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Fristlose Arbeitnehmerkündigung – falsche Versicherung an Eides statt

Landesarbeitsgericht Düsseldorf – Az.: 10 Sa 628/16 – Urteil vom 25.11.2016

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 30.06.2016 – 2 Ca 7/16 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses.

Der am 16.12.1977 geborene Kläger ist seit 01.06.2004 bei der beklagten Stadt, die weit mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, als Müllwerker gegen ein Bruttoentgelt von zuletzt EUR 2.400,00 monatlich tätig. Er ist unverheiratet, lebt im Gemeindegebiet der beklagten Stadt und hat zwei unterhaltsberechtigte Kinder (Sohn und Tochter). Beide Kinder leben bei ihren jeweiligen Müttern.

Als örtlich zuständiger Träger der Sozialhilfe i.S.d. SGB XII gewährte die Beklagte dem Sohn des Klägers ab Mai 2013 ergänzende Sozialhilfeleistungen. In diesem Zusammenhang verschickte sie an die damalige Wohnanschrift des Klägers auf der I. straße 25 eine auf den 27.05.2013 datierende Mitteilung, mit der sie ihm die Gewährung von Sozialhilfeleistungen an seinen Sohn gemäß § 94 Abs. 4 Satz 1 SGB XII schriftlich anzeigte und ihn zur Erstattung aufforderte (sog. Rechtswahrungsanzeige). Ob dem Kläger die gegen Übergabeeinschreiben zugesandte Anzeige zuging, ist unter den Parteien bis zuletzt streitig.

Zum 30.06.2014 zog der Kläger innerhalb des Gemeindegebiets von der I. straße 25 zur I. straße 70 um und meldete dies u.a. auch der Beklagten. An der neuen Adresse existierte kein separater Briefkasten für den Kläger. Vielmehr wurde die Post für alle Bewohner des Mehrfamilienhauses durch einen Schlitz eingeworfen und landete sämtlich im Hausflur.

Da der Kläger auf die Rechtswahrungsanzeige vom 27.05.2013 nebst Zahlungsaufforderung nicht gezahlt hatte, leitete die Beklagte beim zuständigen Amtsgericht Hagen das Mahnverfahren ein. Der Kläger legte gegen den am 30.07.2014 zugestellten Mahnbescheid keinen Widerspruch ein. Daraufhin erging unter dem 22.08.2014 Vollstreckungsbescheid über einen Gesamtbetrag von EUR 3.346,80, gegen den der Kläger zunächst ebenfalls keinen Einspruch einlegte. Dies geschah erst mit Schreiben vom 20.10.2014, mit dem der Prozessbevollmächtigte des Klägers sogleich auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen schuldloser Fristversäumnis beantragte. Zur Glaubhaftmachung legte er eine vom Kläger unterzeichnete, auf den 20.10.2014 datierende eidesstattliche Versicherung vor, in der dieser unter anderem erklärte:

„Ich kann definitiv ausschließen, dass in den zu meiner Wohnung gehörenden Briefkasten seitens des AG Hagen Briefe eingelegt wurden. Dies wäre mir sicherlich gut in Erinnerung, da mir seitens des Rechtsanwalts gesagt wird, dass grundsätzlich Mahn- und Vollstreckungsbescheidsanträge förmlich zugestellt werden. Eine solche förmliche Zustellung hab ich nicht vorgefunden.

Ich habe erstmals davon erfahren, dass gegen mich ein Verfahren seitens der Stadt Dinslaken beim AG Hagen anhängig ist durch die Rechnung der Oberjustizkasse Hamm vom 02.10.2014, worauf hin ich mich sofort an Herrn RA T. gewandt habe.“

Das nunmehr zuständige Amtsgericht Dinslaken/Familiengericht gewährte dem Kläger mit Beschluss vom 05.02.2015 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und hob den Vollstreckungsbescheid mit Beschluss vom 04.09.2015 – abgesehen von einem geringen Teilbetrag von EUR 180,00 – auf. Den Antrag der Beklagten, den Vollstreckungsbescheid in voller Höhe aufrechtzuerhalten, wies das Amtsgericht mit der Begründung zurück, dass die Beklagte für den Zugang der Rechtswahrungsanzeige beweisfällig geblieben sei. Die Beklagte entschied sich, gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Dinslaken Beschwerde beim OLG Düsseldorf einzulegen und bemühte sich beim Mahngericht um Nachweise über die Zustellung von Mahn- und Vollstreckungsbescheid. Hieraufhin erhielt sie vom Amtsgericht Hagen am 14.10.2015 den die Mahnsache betreffenden Aktenausdruck gemäß §§ 696 Abs. 2 ZPO. Ausweislich dieses Aktenausdrucks, wegen dessen vollständigem Inhalt auf die von Beklagtenseite mit Schriftsatz vom 22.12.2015 als Anlage 6 vorgelegte Kopie verwiesen wird, wurden beide Bescheide jeweils gegen Zustellungsurkunde unter der neuen Adresse des Klägers auf der I. straße 70 zugestellt. In den Urkunden gab der Postbedienstete jeweils an, dass er das zuzustellende Schriftstück „in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung eingelegt“ habe, „weil die Übergabe in der Wohnung/in dem Geschäftsraum nicht möglich gewesen“ sei.

Am 15.10.2015 informierte der Leiter des Rechtsamtes, dem die persönlichen Verhältnisse des Klägers sowohl aus einem im Jahre 2013 geführten Arbeitsgerichtsprozess als auch aufgrund seiner Funktion als Leiter der bei dem Rechtsamt angesiedelten sog. Unterhaltsheranziehungsabteilung bekannt waren, die Personalabteilung über dessen Verhalten in dem familiengerichtlichen Verfahren, den Erhalt der Zustellungsnachweise vom Mahngericht und seine Einschätzung zu den arbeitsgerichtlichen Möglichkeiten. Der Kläger wurde zu dem Vorgang am 20.10.2015 angehört. Er bestritt die Vorwürfe der falschen Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung sowie des Verdachts eines Prozessbetruges. Nach dem Gespräch wurde der Kläger mit sofortiger Wirkung freigestellt.

