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Fristlose Arbeitnehmerkündigung wegen heimlicher Gesprächsaufzeichnung

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 2 Sa 40/21 – Urteil vom 19.11.2021

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 24.11.2020 – 11 Ca 344/20 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

Die Beklagte betreibt eine Drogeriemarktkette mit deutschlandweitem Filialnetz und beschäftigt mehr als zehn Arbeitnehmer. Das Sortiment besteht u.a. aus Drogerieartikeln, Spielzeug, Parfum, Haushaltswaren, Schreibwaren und Büchern.

Der 1982 geborene, verheiratete und drei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger war aufgrund Arbeitsvertrags vom 12. Februar 2007 (Bl. 18 – 21 d. A.) seit 1. Januar 2007 als Verkaufsberater bei der Beklagten in deren Filiale in A-Stadt in der Spielwarenabteilung beschäftigt. Gemäß Ziff. 1 Satz 2 des Arbeitsvertrags der Parteien ist die vorangegangene Betriebszugehörigkeit des Klägers beim Rechtsvorgänger der Beklagten seit dem 1. August 2002 in vollem Umfang anerkannt worden.

Am 13. Juni 2019 verließ der Kläger bereits vor seinem eigentlichen Dienstende um 18:00 Uhr gegen 17.45 Uhr seinen Arbeitsplatz an der Kasse in der Spielwarenabteilung. Deswegen kam es am Morgen des nächsten Tages zwischen dem Kläger und seiner Kollegin, Frau J., die ihm das vorzeitige Verlassen seines Arbeitsplatzes am Vortag vorwarf, zu einer Auseinandersetzung, deren Verlauf zwischen den Parteien streitig ist. Im Anschluss daran rief der Kläger seinen Vorgesetzten, Herrn E., über den Ladenfunk aus und bat ihn, zum Mitarbeiterbüro zu kommen. Nachdem der Kläger Herrn E. von der Auseinandersetzung mit seiner Kollegin berichtet hatte, kam es zu einem Streitgespräch zwischen dem Kläger und Herrn E., dessen Inhalt zwischen den Parteien streitig ist. In diesem am 14. Juni 2019 gegen 10:00 Uhr im Mitarbeiterbüro geführten Gespräch mit seinem Vorgesetzten und Filialleiter, Herrn E., betätigte der Kläger ohne Wissen seines Vorgesetzten die Aufnahmetaste seines Smartphones und zeichnete das Gespräch heimlich auf. Dabei ist zwischen den Parteien streitig, ob vom Kläger das gesamte Gespräch oder nur ein Teil davon aufgezeichnet wurde.

In der Folgezeit war der Kläger durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Der von der Beklagten eingeschaltete medizinische Dienst der Krankenversicherung Rheinland-Pfalz teilte in seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 24. Juli 2019 (Bl. 88, 89 d. A.) mit, dass die Zweifel des Arbeitgebers an der Arbeitsunfähigkeit sozialmedizinisch nicht berechtigt seien. Ferner heißt es in der sozialmedizinischen Beurteilung:

„Es ist zu erwarten, dass eine Wiederaufnahme der letzten Tätigkeit beim Arbeitgeber rasch zu einer Eskalation des Störungsbildes führen würde. Die Tätigkeit kann daher dort nicht mehr aufgenommen werden.“

Der Kläger hat mit Klage vom 30. Dezember 2019, die beim Arbeitsgericht Koblenz unter dem Aktenzeichen 12 Ca 11/20 anhängig ist, seinen Vorgesetzten, Herrn E., auf Zahlung von Schmerzensgeld und Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung in Anspruch genommen. In der Klageschrift vom 30. Dezember 2019 hat der Kläger als Beweis für den Inhalt des Gesprächs vom 14. Juni 2019 u.a. das Vorspielen der in seinem Besitz befindlichen Tonaufzeichnung angeboten.

Nachdem Herr E. die Klageschrift des Klägers vom 30. Dezember 2019 am 10. Januar 2020 per E-Mail an die Beklagte geschickt hatte, wurde der Kläger von der Beklagten mit Schreiben vom 17. Januar 2020 (Bl. 58, 59 d. A.) zu einer beabsichtigten Verdachtskündigung wegen der ihm vorgeworfenen heimlichen Aufzeichnung des mit seinem Vorgesetzten, Herrn E., am 14. Juni 2019 geführten Personalgesprächs angehört. Mit anwaltlichem Schreiben vom 22. Januar 2020 (Bl. 46 – 49 d. A.) nahm der Kläger hierzu Stellung und führte zur Rechtfertigung der von ihm bestätigten Gesprächsaufzeichnung an, dass er sich aufgrund der von ihm geschilderten diskriminierenden Äußerungen seines Vorgesetzten in einer Notstandssituation befunden habe.

Mit Schreiben vom 24. Januar 2020 (Bl. 23 d. A.), dem Kläger am gleichen Tag zugegangen, kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31. Juli 2020.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 31. Januar 2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage.

Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 24. November 2020 – 11 Ca 344/20 – verwiesen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 24. Januar 2020 zum 24. Januar 2020 aufgelöst worden ist, sondern ungekündigt fortbesteht,

2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die hilfsweise erklärte fristgerechte Kündigung der Beklagten vom 24. Januar 2020 zum 31. Juli 2020 aufgelöst worden ist,

3. die Beklagte zu verpflichten, ihm ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen,

4. die Beklagte zu verpflichten, ihm einstweilen eine Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 SGB III zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Z., Y., X. und E.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll des Arbeitsgerichts vom 24. November 2020 verwiesen. Mit seinem Urteil vom 24. November 2020 – 11 Ca 344/20 – hat das Arbeitsgericht – soweit für das Berufungsverfahren von Interesse – der gegen die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 24. Januar 2020 gerichteten Kündigungsschutzklage stattgegeben und die Beklagte weiterhin verurteilt, dem Kläger ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen.

Gegen das ihr am 12. Januar 2021 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 10. Februar 2021, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 12. April 2021 mit Schriftsatz vom 9. April 2021, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.

