberufung und eine kurze Zeitspanne bis zur Kündigung des Anstellungsvertrags diesen nicht automatisch in ein Arbeitsverhältnis umwandeln.
Relevante Gesetzesnormen im Überblick
- § 626 BGB (Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund): Diese Norm ist sowohl auf Arbeits- als auch auf freie Dienstverhältnisse anwendbar. Sie setzt voraus, dass Tatsachen vorliegen, die die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar machen.
- Kündigungsschutzgesetz (KSchG): Bietet allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz (z.B. bei sozial ungerechtfertigten Kündigungen). Es gilt grundsätzlich nur für Arbeitnehmer.
- Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG): Regelt die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, z.B. die Anhörungspflicht vor Kündigungen von Arbeitnehmern (§ 102 BetrVG). Für Geschäftsführer gilt es in der Regel nicht.
- Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG): Verbietet Diskriminierungen u.a. wegen des Alters und ist auch bei Kündigungen zu beachten, sowohl bei Arbeits- als auch bei Dienstverhältnissen.
Allgemeine Auswirkungen: Klare Linie bei der Statusfrage von Geschäftsführern
Das Urteil des LAG Rheinland-Pfalz reiht sich in die gefestigte Rechtsprechung zur Statusfrage von Fremdgeschäftsführern ein. Es bestätigt, dass die Schwelle zur Annahme eines Arbeitnehmerstatus des Geschäftsführers hoch ist und die bloße Abberufung von der Organstellung daran im Regelfall nichts ändert.
Die Rechtsstellung von Fremdgeschäftsführern
Für Fremdgeschäftsführer bedeutet dies, dass sie sich im Falle einer Kündigung ihres Anstellungsvertrags in der Regel nicht auf die Schutzmechanismen des Kündigungsschutzgesetzes oder des Betriebsverfassungsgesetzes berufen können, es sei denn, es liegen außergewöhnliche Umstände vor, die eine persönliche Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit begründen, die über das übliche Maß hinausgeht. Die sozialversicherungsrechtliche Einstufung als abhängig Beschäftigter, die bei Fremdgeschäftsführern oft vorliegt, spielt für die arbeitsrechtliche Bewertung der Arbeitnehmereigenschaft des Geschäftsführers keine entscheidende Rolle.
Die Gestaltung des Anstellungsvertrags ist hierbei von Bedeutung. Enthält dieser Regelungen, die klar auf eine untergeordnete, weisungsgebundene Tätigkeit neben der Organfunktion hindeuten und als eigenständiges Arbeitsverhältnis zu werten sind, könnte die Bewertung anders ausfallen. Im vorliegenden Fall waren die zusätzlichen Funktionen (Werkstattleiter, Technischer Leiter) jedoch explizit als Teil der Geschäftsführerfunktion definiert.
Prozessuale Besonderheiten bei „Sic-Non“-Fällen
Das Urteil verdeutlicht auch die prozessuale Konstellation des „sic-non“-Falls: Macht ein Kläger das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses geltend, sind die Arbeitsgerichte für die Klage zuständig. Stellt sich im Laufe des Verfahrens heraus, dass kein Arbeitsverhältnis vorliegt, wird die Klage als unbegründet abgewiesen, weil die arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften nicht greifen. Eine Prüfung der Kündigungsgründe für ein reines Dienstverhältnis nach § 626 BGB erfolgt dann durch die Arbeitsgerichte nicht mehr; hierfür wären die ordentlichen Gerichte zuständig, falls der Kläger diesen Weg beschreitet. Die Kündigung eines Fremdgeschäftsführers und die damit verbundenen Rechtsfragen bleiben somit ein komplexes Feld, das eine genaue Betrachtung des Einzelfalls erfordert.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil klärt, dass ein GmbH-Geschäftsführer nach seiner Abberufung nicht automatisch zum Arbeitnehmer wird und damit keinen Anspruch auf arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz hat. Entscheidend ist, dass das bestehende freie Dienstverhältnis durch die bloße Abberufung seinen rechtlichen Charakter nicht ändert, selbst wenn zwischen Abberufung und Kündigung einige Tage liegen. Auch zusätzliche operative Aufgaben wie Werkstatt- oder technische Leitung begründen keinen Arbeitnehmerstatus, wenn sie vertraglich als Teil der Geschäftsführertätigkeit definiert sind. Dies hat weitreichende Konsequenzen für Geschäftsführer, da ihnen der Schutz des Kündigungsschutzgesetzes und des Betriebsverfassungsgesetzes verwehrt bleibt.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet „Abberufung“ eines GmbH-Geschäftsführers genau?
