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Fristlose Arbeitnehmerkündigung wegen ausländerfeindlichem Verhalten

Landesarbeitsgericht Sachsen – Az.: 1 Sa 515/17 – Urteil vom 27.02.2018

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Zwickau vom 2. August 2017 – 4 Ca 18/17 P – wird auf Kosten des Klägers z u r ü c k g e w i e s e n .

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Beklagten sowie über die Weiterbeschäftigung des Klägers.

Der am …1968 geborene Kläger war seit dem 1. September 1992 bei der Beklagten, ein hundertprozentiges Tochterunternehmen der Stadt …, zunächst als Straßenbahnfahrer und seit dem 1. September 2009 als Gleisbauarbeiter zu einem zuletzt bezogenen Entgelt in Höhe von 2.484,50 € brutto bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden beschäftigt.

Der Kläger betrieb unter seinem Namen einen Facebook-Account, in dem er seinen Beruf als Straßenbahnfahrer, die Beklagte als seinen Arbeitgeber sowie ein Bild von sich in Dienstkleidung veröffentlichte. Am 17. Dezember 2017 kommentierte der Kläger gleichfalls unter seinem Namen neben seinem Bild in Uniform als Straßenbahnfahrer auf der Facebook-Seite der „Unzensierte Nachrichten …“, die im Impressum die Bürgersprechstunde der Partei „Der III. Weg“ mitteilt sowie den Vorsitzenden dieser Partei als Verantwortlichen der Facebook-Seite angibt, die Berichterstattung über eine Gegendemonstration zu einem Aufmarsch der Partei „Der III. Weg“ mit einem sich übergebenden EMOJI und einem vereinfachten Wahlzettel, auf dem sich als Alternative ein sog. Stinkefinger und die sog. Merkelraute befanden. Auf derselben Facebook-Seite veröffentlichte der Kläger später wiederum unter seinem Namen nebst seinem Bild in Straßenbahndienstkleidung das Bild einer meckernden Ziege mit einer Sprechblase mit den Worten „Achmed, ich bin schwanger“ (Bl. 18/19 d. A.). Die … e. V. informierte die Beklagte darüber am 20. Dezember 2016. Die …er Tageszeitung berichtete in ihrer Ausgabe vom 20. Dezember 2016 unter der Überschrift „Straßenbahnfahrer ein Rassist?“ über die Veröffentlichungen des Klägers (Anlage B 3, Bl. 20 d. A.). Die Verfassungsschutzberichte Bund 2014 und 2015 schätzen die Partei „Der III. Weg“ als eine rechtsextremistische und gewaltorientierte Partei ein (Verfassungsschutzbericht Bund 2015, S. 43 f.). Die ideologischen Aussagen der Partei seien geprägt vom historischen Nationalsozialismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit. In ihrem „Zehn-Punkte-Programm“ propagiere die Partei „Der III. Weg“ u. a. die Schaffung eines „deutschen Sozialismus“ sowie die Entwicklung und Erhaltung der „biologischen Substanz des Volkes“. Die fundamental ablehnende Haltung der Partei gegenüber dem demokratischen Rechtsstaat komme in ihrer politischen Agitation deutlich zum Ausdruck, insbesondere bei der mit einer aggressiven Rhetorik vorgetragenen Instrumentalisierung der Themen Asyl und Zuwanderung (Verfassungsschutzbericht Bund 2014, S. 171 und Verfassungsschutzbericht 2015, S. 87).

Fristlose Arbeitnehmerkündigung wegen ausländerfeindlichem Verhalten
(Symbolfoto: fizkes/Shutterstock.com)

Mit Schreiben vom 21. Dezember 2016 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung an. In seiner Stellungnahme ebenfalls vom 21. Dezember 2016 stimmte der Betriebsrat sowohl der fristlosen als auch der hilfsweisen ordentlichen Kündigung zu (Bl. 50 f. d. A.). Mit Schreiben vom 28. Dezember 2016 (Bl. 6 d. A.), dem Kläger am 29. Dezember 2016 zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30. Juni 2017.

Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam. Er hat vorgetragen, die beiden Posts, mit denen er eine Gegendemonstration zum Aufmarsch der Partei der „Der III. Weg“ kommentiert und eine schwangere Ziege mit Sprechblase abgebildet habe, begründeten keine Kündigung. Die seien vielmehr von seinem Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt. Im Übrigen müsse berücksichtigt werden, dass er nicht Mitglied der Partei „Der III. Weg“ sei und er seinen Facebook-Account bereits – unstreitig – am 22. Dezember 2016 gelöscht habe. Bei dem Bild mit der schwangeren Ziege und der Sprechblase handele es sich schlichtweg um eine satirisch verbrämte Anspielung auf das Gedicht von Jan Böhmermann. Verfassungsfeindliche oder gar volksverhetzende Tendenzen bestünden nicht. Eine Volksverhetzung scheitere schon daran, dass der Name Achmed keiner bestimmten Bevölkerungsgruppe zuzuordnen sei. Schließlich sei die Kündigung auch aufgrund nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats unwirksam. Der Betriebsrat sei fehlerhaft informiert worden. Die Beklagte habe den Betriebsrat nicht darüber informiert, wo diese Posts veröffentlicht worden seien und welche Interessenabwägung sie vorgenommen habe. Im Übrigen habe die Beklagte den Betriebsrat nachträglich darüber informieren müssen, dass der Kläger seinen Facebook-Account am 22. Dezember 2016 gelöscht habe. Auch sei der Betriebsrat lediglich über den Kündigungsgrund Achmed-Bild unterrichtet worden.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose Kündigung vom 28.12.2016, zugestellt am 29.12.2016, noch durch die hilfsweise ausgesprochene fristgemäße Kündigung vom 28.12.2016, zugestellt am 29.12.2016, aufgelöst worden ist bzw. zum Ablauf des 30.06.2017 aufgelöst wird, sondern darüber hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht,

2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht,

3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu Ziffern 1 oder 2 zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Gleisbauer bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, das Achmed-Bild stelle eine volksverhetzende Äußerung des Klägers dar. Damit habe er sich in ausländerfeindlicher und menschenverachtender Weise über eine Ausländergruppe geäußert. Diese Äußerung habe die Beklagte, ein kommunales Unternehmen, in der Öffentlichkeit ganz erheblich diskreditiert. Der Kläger habe diese volksverhetzende Äußerung in seiner Dienstkleidung und somit zur Beklagten zuordnungsbar getätigt. Von einer lustigen Satire könne keine Rede sein.

Das Arbeitsgericht Zwickau hat mit Urteil vom 2. August 2017 – 4 Ca 18/17 P – die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 52 ff. d. A.) Bezug genommen. Gegen das dem Kläger am 1. November 2017 zugestellte Urteil hat er mit Schriftsatz, der am 9. November 2017 beim Sächsischen Landesarbeitsgericht eingegangen ist, Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

Der Kläger trägt vor, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht die Klage abgewiesen. Als fristlosen Kündigungsgrund habe das Arbeitsgericht das Posten auf einem nationalsozialistischen Account angenommen. Davon sei aber selbst die Beklagte nicht ausgegangen. Der dem Betriebsrat mitgeteilte Kündigungsgrund sei das Achmed-Bild auf einer nationalsozialistischen Seite und der zur Beklagten hergestellte Bezug. Allein die Nutzung eines – vermeintlichen – nationalsozialistischen Accounts sei nicht Kündigungsgrund gewesen, und insoweit sei der Betriebsrat auch nicht unterrichtet worden. Schon deshalb sei die angefochtene Entscheidung falsch. Die Darstellung des EMOJI, den Stinkefinger und die Merkelraute habe die Beklagte ebenfalls schon gar nicht als Kündigungsgrund angesehen. Im Übrigen sei die Partei „Der III. Weg“ für die unzensierten Nachrichten Vogtland presserechtlich nicht verantwortlich. Als Kündigungsgrund komme somit allein das Achmed-Bild in Betracht. Dies rechtfertige eine Kündigung indes nicht, denn es handele sich um eine von der Meinungsfreiheit gedeckte Satire. Jedenfalls sei der Betriebsrat insoweit nicht ordnungsgemäß angehört worden, denn die Beklagte hätte den Betriebsrat nachträglich darüber informieren müssen, dass der Kläger seinen Account am 22. Dezember 2016 gelöscht habe. Dies sei für die Interessenabwägung von entscheidender Bedeutung.