Sie trägt vor, die fristlose Kündigung vom 24. Januar 2020 sei entgegen der Entscheidung des Arbeitsgerichts wirksam. Durch das heimliche Aufzeichnen des Gesprächs habe der Kläger in schwerer Weise gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen, weshalb ein wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB zu bejahen sei. Die Ausführungen des Arbeitsgerichts, dass zweifelhaft sei, ob nach ihrem Kenntnisstand eine hinreichende Tatsachengrundlage für eine Tat- und/oder Verdachtskündigung bestanden habe, seien unverständlich. Zum einen sei schon gar nicht erkennbar, was das Arbeitsgericht unter einem „relevanten“ Gesprächsinhalt verstehen wolle. Zum anderen schütze das Recht am gesprochenen Wort jeden Gesprächsinhalt. Es komme für die Verletzung des Rechts am gesprochenen Wort nicht auf den Inhalt des Gespräches an, sondern allein auf die unstreitige Tatsache, dass das Gespräch heimlich mitgeschnitten worden sei. Wenn der Kläger nunmehr vortrage, dass er nicht das komplette Gespräch aufgezeichnet habe, so stehe dies im Widerspruch zu seinen Ausführungen aus der Klageschrift vom 30. Dezember 2019, in der er ausdrücklich erklärt habe, dass er das „gesamte Gespräch“ aufgezeichnet habe. Letztendlich komme es aber auch nicht entscheidend darauf an, ob das gesamte Gespräch oder nur ein Teil aufgezeichnet worden sei. Auch durch das heimliche Mitschneiden von einem Gesprächsteil werde der Tatbestand des § 201 StGB verwirklicht. Entgegen der Auffassung des Klägers habe es sich bei dem mitgeschnittenen Gespräch auch um ein dienstliches und nicht um ein privates Gespräch zwischen ihm und dem Zeugen E. gehandelt. Unabhängig davon liege auch dann eine schwere Pflichtverletzung vor, wenn ein privates Gespräch während der Arbeitszeit heimlich mitgeschnitten werde. Falsch sei auch, dass sich der Kläger bei der Verwirklichung des Tatbestands des § 201 StGB in einem Verbotsirrtum befunden habe. Dabei komme es nicht darauf an, ob dem Kläger die Norm des § 201 StGB bekannt gewesen sei, sondern ob er gewusst habe, dass das heimliche Mitschneiden eines Gesprächs verboten sei. Hiervon sei mangels anderer Anhaltspunkte auszugehen. Indem der Kläger sein Verhalten zu rechtfertigen versuche, impliziere dies, dass ihm die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens bewusst gewesen sei. Jedenfalls sei die Unvermeidbarkeit eines Verbotsirrtums zu verneinen. Vielmehr hätte dem Kläger klar sein müssen, dass er durch das heimliche Aufzeichnen des Gespräches etwas Verbotenes tue. Schließlich werde es dem Kläger selbst bestimmt auch nicht recht sein, wenn von ihm ein Gespräch heimlich mitgeschnitten würde. Allein aufgrund dieses Gedankens hätten dem Kläger zumindest Zweifel an der Rechtmäßigkeit seines Tuns kommen müssen, welche er erforderlichenfalls durch das Einholen eines sachkundigen Rats hätte beseitigen müssen. Schließlich sei für die Bejahung eines wichtigen Grundes nach § 626 Abs. 1 BGB auch unbeachtlich, ob ein eingeleitetes Strafverfahren eingestellt worden sei. Die unstreitige heimliche Aufzeichnung des Gespräches führe unabhängig von der strafrechtlichen Bewertung dazu, dass das Vertrauen, dass nicht jedes gesprochene Wort heimlich aufgezeichnet und später Dritten gegenüber wiedergegeben werde, unter den Mitarbeitern verloren gegangen sei. Sie habe aufgrund ihrer Fürsorgepflicht gegenüber ihren Angestellten dafür sorgen müssen, dass eine unbefangene Kommunikation während der Arbeitszeit weiterhin gewährleistet sei. Aus diesem Grund sei eine Weiterbeschäftigung des Klägers weder möglich noch zumutbar. Darüber hinaus sei die Kündigung vom 24. Januar 2020 auch nicht unverhältnismäßig. Vielmehr überwiege im Rahmen der Interessenabwägung ihr Beendigungsinteresse gegenüber dem Fortsetzungsinteresse des Klägers. Zunächst habe das Arbeitsgericht verkannt, dass der Kläger die von ihm behaupteten Vorfälle nur unsubstantiiert vorgetragen habe. Der Kläger habe die Aussagen, die der Zeuge E. vermeintlich getätigt haben solle, zeitlich in keiner Weise eingrenzen können. Aufgrund des unsubstantiierten Vortrags des Klägers hätte dessen Beweisantritt durch Benennung der Zeugen Z. und Y.. als unzulässiger Beweisermittlungsantrag verworfen werden müssen. Das Arbeitsgericht habe gleichwohl Beweis über die behaupteten Vorfälle erhoben. Darüber hinaus habe sie als Gegenbeweis zu dem Vortrag des Klägers, dass der Zeuge E. im Jahre 2017 gesagt haben solle, eine Ratte, die im Pferdestall geboren worden sei, bleibe eine Ratte, die Zeugin W. benannt. Diese könne sich daran erinnern, dass der Kläger und nicht der Zeuge E. diese besagte Aussage in einem Gespräch über Flüchtlinge getätigt habe. Das Arbeitsgericht habe mithin vom Kläger benannte Zeugen vernommen, obwohl es sich hierbei um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis gehandelt habe, während es die von ihr benannte Zeugin W. ohne Begründung nicht im Rahmen der Beweisaufnahme vernommen habe. Damit habe das Arbeitsgericht ein erhebliches Beweisangebot nicht berücksichtigt, was gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoße. Die Erheblichkeit ergebe sich daraus, dass das Arbeitsgericht die Aussage, zu der die Zeugin W. hätte angehört werden sollen, bei der Begründung der vermeintlichen rassistischen Beleidigungen und Schikanen des Zeugen E. mitberücksichtigt habe. Im Hinblick darauf, dass das Arbeitsgericht ihren Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzt habe, genüge die Möglichkeit, dass das Arbeitsgericht ohne den Verfahrensfehler zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Diese Möglichkeit sei hier zu bejahen. Das Arbeitsgericht habe sich hinsichtlich der vom Kläger vorgetragenen Vorfälle auf die von ihm als glaubhaft bewerteten Aussagen der Zeuginnen Z. und Y. gestützt, während es die Aussage des Zeugen E. als unglaubhaft bewertet habe. Wenn sich eine Behauptung des Klägers als unwahr herausgestellt hätte, hätten zumindest Bedenken bestanden, ob die anderen Behauptungen der Wahrheit entsprechen würden. Hieran hätten auch die Aussagen der Zeuginnen Z. und Y. nichts geändert. Schließlich stehe die Zeugin Y. als Ehefrau des Klägers in dessen Lager und sei daher nicht neutral. Auch die Zeugin X. sei aufgrund ihrer persönlichen Differenzen zum Zeugen E. und auch aufgrund ihrer Krankengeschichte nicht als neutrale Zeugin anzusehen. Vor diesem Hintergrund hätte bei einer Vernehmung der Zeugin W. als einer neutralen Zeugin die Möglichkeit bestanden, dass das Arbeitsgericht insgesamt zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Darüber hinaus habe das Arbeitsgericht wesentliche Punkte im Rahmen der Interessenabwägung außer Acht gelassen. So stellten nach Ansicht des Arbeitsgerichts die vermeintlichen Beleidigungen des Klägers aufgrund seiner Religionszugehörigkeit eine Belästigung i.S.v. § 3 Abs. 3 AGG dar, die zu einer nicht mehr tolerierbaren Eskalation und einem „feindlichen Umfeld“ geführt hätten. Wenn dem tatsächlich so gewesen wäre, so stelle sich doch die Frage, warum der Kläger nach dem Anfertigen der Tonbandaufnahme ein halbes Jahr untätig geblieben sei. Des Weiteren habe das Arbeitsgericht im Rahmen der Interessenabwägung unberücksichtigt gelassen, dass der Kläger den Zeugen E. zu dem besagten Gespräch zu sich gerufen habe. Der Kläger habe daher bewusst das Gespräch mit dem Zeugen E. gesucht, um die heimliche Tonbandaufnahme anzufertigen. Der Kläger habe die aufgeheizte Situation infolge des vorausgegangenen Streitgesprächs zwischen ihm und seiner Kollegin, Frau J., genutzt, um den Zeugen E. zu einem Gespräch zu bitten. Dabei sei es ihm von vornherein darum gegangen, das Gespräch aufzuzeichnen. Der Kläger habe sich also in der Absicht, eine heimliche Tonbandaufnahme anzufertigen, bewusst und in Kenntnis der durch die Auseinandersetzung mit Frau J. angespannten Situation in ein Gespräch mit Herrn E. begeben. Es mache daher bei der Bewertung der Pflichtverletzung des Klägers einen Unterschied, ob der Kläger ungewollt zu einem Personalgespräch zu dem Zeugen E. gerufen worden sei und sich deshalb nicht mehr anders zu helfen gewusst habe, als die Unterredung auf Tonband aufzuzeichnen, oder ob er selbst und in der Absicht des heimlichen Mitschnitts das Gespräch initiiert habe. Im letzteren Fall habe der Kläger die von ihm bezeichnete Notstandssituation selbst herbeigeführt, so dass diese Form der „Notwehrprovokation“ im Rahmen der Interessenabwägung durch das Arbeitsgericht zu ihren Gunsten hätte berücksichtigt werden müssen. Falls die von ihr bestrittenen Verhaltensweisen des Zeugen E. so gewesen sein sollten, wie es der Kläger behauptet habe, so treffe sie gleichwohl kein derartiges Mitverschulden, dass die Kündigung unverhältnismäßig wäre. Der Kläger habe sich erstmals Anfang 2019 an den Zeugen X. gewandt und sich über das Verhalten des Zeugen E. beschwert. Sie habe vorher gar keine Kenntnis von dem vermeintlichen Fehlverhalten des Herrn E. gehabt. Weiterhin habe das Arbeitsgericht gar nicht berücksichtigt, dass zwischen der Beschwerde des Klägers Anfang 2019 und dem Aufzeichnen des Gesprächs am 14. Juni 2019 nur wenige Monate gelegen hätten. Die Zeit, in der sie auf Herrn E. hätte einwirken können, sei daher verhältnismäßig kurz gewesen. Zudem sei es auch nach der Einlassung des Klägers zwischen der Beschwerde Anfang 2019 und dem heimlichen Mitschnitt des Gespräches am 14. Juni 2019 zu keinem Vorfall gekommen, in dem der Zeuge E. den Kläger rassistisch beleidigt oder schikaniert habe. Es habe daher auch gar nicht die Möglichkeit bestanden, arbeitsrechtliche Konsequenzen gegenüber Herrn E. zu ergreifen. Aus dem Filialbesuch des Zeugen X. im Jahre 2018 könne zudem nicht abgeleitet werden, dass bereits zu diesem Zeitpunkt der Vorwurf einer Belästigung i.S.d. § 3 Abs. 3 AGG greifbar gewesen sei. Anlass dieses Filialbesuches sei keine Beschwerde des Klägers über Herrn E. gewesen, sondern vielmehr, dass es zu verschiedenen Differenzen zwischen dem Kläger und anderen Mitarbeitern gekommen sei. Von Herrn E. sei Herr X. damals informiert worden, dass der Kläger jegliche Kritik als diskriminierend wegen seiner Herkunft empfinden würde. Herr X. sei von Herrn E. auch über den Vorfall informiert worden, dass der Kläger behaupten würde, dass Herr E. gesagt haben solle, der Kläger solle doch zu Allah beten und um besseres Wetter bitten. Insgesamt habe sich die Situation für Herrn X. damals so dargestellt, dass es Differenzen zwischen dem Kläger und Herrn E. gegeben habe, nicht jedoch, dass der Kläger von Herrn E. i. S. v. § 3 Abs. 3 AGG belästigt werde. Vor diesem Hintergrund sei die von Herrn X. im Jahre 2019 auf die Beschwerde des Klägers ergriffene Maßnahme, nämlich ein klärendes Gespräch zwischen dem Kläger und Herrn E. anzustreben, als geeignete Maßnahme i.S.v. § 12 Abs. 1 AGG anzusehen. Der Kläger selbst habe einem solchem Gespräch auch offen gegenübergestanden. Hätte ein solches Gespräch nicht zu einer Lösung des Konfliktes geführt, hätten weitere Maßnahmen ergriffen werden können. Dies habe das Arbeitsgericht rechtsfehlerhaft verkannt. Zudem hätte dem Kläger als milderes Mittel zur Abwendung der nach seiner Behauptung bestehenden Diskriminierung durch den Zeugen E. die Beantragung einer Versetzung in eine andere Filiale zur Verfügung gestanden. Stattdessen habe der Kläger zur Abwehr der vermeintlichen Diskriminierung eine Straftat, nämlich die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes nach § 201 StGB, begangen. Zuletzt habe das Arbeitsgericht nicht berücksichtigt, dass der im Zeitpunkt des Kündigungszugangs erst 37 Jahre alte Kläger bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz auf dem Arbeitsmarkt nicht gegenüber anderen Bewerbern benachteiligt sei. Jedenfalls habe das Arbeitsverhältnis aufgrund der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung zum 31. Juli 2020 sein Ende gefunden. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei ihr Mitverschuldensanteil, sofern ein solcher überhaupt bestehe, nicht derart zu bewerten, dass er eine fristlose Kündigung als unverhältnismäßig erscheinen lasse, was erst recht für die ordentliche verhaltensbedingte Kündigung gelten müsse. Da das Arbeitsverhältnis wirksam beendet worden sei, stehe dem Kläger auch kein Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses zu.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 24. November 2020 – 11 Ca 344/20 – die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er erwidert, es fehle bereits an einem „an sich“ geeigneten wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung. Zutreffend sei, dass er den Teil eines Gespräches mit dem Zeugen E. ohne dessen Wissen mit seinem Smartphone aufgenommen habe. Hierbei handele es sich aber nicht um das komplette Gespräch, wie die Beklagte vortrage, sondern lediglich um den Teil des Gesprächs, in dem der Zeuge E. ihm gegenüber unsachgemäße, diskriminierende und ehrverletzende Äußerungen getätigt habe. In Anbetracht der Vier-Augen-Situation habe er keinen anderen Rat gewusst, als das Gespräch aufzuzeichnen, um auf diese Weise das vom Zeugen E. ihm gegenüber an den Tag gelegte, aus seiner Sicht grenzüberschreitende und diskriminierende Verhalten dokumentieren zu können. Dies sei insbesondere vor dem Hintergrund geschehen, dass er sich bereits in der Vergangenheit ähnlichen Verhaltensweisen des Zeugen E. ihm gegenüber ausgesetzt gesehen hätte. Er habe daher sein Verhalten als gerechtfertigt angesehen, auch weil er sich einer eventuellen Verwirklichung des objektiven Straftatbestandes von § 201 StGB mangels Kenntnis nicht bewusst gewesen sei. Er habe damit im Verbotsirrtum gehandelt. Jedenfalls habe aus seiner Sicht seinerzeit ein rechtfertigender Notstand vorgelegen. Weiterhin habe das Arbeitsgericht zu Recht festgestellt, dass jedenfalls die vorzunehmende Interessenabwägung ergebe, dass sein Fortsetzungsinteresse das Beendigungsinteresse der Beklagten überwiege. Aus seiner Sicht habe die Beweisaufnahme ergeben, dass der Zeuge E. ihn über Jahre hinweg rassistisch beleidigt und in Ausübung seiner Stellung als Vorgesetzter schikaniert habe. Diese Handlungen seien auch der Beklagten als Arbeitgeberin des Zeugen E. zurechenbar. Es treffe zu, dass er in der durchgeführten Beweisaufnahme nicht vermocht habe, die als Diskriminierung empfundenen Äußerungen des Zeugen E. ihm gegenüber zeitlich auf den Tag genau einzugrenzen. Er habe aber den ungefähren Zeitraum mit der Jahreszahl benannt und vor allem auch die Situationen, in denen die Äußerungen von dem Zeugen E. getätigt worden seien, genau einordnen können. Auf die genauen Daten, wann die einzelnen Äußerungen getätigt worden seien, komme es hierbei gerade nicht an. Von einem unzulässigen Ausforschungsbeweis bei Vernehmung der von ihr benannten Zeugen könne daher keine Rede sein. Der Vortrag der Beklagten, wonach er selbst in Bezug auf Flüchtlinge gesagt habe, eine Ratte, die im Pferdestall geboren worden sei, bleibe eine Ratte, sei unzutreffend. Diese Äußerung stamme von dem Zeugen E.. Jedenfalls aber wäre das Arbeitsgericht auch ohne Wertung dieser Aussage zu dem Ergebnis gekommen, dass der Klageantrag begründet sei. Im Übrigen habe das Arbeitsgericht entgegen dem Vortrag der Beklagten auch nicht bei der Bewertung der Interessen der Parteien wesentliche Punkte im Rahmen der Interessenabwägung außer Acht gelassen. Selbstverständlich würden die Äußerungen des Zeugen E. bezüglich seiner Religion eine Belästigung i.S.v. § 3 Abs. 3 AGG darstellen. Er habe auch nicht ein halbes Jahr gewartet, bis er versucht habe, sich gegen das Verhalten des Zeugen E. zur Wehr zu setzen. Vielmehr habe er seinen Anspruch auf Schmerzensgeld und die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bereits mit dem vorgelegten Schriftsatz vom 2. Juli 2019 gegenüber dem Zeugen E. geltend gemacht. Im Übrigen sei er zu diesem Zeitpunkt aufgrund der psychischen Belastungen am Arbeitsplatz nachweislich bereits arbeitsunfähig erkrankt gewesen, weshalb zu diesem Zeitpunkt eine weitere Eskalation am Arbeitsplatz nicht zu besorgen gewesen sei. Richtig sei, dass er den Zeugen E. seinerzeit zu sich gebeten habe, weil er sich von ihm Unterstützung wegen des aus seiner Sicht ungebührlichen Verhaltens seiner Kollegin, Frau J., erhofft habe. In diesem Dienstgespräch habe er dem Zeugen E. das Verhalten von Frau J. in der Erwartung geschildert, dass der Zeuge E. deren Fehlverhalten bestätigen und diese für ihr Verhalten ermahnen würde. Zu diesem Zeitpunkt habe er keineswegs die Absicht gehabt, das Gespräch mit dem Zeugen E. aufzuzeichnen, weil er davon ausgegangen sei, dass der Zeuge E. ihm Recht geben und Frau J. diesbezüglich ansprechen würde. Als der Zeuge E. sich sodann in diesem Gespräch bereits nach kurzer Zeit ihm gegenüber unsachlich und ehrverletzend verhalten habe, sei von ihm der Entschluss gefasst worden, sich das nicht länger anzuhören und die Räumlichkeit zu verlassen. Hierzu sei er an seinen Spind getreten und habe sein Handy und seine persönlichen Gegenstände daraus entnommen. Als der Zeuge E. mit seinem Verhalten ihm gegenüber fortgefahren sei, habe er spontan beschlossen, diese als Beleidigungen empfundenen Äußerungen des Zeugen E. zur Beweissicherung aufzuzeichnen, weil er sich in dieser Situation nicht anders zu helfen gewusst habe. Entgegen dem Vortrag der Beklagten habe er gerade nicht bewusst die Situation herbeigeführt. Jedenfalls habe das Arbeitsgericht zu Recht festgestellt, dass der Beklagten ein ganz erhebliches Mitverschulden an der in Rede stehenden Situation zur Last falle. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme habe er sich bereits Anfang 2019 an Herrn X. gewandt, um das als ehrverletzend und diskriminierend empfundene Verhalten des Zeugen E. in der Hoffnung zur Sprache zu bringen, dass von Seiten der Beklagten Abhilfe geschaffen werden könnte. Er habe aber feststellen müssen, dass Herr X. ihm offensichtlich nicht bei seinem Problem in adäquater Weise habe helfen können oder wollen. Auch sei für ihn in den Folgemonaten in keiner Weise erkennbar gewesen, dass von Seiten der Beklagten Vorkehrungen zu seinem Schutz vor entsprechenden Äußerungen des Zeugen E. getroffen würden. Bei dieser Sachlage und vor dem Hintergrund der im Laufe des Gespräches vom 14. Juni 2019 von ihm als beleidigend und rassistisch empfundenen Äußerungen des Zeugen E. habe er für sich keinen anderen Ausweg gesehen, als dessen Äußerungen aufzuzeichnen, um auf diese Weise zu versuchen, zukünftiges Fehlverhalten ihm gegenüber zu unterbinden. Die Beklagte habe selbst bestätigt, dass Herr X. bei seinem Besuch der Filiale A-Stadt im Jahre 2018 Kenntnis davon gehabt habe, dass er sich darüber beschwert habe, dass der Zeuge E. ihn in einer Situation aufgefordert habe, zu Allah zu beten, damit dieser für besseres Wetter sorge. Diese Äußerung habe der Zeuge E. im Rahmen der Beweisaufnahme auch eingeräumt. Er habe bereits damals seine Bereitschaft zu einem klärenden Gespräch auch dem Zeugen X. gegenüber zum Ausdruck gebracht, wozu es in der Folgezeit indes unstreitig nicht gekommen sei. Die der Beklagten obliegende Fürsorgepflicht hätte es zwingend geboten, eine Aussprache zwischen ihm und dem Zeugen E. ggf. in Anwesenheit des Zeugen X. oder eines anderen höherrangigen Mitarbeiters der Beklagten anzuberaumen. Auch hätten im Falle einer ergebnislosen Aussprache von Seiten der Beklagten andere Maßnahmen getroffen werden können, um eine weitere Zuspitzung der Situation zu vermeiden. Er habe zum Zeitpunkt der Kündigung bereits über 17 Jahre für die Beklagte gearbeitet und sei auch schon viele Jahre am Standort A-Stadt tätig gewesen, so dass er vor den in Rede stehenden Ereignissen im Hinblick auf seine familiäre Situation und vor dem Hintergrund, dass er sich grundsätzlich in der Filiale in A-Stadt über einen langen Zeitraum sehr wohlgefühlt habe, nicht einfach so um Versetzung habe bitten wollen. Vielmehr habe er die Hoffnung gehabt, dass sich das Verhalten des Zeugen E. ihm gegenüber nachhaltig ändern würde. Diese Hoffnung habe er heute aber nicht mehr, so dass er sich nunmehr vorstellen könne, mit seiner Familie A-Stadt zu verlassen und seine Arbeitsleistung für die Beklagte an einem anderen Ort unter einem anderen Filialleiter zu erbringen. Insofern habe sich für ihn seinerzeit nicht die Frage gestellt, ob er die Beklagte um eine Versetzung ersuchen sollte. Die fristlose Kündigung sei mithin auch unverhältnismäßig, weil mildere Mittel zur Verfügung gestanden hätten, wie beispielsweise auch die Anordnung einer Versetzung in eine andere Filiale, wovon die Beklagte aber keinen Gebrauch gemacht habe. Auch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung sei gemäß den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts unwirksam. Da das Arbeitsverhältnis damit ungekündigt fortbestehe, habe er auch einen Anspruch auf ein Zwischenzeugnis.

Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen E.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 19. November 2021 verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b und c ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).

Die Berufung der Beklagten hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht der Kündigungsschutzklage stattgegeben und die Beklagte zur Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses verurteilt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch die von der Beklagten ausgesprochene außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 24. Januar 2020 aufgelöst worden. Die außerordentliche Kündigung ist mangels wichtigen Grundes i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB unwirksam. Die hilfsweise ordentliche Kündigung ist nicht aus den von der Beklagten angeführten verhaltens- und personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG und damit ebenfalls rechtsunwirksam (§ 1 Abs. 1 KSchG). Der Kläger hat Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses.

I. Die außerordentliche Kündigung vom 24. Januar 2020 ist mangels wichtigen Grundes i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB unwirksam.

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt und seine besonderen Umstände „an sich“, d.h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der heimliche Mitschnitt eines Personalgesprächs „an sich“ geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an (vgl. § 201 StGB). Maßgebend ist die mit diesem Verhalten verbundene Verletzung der dem Arbeitnehmer nach § 241 Abs. 2 BGB obliegenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers. Dieser hat seine Mitarbeiter bei der Ausübung ihrer Tätigkeit auch im Hinblick auf die Vertraulichkeit des Wortes zu schützen. Das nicht öffentlich gesprochene Wort eines anderen darf – auch im Betrieb – nicht heimlich mitgeschnitten werden (BAG 19. Juli 2012 – 2 AZR 989/11 – Rn. 40).