Die „Abberufung“ eines GmbH-Geschäftsführers bezeichnet die Beendigung seiner Funktion als Organ der Gesellschaft. Stellen Sie sich den Geschäftsführer als die Person vor, die vom Gesetz und vom Gesellschaftsvertrag ermächtigt ist, für die GmbH zu handeln, sie nach außen zu vertreten (z.B. Verträge zu unterschreiben) und ihre Geschäfte zu leiten. Die Abberufung nimmt ihm genau diese besondere, rechtliche Stellung.
Es ist sehr wichtig zu verstehen, dass die Abberufung getrennt ist von der Kündigung eines eventuell bestehenden Anstellungsvertrags. Ein Geschäftsführer hat typischerweise zwei verschiedene Beziehungen zur GmbH:
- Die Organstellung: Dies ist die rechtliche Funktion als Geschäftsführer, die ihm die Vertretungs- und Leitungsbefugnis gibt. Diese Stellung wird durch einen Beschluss der Gesellschafter (der Eigentümer der GmbH) begründet und kann durch einen solchen Beschluss auch wieder entzogen werden (Abberufung). Die Regeln hierfür finden sich im GmbH-Gesetz und im Gesellschaftsvertrag.
- Der Anstellungsvertrag: Dies ist ein Vertrag, der die „Arbeitsbedingungen“ regelt, wie Gehalt, Urlaubsanspruch, eventuelle Tantiemen oder Pensionszusagen. Dieser Vertrag ist rechtlich gesehen ein Schuldverhältnis zwischen dem Geschäftsführer und der GmbH, ähnlich einem Arbeitsvertrag, auch wenn er oft besondere Regelungen enthält. Er wird in der Regel gesondert geschlossen.
Die Abberufung beendet nur die Organstellung. Das bedeutet, der Betreffende ist nicht mehr der rechtliche Vertreter der GmbH. Er kann keine Entscheidungen mehr für die GmbH treffen, keine Verträge mehr unterschreiben oder die Gesellschaft rechtlich binden.
Die Kündigung beendet den Anstellungsvertrag. Diese muss, wie bei jedem anderen Vertrag, gesondert ausgesprochen werden und unterliegt den vereinbarten Bedingungen (Kündigungsfristen etc.) oder den gesetzlichen Regelungen.
Für Sie ist wichtig: Die Abberufung führt nicht automatisch zur Beendigung des Anstellungsvertrags, und die Kündigung des Anstellungsvertrags führt nicht automatisch zur Abberufung der Organstellung. In der Praxis erfolgen Abberufung und Kündigung des Anstellungsvertrags oft gleichzeitig. Es ist aber denkbar, dass ein Geschäftsführer abberufen wird, sein Anstellungsvertrag aber aufgrund von Fristen oder Vereinbarungen noch eine Zeit lang fortbesteht, was möglicherweise zu Gehaltsansprüchen führt, obwohl die Person nicht mehr als Geschäftsführer tätig sein darf.
Die Gesellschafter können einen Geschäftsführer grundsätzlich jederzeit abberufen. Wenn er jedoch aufgrund eines Anstellungsvertrags beschäftigt ist und dieser Vertrag eine Bindung für eine bestimmte Zeit vorsieht, darf die Abberufung nur aus einem wichtigen Grund erfolgen, um Schadensersatzansprüche zu vermeiden, es sei denn, der Gesellschaftsvertrag erlaubt eine Abberufung ohne Grund. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn der Gesellschaft die Fortsetzung der Tätigkeit des Geschäftsführers nicht zugemutet werden kann.
Zusammenfassend: Die Abberufung ist das juristische Instrument, um die Funktion als Geschäftsführer zu beenden, während die Kündigung den schuldrechtlichen Vertrag (Anstellungsvertrag) beendet.
Unter welchen Voraussetzungen gilt ein GmbH-Geschäftsführer als Arbeitnehmer?
Grundsätzlich ist eine Geschäftsführerin oder ein Geschäftsführer einer GmbH kein Arbeitnehmer im üblichen Sinne. Sie sind Organmitglieder der Gesellschaft. Das bedeutet, sie vertreten die Gesellschaft nach außen und innen und sind nicht weisungsgebunden gegenüber dem Unternehmen selbst, sondern gegenüber der Gesellschafterversammlung.
