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Fristgerechte Kündigung – versehentlich zu lang gewählte ordentliche Kündigungsfrist

Landesarbeitsgericht Hamm – Az.: 10 Sa 122/21 – Urteil vom 16.06.2021

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 18. November 2020 – 2 Ca 250/20 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz allein noch um die Dauer der einzuhaltenden ordentlichen Kündigungsfrist.

Die Klägerin war seit dem 1. Oktober 2014 bei der Beklagten als Haushaltshilfe eingestellt und erhielt eine monatliche Vergütung in Höhe von 910,74 EUR brutto.

In dem Arbeitsvertrag der Parteien vom 8. September 2014 ist unter § 8 die Geltung der gesetzlichen Kündigungsfristen vereinbart.

Nachdem am Vormittag des 12. Februar 2020 zum wiederholten Male verschiedene Wertgegenstände aus dem Haushalt der Beklagten abhandengekommen sein sollen, verdächtigt die Beklagte die Klägerin des Diebstahls.

Aus diesem Grund kündigte sie mit Schreiben vom 14. Februar 2020 mit folgendem Wortlaut:

„Hiermit kündige ich das zwischen uns bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos, hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Termin, das ist der 30. April 2020.“

Gegen die Kündigung setzt sich die Klägerin mit der am 6. März 2020 beim Arbeitsgericht Herford eingegangenen Klage zur Wehr.

Sie hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, es mangele an einem wichtigen Grund für den Ausspruch der fristlosen Kündigung, da sie keinen Diebstahl begangen habe.

Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung könne nur so ausgelegt werden, dass das Arbeitsverhältnis erst zum 30. April 2020 beendet würde.

Die Klägerin hat unter Klagerücknahme im Übrigen beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die arbeitgeberseitige außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 14. Februar 2020, zugegangen am selben Tag, zum 14. Februar 2020 beendet wurde, sondern zu unveränderten Bedingungen bis zum 30. April 2020 fortbestand.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, allein die Klägerin komme als Täterin in Betracht, so dass die fristlose Kündigung als Tatkündigung wegen Diebstahls wirksam sei.

Sofern es auf die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung ankäme, sei das Arbeitsverhältnis bereits mit Ablauf des 15. März 2020 beendet, da die verlängerten Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 BGB in Privathaushalten keine Anwendung fänden. Den Willen zur frühestmöglichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses hätte die Beklagte mit der Formulierung des Kündigungsschreibens deutlich zum Ausdruck gebracht.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 18. November 2020 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 14. Februar 2020 sein Ende gefunden hat, da es der Beklagten nicht gelungen sei darzulegen und zu beweisen, dass die Klägerin tatsächlich die behaupteten Diebstähle begangen habe.

Mangels Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes sei das Arbeitsverhältnis aufgrund der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung beendet, wobei das Kündigungsschreiben dahingehend auszulegen sei, dass der Beendigungstermin trotz der sich aus § 622 BGB ergebenden Kündigungsfrist nicht der 15. März 2020, sondern erst der 30. April 2020 sei.

Gegen dieses ihr am 14. Dezember 2020 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14. Januar 2021 Berufung beim Landesarbeitsgericht Hamm eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis zum 15. März 2021 am 15. März 2021 begründet.