2. Der Kläger hat unstreitig am 14. Juni 2019 in dem mit seinem Vorgesetzten und Filialleiter, Herrn E., geführten Gespräch ohne dessen Wissen die Aufnahmetaste seines Smartphones betätigt und das (weitere) Gespräch heimlich aufgezeichnet. Der Kläger hat sich zur Rechtfertigung seines Vorgehens u.a. darauf berufen, dass er in dem Gespräch von Herrn E. mit den von ihm geschilderten Äußerungen beleidigt bzw. diskriminiert worden sei und sein Verhalten deshalb aufgrund eines rechtfertigenden Notstands bzw. wegen der aus seiner Sicht bestandenen Notsituation keine fristlose Kündigung rechtfertige.

a) Wer ein Gespräch ohne Zustimmung des Gesprächspartners auf einem Tonträger heimlich aufnimmt, verletzt allerdings in der Regel das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht. Dieses schützt auch das Recht am gesprochenen Wort, das die Selbstbestimmung über die eigene Darstellung der Person in der Kommunikation mit anderen gewährleistet. Der Schutz umfasst die Möglichkeit, sich in der Kommunikation nach eigener Einschätzung situationsangemessen zu verhalten und sich auf die jeweiligen Kommunikationspartner einzustellen. Zum Grundrecht gehört die Befugnis selbst zu bestimmen, ob der Kommunikationsinhalt einzig dem Gesprächspartner, einem bestimmten Personenkreis oder der Öffentlichkeit zugänglich sein soll. Das Selbstbestimmungsrecht erstreckt sich mithin auf die Auswahl der Personen, die Kenntnis vom Gesprächsinhalt erhalten sollen. Dieses Selbstbestimmungsrecht findet einen Ausdruck in der Befugnis des Menschen, selbst und allein zu entscheiden, ob sein Wort auf einen Tonträger aufgenommen und damit möglicherweise Dritten zugänglich werden soll, womit Wort und Stimme von dem Kommunikationsteilnehmer losgelöst und in einer für Dritte verfügbaren Gestalt verselbständigt werden. Menschliche Kommunikation soll durch das Grundrecht dagegen geschützt sein, dass die Worte – eine vielleicht unbedachte oder unbeherrschte Äußerung, eine bloß vorläufige Stellungnahme im Rahmen eines sich entfaltenden Gesprächs oder eine nur aus einer besonderen Situation heraus verständliche Formulierung – bei anderer Gelegenheit und in anderem Zusammenhang hervorgeholt werden, um durch Inhalt, Ausdruck oder Klang gegen den Sprechenden zu zeugen. Das Grundgesetz schützt deshalb davor, dass Gespräche heimlich aufgenommen und ohne Einwilligung des Sprechenden oder gar gegen dessen erklärten Willen verwertet werden. Dass die Rechtsordnung diesem Aspekt des Schutzes hohe Bedeutung beimisst, zeigt sich auch daran, dass bereits die unbefugte Aufnahme des nicht öffentlich gesprochenen Wortes eines anderen auf einem Tonträger gemäß § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB mit Strafe bedroht ist (BVerfG 9. Oktober 2002 – 1 BvR 1611/96 und 1 BvR 805/98 – Rn. 32 u. 33). Im Hinblick darauf, dass danach das Grundgesetz dem Persönlichkeitsrecht einen hohen Stellenwert zuweist, kann dem Interesse, eine ohne Einwilligung erstellte Tonaufzeichnung in einem Rechtstreit als Beweismittel zu benutzen, nur in besonderen Ausnahmefällen Vorrang vor dem Schutz des gesprochenen Wortes zukommen. Das allgemeine private Interesse, sich über den Inhalt eines Gesprächs ein Beweismittel für eine mögliche Auseinandersetzung zu verschaffen und dieses dann in einem etwaigen Prozess zu verwenden, um zivilrechtliche Ansprüche durchzusetzen, reicht dazu nicht aus (BGH 13. Oktober 1987 – VI ZR 83/87 – Rn. 20). Vielmehr müssen besondere Umstände vorliegen, die über das allgemeine Beweisinteresse jeder Prozesspartei hinaus ein derart schutzbedürftiges Interesse an der beweismäßigen Verwendung der Tonaufzeichnung begründen, dass ihm der Vorrang vor dem Recht des Gesprächspartners zur Selbstbestimmung über sein gesprochenes Wort eingeräumt werden muss (BGH 13. Oktober 1987 – VI ZR 83/87 – RN. 21; vgl. auch BVerfG 9. Oktober 2002 – 1 BvR 1611/96 und 1 BvR 805/98 – Rn. 61 ff.).

b) Im Streitfall kann zu Gunsten der Beklagten davon ausgegangen werden, dass das Vorbringen des Klägers zur Rechtfertigung seines Verhaltens bzw. die von ihm geschilderte Notsituation die mit der heimlichen Gesprächsaufzeichnung erfolgte Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts seines Vorgesetzten nicht zu rechtfertigen vermag und damit eine Verletzung der Rücksichtnahmepflicht durch den Kläger vorliegt, die „an sich“ zur Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung geeignet ist. Jedenfalls ist unter Berücksichtigung des Entlastungsvorbringens des Klägers zum Verlauf und Inhalt des mit seinem Vorgesetzten geführten Gesprächs, das im Streitfall nicht zur Überzeugung des Berufungsgerichts von der hierfür darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten widerlegt worden ist, die außerordentliche Kündigung nach der vorzunehmenden Interessenabwägung nicht gerechtfertigt.

Die Beklagte ist für den Kündigungsgrund darlegungs- und beweispflichtig. Das schließt die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen von Umständen ein, die den Arbeitnehmer entlasten (vgl. BAG 27. September 2012 – 2 AZR 646/11 – Rn. 28). Dabei kann im Streitfall zu Gunsten der Beklagten davon ausgegangen werden, dass die vom Kläger angeführten Vorfälle aus der Vergangenheit, die längere Zeit zurückliegen, entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts nicht im Rahmen der Interessenabwägung zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigen sind, zumal der diesbezügliche Vortrag des Klägers nicht hinreichend substantiiert erscheint und jedenfalls noch keinen hinreichenden Anlass für eine heimliche Gesprächsaufzeichnung erkennen lässt. Maßgeblich ist vielmehr der entscheidungserhebliche Ablauf und Inhalt des Gesprächs zwischen dem Kläger und seinem Vorgesetzten am 14. Juni 2019. Der diesbezügliche Vortrag des Klägers zum Ablauf des Geschehens am 14. Juni 2019 und zum Inhalt des an diesem Tag mit seinem Vorgesetzten geführten Gesprächs ist nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen und des Ergebnisses der erst- und zweitinstanzliche durchgeführten Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Gerichts widerlegt.