Es gibt jedoch Ausnahmen. Eine Geschäftsführerin oder ein Geschäftsführer kann als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer gelten, wenn die Anstellung durch die tatsächlichen Umstände einer abhängigen Beschäftigung entspricht. Das ist der Fall, wenn die Person persönlich abhängig ist und in die Betriebsorganisation eingegliedert ist.
Die persönliche Abhängigkeit zeigt sich vor allem durch Weisungsgebundenheit. Für einen Geschäftsführer bedeutet das, dass die Gesellschafterversammlung derart konkrete und detaillierte Weisungen erteilen kann und dies auch tut, dass die Geschäftsführerin oder der Geschäftsführer in seiner Entscheidungsfreiheit erheblich eingeschränkt ist – ähnlich wie ein normaler Angestellter, der Anweisungen von seinem Vorgesetzten erhält. Je freier die Geschäftsführerin oder der Geschäftsführer in ihren oder seinen Entscheidungen ist, desto unwahrscheinlicher ist eine Arbeitnehmereigenschaft.
Die Eingliederung in die Betriebsorganisation bedeutet, dass die Geschäftsführerin oder der Geschäftsführer ähnlich wie andere Angestellte in den Ablauf des Unternehmens eingebunden ist. Hinweise darauf können zum Beispiel sein, ob sie festen Arbeitszeiten unterliegen, Urlaub wie andere Angestellte beantragen müssen oder räumlich und organisatorisch wie andere Mitarbeiter platziert sind.
Der Anstellungsvertrag, den die Geschäftsführerin oder der Geschäftsführer mit der GmbH abschließt, ist ein wichtiges Dokument. Er regelt oft die Aufgaben, das Gehalt und andere Bedingungen. Auch wenn der Vertrag festlegt, ob es sich um einen „Dienstvertrag“ (eher für Organmitglieder ohne Arbeitnehmerstatus) oder einen „Arbeitsvertrag“ handelt, kommt es letztlich auf die wirkliche Durchführung des Vertrags an – also darauf, wie die Zusammenarbeit tatsächlich gelebt wird.
Ob eine Geschäftsführerin oder ein Geschäftsführer als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer einzustufen ist, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab. Es gibt keine starren Regeln; Gerichte prüfen stets die tatsächlichen Verhältnisse zwischen der Geschäftsführerin oder dem Geschäftsführer und der Gesellschaft, insbesondere das Ausmaß der Weisungsgebundenheit und Eingliederung. Für Sie als Geschäftsführerin oder Geschäftsführer kann diese Unterscheidung wichtig sein, da nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer den vollen Schutz des Arbeitsrechts genießen, wie zum Beispiel Kündigungsschutz oder Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
Was ist der Unterschied zwischen einer fristlosen Kündigung und einer ordentlichen Kündigung?
Der wesentliche Unterschied zwischen einer fristlosen Kündigung und einer ordentlichen Kündigung liegt im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und in den Voraussetzungen, die dafür erfüllt sein müssen.
Fristlose Kündigung: Sofortige Beendigung
Eine fristlose Kündigung, auch außerordentliche Kündigung genannt, beendet das Arbeitsverhältnis sofort, also von einem Tag auf den anderen, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist.
- Voraussetzung: Sie ist nur möglich, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Dieser wichtige Grund muss so schwerwiegend sein, dass es der kündigenden Partei (Arbeitgeber oder Arbeitnehmer) nicht zugemutet werden kann, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf einer ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen.
- Beispiele für wichtige Gründe: Hierunter fallen typischerweise schwerwiegende Pflichtverletzungen, wie zum Beispiel Diebstahl, grobe Beleidigung, Arbeitsverweigerung oder auch tätliche Angriffe.
- Prüfung: Es muss immer eine sorgfältige Prüfung der Umstände des Einzelfalls erfolgen. Dabei wird abgewogen, ob die Interessen der kündigenden Partei an der sofortigen Beendigung schwerer wiegen als die Interessen der anderen Partei am Fortbestand oder an der Einhaltung der Kündigungsfrist. Oft ist auch eine vorherige Abmahnung nötig, außer bei besonders schweren Verstößen.
- Beweispflicht: Die Partei, die fristlos kündigt (meist der Arbeitgeber), muss den wichtigen Grund beweisen.
Ordentliche Kündigung: Beendigung nach Frist
Eine ordentliche Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis erst nach Ablauf einer gesetzlichen, tarifvertraglichen oder im Arbeitsvertrag vereinbarten Kündigungsfrist.