Mit Schreiben vom 20.10.2015 hörte die Beklagte den Personalrat zur beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers an. Nachdem dieser mit Schreiben vom 21.10.2015 mitgeteilt hatte, keine Stellungnahme abgeben zu wollen, erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 21.10.2015, welches dem Kläger per Boten am 22.10.2015 zugestellt wurde, die außerordentliche und fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2016.

Gegen diese Kündigung hat der Kläger mit Schriftsatz vom 10.11.2015, eingegangen beim Arbeitsgericht am gleichen Tage, die streitgegenständliche Kündigungsschutzklage erhoben.

Während des laufenden Kündigungsschutzprozesses fand in dem auf die Beschwerde der Beklagten beim OLG Düsseldorf anhängigen Rechtsstreit am 16.12.2015 eine mündliche Verhandlung statt, in deren Verlauf der Kläger die Forderung der Beklagten im Wesentlichen anerkannte. Wegen des Verlaufs der Verhandlung und der vom Kläger bezüglich der ihm vorgehaltenen Rechtswahrungsanzeige abgegebenen Erklärungen wird auf die von Beklagtenseite mit Schriftsatz vom 11.01.2016 als Anlage 15 vorgelegte Kopie des Protokolls der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Unter dem 12.02.2016 hat die Beklagte eine weitere fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen, die sie mit dem Vorwurf des Prozessbetruges im hiesigen Verfahren begründet. Die vom Kläger gegen diese Kündigung erhobene Kündigungsschutzklage ist beim Arbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 2 Ca 418/16 anhängig.

Im hiesigen Kündigungsschutzverfahren hat der Kläger die Auffassung vertreten, die Beklagte habe unter rechtswidriger Verwendung ihres Sonderwissens aus Personal- und Dienstangelegenheiten die besonderem Datenschutz unterlägen und der Kenntnis aus einem nicht öffentlichen, familienrechtlichen Verfahren einen Kündigungsgrund konstruiert. Eine wie auch immer geartete private Unterhaltsverpflichtung betreffe nicht seine Tätigkeit bei der Beklagten. Es sei nicht erkennbar, inwieweit das ihm von der Beklagten vorgeworfene Verhalten – seine Richtigkeit unterstellt – Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis haben sollte. Tatsächlich habe er weder eine falsche eidesstattliche Erklärung abgegeben noch einen Prozessbetrug versucht. Weder den Mahn- noch den Vollstreckungsbescheid habe er erhalten. Dass gegen ihn ein Verfahren beim Mahngericht anhängig gewesen sei, habe er erst durch die Rechnung der Justizkasse Hamm vom 02.10.2014 erfahren. Nach dem Akteninhalt wolle der Zusteller das Schreiben in den Briefkasten eingelegt haben. Zur fraglichen Zeit habe es an seiner neuen Wohnung aber keinen Briefkasten gegeben, sondern nur einen Briefschlitz in der Haustür des Mehrfamilienhauses. Der Einwurf in einen unbeschrifteten Briefschlitz begründe jedoch keine Zustellung. Die Frage der Zustellung von Mahn- und Vollstreckungsbescheid sei für das OLG Düsseldorf kein Thema gewesen. Während der dortigen mündlichen Verhandlung sei vielmehr ausschließlich erörtert worden, ob und zu welchem Zeitpunkt der Kläger die Rechtswahrungsanzeige vom 27.05.2013 erhalten habe. In diesem Zusammenhang habe er zwar auf Nachfrage des Senats mehrfach bestätigt, das ihm vorgehaltene Schreiben zu kennen. Hieraus habe das Gericht – fälschlich – geschlossen, dass ihm das fragliche Schreiben auch zugegangen sei. Tatsächlich habe er nicht den Empfang der Rechtswahrungsanzeige vom 27.05.2013 bestätigen wollen, sondern lediglich, ein Schreiben mit einem solchen Inhalt früher schon einmal erhalten zu haben. Auf das konkrete Datum habe er bei der Inaugenscheinnahme des ihm vom Gericht vorgehaltenen Schriftstücks nicht geachtet. Das Anerkenntnis habe er auf Anraten seines Prozessvertreters erklärt, weil dieser ihm erläutert habe, dass er von seinen Erklärungen wohl nicht „weg komme“. Sein Prozessvertreter habe gegenüber dem Vorsitzenden ausdrücklich erklärt, dass der Kläger das vorgelegte Schreiben zwar nicht kenne, sondern nur ein früheres, er sich aber gleichwohl daran festhalten lassen wolle.

Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten nicht durch die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 21.10.2015, zugegangen per Boten am 21.10.2015, beendet ist, sondern ungekündigt fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei rechtswirksam, weil der Kläger zum einen eine falsche eidesstattliche Versicherung zu ihrem Nachteil abgegeben habe und zum anderen der Verdacht eines Prozessbetruges bestehe, der nach der Verhandlung vor dem OLG Düsseldorf sogar als vollendeter Prozessbetrug zu werten sei. Mit seiner eidesstattlichen Versicherung suggeriere der Kläger, einen ganz gewöhnlichen Briefkasten zu besitzen, in den keine Post eingeworfen worden sei. In Wirklichkeit sei aber nur ein Briefschlitz vorhanden gewesen. Der Aussagegehalt in der eidesstattlichen Versicherung entspreche damit nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Er habe daher offenkundig das Familiengericht bewusst getäuscht, um die Wiedereinsetzung zu erreichen. Darüber hinaus dränge sich der Verdacht des Prozessbetruges geradezu auf. Mehrere Indizien deuteten auf den Erhalt der Rechtswahrungsanzeige hin, mit der Folge, dass der von der Beklagten verfolgte Unterhaltsanspruch der materiellen Rechtslage entspreche und durch den ablehnenden Beschluss des Familiengerichts bei ihr ein konkreter Schaden eingetreten sei. Die Kündigung erweise sich auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten als rechtmäßig, da eine mildere, angemessene arbeitsrechtliche Maßnahme nicht zur Verfügung gestanden habe. Das Vertrauensverhältnis der Parteien sei durch die Taten des Klägers derart belastet, dass eine Wiederherstellung nicht mehr erwartet werden könne. Ein vorsätzliches Vermögensdelikt in einer derartigen Größenordnung sei für die Beklagte völlig inakzeptabel. In diesem Zusammenhang sei unerheblich, ob die Schädigung auf dienstlichem oder außerdienstlichem Verhalten beruhe. Fakt sei, dass es dem Kläger bewusst gewesen sei, seiner Arbeitgeberin vorsätzlich erheblichen Schaden zuzufügen. Hinzu komme, dass der Kläger als Mülllader mit dem Bereich der Entsorgung in einem sensiblen Bereich der Daseinsvorsorge arbeite, der stets im öffentlichen Fokus stehe. Durch sein Verhalten habe er aber das Vertrauen der Beklagten in seine Ehrlichkeit zutiefst erschüttert. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrags der Beklagten wird auf deren erstinstanzliche Schriftsätze sowie die Darstellung ihres Vorbringens im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Mit Urteil vom 30.06.2016, auf dessen Entscheidungsgründe wegen der im Einzelnen zugrundeliegenden Erwägungen verwiesen wird, hat das Arbeitsgericht der Klage im Wesentlichen stattgegeben und darauf erkannt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 21.10.2015 weder außerordentlich und fristlos noch ordentlich zum Ablauf des 31.03.2016 beendet wurde. Abgewiesen hat das Arbeitsgericht die Klage lediglich insoweit, als der Kläger beantragt hatte festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis „ungekündigt fortbesteht“.