aa) Der Kläger hat bei seiner persönlichen Anhörung zum Ablauf des Geschehens am 14. Juni 2019 erklärt, er habe am Vortrag, 13. Juni 2019, offiziell um 18:00 Uhr Feierabend gehabt. An dem Tag habe er u.a. auch die Kasse gemacht und auf der Etage mit Frau J. zusammengearbeitet. Er habe sich um 17:45 Uhr an der Kasse abgemeldet und sei runtergegangen. Grundsätzlich habe er sich erst um 18:00 Uhr von der Kasse abgemeldet. An dem Tag sei aber wenig los gewesen, so dass er mit seinem Kasseneinschub früher runtergegangen sei, damit die beiden Mitarbeiterinnen, die gegen 17:45 Uhr im Mitarbeiterbüro die Kassenabschöpfungen machten, nicht extra hochkommen müssten, um die Kasse zu holen. Am nächsten Tag, dem 14. Juni 2019, habe er um 10:00 Uhr Dienst gehabt. Unmittelbar nach seinem Dienstbeginn habe ihn Herr E., der im Filialleiterbüro gesessen habe, beim Vorbeilaufen an dessen Büro darauf angesprochen, warum er am Vortag sich bereits um 17:45 Uhr an der Kasse abgemeldet habe. Das habe er diesem dann erklärt und sich auch entschuldigt. Als er dann zu seinem Arbeitsplatz in der oberen Etage gegangen sei, habe ihm dort seine Kollegin, Frau J., Vorwürfe gemacht, warum er am Vortrag früher gegangen sei. Dabei habe sie ihm sinngemäß vorgeworfen, dass er wohl keine Lust habe zu arbeiten. Er habe die Reaktion als nicht kollegial empfunden und ihren Tonfall als unangemessen. Herr E. habe etwas entfernt an der Infothek im Rolltreppenbereich gestanden, so dass er denke, dass dieser mitbekommen habe, dass Frau J. ihn angeschrien habe. Nach dem lautstarken Vorwurf von Frau J. sei er geschockt und schon sauer gewesen, auch wenn er dies nicht gezeigt habe. Auf der Verkaufsfläche sollten keine lautstarken Auseinandersetzungen unter Mitarbeitern stattfinden. Kurze Zeit später sei er nach unten ins Mitarbeiterbüro gegangen und habe Herrn E. ausgerufen, weil er diesen auf den Vorfall mit Frau J. habe ansprechen wollen. Daraufhin sei Herr E. ins Mitarbeiterbüro gekommen. Er habe Herrn E. auf den Vorfall mit Frau J. angesprochen und ihm gesagt, dass er das Verhalten von Frau J. nicht okay finde. Herr E. habe ihm entgegnet, Frau J. habe doch nichts Falsches gesagt und sei doch ganz lieb gewesen. Er habe ihn gefragt, ob er damit sagen wolle, dass er nicht die Wahrheit sage. Daraufhin sei Herr E. aufgesprungen, habe eine Handbewegung nach vorne gemacht und gesagt: „Ihr Moslems lügt doch alle. Das steht doch bei euch im Koran. Ihr belügt doch auch eure Frauen. Das dürfen die Moslems, das hat doch gesagt.“ Er sei völlig geschockt gewesen. Er habe Herrn E. entgegnet, wieso er so etwas sagen würde, ob er denn den Koran gelesen habe. Dieser habe ihm gesagt, er sei doch nicht gläubig, ob er denn fünfmal am Tag beten gehe. Herr E. habe ihm gedroht, dass wenn er etwas sagen würde, er den Spieß umdrehen würde. Man würde ihm doch sowieso nicht glauben. Er sei zum Spind gegangen und habe sein Handy rausgeholt, danach habe er das weitere Gespräch mit Herrn E. aufgezeichnet. Während er zum Spind gegangen sei, habe Herr E. weitergeredet. Er sei mit seinem Handy mit eingeschalteter Diktierfunktion zurückgegangen. Er habe Herrn E. nochmals darauf angesprochen, warum er denn so etwas sagen würde. Daraufhin habe Herr E. die Äußerungen sinngemäß wiederholt und u.a. nochmals geäußert: „Ihr Moslems lügt doch alle.“ Herr E. habe weitergeredet und die von ihm geschilderten Äußerungen sinngemäß wiederholt. Er habe ihm gesagt, dass sein Verhalten nicht menschlich sei und er unter solchen Bedingungen nicht arbeiten könne und zum Arzt gehe. Das habe er dann gemacht und sei zum Arzt gegangen, der ihn dann krankgeschrieben habe.

bb) Der Zeuge E., der von der Beklagten zur Widerlegung des Vortrags des Klägers zum Ablauf und Inhalt des Gesprächs am 14. Juni 2019 benannt worden ist, hat bei seiner erneuten Vernehmung im Termin vom 19. November 2021 vor dem Berufungsgericht ausgesagt, dass er damals Filialleiter in der Filiale A-Stadt und als solcher Vorgesetzter des Klägers gewesen sei. Am 14. Juni 2019 habe er so gegen 8:30 Uhr seine Arbeit in der Filiale A-Stadt begonnen. Von Frau J. habe er gehört, dass der Kläger am Vortrag eine Viertelstunde früher seinen Arbeitsplatz verlassen und die Pausen überzogen habe. Er selbst sei am Vortag nicht in der Filiale anwesend gewesen. Daraufhin habe er die am Vortrag erfassten Zeiten des Klägers recherchiert. Dabei habe er festgestellt, dass der Kläger die Pausen überzogen und eine Viertelstunde früher die Kasse abgemeldet habe. Als er später auf seinem Rundgang durchs Haus gewesen sei, habe er mitbekommen, dass Frau J. den Kläger angesprochen habe. Dabei habe er den Inhalt des Gespräches nicht hören können, sondern lediglich gesehen, dass der Kläger und Frau J. miteinander gesprochen hätten. Kurze Zeit später sei er vom Kläger ausgerufen worden, er solle ins Büro kommen. Er sei dann zum Mitarbeiterbüro gegangen, wo er vom Kläger darauf angesprochen worden sei, dass er sich das von Frau J. nicht gefallen lassen könnte und das eine Unverschämtheit sei. Der Kläger habe vorgebracht, Frau J. habe ihm vorgeworfen, dass er nicht arbeiten würde und sie allein gelassen hätte und er diesen Vorwurf als ungerechtfertigt empfinde. Er habe dem Kläger gesagt, dass die Stempelzeiten etwas anderes besagen würden. Es sei dann gleich der Spruch gekommen, ob er ihm unterstellen würde, dass er lügen würde. Der Kläger habe gesagt, er sei doch Moslem und dürfe gar nicht lügen. Seine Antwort sei gewesen, dass die Stechuhr etwas anderes sage. Der Kläger habe sich ungerecht behandelt gefühlt, was aber doch gar nicht gestimmt habe. Der Kläger habe gewollt, dass er Frau J. untersage, dass diese ihn maßregele. Er habe dem Kläger gesagt, dass das doch stimmen würde, was Frau J. gesagt habe. Der Kläger habe gesagt, dass er sich das nicht gefallen lassen würde, dass dies Konsequenzen haben müsse und er jetzt zum Arzt ginge. Der Kläger sei dann zum Spind und sei wieder zurück ins Büro gekommen. Dann habe der Kläger wieder gesagt, dass er das weitergeben würde. Er habe dem Kläger gesagt, dass er das gerne machen könne. Das sei auch schon vorher der Fall gewesen, das sei ja immer gleich auf die höhere Ebene gegangen. Für sein Verhalten am Vortag habe der Kläger eine Abmahnung bekommen. Nachdem der Kläger vom Spind zurückgekommen sei und gesagt habe, dass er das weitergeben würde, habe er ihm nur gesagt, dass er das machen könne. Damit sei das Gespräch dann beendet gewesen. Der Kläger sei dann gegangen und habe sich etwa zwei Stunden später krankgemeldet.

cc) Aufgrund dieser Aussage des von der Beklagten benannten Zeugen E. ist das Berufungsgericht nicht davon überzeugt, dass der vom Kläger vorgetragene Ablauf und Inhalt des Gesprächs vom 14. Juni 2019 unzutreffend ist. Vielmehr begründen die Angaben des Klägers bei seiner persönlichen Anhörung im Termin vom 19. November 2021 erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Aussage des Zeugen E. und des Vortrags der Beklagten.