- Voraussetzung: Eine ordentliche Kündigung benötigt nicht in jedem Fall einen Grund, der so schwer wiegt wie bei einer fristlosen Kündigung. Wenn das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) Anwendung findet (was oft in Betrieben mit mehr als 10 Mitarbeitern und nach einer Beschäftigungsdauer von mehr als sechs Monaten der Fall ist), muss die Kündigung jedoch sozial gerechtfertigt sein. Das bedeutet, es müssen bestimmte Gründe vorliegen, die das Gesetz anerkennt (Gründe, die in der Person des Arbeitnehmers liegen, Gründe, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder dringende betriebliche Erfordernisse). Findet das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung, kann eine ordentliche Kündigung grundsätzlich auch ohne einen solchen Grund ausgesprochen werden, solange die Frist eingehalten wird.
- Kündigungsfristen: Die Länge der Frist richtet sich nach den gesetzlichen Vorgaben (abhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit), den Regelungen in einem anwendbaren Tarifvertrag oder den Vereinbarungen im Arbeitsvertrag (wobei die gesetzlichen Fristen nicht unterschritten werden dürfen).
- Beweispflicht: Wenn das Kündigungsschutzgesetz gilt, muss der Arbeitgeber im Streitfall beweisen, dass ein sozial gerechtfertigter Grund für die Kündigung vorliegt.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Eine fristlose Kündigung ist eine Notfallmaßnahme bei sehr schweren Problemen und beendet das Arbeitsverhältnis sofort. Eine ordentliche Kündigung ist der Regelfall, erfordert die Einhaltung von Fristen und benötigt unter Geltung des Kündigungsschutzgesetzes einen bestimmten Grund, der aber nicht so extrem sein muss wie bei der fristlosen Kündigung. Beide Kündigungsarten müssen schriftlich erfolgen.
Welche Rolle spielt der Anstellungsvertrag eines Geschäftsführers im Falle einer Kündigung?
Der Anstellungsvertrag eines Geschäftsführers ist das zentrale Dokument, das seine Beziehung zur Gesellschaft regelt. Im Falle einer Kündigung spielt dieser Vertrag eine überragende Rolle, da er viele wichtige Punkte festlegt, die für das Ende der Tätigkeit relevant sind.
Er regelt in der Regel die Bedingungen der Beendigung. Dazu gehören vor allem die Kündigungsfristen, also wie lange im Voraus die Kündigung erklärt werden muss. Diese Fristen können im Vertrag individuell vereinbart sein und sich von den gesetzlichen Fristen für Arbeitnehmer unterscheiden.
Darüber hinaus kann der Anstellungsvertrag Regelungen zu Abfindungsansprüchen enthalten. Es ist möglich, dass im Vertrag festgeschrieben ist, ob und in welcher Höhe eine Abfindung gezahlt wird, falls der Vertrag vorzeitig beendet wird.
Wichtig ist auch, dass der Anstellungsvertrag Bestimmungen zu Wettbewerbsverboten für die Zeit nach Beendigung der Tätigkeit enthalten kann. Darin wird festgelegt, ob und in welchem Umfang der ausgeschiedene Geschäftsführer für einen bestimmten Zeitraum nicht bei einem Wettbewerber arbeiten oder ein eigenes Konkurrenzunternehmen gründen darf.
Selbst wenn ein Geschäftsführer rechtlich gesehen nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsrechts gilt, weil er beispielsweise maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft hat, so begründet sein Anstellungsvertrag dennoch vertragliche Ansprüche und Pflichten. Die darin getroffenen Vereinbarungen sind bindend und bestimmen maßgeblich, wie die Beendigung der Geschäftsführertätigkeit abläuft und welche Rechte und Pflichten bestehen bleiben.
Daher ist der Anstellungsvertrag im Kündigungsfall der erste und wichtigste Orientierungspunkt, um die rechtlichen Rahmenbedingungen der Beendigung zu verstehen.
Was bedeutet der Begriff „wichtiger Grund“ im Zusammenhang mit einer fristlosen Kündigung?
Eine fristlose Kündigung, rechtlich auch außerordentliche Kündigung genannt, beendet ein Arbeitsverhältnis sofort und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist. Damit eine solche sofortige Beendigung zulässig ist, muss ein „wichtiger Grund“ vorliegen. Das bedeutet, dass das Arbeitsverhältnis der kündigenden Partei (meist dem Arbeitgeber) unzumutbar geworden ist und sie deshalb nicht gezwungen werden kann, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ende der regulären Kündigungsfrist fortzusetzen.