Außerordentlich und fristlos sei das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht beendet worden, weil der Kündigung vom 21.10.2015 kein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB zu Grunde liege.

Soweit die Beklagte die Kündigung mit der Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung seitens des Klägers begründe, sei zwar fraglich, ob eine vom Kläger ggf. falsch abgegebene eidesstattliche Versicherung im gegebenen Zusammenhang als eine unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers gerichtete schwerwiegende Handlung gewertet werden müsse. Immerhin habe sie zum Wiedereintritt in das Verfahren vor dem Familiengericht und dort infolge der Klageabweisung zumindest erstinstanzlich zu einem Schaden der Beklagten geführt. Dies könne jedoch dahinstehen, da nicht feststehe, dass der Kläger tatsächlich eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben habe. Denn die Beklagte habe nicht darlegt und bewiesen, dass dem Kläger der Vollstreckungsbescheid tatsächlich zugegangen sei. Sie könne auch nicht damit gehört werden, dass sich aus dem Inhalt der eidesstattlichen Versicherung selbst schon deren Unwahrheit ergebe. Zwar sei zuzugestehen, dass der Wortlaut der eidesstattlichen Versicherung, in der ausdrücklich auf einen vorhandenen Briefkasten Bezug genommen wird, nicht den wahren Begebenheiten entspreche. Dennoch sei dies nicht als eidliche Falschbeurkundung zu werten, die die Beklagte zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtige. Kerninhalt der eidesstattlichen Versicherung sei, dass dem Kläger der Vollstreckungsbescheid nicht zugegangen sei. Der Kläger formuliere ausdrücklich, dass er eine förmliche Zustellung nicht vorgefunden habe. Im Kammertermin habe er nachvollziehbar begründet, dass es sich um eine vorformulierte Erklärung seitens seines Prozessvertreters gehandelt habe, die dieser immer in dieser Form formuliere. Die Kammer bewerte die Formulierung als sehr unglücklich, jedoch nicht als falsch.

Soweit die Beklagte die Kündigung zudem mit dem dringenden Verdacht eines versuchten Prozessbetruges begründe, könne auch dies die Kündigung nicht rechtfertigen. Die Kündigung sei nach den objektiven Verhältnissen zum Zeitpunkt ihres Ausspruches zu bewerten. Zum Kündigungszeitpunkt, also am 21.10.2015, habe erst die Verhandlung vor dem Amtsgericht Dinslaken/Familiengericht stattgefunden. Zu diesem Zeitpunkt habe die Beklagte aufgrund der ihr bekannten Indizien nicht davon ausgehen können, dass der Kläger bewusst wahrheitswidrig erklärt habe, die Rechtswahrungsanzeige vom 27.05.2013 nicht erhalten zu haben. Bis dahin habe nicht der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung bestanden, sondern lediglich Indizien oder Vermutungen. Zwar sei es nachvollziehbar, dass die Beklagte Zweifel an den Aussagen des Klägers gehabt habe, da es zumindest verwundere, wenn mehrere Schreiben nicht zugestellt werden könnten. Daraus ergebe sich jedoch in keinster Weise denklogisch zwingend der fehlende Wahrheitsgehalt der klägerischen Aussage. Aufgrund der Briefkastensituation hätten die Schreiben tatsächlich verloren gegangen sein können. Die für eine Verdachtskündigung notwendigen starken Verdachtsmomente, die sich auf objektive Tatsachen gründen müssten, lägen daher nicht vor. Erst die Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf lasse den Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen, da der Kläger hier den Zugang der Rechtswahrungsanzeige eingeräumt habe. Dies sei der Beklagten aber zum Kündigungszeitpunkt nicht bekannt gewesen und könne deshalb in vorliegendem Prozess rückwirkend nicht berücksichtigt werden.

Auch durch die ordentliche Kündigung sei das Arbeitsverhältnis nicht beendet worden. Einen ordentlichen Kündigungsgrund habe die Beklagte nicht vorgetragen; ein solcher sei auch nicht ersichtlich.

Lediglich mit dem allgemeinen Feststellungsantrag sei die Klage kostenneutral abzuweisen gewesen, da bis auf die fristlose Kündigung vom 12.02.2016, die in dem Parallelverfahren 2 Ca 418/16 angegriffen worden sei, keine weitere Kündigung zwischen den Parteien streitig sei.

Mit ihrer form- und fristgemäß eingelegten Berufung wendet sich die Beklagte gegen dieses Urteil.