Die Beklagte greift in der Berufung lediglich noch den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 15. März 2020 hinaus an. Sie hält die vom Arbeitsgericht vorgenommene Auslegung für rechtsfehlerhaft. Vordringlich und auch für die Klägerin erkennbar habe die Beklagte das Arbeitsverhältnis so früh wie möglich beenden wollen, nicht zuletzt, da für sie nach wie vor der Verdacht des Diebstahls gegen die Klägerin im Raum stehe. Die rechtsirrige Nennung des Datums 30. April 2020 stelle eine reine Wissenserklärung dar, die diesen Willen nicht entfallen lasse. Vielmehr müsse die Auslegung, sofern sie über den reinen Wortlaut hinausgehe, zu dem Ergebnis führen, dass die Beklagte die vereinbarte, gesetzliche Kündigungsfrist gemeint habe, die dem 15. März 2020 entspreche. Sollte überhaupt ein Vertrauensschutz zu Gunsten der Klägerin anzunehmen seien, habe dieser hinter den erkennbaren Interessen der Beklagten zurückzustehen. Die sich aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 11. Juni 2020 zur Nichtanwendbarkeit des § 622 Abs. 2 BGB in Privathaushalten anzuwendenden Grundsätze habe das Arbeitsgericht nicht auf den zu entscheidenden Fall übertragen, denn das Bundesarbeitsgericht habe den Schutz des Arbeitgebers aus Art. 13 GG über die Interessen des Arbeitnehmers an einer verlängerten Kündigungsfrist gestellt. Überhaupt sei das Bundesarbeitsgericht bei der Auslegung von Kündigungen wohlwollend gegenüber den Arbeitgebern, was doch erstrecht gelten müsse, falls diese versehentlich eine längere statt kürzere Kündigungsfrist wählten. Es stelle auch einen Wertungswiderspruch dar, dass eine nur fristlos ausgesprochene Kündigung in eine fristgerechte Kündigung zum 15. März 2020 hätte umgedeutet werden können, die sogar hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung zum nächstmöglichen Termin jedoch erst zum 30. April 2020 Wirkung entfalten sollte.

Die Beklagte beantragte, das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 18. November 2020, 2 Ca 250/20 teilweise abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 15. März 2020 hinaus bis zum 30. April 2020 festgestellt wurde.

Die Klägerin beantragte, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Nach dem Empfängerhorizont der Klägerin sei die hilfsweise ordentliche Kündigung nur so zu verstehen, dass das Arbeitsverhältnis zum 30. April 2020 ende. Wenn es schon der vermeintlich vor Ausspruch der Kündigung juristisch beratenen Beklagten nicht gelungen sei, das korrekte Beendigungsdatum zu benennen, sei es erstrecht für die Klägerin nicht zu ermitteln. Es sei ohnehin davon auszugehen, dass der Kündigungstermin seinerzeit bewusst und gewollt von der Beklagten genannt wurde; der sich in dem späteren Urteil zeigende Fehler könne nun nicht zu Lasten der Klägerin gehen. Die Beklagte habe einen Vertrauenstatbestand für eine Beendigung zum 30. April 2020 geschaffen.

Entscheidungsgründe

Fristgerechte Kündigung - versehentlich zu lang gewählte ordentliche Kündigungsfrist
(Symbolfoto: Orathai Mayoeh/Shutterstock.com)

A.  Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG) sowie in gesetzlicher Form und auch fristgerecht eingelegt worden (§ 519 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG). Ferner ist sie fristgerecht (§ 66 Abs. 1 ArbGG) sowie ordnungsgemäß (§ 520 Abs. 3 ZPO i.Vm. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG) begründet worden. Sie ist damit zulässig.

B.  Die Berufung ist jedoch unbegründet.

I.  Die von der Beklagten am 14. Februar 2020 ausgesprochene Kündigung hat das Arbeitsverhältnis erst mit Ablauf des 30. April 2020 beendet, wie das Arbeitsgericht zutreffend entschieden hat.

1.  Die Unwirksamkeit der primär ausgesprochenen fristlosen Kündigung vom 14. Februar 2020 steht zwischen den Parteien nicht mehr im Streit. Die Beklagte hat die erstinstanzliche Entscheidung insoweit ausdrücklich nicht angegriffen.

2.  Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten wurde das Arbeitsverhältnis durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung jedoch nicht bereits zum 15. März 2020, sondern erst zum 30. April 2020 aufgelöst.

a)  Arbeitsvertraglich haben die Parteien die Geltung der gesetzlichen Kündigungsfristen vereinbart und nicht etwa abweichende Regelungen getroffen.

Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom 11.06.2020, 2 AZR 660/19, die nach Auffassung der Kammer einschlägig ist und die im Kern auch beide Parteien als zutreffend erachten, steht nunmehr fest, dass die gemäß § 622 Abs. 2 BGB verlängerten Kündigungsfristen in privaten Haushalten keine Anwendung finden, so dass die vier Wochen zum 15. März 2020 tatsächlich die nach dem Gesetz einzuhaltende Kündigungsfrist wären.

b)  Etwas anderes ergibt sich jedoch daraus, dass die Beklagte in ihrem Kündigungsschreiben nicht nur hilfsweise die ordentliche Kündigung zum nächstmöglichen Termin aussprach, sondern explizit den 30. April 2020 als Kündigungstermin für diese Kündigung nannte. Die Auslegung des Kündigungsschreibens führt zu dem Ergebnis, dass damit die vorsorglich ausgesprochene ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis erst zu diesem genannten Datum beenden konnte.

aa)  Die von der Beklagten übermittelte Kündigung ist als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung einer Auslegung zugänglich und hinsichtlich des Kündigungstermins auch auslegungsbedürftig.

Bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses handelt es sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, deren Inhalt im Zweifel durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB auszulegen ist. Bei der danach vorzunehmenden Auslegung ist zu ermitteln, wie der Empfänger der Kündigungserklärung diese aufgrund des aus der Erklärung erkennbaren Willens des Kündigenden unter Berücksichtigung der Verkehrssitte und der Grundsätze von Treu und Glauben vernünftigerweise verstehen konnte. Ziel der Auslegung ist die Ermittlung ihrer objektiven, normativen Bedeutung, die beide Parteien gegen sich gelten lassen müssen. Dabei ist sowohl die Verständigungsmöglichkeit des Empfängers als auch das Interesse des Erklärenden daran zu berücksichtigen, dass sich der Empfänger darum bemüht, die Erklärung nicht miss zu verstehen. Der Empfänger darf sich nicht einfach auf den wörtlichen Sinn der Erklärung verlassen, sondern muss seinerseits unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände, die dafür von Bedeutung sein können, danach trachten, das Gemeinte zu erkennen. Die Auslegung hat sich dabei nach dem Grundsatz auszurichten, dass im Zweifel das gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der so verstandenen Interessenlage entspricht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muss eine Kündigung als empfangsbedürftige Willenserklärung so bestimmt sein, dass der Empfänger Klarheit über die Absichten des Kündigenden erhält. Der Kündigungsadressat muss erkennen können, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis aus Sicht des Kündigenden beendet sein soll.

Eine Kündigung „zum nächstzulässigen Termin“ ist möglich, wenn dem Erklärungsempfänger die Dauer der Kündigungsfrist bekannt oder für ihn bestimmbar ist (BAG 20. Juni 2013, 6 AZR 805/11, Rn. 15). Eine solche Kündigung ist typischerweise dahin zu verstehen, dass der Kündigende die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu dem Zeitpunkt erreichen will, der sich bei Anwendung der einschlägigen gesetzlichen, tarifvertraglichen und/oder vertraglichen Regelungen als rechtlich frühestmöglicher Beendigungstermin ergibt. Der vom Erklärenden gewollte Beendigungstermin ist damit objektiv eindeutig bestimmbar. Dies ist jedenfalls dann ausreichend, wenn die rechtlich zutreffende Frist für den Kündigungsadressaten leicht feststellbar ist und nicht umfassende tatsächliche Ermittlungen oder die Beantwortung schwieriger Rechtsfragen erfordert (BAG 10. April 2014, 2 AZR 647/13, Rn. 17; 23. Mai 2013, 2 AZR 54/12, Rn. 49).

Wird eine ordentliche Kündigung nicht isoliert erklärt, sondern nur hilfsweise für den Fall der Unwirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung, ist der Kündigungsempfänger nicht im Unklaren darüber, wann das Arbeitsverhältnis nach Vorstellung des Kündigenden enden soll. Die Beendigung soll offensichtlich bereits mit Zugang der fristlosen Kündigung erfolgen. Der Kündigungsempfänger muss und kann sich in seinem praktischen Handeln auf diesen Beendigungszeitpunkt einstellen. Unter diesen Umständen kommt es nicht darauf an, ob es ihm ohne Schwierigkeiten möglich ist, die Kündigungsfrist der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung zu ermitteln (BAG 20. Januar 2016, 6 AZR 782/14, Rn. 18; BAG 23. Mai 2013, 2 AZR 54/12, Rn. 50).