Der Kläger beantragt: Das Urteil des Arbeitsgerichts Zwickau – 4 Ca 18/17 P – wird aufgehoben und die Beklagte/Berufungsbeklagte wird verurteilt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose Kündigung vom 28.12.2016, zugestellte am 29.12.2016, noch durch die hilfsweise ausgesprochene fristgemäße Kündigung vom 28.12.2016, zugestellt am 29.12.2016, aufgelöst worden ist noch zum 30.06.2017 aufgelöst wird.

2. Die Beklagte/Berufungsbeklagte wird verurteilt, dem Kläger/Berufungskläger für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Gleisbauer bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Ergänzend trägt sie vor, dass sie – unstreitig – die Information darüber, dass der Kläger seinen Facebook-Account gelöscht habe, am 27. Dezember 2016 erhalten habe. Eine nachträgliche bzw. erneute Anhörung des Betriebsrats sei nicht veranlasst gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll nach § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die Berufung des Klägers ist zurückzuweisen, denn das angefochtene Urteil hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die fristlose Kündigung ist wirksam, so dass das Arbeitsverhältnis der Parteien mit ihrem Zugang am 29. Dezember 2016 aufgelöst worden ist.

A.

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 lit. b ArbGG an sich statthaft und auch im Übrigen form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).

B.

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die fristlose Kündigung ist wirksam. Sie hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Zugang zum 29. Dezember 2016 aufgelöst. Über den hilfsweise gestellten Weiterbeschäftigungsantrag war deshalb nicht zu entscheiden.

I.

Die Kündigung gilt nicht bereits nach den §§ 4 Abs. 1 i. V. m. 7 KSchG als wirksam, denn der Kläger hat nach Zugang der Kündigung rechtzeitig innerhalb der Drei-Wochen-Frist Kündigungsschutzklage erhoben. Gegen die dem Kläger am 29. Dezember 2016 zugegangene Kündigung hat er mit Schriftsatz, der am 5. Januar 2017 beim Arbeitsgericht eingegangen ist, rechtzeitig Kündigungsschutzklage erhoben.

II.

Die fristlose Kündigung ist wirksam, denn ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB liegt vor.

1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung der Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst festzustellen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Dann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (ständ. Rechtsprechung, BAG 20.11.2014 AP Nr. 249 zu § 626 BGB; BAG 25.10.2012 AP Nr. 239 zu § 626; BAG 19.07.2012 – 2 AZR 989/11 – NZA 2013, 143).

Die Verbreitung ausländerfeindlicher Pamphlete ist an sich geeignet, einen außerordentlichen Kündigungsgrund darzustellen (BAG 14.02.1996 AP Nr. 26 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung). Ebenso sind Formalbeleidigungen und Schmähkritiken, die die Diffamierung von Personen zum Ausdruck bringen, auch an sich geeignet, einen fristlosen Kündigungsgrund darzustellen (BAG 18.12.2014 AP Nr. 250 zu § 626 BGB; BAG 31.07.2014 – 2 AZR 505/13 – BAGE 149, 1; BAG 27.09.2012 – 2 AZR 646/11 – AP Nr. 240 zu § 626 BGB, jeweils m. w. N.).