Das Arbeitsgericht habe die Beklagte rechtsfehlerhaft im Zusammenhang mit der Zustellung des Mahn- bzw. Vollstreckungsbescheides nicht damit gehört, dass sich aus dem Inhalt der eidesstattlichen Versicherung selbst schon deren Unwahrheit ergebe. Richtigerweise sei nicht nur ein Kerngehalt der eidesstattlichen Versicherung zu ermitteln, sondern deren Wortlaut im Einzelnen zu berücksichtigen. Denn bei der eidesstattlichen Erklärung handele es sich um eine Urkunde, die für sich zu betrachten sei und ihren isolierten Beweiswert habe. Die wörtliche Analyse der Urkunde ergebe, dass der Kläger falsche Angaben zu den örtlichen Gegebenheiten gemacht habe, nämlich, dass er damit behaupte, es gäbe einen zu seiner Wohnung gehörenden Briefkasten. Allein diese Unrichtigkeit begründe die Annahme einer falschen eidesstattlichen Versicherung. Damit habe der Kläger über die Voraussetzungen für seinen Antrag auf Einsetzung in den vorigen Stand getäuscht. Hier erkenne das Arbeitsgericht rechtsfehlerhaft nicht, dass allein dies zu einem versuchten Prozessbetrug führe. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei nicht entscheidend, ob der Beklagten durch den Wiedereintritt in das Verfahren zwingend ein Vermögensschaden entstanden sei. Allein der Versuch des Klägers reiche aus; im Übrigen würde auch eine Vermögensgefährung genügen. Subjektiv komme es einzig und allein auf die Absicht des Klägers an, eine für sich günstige prozessuale Ausgangslage zu erlangen und das Gericht in seiner Entscheidung zu täuschen.

Ebenfalls rechtsfehlerhaft gehe das Arbeitsgericht davon aus, dass der zugrunde liegende Sachverhalt nicht die Annahme des dringenden Verdachts eines Prozessbetruges rechtfertige. Es verkenne, dass mehrere schwerwiegende Indizien auf den Erhalt der Rechtswahrungsanzeige hindeuteten mit der Folge, dass der von der Beklagten verfolgte Unterhaltsanspruch der materiellen Rechtslage entspreche und damit durch den ablehnenden Beschluss des Familiengerichts ein konkreter Schaden eingetreten sei. Darüber hinaus gehe das Arbeitsgericht unzutreffend davon aus, dass nachträglich eingetretene Umstände für die gerichtliche Beurteilung insoweit von Bedeutung sein können, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt hätten, in einem neuen Licht erscheinen ließen. Der innere Zusammenhang zwischen dem hiesigen Prozessvortrag und den nachträglich bekannt gewordenen Umständen, konkret der Einräumung des Zugangs der Rechtswahrungsanzeige durch den Kläger, stehe in einem unmittelbaren inneren Zusammenhang. Die Beklagte habe nämlich erstinstanzlich vorgetragen, dass in der Regel bei nicht ordnungsgemäßen Zustellungen ein gesonderter Vermerk des Zustellers erfolge. An einem solchen fehle es im vorliegenden Fall. Dies sei nicht nur ein Indiz dafür, dass eine ordnungsgemäße Zustellung erfolgt sein müsse, sondern stelle eine Tatsache dar, die einen Rückschluss auf den tatsächlich zugrunde liegenden Sachverhalt zulasse. Es lasse sich damit der Regelsatz aufstellen, dass immer von einer ordnungsgemäßen Zustellung ausgegangen werden könne, wenn kein besonderer Vermerk des Zustellers erfolgt sei.

Bei zutreffender rechtlicher Bewertung hätte das Arbeitsgericht sich mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob das außerdienstliche Verhalten des Klägers die vorliegende Kündigung rechtfertige und auch in diesem Punkt im Sinne der Beklagten entscheiden müssen. Das Arbeitsgericht verkenne, dass es hier einzig und allein auf den Schädigungswillen des Klägers gegenüber der Beklagten ankomme. Das außerdienstliche Verhalten lasse sich insoweit auch auf das dienstliche Verhalten projizieren. Wegen der weiteren teils wiederholenden, teils vertiefenden Details des zweitinstanzlichen Vorbringens der Beklagten wird auf die Berufungsbegründung verwiesen.

Die Beklagte beantragt, das am 30.06.2016 verkündete und am 07.07.2016 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Wesel – 2 Ca 7/16 – aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Mit seiner Berufungsbeantwortung, auf die wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens verwiesen wird, verteidigt der Kläger das Urteil des Arbeitsgerichts unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags.

Im Übrigen wird von der weitergehenden Darstellung des Tatbestandes gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und wegen der übrigen Einzelheiten des zugrundeliegenden Sachverhalts sowie des widerstreitenden Sachvortrags und der unterschiedlichen Rechtsauffassungen der Parteien gemäß § 69 Abs. 3 Satz 2 ArbGG ergänzend auf den Akteninhalt, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen aus beiden Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die den Anforderungen der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 1, 2, 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO genügende und deshalb zulässige Berufung der Beklagten konnte in der Sache keinen Erfolg haben.

1. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist allein die Frage, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 21.10.2015 aufgelöst wurde.

a) Das Arbeitsgericht hat den dem Klageantrag angefügten Nebensatz „sondern unverändert fortbesteht“ als eigenständigen allgemeinen Feststellungsantrag i.S.d. § 256 ZPO interpretiert und die Klage mit diesem Begehren abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger keine Berufung eingelegt.

b) Darüber hinaus hat das Arbeitsgericht nicht nur darüber entschieden, dass das Arbeitsverhältnis durch die mit dem Schreiben vom 21.10.2015 ausgesprochene außerordentliche Kündigung nicht fristlos beendet wurde. Es hat vielmehr ausdrücklich auch darauf erkannt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die mit dem Schreiben vom 21.10.2015 hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung zum 31.03.2016 aufgelöst wurde. Dies hat es getan, obgleich unter den Parteien ein Rechtsstreit darüber anhängig ist, ob das Arbeitsverhältnis durch die weitere außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 12.02.2016 beendet wurde.

c) Dieses Vorgehen des Arbeitsgerichts ist dahingehend zu verstehen, dass es die Frage, ob bis zum Zeitpunkt des mit der hier streitgegenständlichen ordentlichen Kündigung angestrebten Beendigungszeitpunkts (31.03.2016) noch ein Arbeitsverhältnis bestand, dieses also nicht zuvor durch andere Ereignisse – wie etwa die spätere Kündigung vom 12.02.2016 – aufgelöst wurde, von der Rechtskraft seines Urteils ausdrücklich ausgeklammert hat.