Das Abstellen auf die Erklärung der fristlosen Kündigung vermeidet zudem einen Wertungswiderspruch zur Möglichkeit der Umdeutung einer außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung zum nächstzulässigen Termin, denn bei einer solchen wäre die ordentliche Kündigung nicht mangels Angabe der Kündigungsfrist bzw. des Kündigungstermins unwirksam (BAG 20. Januar 2016, 6 AZR 782/14, Rn. 18).bb)  Nach Maßgabe obiger Grundsätze, denen sich die Kammer anschließt, ist daher zunächst festzuhalten, dass aus dem Wortlaut des Kündigungsschreibens für die Klägerin als Empfängerin grundsätzlich das Ziel der Beklagten deutlich wird, den bestehenden Arbeitsvertrag frühestmöglich zu beenden.

Auf etwaige Schwierigkeiten der Klägerin, vor dem Hintergrund der zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung umstrittenen Rechtsfrage nach der Anwendbarkeit des § 622 Abs. 2 BGB auf Privathaushalte die Dauer der gesetzlichen Kündigungsfrist zu ermitteln, kommt es angesichts der vorrangig ausgesprochenen fristlosen Kündigung nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht an.

Im Ansatz nachvollziehbar ist daher auch die Argumentation der Beklagten, ihr nach außen kenntlich gemachter Wille fände nach dem Urteil des Arbeitsgerichts keine Beachtung und bedeute eine ungerechtfertigte Schlechterstellung gegenüber Arbeitgebern, die allein fristlos kündigen und deren Kündigungsschreiben dann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in eine ordentliche Kündigung zum korrekten Termin umgedeutet würde.

cc)  Allerdings verfängt diese Argumentation im Ergebnis nicht für die Frage, wie sich die ausdrückliche Benennung des 30. April 2020 für den Fall des Eingreifens der vorsorglichen, ordentlichen Kündigung auswirkt. Zu dieser Frage verhalten sich im Übrigen die oben zitierten Urteile des Bundesarbeitsgerichts auch gar nicht.

Aus Sicht der Kammer stellt vorliegend die explizite Benennung des Datums bei der Auslegung den überwiegenden Gesichtspunkt dar.

Im Rahmen der Auslegung einer Kündigung sind stets der präzise Wortlaut, die Begleitumstände und der konkrete Einzelfall zu berücksichtigen.

(1)  Es ist nun einmal so, dass die Beklagte ausdrücklich den 30. April 2020 als den nächstmöglichen Kündigungstermin nannte. Auch wenn es sich bei dieser Erklärung um eine reine Wissenserklärung handeln sollte, die sich auf den „nächstmöglichen Termin“ bezieht und nicht isoliert betrachtet werden dürfte, so kann die konkrete Datumsangabe nicht einfach ausgeblendet werden, wie es nach Lesart der Beklagten geschehen sollte. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall eben im entscheidenden Punkt von den Kündigungsschreiben, in denen gerade kein Datum genannt wird.

Auch wenn die Beklagte die daraus resultierende Schlechterstellung als ungerecht empfindet, da sie sich mit der vorsorglichen Erklärung einer ordentlichen Kündigung zum nächstmöglichen Termin gerade rechtstreu verhalten wollte, so kommt es für die nach dem Empfängerhorizont vorzunehmende Auslegung eben ganz entscheidend auf den Wortlaut und seine Interpretation an. Vereinfacht formuliert: Dort wo kein Kündigungsdatum genannt ist, kann auch weder eine berechtigte Fehlvorstellung der Arbeitnehmerin noch ein schützenswertes Vertrauen auf die Erklärung der Arbeitgeberin entstehen. Ist hingegen ein Datum genannt, kann dies nicht später einfach so wieder revidiert werden.

rechtlich der 15. März 2020 wäre, hingegen der 30. April 2020 ausdrücklich genannt wird.