Derartige Verhaltensweisen ebenso wie auch (andere) Straftaten müssen, handelt es sich um rechtswidriges außerdienstliches Verhalten, berechtigte Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigen. Dies ist der Fall, wenn das Verhalten des Arbeitnehmers negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat (BAG 10.09.2009 – 2 AZR 257/08 – BAGE 132, 72; BAG 28.10.2010 – 2 AZR 293/09 – NZA 2011, 112; BAG 23.10.2014 – 2 AZR 865/13 –).

2. Unter Zugrundelegung dessen ist die fristlose Kündigung wirksam. Es ist für die Beklagte unzumutbar, das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen.

a) Das vom Kläger im Internet gepostete Foto stellt eine menschenverachtende Schmähung und Geringschätzung einer ganzen ausländischen Bevölkerungsgruppe, nämlich der türkischen Mitbürgerinnen und Mitbürger dar. Mit Achmed, einem ursprünglich arabischen und heute vielfach in der Türkei benutzten Namen, wird insbesondere der türkische Mann angesprochen als ein Mensch, der Sodomie betreibt, d. h. Geschlechtsverkehr mit Tieren, hier einer Ziege, vollzieht. Die Ziege steht platzhalterisch für die türkische Frau, die für tierischen Nachwuchs sorgt. Damit werden die türkischen Mitbürgerinnen und Mitbürger verächtlich gemacht, auf eine tierische Ebene reduziert und eine zu achtende Menschqualität infrage gestellt.

aa) Eine solche die Würde des Menschen infrage stellende Schmähkritik ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gerechtfertigt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schützt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zwar nicht nur sachlich differenzierte Äußerungen, sondern Kritik darf gerade auch poentiert, polemisch und überspitzt erfolgen. Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähkritik. Eine Äußerung nimmt diesen Charakter erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern – jenseits auch polemischer oder überspitzter Kritik – die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (BVerfG 08.02.2017 – 1 BvR 2973/14 – NJW 2017, 1460 Rn. 14 m. w. N.). Hier sind strenge Maßstäbe anzustellen, die Äußerung muss eindeutig sein. Ist eine Äußerung mehrdeutig, so muss eine Deutung, die zu einem von der Meinungsfreiheit gedeckten Ergebnis führen würde, mit schlüssigen, überzeugenden Gründen ausgeschlossen werden können (BAG 18.12.2014 a. a. O. Rn. 25).

Entgegen der Auffassung des Klägers kann das Ziegenfoto nicht als satirischer ohne die angesprochene Bevölkerungsgruppe verletzender Beitrag ausgelegt werden. Es handelt sich hier nicht um eine von der Meinungsfreiheit geschützte Satire im Sinne einer literarischen Gattung, die ironisch witzig, bissig oder höhnisch menschliche Schwächen, Laster, Torheiten und anderes darstellt und die zum Schmunzeln und/oder zu Auseinandersetzungen mit diesen Schwächen etc. einlädt. Das Ziegenfoto hat nichts mit Satire zu tun, sondern enthält ausschließlich eine menschenverachtende und menschenherabwürdigende „Botschaft“. Eine solche Schmähkritik ist von der Meinungsfreiheit nicht geschützt.

bb) Es ist auch davon auszugehen, dass der Kläger das Ziegenbild genau in dieser menschenverachtenden Weise verstanden wissen wollte. Dies ergibt sich auch daraus, dass er auf der Seite Unzensierte Nachrichten Vogtland, einer rechtsextremistischen, wenn auch möglicherweise nicht von der Partei „Der III. Weg“ betriebenen, so doch dieser Partei sehr nahestehenden Seite veröffentlicht hat. Der Kläger kannte die Ideologie der Partei „Der III. Weg“ genau. Unstreitig nahm er an Kundgebungen dieser Partei „zur Information“ teil. Es ist deshalb davon auszugehen, dass er den historischen Nationalismus, Antisemitismus und die Fremdenfeindlichkeit, die diese Partei prägt, gekannt hat. Die Veröffentlichung einer meckernden Ziege mit der Sprechblase „Achmed, ich bin schwanger“ in diesem Zusammenhang lässt sich unter keinem Gesichtspunkt als Satire verstehen, und sie ist auch in der Öffentlichkeit als solche nicht verstanden worden.