(1) Während die Angaben des Klägers und des Zeugen E. in Bezug auf den Inhalt des zwischen ihnen geführten Gesprächs divergieren, ist der äußere Geschehensablauf am 14. Juni 2019 im Wesentlichen übereinstimmend geschildert worden. Danach hat der Kläger im Anschluss an sein Gespräch mit seiner Kollegin, Frau J., die ihm das vorzeitige Verlassen seines Arbeitsplatzes am Vortag vorgeworfen hat, den Zeugen E. ausgerufen, der daraufhin in das Mitarbeiterbüro gekommen ist. Dort haben der Kläger und der Zeuge E. das Gespräch wegen des vom Kläger beanstandeten Verhaltens seiner Kollegin geführt. Dabei ist der Kläger auch nach der Aussage des Zeugen E. zum Spind gegangen und dann wieder zurück ins Büro gekommen, in dem er den Zeugen E. dann nochmals angesprochen hat.

Entgegen dem Vortrag der Beklagten stimmt die Schilderung des Klägers, wonach er sich zum Spind begeben, dort sein Handy rausgeholt und damit das weitere Gespräch mit Herrn E. von diesem unbemerkt aufgezeichnet habe, mit diesem äußeren Geschehensablauf überein. Danach lässt sich entgegen der Annahme der Beklagten auch nicht feststellen, dass der Kläger das Gespräch mit seinem Vorgesetzten von vornherein in der Absicht initiiert hat, hiervon eine heimliche Tonaufnahme anzufertigen.

Die Beklagte hat hierzu in ihrem Schriftsatz vom 04. Juni 2020 vorgetragen, dass die Schilderung des Klägers, wonach er sich an den Spind begeben habe, um die Aufnahmetaste seines Smartphones zu betätigen, ohne dass dies von Herrn E. bemerkt worden sei, nicht richtig sein könne. Das Gespräch habe im Mitarbeiterbüro stattgefunden. Das Mitarbeiterbüro bestehe aus zwei Tischen mit Stühlen. Man sitze sich hier gegenüber. Der Kläger habe Herrn E. genau gegenüber Richtung Tresor gesessen und diesen im Büro erwartet, nachdem er diesen zuvor ausgerufen habe. Der Spind befinde sich draußen vor dem Mitarbeiterbüro und sei von der Position aus, an der Herr E. gesessen habe, einsehbar. Der Kläger hätte an Herrn E. vorbei zum Spind gehen müssen, was nicht erfolgt sei. In ihrer Berufungsbegründung hat die Beklagte vorgetragen, dass der Kläger vielmehr bewusst das Gespräch zu Herrn E. gesucht habe, um die heimliche Tonaufnahme anzufertigen. Der Kläger selbst habe Hern E. zu dem besagten Gespräch zu sich gerufen. Dabei sei es ihm von vornherein darum gegangen, das Gespräch aufzuzeichnen. Der Kläger habe sich also in der Absicht, eine heimliche Gesprächsaufzeichnung anzufertigen, bewusst und in Kenntnis der durch die Auseinandersetzung mit Frau J. angespannten Situation in das Gespräch begeben.

Auch nach dem vom Zeugen E. geschilderten äußeren Geschehensablauf hatte der Kläger ohne weiteres die Möglichkeit, unbemerkt sein Handy aus dem Spind zu holen und die Aufnahmetaste zu betätigen, um das weitere Gespräch dann aufzuzeichnen. Danach lässt sich auch nicht feststellen, dass der Kläger gemäß dem Vortrag der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung bewusst das Gespräch zu dem Zeugen E. gesucht hat, um die heimliche Tonaufnahme anzufertigen. Vielmehr hat der Kläger den Zeugen E. auch nach dessen Aussage auf die Vorwürfe seiner Kollegin angesprochen, weil er sich von seinem Vorgesetzten Unterstützung erhofft bzw. erreichen wollte, dass dieser Frau J. wegen des von ihm beanstandeten Verhaltens zurechtweist. Das spricht im Gegenteil dafür, dass der Kläger entgegen dem Vortrag der Beklagten nicht von vornherein entschlossen war, das Gespräch mit dem Zeugen E. heimlich aufzuzeichnen.

(2) In Bezug auf den Inhalt des Gesprächs vom 14. Juni 2019 ist das Berufungsgericht nicht davon überzeugt, dass die Einlassung des Klägers unzutreffend ist. Zwar hat der Zeuge E. bei seiner Vernehmung den Vortrag der Beklagten bestätigt. Nach seiner Aussage hat er dem Kläger auf den von diesem als ungerecht empfundenen Vorwurf seiner Kollegin entgegnet, dass die Stempelzeiten etwas anderes besagen würden. Es sei dann gleich der Spruch gekommen, ob er dem Kläger unterstellen würde, dass er lügen würde. Er sei doch Moslem und dürfe gar nicht lügen. Seine Antwort sei gewesen, dass die Stechuhr etwas anderes sage. Der Kläger habe sich ungerecht behandelt gefühlt, was aber doch gar nicht gestimmt habe. Nachdem der Kläger vom Spind zurückgekommen sei und gesagt habe, dass er das weitergeben würde, habe er ihm gesagt, dass er das gerne machen könne. Damit sei das Gespräch dann beendet gewesen. An dieser Darstellung des Zeugen E. bestehen aufgrund der dargestellten Angaben des Klägers bei seiner persönlichen Anhörung erhebliche Zweifel. Der Kläger hat den Verlauf und Inhalt des Gesprächs in sich schlüssig und plausibel geschildert. Bei seiner Anhörung war dem Kläger die eigene emotionale Betroffenheit von dem detailliert und lebensnah geschilderten Verhalten seines Vorgesetzten sichtlich anzumerken. Zwar hat der Kläger naturgemäß ein Interesse daran, die ihm mit der Kündigung vorgeworfene heimliche Gesprächsaufzeichnung zu rechtfertigen. Ebenso hat aber auch der Zeuge E. ein Interesse daran, den gegen ihn erhobenen Vorwürfen entgegenzutreten. Bei seiner Aussage war er erkennbar darauf bedacht, den Verlauf des Gespräches ohne eigene Emotionen so zu schildern, dass er sich professionell verhalten und dem Kläger sein eigenes Fehlverhalten vor Augen geführt hat. Dabei wird nicht die unterschiedliche Stellung des Klägers als Partei und des Vorgesetzten des Klägers, Herrn E., als Zeugen verkannt, der als solcher nach seiner erstinstanzlichen Vernehmung vor dem Arbeitsgericht auch vereidigt worden ist. Gleichwohl verbleiben nach dem von der Berufungskammer gewonnen Eindruck aufgrund der Schilderung des Klägers bei seiner persönlichen Anhörung jedenfalls erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Aussage des Zeugen E. zum Inhalt des mit dem Kläger am 14. Juni 2019 geführten Gesprächs. Im Hinblick darauf, dass die Aussage des Zeugen E. zum Gesprächsinhalt jedenfalls nicht glaubhafter erscheint als die Schilderung des Klägers, ist die Berufungskammer nicht davon überzeugt, dass der vom Kläger vorgetragene Ablauf und Inhalt des Gespräches vom 14. Juni 2019 unzutreffend ist. Vielmehr erscheint es zumindest ebenso gut als möglich, dass sich das Gespräch tatsächlich so zugetragen hat, wie es der Kläger geschildert hat. Danach ist im Streitfall von dem nicht zur Überzeugung des Berufungsgerichts widerlegten Entlastungsvorbringen des Klägers in Anbetracht der Darlegungs- und Beweislast der Beklagten auszugehen.