An dieser Stelle ist – wie vom Arbeitsgericht letztlich vorgenommen – die Auslegung dahin vorzunehmen, wie der Wortlaut des Kündigungsschreibens aus Sicht des Empfängerhorizonts verstanden werden muss. Es geht schlicht um die Frage, ob die Benennung „des nächstmöglichen Termins“ oder aber des konkreten Datums im vorliegenden Einzelfall dem korrekten Auslegungsergebnis entspricht.

Nach der Rechtsprechung Bundesarbeitsgerichts steht das Bestimmtheitsgebot einer Auslegung der Kündigungserklärung zu einem anderen Termin entgegen, falls eine ordentliche Kündigung ohne weiteren Zusatz zu einem bestimmten Datum erklärt worden ist, da es nicht die Aufgabe des Arbeitnehmers sei, darüber zu rätseln, zu welchem anderen als in der Kündigungserklärung angegebenen Termin der Arbeitgeber die Kündigung gewollt haben könnte (BAG 1. September 2010, 5 AZR 700/09, Rn. 27). Eine Kündigung ist zudem aber auch dann nicht mehr auslegungsfähig und nicht mehr hinreichend bestimmt (mithin insgesamt unwirksam!), wenn in der Erklärung mehrere Termine für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses genannt werden und für den Erklärungsempfänger nicht erkennbar ist, welcher Termin schlussendlich gelten soll (BAG 20. Juni 2013, 6 AZR 805/11, Rn. 15).

Ersetzt man gedanklich also in dem Kündigungsschreiben vom 14. Februar 2020 die Wendung „zum nächstmöglichen Termin“ durch den nach dem Gesetz korrekten Termin des 15. März 2020, so ergäbe sich ein Widerspruch, der letztlich nur in Richtung des 30. April 2020 sachgerecht aufzulösen ist. Eine Auslegung dahingehend, das Arbeitsverhältnis ende allein zum 15. März 2020 lässt sich angesichts der weiteren Wendung „das ist der 30. April 2020“ nicht vertreten. Eine Kündigung mit zwei Alternativterminen würde nach der oben skizzierten Rechtsprechung die Klägerin und die gesamte Kündigung mangels Bestimmtheit unwirksam werden lassen, was erkennbar erstrecht nicht dem tatsächlichen Willen der Beklagten entsprechen kann und auch kein sachgerechtes Auslegungsergebnis darstellt.

(3)  Auch wenn die Klägerin natürlich wusste, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis möglichst unmittelbar durch die fristlose Kündigung beenden wollte, ihr Wille also insoweit bestens bekannt war, ändert dies nach Auffassung der Kammer nichts daran, dass die Klägerin gleichwohl das Kündigungsschreiben (nur) so verstehen musste, dass das Arbeitsverhältnis zum 30. April 2020 sein Ende finden soll, falls die Klägerin aus welchen Gründen auch immer mit ihrer außerordentlichen fristlosen Kündigung nicht durchdringen sollte.

Allen bisher ergangenen Entscheidungen ist – soweit ersichtlich – gemein, dass der Arbeitgeber entweder gar keine Kündigungsfrist bzw. keinen -termin nannte oder aber einen solchen, bei dem die Kündigungsfrist letztlich zu kurz gewählt war.

Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt nun darin, dass die Beklagte hier (noch in Unkenntnis der vom Bundesarbeitsgericht neuerdings angenommenen Rechtslage) zu ihren Lasten einen Kündigungstermin mit zu langer Kündigungsfrist nannte, an dem sie sich nun nicht mehr festhalten lassen möchte, da sie – insoweit unstreitig und unzweifelhaft – die Beendigung des Arbeitsverhältnisses so schnell wie möglich anstrebte. Hintergrund für die vom Beklagtenvertreter angeführte arbeitgeberfreundliche Auslegung von Kündigungsschreiben in den bisher entschiedenen Fällen war stets der unterstellte Wille des Arbeitgebers, sich bei Ausspruch einer als ordentlich und fristgerecht bezeichneten Kündigung rechtskonform verhalten zu wollen (Kamanabrou, SAE 2007, 141, 142). Diese Argumentation ist aber auf die vorliegende Sachverhaltskon-stellation nicht dergestalt übertragbar, dass ein erkennbarer Wille dahingehend bestünde, sich „nur“ rechtskonform verhalten zu wollen und etwaige Zugeständnisse an die Arbeitnehmerin stets auszuschließen. Dies ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt, dass vorrangig eine fristlose Kündigung ausgesprochen wurde, da nunmehr nicht mehr diese im Fokus steht, sondern die Frage zu klären ist, was die Beklagte hilfsweise zum Ausdruck bringen wollte.