b) Dieses Verhalten des Klägers stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen die allgemeine Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB dar. Danach ist der Arbeitnehmer verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Ein Verstoß gegen dieses Rücksichtnahmegebot liegt vor, denn die berechtigten Interessen der Beklagten sind durch das Verhalten des Klägers in schwerwiegender Weise beeinträchtigt worden, und das Verhalten des Klägers hat einen Bezug zum Arbeitsverhältnis.

Der Bezug zum Arbeitsverhältnis liegt darin, dass der Kläger sich auf der Internet-Plattform öffentlich neben dem Ziegenbild in seiner Uniform als Straßenbahnschaffner und unter seinem Namen abbilden ließ. Damit ist für jeden Betrachter klar geworden, dass der Kläger Arbeitnehmer der Beklagten ist und seine menschenverachtende Haltung in Bezug zur Beklagten darstellte. Den Bezug dieser Schmähkritik gegenüber türkischen Ausländern musste die Beklagte nicht hinnehmen. Dadurch sind erhebliche Interessen der Beklagten beeinträchtigt worden. Die Beeinträchtigung liegt darin, dass die Beklagte durch diesen Bezug auch in die Nähe der Ausländerfeindlichkeit, wenn nicht gar des Ausländerhasses gesetzt wurde. Dies zeigen auch die empörten Reaktionen der örtlichen Tageszeitung. Die Beklagte, welche zu 100 Prozent in der Hand der Stadt … liegt und damit – wenn auch privatrechtlich organisiert – Teil des öffentlichen Dienstes ist, hat ein erhebliches Interesse daran, die Grundwerte des Grundgesetzes zu achten und damit schweren ausländerfeindlichen Tendenzen entgegenzuwirken. Dem widerspricht das Verhalten des Klägers in schwerwiegender Weise. Ob die Veröffentlichung auf einer rechtsradikalen Seite auch oder allein, wie das Arbeitsgericht meint, die fristlose Kündigung rechtfertigt, kann ebenso dahinstehen, wie seine weitere Veröffentlichungen mit dem sich übergebenden EMOJI. Der eingetretene Vertrauensverlust ließ sich auch nicht dadurch wieder herstellen oder zumindest relativieren, dass der Kläger nachträglich die betreffende Internetseite gelöscht hat.

c) Die Kündigung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil als milderes Mittel eine Abmahnung ausgereicht hätte. Eine Abmahnung ist grundsätzlich erforderlich, um dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zu geben, sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv zu beeinflussen. Einer Abmahnung bedarf es allerdings dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten ist oder es sich um eine so schwerwiegende Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG 10. Juni 2010 – 2 AZR 543/09 – Rn. 37 m. w. N., BAGE 134, 349). Im Hinblick auf die Schwere der Pflichtverletzung war es für den Kläger erkennbar, dass eine Hinnahme dieser Pflichtverletzung durch die Beklagte offensichtlich ausgeschlossen war. Eine Abmahnung war deshalb entbehrlich.

d) Schließlich führt auch die Interessenabwägung nicht dazu, dass die Interessen des Klägers am Erhalt seines Arbeitsplatzes diejenigen der Beklagten an der Lösung des Arbeitsverhältnisses überwiegen. Trotz der 24-jährigen Dauer des Arbeitsverhältnisses und des Alters des ledigen Klägers überwiegt das Interesse der Beklagten im Hinblick auf die Schwere der Vertragsverletzung und deren Folgen, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zu lösen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass den Straßenbahnbetrieb der Beklagten zahlreiche türkische Mitbürgerinnen und Mitbürger in … benutzen. Diese dürfen von der Beklagten eine nichtausländerfeindliche Haltung erwarten.

III.