Dass das Arbeitsgericht die Rechtskraft seines Urteils in diesem Sinne beschränken wollte, lässt sich deutlich daran erkennen, dass es die Abweisung des allgemeinen Feststellungsantrages eben damit begründet, dass die Parteien über die Rechtswirksamkeit dieser zweiten Kündigung einen gesonderten Rechtsstreit führen – diese Kündigung und deren Beendigungswirkung also gerade nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits seien. Während der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht haben die Parteien – insbesondere der Kläger – klargestellt, dass diese Beschränkung des Streitgegenstandes auch dem Parteienwillen entspricht.

d) Eine solche Beschränkung ist zulässig.

Zwar steht mit der einer Kündigungsschutzklage stattgebenden Entscheidung regelmäßig nicht nur fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die angegriffene Kündigung nicht aufgelöst worden ist. Vielmehr enthält ein rechtskräftiges Urteil, wonach das Arbeitsverhältnis der Parteien durch eine bestimmte Kündigung zu dem vorgesehenen Termin nicht aufgelöst worden ist, grundsätzlich die konkludente Feststellung, dass dieses Arbeitsverhältnis nicht zuvor durch andere Ereignisse aufgelöst wurde. Die Rechtskraft schließt dann gemäß § 322 ZPO im Verhältnis der Parteien zueinander eine hiervon abweichende gerichtliche Feststellung in einem späteren Verfahren aus. Das Bundesarbeitsgericht hat aber schon mehrfach entschieden, dass der Streitgegenstand und damit der Umfang der Rechtskraft eines stattgebenden Kündigungsschutzurteils dahingehend beschränkt werden kann, dass die (streitige) Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch eine frühere Kündigung ausgeklammert wird. Dem Arbeitgeber kann dann nicht entgegen gehalten werden, der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses sei bereits rechtskräftig festgestellt worden (BAG, Urteil vom 22. November 2012 – 2 AZR 732/11 -, Rn. 20, juris; BAG, Urteil vom 26. März 2009 – 2 AZR 633/07 -, juris, Rn. 16).

e) Das zulässige Vorgehen des Arbeitsgerichts hat für das Berufungsverfahren zur Folge, dass die Frage, ob bis zum Zeitpunkt des mit der hier streitgegenständlichen ordentlichen Kündigung angestrebten Beendigungszeitpunkts (31.03.2016) noch ein Arbeitsverhältnis bestand und dieses nicht zuvor die spätere Kündigung vom 12.02.2016 aufgelöst wurde, nicht Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist und damit von der Rechtskraft des hiesigen Berufungsurteils ausgeklammert bleibt.

2. Die streitgegenständliche Kündigung der Beklagten vom 21.10.2015 hat das Arbeitsverhältnis weder außerordentlich und fristlos noch ordentlich mit Ablauf des 31.03.2016 aufgelöst.

a) Die rechtzeitig i.S.d. § 13 Abs. 1 Satz 2, 4 KSchG angegriffene Kündigung ist als außerordentliche Kündigung rechtsunwirksam, weil es ihr an einem wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB fehlt. Das hat das Arbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt. Im Berufungsverfahren sind weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht Gesichtspunkte vorgebracht worden, die zu einer Abänderung der Entscheidung des Arbeitsgerichts Veranlassung geben könnten.

aa) Gemäß § 626 Abs.1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragspartner die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kündigungsgegner bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Das Gesetz kennt folglich keine „absoluten“ Kündigungsgründe. Vielmehr ist jeder Einzelfall gesondert zu beurteilen. Dabei ist zunächst auf einer ersten Stufe zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, d.h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es auf einer zweiten Stufe der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (BAG, Urteil vom 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09 -, juris, Rn. 16). Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung – etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG, Urteil vom 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09 -, juris, Rn. 34). Dabei ist die Wirksamkeit einer Kündigung grundsätzlich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zugangs zu beurteilen. Dieser Zeitpunkt ist im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB sowohl für die Prüfung des Kündigungsgrundes als auch für die Interessenabwägung maßgebend. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen. Allerdings können nachträglich eingetretene Umstände für die gerichtliche Beurteilung insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen. Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde. Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch die Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden. Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen gilt nichts anderes (BAG, Urteil vom 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09 -, juris, Rn. 52).

bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die streitgegenständliche Kündigung als unwirksam.

(1) Es liegt schon auf der ersten Prüfungsstufe kein Sachverhalt vor, der ohne seine besonderen Umstände „an sich“, d.h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet wäre.

(a) Ein zu Lasten des Arbeitgebers begangener versuchter Prozessbetrug ist ein Vermögensdelikt und kann demgemäß einen wichtigen Grund iSd § 626 Abs. 1 BGB bilden. Ebenso können falsche Erklärungen, die in einem Prozess abgegeben werden, an sich geeignet sein, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Darauf hat das Bundesarbeitsgericht für den Fall einer falschen eidesstattlichen Versicherung schon mehrfach erkannt (vgl. BAG, Urteil vom 08. November 2007 – 2 AZR 528/06 -, Rn. 17, juris; BAG, Beschluss vom 24. November 2005- 2 ABR 55/04 -; juris; BAG, Urteil vom 20. November 1987 – 2 AZR 266/87 – juris; BAG, Beschluss vom 16. Oktober 1986 – 2 ABR 71/85 – juris).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhaltes unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Der Verdacht muss auf konkrete – vom Kündigenden ggf. zu beweisende – Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, dass eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus (vgl. z.B. BAG 24. Mai 2012 – 2 AZR 206/11 – Rn. 16 und 17, juris; BAG 20. Juni 2013 – 2 AZR 546/12 – Rn. 14, juris; BAG 12. Februar 2015 – 6 AZR 845/13 – Rn. 29; juris).