Was macht einen „wichtigen Grund“ aus?
Ein wichtiger Grund liegt nicht schon bei jeder Verfehlung vor. Die Anforderungen sind sehr hoch. Ob ein wichtiger Grund vorliegt, wird immer im Einzelfall geprüft und ist das Ergebnis einer sorgfältigen Abwägung. Dabei sind zwei Schritte entscheidend:
- Gibt es einen Grund, der generell geeignet ist, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen? Hier geht es um das Gewicht der Pflichtverletzung oder des Vorfalls an sich. Beispiele hierfür sind:
- Schwerwiegende Pflichtverletzungen: Wenn ein Arbeitnehmer seine Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag erheblich verletzt.
- Grobe Vertrauensbrüche: Verhaltensweisen, die das Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nachhaltig zerstören.
- Ist es dem Arbeitgeber im konkreten Fall tatsächlich unzumutbar, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen? Hier werden alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und die Interessen beider Seiten abgewogen. Dabei spielen viele Faktoren eine Rolle, wie zum Beispiel:
- Die Schwere der Pflichtverletzung (z.B. Höhe eines verursachten Schadens).
- Die Dauer des Arbeitsverhältnisses (je länger, desto höher oft die Hürde).
- Das Verhalten des Arbeitnehmers in der Vergangenheit (gab es ähnliche Vorfälle, gab es Abmahnungen?).
- Die Folgen der Kündigung für den Arbeitnehmer (z.B. bei fortgeschrittenem Alter oder Unterhaltspflichten).
- Das Verhalten des Arbeitgebers (z.B. ob er den Vorfall mitverursacht hat oder wie schnell er reagiert hat).
In vielen Fällen ist eine fristlose Kündigung erst dann zulässig, wenn der Arbeitnehmer zuvor wegen ähnlicher Pflichtverletzungen abgemahnt wurde und sein Verhalten trotzdem nicht geändert hat. Bei extrem schweren Verstößen, wie zum Beispiel Diebstahl oder tätlichen Angriffen, kann eine Kündigung aber auch ohne vorherige Abmahnung in Betracht kommen, weil hier das Vertrauensverhältnis so stark zerrüttet ist, dass eine Fortsetzung undenkbar erscheint.
Wer muss den „wichtigen Grund“ beweisen?
Die Beweislast für das Vorliegen eines wichtigen Grundes trägt die Partei, die die fristlose Kündigung ausspricht. Das bedeutet: Wenn Ihr Arbeitgeber Sie fristlos kündigt, muss er die Tatsachen beweisen, die seiner Meinung nach den wichtigen Grund darstellen. Dies können zum Beispiel Zeugenaussagen, Dokumente oder andere Nachweise sein, die den schwerwiegenden Vorfall belegen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Abberufung
Die Abberufung ist der förmliche Akt, durch den einem GmbH-Geschäftsführer seine Stellung als Organ der Gesellschaft entzogen wird. Dadurch verliert der Geschäftsführer seine Vertretungs- und Leitungsbefugnis gegenüber der Gesellschaft, die er zuvor aufgrund seiner Organstellung innehatte. Die Abberufung beendet also ausschließlich die Funktion als Geschäftsführer, nicht jedoch automatisch das vertragliche Anstellungsverhältnis. Beispiel: Ein Geschäftsführer wird von den Gesellschaftern abberufen und kann danach keine rechtsverbindlichen Entscheidungen für die GmbH mehr treffen, sein Arbeitsvertrag kann aber weiterlaufen.
Wichtigter Grund (§ 626 BGB)
Ein wichtiger Grund ist ein so schwerwiegender Sachverhalt, dass er eine fristlose Kündigung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses rechtfertigt. Nach § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) muss die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar sein. Dies wird durch eine umfassende Interessenabwägung im Einzelfall entschieden, bei der beispielsweise das Verhalten des Arbeitnehmers und die Folgen für beide Seiten berücksichtigt werden. Beispiel: Ein Arbeitnehmer, der einen Diebstahl begeht, erfüllt oft den Tatbestand eines wichtigen Grundes für eine sofortige Kündigung.