Die Kündigung ist auch nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Danach ist eine ausgesprochene Kündigung ohne Anhörung des Betriebsrats unwirksam. Dies gilt auch, wenn der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden ist. Die Beklagte hat indessen den Betriebsrat ordnungsgemäß angehört.

1. Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitzuteilen, das heißt der Arbeitgeber muss schriftlich oder mündlich dem Betriebsrat neben näheren Informationen über die Person des betroffenen Arbeitnehmers die Art und den Zeitpunkt der Kündigung und die seiner Ansicht nach maßgeblichen Kündigungsgründe mitteilen (st. Rspr. s. BAG, Urteil vom 23.06.2009 – 2 AZR 474/07 – AP Nr. 47 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; BAG, Urteil vom 23.10.2008 – 2 AZR 163/07 – AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Namensliste; BAG, Urteil vom 15.11.1995 – 2 AZR 974/94 – AP Nr. 73 zu § 102 BetrVG 1972 jeweils m. w. N.). Der für den Arbeitgeber maßgebende Sachverhalt ist unter Angabe der Tatsachen, aus denen der Kündigungsentschluss hergeleitet wird, näher so zu beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschung in die Lage versetzt wird, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über eine Stellungnahme schlüssig zu werden. Kommt der Arbeitgeber diesen Anforderungen an seine Mitteilungspflicht nicht oder nicht richtig nach und unterlaufen ihm insoweit bei der Durchführung der Anhörung Fehler, ist die Kündigung unwirksam. Allerdings ist die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers subjektiv determiniert. An sie sind nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess. Es müssen dem Betriebsrat also nicht alle objektiv kündigungsrechtlich erheblichen Tatsachen, sondern nur die vom Arbeitgeber für die Kündigung als ausschlaggebend angesehenen Umstände mitgeteilt werden. Dagegen führt eine aus Sicht des Arbeitgebers bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung zu einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats (BAG, Urteil vom 23.06.2009 – 2 AZR 474/07 – a. a. O. m. u. w. N.). Dem Betriebsrat müssen nicht diejenigen Tatsachen mitgeteilt werden, von denen er schon Kenntnis hat.

2. Mit Schreiben vom 21. Dezember 2016 unterrichtete die Beklagte den Betriebsrat über die beabsichtigte fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung und beschrieb ausführlich den aus ihrer Sicht gegebenen Kündigungsgrund. Sie informierte insbesondere über seine Facebook-Veröffentlichung, darüber, dass der Kläger unter seinem Namen in Straßenbahnuniform ein Bild einer meckernden Ziege mit der Sprechblase „Achmed, ich bin schwanger!“ veröffentlicht hat. Sie wies auch auf die Verbindung zur rechtsextremen Partei „Der III. Weg“ hin und bewertete das Verhalten des Klägers als volksverhetzend, das zu einer erheblichen Rufschädigung der Beklagten in der Öffentlichkeit geführt habe. Damit hat die Beklagte den Betriebsrat ordnungsgemäß über den Kündigungsgrund informiert.

Die Anhörung war entgegen der Auffassung des Klägers nicht deshalb nicht ordnungsgemäß, weil die Beklagte den Betriebsrat nicht über die nachträgliche Löschung der Facebook-Seite informiert hat. Zu einer Unterrichtung des Betriebsrats über diesen nachträglich eingetretenen Umstand, der der Beklagten auch nachträglich bekannt wurde, war sie nicht verpflichtet. Eine Wiederholung des Anhörungsverfahrens ist allenfalls dann erforderlich, wenn sich der im ersten Anhörungsverfahren unterbreitete Sachverhalt in wesentlichen Punkten zugunsten des Arbeitnehmers geändert hat (s. KR-Etzel 10. Auflage § 102 BetrVG Rn. 80 m. w. N.). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

C.

Die Kosten der erfolglosen Berufung hat der Kläger nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Veranlassung für die Zulassung der Revision bestand nicht.

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