(b) Entgegen der Auffassung der Beklagten kann für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger solch einen Kündigungsgrund verwirklicht hat.

(aa) Der Kläger muss sich nicht vorwerfen lassen, einen Prozessbetrug dadurch begangen oder versucht zu haben, dass er mit der eidesstattlichen Versicherung vom 20.10.2014 erklärt hat, förmliche Zustellungen des Amtsgerichts Hagen bezüglich des Mahn- und des Vollstreckungsbescheids nicht vorgefunden zu haben. Auch für einen diesbezüglichen schwerwiegenden Verdacht finden sich keine hinreichenden Anhaltspunkte.

Ausweislich des Aktenausdrucks gemäß §§ 696 Abs. 2 ZPO gab der Postbedienstete in den Zustellungsurkunden jeweils an, dass er das zuzustellende Schriftstück unter der neuen Adresse des Klägers auf der I. straße 70 „in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung eingelegt“ habe. Daraus ergibt sich ersichtlich kein Widerspruch zur eidesstattlichen Versicherung des Klägers. Es ist unstreitig, dass sich an dem Mehrfamilienhaus auf der I. straße 70 kein dem Kläger persönlich zugeordneter Briefkasten befand, sondern die Post für alle Bewohner durch einen Schlitz eingeworfen wurde und im Hausflur landete. Angesichts dessen, kann die Bekundung des Postbediensteten nur dahingehend verstanden werden, dass er die von ihm an den Kläger zuzustellenden Schriftstücke des Amtsgerichts Hagen durch eben diesen Schlitz als „eine ähnliche Vorrichtung“ eingeworfen hat.

Es mag sein, dass der Kläger die Schriftstücke damit als zugestellt gegen sich gelten lassen muss. Denn eben dies wäre die durch § 180 Satz 2 ZPO ausdrücklich vorgesehene Rechtsfolge der durch öffentliche Urkunde i.S.d. § 415 ZPO bewiesenen Ersatzzustellung i.S.d. § 180 Satz 1 ZPO, der er allein noch durch den Beweis der unrichtigen Beurkundung entgehen könnte (§ 415 Abs. 2 ZPO). Gelingt ihm dieser Beweis nicht, trägt er zwar unzweifelhaft die prozessualen und materiell-rechtlichen Nachteile, die sich mit der durch das Gesetz angeordneten Vermutung verbinden. Irgendein Erkenntnisgewinn oder auch nur ein Verdachtsmoment dahingehend, dass seine eidesstattliche Versicherung, förmliche Zustellungen des Amtsgerichts Hagen bezüglich des Mahn- und des Vollstreckungsbescheids nicht vorgefunden zu haben, tatsächlich falsch war, kann aus dem Eingreifen der gesetzlichen Vermutung aber nicht gezogen werden.

(bb) Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger einen Prozessbetrug dadurch begangen oder versucht hat, dass er den Zugang der an seine alte Wohnanschrift auf der I. straße 25 gerichteten Rechtswahrungsanzeige vom 27.05.2013 bestritt – und er diesen Zugang trotz seiner Erklärungen während der mündlichen Verhandlung vor dem OLG Düsseldorf und des Verlaufes und des Ergebnisses dieser Verhandlung auch weiterhin bestreitet. Auch für einen diesbezüglichen schwerwiegenden Verdacht finden sich keine hinreichenden Anhaltspunkte.

Im Rahmen des Zivilprozesses dürfen Parteien schon im Hinblick auf den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) alles vortragen, was als rechts-, einwendungs- oder einredebegründender Umstand prozesserheblich sein kann (BAG, Urteil vom 29. August 2013 – 2 AZR 419/12 -, Rn. 37, juris, m.w.N.). Dies gilt zwar nur in den Grenzen der Wahrheitspflicht, bedeutet umgekehrt aber nicht, dass jeder Sachvortrag, der sich im Verlaufe des Rechtsstreits als unzutreffend herausstellt oder dessen Gegenteil sich eine Partei gar nur aufgrund von Beweisregeln entgegen halten lassen muss, dem Verdikt des Falschvortrags oder gar des Prozessbetrugs unterfällt. Maßgebend ist vielmehr § 138 Abs. 1 ZPO. Danach haben die Parteien ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. Gemeint ist die damit subjektive Wahrheit. Die Partei darf nicht Erklärungen über tatsächliche Umstände abgeben, die nach ihrer eigenen Kenntnis und Überzeugung den Tatsachen nicht entsprechen. § 138 ZPO verbietet nur die bewusste Lüge. Ein Verstoß gegen § 138 ZPO liegt demnach vor, wenn die Partei etwas Unwahres wider besseres Wissen vorträgt oder Wahres wider besseren Wissens bestreitet. Aus dem Verbot der prozessualen Lüge darf nicht geschlossen werden, eine Partei dürfe nur Tatsachen behaupten bzw. bestreiten, von deren Wahrheit sie überzeugt ist; verlangt wird Wahrhaftigkeit nicht absolute Wahrheit (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. November 2010 – 16 Sa 411/10 -, Rn. 41, juris, m.w.N. zur Rspr. und Lit.).

Aus dieser Perspektive betrachtet, findet der Vorwurf der bewussten Lüge keine Grundlage. Die für die förmliche (Ersatz-) Zustellung durch § 180 Satz 2 ZPO i.V.m. der hierüber erstellten öffentlichen Zustellungsurkunde bewirkte Vermutung gilt für den Zugang von Übergabeeinschreiben nicht, würde aus den bereits dargelegten Gründen aber auch für die hier zu beantwortende Frage keinen Erkenntnisgewinn bringen. Den von Beklagtenseite kreierten Regelsatz, wonach immer von einer ordnungsgemäßen Zustellung ausgegangen werden könne, wenn kein besonderer Vermerk des Zustellers erfolgt sei, gibt es ebenfalls nicht. Dessen ungeachtet scheitert er hier schon daran, dass weder die Sachlage noch der Sachvortrag der Beklagten eine tragfähige Aussage darüber zulassen, ob das Schreiben überhaupt jemals in die Hände eines Zustellers gelangt oder u.U. schon zuvor auf dem Weg zu ihm abhandengekommen ist. Einen Rückschein hatte die Beklagte offenbar nicht in Auftrag gegeben und selbst ein Einlieferungsbeleg wurde nicht präsentiert.