Fremdgeschäftsführer
Ein Fremdgeschäftsführer ist ein Geschäftsführer einer GmbH, der nicht zugleich Gesellschafter (Eigentümer) der Gesellschaft ist. Er übt seine Tätigkeit meist im Rahmen eines Dienstvertrags aus, ist aber im Unterschied zu einem Arbeitnehmer nicht zwangsläufig weisungsgebunden oder eingegliedert und hat daher in der Regel keinen Arbeitnehmerstatus. Er unterliegt dem unternehmerischen Weisungsrecht der Gesellschaft, das sich auf die strategische Ausrichtung beschränkt, nicht jedoch einem umfassenden Weisungsrecht über seine tägliche Arbeit. Beispiel: Ein externer Manager wird als Fremdgeschäftsführer eingestellt und entscheidet eigenständig, ohne dass ihm wie einem Angestellten genaue Arbeitsanweisungen gegeben werden.
Sic-Non-Fall
Ein Sic-Non-Fall bezeichnet eine besondere prozessuale Situation bei der Zuständigkeitsprüfung der Gerichte, in der die gerichtliche Zuständigkeit davon abhängt, ob ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal (hier das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses) bejaht wird. Das heißt, die Arbeitsgerichte sind zunächst zuständig, wenn der Kläger plausibel behauptet, Arbeitnehmer zu sein. Stellt sich im Prozess jedoch heraus, dass kein Arbeitsverhältnis besteht, endet das Verfahren mit einer Abweisung ohne weitere Prüfung der materiellen Ansprüche. Beispiel: Ein Geschäftsführer klagt auf Weiterbeschäftigung als Arbeitnehmer, die Arbeitsgerichte müssen nur klären, ob ein Arbeitsverhältnis besteht, bevor sie andere Punkte behandeln.
Weisungsgebundenheit
Weisungsgebundenheit bedeutet, dass eine Person in der Ausführung ihrer Tätigkeit den Anweisungen eines anderen (dem Arbeitgeber) unterliegt, etwa bezüglich Zeit, Ort und Art der Arbeit. Sie ist ein zentrales Merkmal des Arbeitsverhältnisses und zeigt eine persönliche Abhängigkeit. Fehlt diese Weisungsgebundenheit, spricht das gegen das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses. Beispiel: Ein Angestellter muss sich an die Arbeitszeitvorgaben und die Anweisungen seines Vorgesetzten halten, ein freier Dienstnehmer hingegen entscheidet oft selbst, wie und wann er seine Leistung erbringt.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 611a BGB (Arbeitsvertrag): Definiert das Arbeitsverhältnis als Verpflichtung zur Leistung von Arbeit in persönlicher Abhängigkeit und unter Weisungsgebundenheit des Arbeitgebers. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Entscheidend ist, ob der Kläger nach Abberufung noch als Arbeitnehmer mit Weisungsgebundenheit galt; das Gericht verneinte eine solche Abhängigkeit zum Zeitpunkt der Kündigung.
- § 626 BGB (Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund): Regelt die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung, die einen wichtigen Grund erfordert, wenn die Fortsetzung des Vertrags unzumutbar ist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die fristlose Kündigung des Geschäftsführers setzte einen wichtigen Grund voraus, wurde aber nicht materiell von den Arbeitsgerichten geprüft, da kein Arbeitsverhältnis bestand.
- Kündigungsschutzgesetz (KSchG): Bietet Arbeitnehmern Schutz vor sozial ungerechtfertigten Kündigungen und gilt ausschließlich für Arbeitnehmer. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das KSchG kam nicht zur Anwendung, weil das LAG keinen Arbeitnehmerstatus des Klägers anerkannt hat.
- Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), insbesondere § 102 (Anhörung des Betriebsrats): Regelt Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, insbesondere vor Kündigungen von Arbeitnehmern; gilt nicht für Geschäftsführer. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die fehlende Anhörung des Betriebsrats wurde vom Gericht nicht als Verstoß gewertet, da kein Arbeitnehmerstatus bestand.
- Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), §§ 1, 7 und § 2 Abs. 4: Verbietet Diskriminierungen, auch wegen Alters, und findet auf Kündigungen von Arbeitnehmern Anwendung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das LAG sah keine Altersdiskriminierung bei der Kündigung, da diese auf verhaltensbedingte Gründe gestützt wurde und kein Arbeitnehmerstatus vorlag.
- § 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) in Verbindung mit § 65 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG): Begrenzen die Überprüfung der Rechtswegzuständigkeit durch das Berufungsgericht auf Fälle, in denen bereits eine Vorinstanz entschieden hat. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das LAG bestätigte die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für die Klärung des Arbeitnehmerstatus im so genannten „sic-non“-Fall und wies den Verweisungsantrag zurück.
Das vorliegende Urteil
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 5 SLa 39/24 – Urteil vom 22.08.2024
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