3. Unter Berücksichtigung des unwiderlegten Vorbringens des Klägers zu seiner Entlastung ist die außerordentliche Kündigung nach der vorzunehmenden umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht gerechtfertigt.

a) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Auch Unterhaltspflichten und der Familienstand können – je nach Lage des Falls – Bedeutung gewinnen. Sie sind jedenfalls bei der Interessenabwägung nicht generell ausgeschlossen und können zu berücksichtigen sein. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 19. Juli 2012 – 2 AZR 989/11 – Rn. 42 und 43).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen überwiegt nach der vorzunehmenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falls das Interesse des Klägers am Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Auch wenn man davon ausgeht, dass der Kläger mit der heimlichen Aufzeichnung des zwischen ihm und dem Zeugen E. am 14. Juni 2019 geführten Gesprächs die ihm obliegende Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) verletzt hat und die von ihm geschilderte besondere (Not-)Situation noch keinen Rechtfertigungsgrund zur Rechtfertigung der damit erfolgten Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts seines Vorgesetzten abzugeben vermag, lässt gleichwohl sein – unwiderlegtes – (Entlastung-)Vorbringen die ihm vorgeworfene Pflichtverletzung jedenfalls in einem milderen Licht erscheinen. Danach hat der Zeuge E. in dem vom Kläger gesuchten Gespräch anlässlich der vorangegangenen Auseinandersetzung mit der Kollegin, Frau J., mit den geschilderten beleidigenden bzw. diskriminierenden Äußerungen zuvor seinerseits das Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt und auch noch mit der vom Kläger als Drohung empfundenen Äußerung, dass wenn er etwas sagen würde, er den Spieß umdrehen und man ihm doch sowieso nicht glauben würde, die erst danach erfolgte Gesprächsaufzeichnung veranlasst. In dieser besonderen und vom Kläger zumindest nachvollziehbar als ausweglos angesehenen Situation hat er sich veranlasst gesehen, die von ihm als diskriminierend empfundenen Äußerungen seines Vorgesetzten nach dem von ihm erst während des Gesprächs spontan gefassten Entschluss heimlich aufzuzeichnen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass auch in der vom Kläger geschilderten Situation keine heimliche Gesprächsaufzeichnung gerechtfertigt war, hat sich der Kläger nach seiner unwiderlegten Einlassung zumindest über die Pflichtwidrigkeit seines Tuns geirrt. Ein darin liegender – wenn auch vermeidbarer – Verbotsirrtum ist jedenfalls bei der Gewichtung der Pflichtverletzung zu berücksichtigen und lässt diese unter den dargestellten Besonderheiten des vorliegenden Falls in einem deutlich milderen Licht erscheinen (vgl. hierzu BAG 12. Mai 2010 – 2 AZR 587/08 – Rn. 21; BAG 19. Januar 2016 – 2 AZR 449/15 – Rn. 56). Soweit der Kläger im Rahmen der von ihm gegen den Zeugen E. erhobenen Klage die Tonaufzeichnung des Gesprächs als Beweismittel angeboten hat, ist ggf. im gerichtlichen Verfahren zu entscheiden, ob dieses Beweismittel einem Beweisverwertungsverbot unterliegt oder nicht. Weiterhin ist bei der Interessenabwägung die langjährige Betriebszugehörigkeit des Klägers zu berücksichtigen, die von der Beklagten seit dem 1. August 2002 anerkannt ist. Danach war das Arbeitsverhältnis – bis auf das beanstandete vorzeitige Verlassen des Arbeitsplatzes am 13. Juni 2019 und den zur Kündigung herangezogenen Vorfall vom 14. Juni 2019 – mehr als 17 Jahre störungsfrei verlaufen. Bei Abwägung der beiderseitigen Interessen ist es der Beklagten zuzumuten, das langjährig bestehende sowie ansonsten über 17 Jahre störungsfrei verlaufene Arbeitsverhältnis fortzusetzen und den Kläger ggf. zur Vermeidung weiterer Konflikte mit seinem Vorgesetzten in eine andere Filiale zu versetzen. Die außerordentliche Kündigung erweist sich mithin als unverhältnismäßig.

II. Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 24. Januar 2020 ist nach § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam. Das Kündigungsschutzgesetz ist gemäß §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG unstreitig anwendbar. Die ordentliche Kündigung ist nicht aus den von der Beklagten angeführten verhaltensbedingten und personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG.

1. Eine Kündigung ist i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit nicht sozial ungerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- und Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar ist (BAG 30. Juli 2020 – 2 AZR 43/20 – Rn. 44).

Im Streitfall ist auch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung jedenfalls nach der vorzunehmenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung des dargestellten Entlastungsvorbringens des Klägers nicht aus den von der Beklagten angeführten verhaltensbedingten Gründen gerechtfertigt. Auch wenn man davon ausgeht, dass die dem Kläger vorgeworfene Pflichtverletzung an sich geeignet ist, sogar eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, erscheint hier gemäß den obigen Ausführungen die Pflichtverletzung in der dargestellten besonderen Situation in einem deutlich milderen Licht, was bei der Interessenabwägung zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigen ist. Entsprechend der oben dargestellten Interessenabwägung ist es der Beklagten zuzumuten, das langjährig bestehende und ansonsten – bis auf das beanstandete Verhalten am 13./14. Juni 2019 – über 17 Jahre störungsfrei verlaufene Arbeitsverhältnis über die Kündigungsfrist hinaus weiter fortzusetzen und den Kläger ggf. in eine andere Filiale zu versetzen. Auch eine ordentliche Kündigung erscheint in Anbetracht der dargestellten besonderen Situation, in der sich der Kläger nach seinem unwiderlegten Vortrag aufgrund der von ihm geschilderten diskriminierenden Äußerungen seines Vorgesetzten nach seinem erst während des Gesprächs spontan gefassten Entschluss zu der ihm vorgeworfenen heimlichen Tonaufzeichnung veranlasst gesehen hat, nicht als billigenswerte und angemessene, sondern vielmehr unverhältnismäßige Reaktion der Beklagten.

2. Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung auch nicht aus in der Person des Klägers liegenden Gründen sozial gerechtfertigt ist, weil es hierfür bereits an der erforderlichen negativen Prognose fehlt. Das Berufungsgericht folgt den diesbezüglichen zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts (Ziff. II. 3. der Gründe) und stellt dies hiermit ausdrücklich fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Hiergegen hat sich die Beklagte im Berufungsverfahren auch nicht mehr gewandt. Wie der Kläger zu Recht vorgebracht hat, kann er von der Beklagten zur Vermeidung einer weiteren Konfrontation mit dem Zeugen E. in einer anderen Filiale unter einem anderen Vorgesetzten weiterbeschäftigt werden. Anhaltspunkte für eine negative Prognose, dass ihm eine solche Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich sein könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich und ergeben sich gemäß den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts auch nicht aus der vom Kläger vorgelegten ärztlichen Stellungnahme vom 24. Juli 2019.

III. Schließlich hat das Arbeitsgericht die Beklagte zu Recht zur Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses verurteilt.

1. Nach § 109 GewO kann der Arbeitnehmer bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein (Abschluss-)Zeugnis verlangen. Die Voraussetzungen, unter denen ein Arbeitnehmer die Ausstellung eines Zwischenzeugnisses beanspruchen kann, sind gesetzlich nicht geregelt. Soweit tarifliche Regelungen nicht bestehen, kann sich die Verpflichtung zur Erteilung eines Zwischenzeugnisses als vertragliche Nebenpflicht ergeben. Eine solche Verpflichtung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer aus einem triftigen Grund auf ein Zwischenzeugnis angewiesen ist. Das ist u.a. dann anzunehmen, wenn die Parteien gerichtlich über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses streiten (BAG 20. Mai 2020 – 7 AZR 100/19 – Rn. 42).

2. Danach kann der Kläger von der Beklagten die Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses beanspruchen. Der erforderliche triftige Grund liegt hier darin, dass die Parteien über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im vorliegenden Kündigungsschutzverfahren streiten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

 

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