Objektive und noch dazu bewiesene Tatsachen, die dafür sprechen könnten, dass die Rechtswahrungsanzeige vom 27.05.2013 tatsächlich an den Kläger gelangt ist, gibt es mithin nicht.

Auch aus den Erklärungen und dem Verhalten des Klägers vor dem OLG Düsseldorf lassen sich solche nicht ableiten.

Die Umstände, die auch nur einen schwerwiegenden Verdacht im Sinne der dargestellten Rechtsgrundsätze begründen sollen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, dass eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Es muss vielmehr eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der Verdacht zutrifft. Das ist hier nicht so. Die Erklärung des Klägers, er habe auf die Nachfrage des Senats nicht den Empfang der Rechtswahrungsanzeige vom 27.05.2013 bestätigen wollen, lässt sich nicht widerlegen. Es erscheint dem Berufungsgericht auch nicht per se unglaubhaft, dass der Kläger in der üblicherweise bei gerichtlich nicht oder nur wenig erfahrenen Personen zu beobachtenden Aufgeregtheit tatsächlich nicht auf das konkrete Datum des ihm vom Gericht vorgehaltenen Schriftstücks achtete und in der Beflissenheit, vor dem Gericht auf keinen Fall etwas falsches zu sagen, lediglich eine Erklärung zu dem ihm aus einem früheren Schreiben bekannten Inhalt abgeben wollte. Die gegenteilige Überlegung, der Kläger könnte einen Moment lang unter dem Druck der Befragung durch den Senat „der Wahrheit erlegen sein“, um sogleich nach der Verhandlungspause wieder zur Lüge zurückzukehren, stellt nicht mehr dar, als eine bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Spekulation, die als solche zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts gerade nicht ausreicht.

(cc) Letztlich bleibt der Vorwurf, der Kläger habe – wiederum mit der Absicht des Prozessbetrugs – mit seiner Erklärung vom 20.10.2014 insofern eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben, als er mit dem darin enthaltenen Satz „Ich kann definitiv ausschließen, dass in den zu meiner Wohnung gehörenden Briefkasten seitens des AG Hagen Briefe eingelegt wurden“, den falschen Eindruck erweckt habe, dass es einen zu seiner Wohnung gehörenden Briefkasten gebe, um damit über die Voraussetzungen der von ihm beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu täuschen.

Der Beklagten ist zuzugeben, dass die eidesstattliche Versicherung damit nach ihrem Erklärungsgehalt ein falsches Bild von den gegebenen örtlichen Verhältnissen vermittelt. Der unbefangene Leser gewinnt den Eindruck, der Kläger habe einen eigenen Briefkasten. Tatsächlich war das zum Zeitpunkt der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht so. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Familiengericht den Sachverhalt im Hinblick auf die von ihm zu treffende Entscheidung über die Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist anders beurteilt hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass Post für den Kläger nicht in einen dem Kläger konkret zugeordneten Briefkasten eingeworfen werden kann, sondern nur durch den gemeinsamen Briefschlitz.

Gleichwohl vermag dieser Vorwurf die außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen.

Zwar können nach der eingangs dargestellten höchstrichterlichen Rechtsprechung falsche (eidesstattliche) Erklärungen, die in einem Prozess abgegeben werden, an sich geeignet sein, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. An einer kündigungsrelevanten Pflichtverletzung des Klägers fehlt es auch nicht etwa schon deshalb, weil der wahrheitswidrige Sachvortrag ggf. durch seinen Prozessbevollmächtigten in den Prozess eingeführt wurde. Dessen Prozesshandlungen sind ihm vielmehr gem. § 85 ZPO zuzurechnen (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. November 2010 – 16 Sa 411/10 -, Rn. 40, juris). Zu bedenken ist jedoch, dass das Bundesarbeitsgericht stets nicht entscheidend auf die strafrechtliche Einordnung des Fehlverhaltens abstellt, sondern auf das Gewicht der darin liegenden Verletzung der arbeitsvertraglichen (Neben-) Pflichten. So heißt es in der Entscheidung vom 08.11.2007, dass der Arbeitnehmer „jedenfalls eine vertragliche Nebenpflicht, nämlich die dem Vertragspartner geschuldete Rücksichtnahme auf dessen Interessen (§ 241 Abs. 2 BGB nF)“ verletze, wenn er im Rechtsstreit um eine Kündigung bewusst wahrheitswidrig vortrage, weil er befürchte, mit wahrheitsgemäßen Angaben den Prozess nicht gewinnen zu können (BAG, Urteil vom 08. November 2007 – 2 AZR 528/06 -, Rn. 17, juris). Auch in seiner Entscheidung vom 10.06.2010 – Fall „Emmely“ – leitet das Bundesarbeitsgericht die grundsätzliche Eignung des (Fehl-) Verhaltens des Arbeitnehmers als wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB aus der schuldrechtlichen Beziehung der Arbeitsvertragsparteien ab, heißt es dort doch, dass der Arbeitnehmer in schwerwiegender Weise seine „schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB)“ verletze, wenn er „bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit“ rechtswidrige und vorsätzliche – ggf. strafbare – Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers begehe (BAG, Urteil vom 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09 -, juris, Rn. 26). Demgemäß hat das Bundesarbeitsgericht auch in seiner Entscheidung vom 31.07.2014 darauf erkannt, dass es die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses – womöglich gar die außerordentliche – rechtfertigen könne, wenn der Arbeitnehmer in einem Rechtsstreit mit dem Arbeitgeber vorsätzlich eine falsche eidesstattliche Versicherung abgebe. Begründet hat es dies damit, dass ein solches Verhalten – unabhängig von seiner Strafbarkeit – eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gemäß § 241 Abs. 2 BGB treffenden Nebenpflicht darstelle, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen und sie in zumutbarem Umfang zu wahren (BAG, Urteil vom 31. Juli 2014 – 2 AZR 434/13 -, Rn. 20, juris).