Die bisherigen Auslegungsergebnisse das Bundesarbeitsgerichts führten dazu, dass zwar arbeitgeberfreundlich eine gänzliche Unwirksamkeit der Kündigung entweder durch Auslegung abgelehnt oder aber durch Umdeutung gemäß § 140 BGB wieder „gerettet“ werden konnte, gleichwohl der Arbeitnehmer eine Verbesserung in Form eines verlängerten Bestandsschutzes erfuhr. Nach dem Verständnis der Beklagten hingegen würde die Klägerin eine Verschlechterung erfahren, da sie trotz der Nennung des 30. April 2020 eine auf den ersten Blick gerade nicht erkennbare Verkürzung der Kündigungsfrist um rund sechs Wochen auf den 15. März 2020 hinnehmen müsste. Dies ist mit dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes sowie auch der Konzeption des Arbeitsrechts als Arbeitnehmerschutzrecht nicht in Einklang zu bringen.

Auch die Begleitumstände streiten insoweit für die Klägerin. Zutreffend wies das Arbeitsgericht darauf hin, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zu der Problematik der Anwendbarkeit des § 622 Abs. 2 BGB in Privathaushalten noch gar nicht in der Welt war, sondern erst vier Monate später verkündet wurde. Für die Auslegung ist es unerheblich, dass sich die objektive Gesetzeslage zwischen Zugang der Kündigung und Verkündung der BAG-Entscheidung nicht verändert hat. Zu Recht mutmaßt die Klägerin, dass die Beklagte bei Ausspruch der Kündigung bewusst die Erklärung abgab, die sie auch abgeben wollte. Noch im Schriftsatz vom 29. Juni 2020 (Bl. 57 d.A.) berief sich die Beklagte auf eine ordentliche Kündigungsfrist zum 30. April 2020 und machte somit ihren wirklichen Willen aktenkundig, ehe sie dann mit Schriftsatz vom 10. November 2020 (Bl. 91 d.A.) auf die Entscheidung vom 11. Juni 2020 verwies. Nun ist es zwar weder verwerflich noch treuwidrig, wenn die Beklagte versucht, das später ergangene Urteil des Bundesarbeitsgerichts zu ihren Zwecken ins Feld zu führen; bei der Auslegung kommt es jedoch auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung und die Sicht des Empfängers an. Hier bleibt es bei dem 30. April 2020 als ausschlaggebendes Datum.

(4)  Etwas anderes ergibt sich im Übrigen auch nicht aus den Entscheidungsgründen des Urteils vom 11. Juni 2020. Soweit die schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers im Hinblick auf Art. 13 GG erörtert wurden, machte der Senat in den dortigen Rn. 19 ff. allgemeine Ausführungen zum Schutzzweck des § 622 BGB bzw. prüft die Herausnahme der Privathaushalte aus dem Anwendungsbereich des § 622 Abs. 2 BGB auch im Lichte des Grundgesetzes. In dem dortigen Fall waren im Übrigen sogar zu Gunsten jener Klägerin einzelvertraglich längere als die gesetzlichen Kündigungsfristen vereinbart, deren Einhaltung jedoch unproblematisch war. Das Urteil enthält hingegen keine Ausführungen zur Einzelfallauslegung eines Kündigungsschreibens.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

II.  Die Beklagte als unterliegende Partei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, § 97 ZPO.

Gründe für die Revisionszulassung sind nicht ersichtlich, da es um die Einzelfallentscheidung zur Auslegung eines Kündigungsschreibens ging, und die Kammer bei ihrer Entscheidungsfindung nicht von den Grundsätzen des Bundesarbeitsgerichts zur Auslegung von Kündigungen abwich.

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