Dabei gelten nach der Neuregelung des Tarifrechtes und dem außer Kraft treten der §§ 8 Abs. 1 Satz 1 BAT, 8 Abs. 8 MTArb für Arbeitnehmer, die – wie der Kläger – zwar im öffentlichen Dienst tätig, dort aber nicht mit hoheitlichen Aufgaben betraut sind, keine weitergehenden vertraglichen Nebenpflichten mehr als für die Beschäftigten der Privatwirtschaft. Wie diese sind auch die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes nach § 241 Abs. 2 BGB auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Und wie bei diesen gilt auch für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, dass ihr außerdienstliches Verhalten die berechtigten Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer grundsätzlich nur dann beeinträchtigt, wenn es einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit hat, wenn etwa der Arbeitnehmer die Straftat unter Nutzung von Betriebsmitteln oder betrieblichen Einrichtungen begeht (BAG, Urteil vom 10. September 2009 – 2 AZR 257/08 -, juris, Rn. 21). Ein solcher Bezug kann auch dadurch entstehen, dass sich der Arbeitgeber oder andere Arbeitnehmer staatlichen Ermittlungen ausgesetzt sehen oder in der Öffentlichkeit mit der Straftat in Verbindung gebracht werden (BAG, Urteil vom 27. November 2008 – 2 AZR 98/07 -, Rn. 21, juris; BAG, Urteil vom 23. Oktober 2008 – 2 AZR 483/07 -, Rn. 58, juris). Fehlt es hingegen an einem solchen Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, scheidet eine Verletzung der vertraglichen Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers auch bei den nicht hoheitlich tätigen Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes regelmäßig aus (BAG, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 2 AZR 293/09 -, Rn. 19, juris; BAG, Urteil vom 10. September 2009 – 2 AZR 257/08 -, juris, Rn. 21).

Danach liegt hier unzweifelhaft ein außerdienstliches Verhalten vor, dem jeder Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis fehlt. Die eidesstattliche Versicherung des Klägers vom 20.10.2014 und eine darin abgegebene falsche Erklärung stehen erkennbar in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit als Müllwerker. Es kann auch keine Rede davon sein, dass der Kläger eine Straftat unter Nutzung von Betriebsmitteln oder betrieblichen Einrichtungen begangen hätte. Auch sonst lässt sich kein (mittelbarer) Bezug zum Arbeitsverhältnis herstellen. Weder wurden die Beklagte oder andere Arbeitnehmer staatlichen Ermittlungen ausgesetzt noch wurden sie oder andere Arbeitnehmer in der Öffentlichkeit mit der Straftat in Verbindung gebracht. Aus diesem Grunde verfängt auch der Einwand der Beklagten nicht, es müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger als Mülllader im Bereich der Entsorgung als einem sensiblen Bereich der Daseinsvorsorge arbeite, der stets im öffentlichen Fokus stehe. Das mag so sein, lässt aber gleichwohl nicht erkennen, dass es im konkreten Fall eine öffentliche Reaktion – noch dazu mit Ausstrahlung auf die Beklagte – gegeben hat.

Zu Prozessgegnern des Rechtsstreits vor dem Familiengericht wurden die Parteien nicht aus Gründen, die in irgendeinen Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis gebracht werden könnten, sondern allein deshalb, weil Vorschriften des Sozialrechtes der Beklagten als Körperschaft des öffentlichen Rechtes Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Sozialhilfe auferlegen und sie in diesem Zusammenhang mit besonderen Pflichten und Rechten ausstattet.

Zu diesen Vorschriften zählt insbesondere auch § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Diese Norm ordnet an, dass ein nach bürgerlichem Recht bestehender Unterhaltsanspruch der leistungsberechtigten Person – hier des Sohnes des Klägers – bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf den zuständigen Träger der Sozialhilfe – hier die Beklagte – übergeht. In rechtlicher Hinsicht bewirkt dies nichts anderes, als dass die Beklagte infolge der Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgaben von Gesetzes wegen in die familienrechtliche Rechtsbeziehung zwischen dem Kläger und seinem Sohn einrückt. Das äußert sich in augenfälliger Weise in dem Umstand, dass die Beklagte die übergegangenen Ansprüche auf dem Zivilrechtsweg vor dem Familiengericht und nicht etwa im Verwaltungs- oder Sozialgerichtsverfahren verfolgen musste.

Ein Fehlverhalten in einer familienrechtlichen Auseinandersetzung über seine Unterhaltspflicht gegenüber seinem Sohn kann dem Kläger aber nicht deshalb als eine Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Beklagten als seine Arbeitgeberin vorgeworfen werden, weil das familienrechtliche Verfahren nicht von seinem Sohn, sondern von der aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften in dessen Rechtsposition eingerückten Beklagten geführt wird. Der Rechtskreis „Familie“, innerhalb dessen sich der Kläger (ggf.) vorwerfen lassen muss, sich falsch verhalten zu haben, und der Rechtskreis „Arbeitsverhältnis“, innerhalb dessen die Beklagte für sich reklamiert, Konsequenzen ziehen zu können, liegen auf gänzlich verschiedenen Ebenen.

b) Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist auch nicht durch die mit dem Schreiben vom 21.10.2015 hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung mit Ablauf des 31.03.2016 aufgelöst worden.

Die Kündigung ist nach Maßgabe des in seinen generellen Voraussetzungen ohne weiteres anwendbaren § 1 Abs. 1, 2 KSchG als ordentliche Kündigung sozial ungerechtfertigt. Es liegen keine Gründe vor, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG entgegenstehen. Da die dem Kläger vorgeworfenen Pflichtverstöße aus den dargelegten Gründen schon tatbestandlich nicht gegeben sind, vermögen sie auch eine ordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen. Weitergehende Gründe sind weder ersichtlich noch von der Beklagten vorgebracht. Das hat schon das Arbeitsgericht unter GliederungspunktII. 3 seiner Entscheidungsgründe festgestellt, ohne dass die Beklagte dem mit der Berufung entgegen getreten wäre.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO.

III.

Für eine Zulassung der Revision an das Bundesarbeitsgericht bestand angesichts der dafür geltenden Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

 

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