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Fristlose Arbeitnehmerkündigung wegen sexueller Belästigung und Störung des Betriebsfriedens

Arbeitsgericht Bielefeld erklärt Kündigungen einer Drogerie-Verkäuferin für unwirksam

Das Arbeitsgericht Bielefeld hat in seinem Urteil vom 20.01.2022 (Az.: 7 Ca 1777/21) entschieden, dass die fristlose sowie die ordentliche Kündigung einer Verkäuferin in einer Verkaufsstelle einer Drogeriekette unwirksam sind. Die Klägerin wurde im Jahr 2006 von der Beklagten angestellt. Die Beklagte betreibt Drogeriegeschäfte und beschäftigt mehr als zehn Arbeitnehmer. In der Verkaufsstelle ist ein Betriebsrat installiert.

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Vorwürfe der sexuellen Belästigung und Spuck-Verhalten

Der Klägerin wurde vorgeworfen, sie hätte am 22.06.2021 eine andere Mitarbeiterin sexuell belästigt, indem sie ihr gegenüber Bewegungen mit der Zunge gemacht und bei der Verabschiedung auf den Boden gespuckt haben soll. Die Beklagte führte daraufhin verschiedene Mitarbeitergespräche durch und hörte den Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung der Klägerin an. Der Betriebsrat gab jedoch keine Stellungnahme ab.

Klage gegen fristlose und ordentliche Kündigung

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin erst fristlos und später hilfsweise ordentlich. Die Klägerin erhob daraufhin Klage gegen beide Kündigungen. Sie bestritt die Vorwürfe und argumentierte, dass eine sexuelle Belästigung eine körperliche Berührung voraussetze. Gesten mit der Zunge hätte sie nie gemacht und an ein Ausspucken könne sie sich nicht erinnern. Jedenfalls sei als milderes Mittel eine Versetzung und eine Abmahnung in Betracht gekommen.

Gericht erklärt Kündigungen für unwirksam

Das Arbeitsgericht Bielefeld entschied zugunsten der Klägerin und stellte die Unwirksamkeit der Kündigungen fest. Die Kosten des Rechtsstreits wurden der Beklagten auferlegt und der Streitwert auf 5.436,00 EUR festgesetzt.

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Das vorliegende Urteil

ArbG Bielefeld – Az.: 7 Ca 1777/21 – Urteil vom 20.01.2022

1. Es wird festgestellt, dass die Kündigung der Beklagten vom 14.09.2021 rechtsunwirksam ist.

2. Es wird festgestellt, dass auch die Kündigung der Beklagten vom 21.09.2021 rechtsunwirksam ist.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

4. Der Streitwert wird auf 5.436,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung sowie einer hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung.

Die 49 Jahre alte, verheiratete Klägerin hat zwei Kinder. Sie ist seit dem 15.09.2006 bei der Beklagten beschäftigt; zuletzt wieder als Verkäuferin mit 25-Wochenstunden in der Verkaufsstelle „0000“ in A. Ihr monatliches Bruttoeinkommen beträgt 1.812,00 EUR.

Die Beklagte betreibt Drogeriegeschäfte. Sie beschäftigt mehr als zehn Arbeitnehmer.

Bei der Beklagten ist für die Verkaufsstelle ein Betriebsrat installiert. Dieser ist für die Region „0“ zuständig. Die Hierarchie in der Verkaufsstelle „0000“ ist so organisiert wie in den meisten anderen Verkaufsstellen auch. Die Verkaufsstellenverwalterin hat die fachliche Weisungsbefugnis und wird unterstützt von einer Assistentin deren Funktion mit AVSV abgekürzt wird. Die disziplinarische Funktion über die Mitarbeitenden in der Verkaufsstelle übt der Bezirksleiter aus, in diesem Fall Herr B.. Die disziplinarische Führungsaufgabe über dem Bezirksleiter hat die sogenannte Verkaufsleiterin. In dem streitgegenständlichen Gebiet ist das Frau C..

Die Klägerin hatte u.a. am 22.06.2021 im Rahmen ihrer vertraglichen Pause ein Gespräch mit der ihr persönlich gut bekannten Frau D. (vormals E.). Bei diesem Gespräch war aus dem Kollegenkreis Herr F. anwesend. Das Gespräch fand an der Tür zum Lagerraum statt.

Die Klägerin war bzw. ist Mitglied einer WhatsApp-Gruppe mit verschiedenen Kollegen, wobei diese Gruppe aber nicht für alle Kollegen zugänglich ist. Näheres über die Zusammensetzung der WhatsApp-Gruppe ist nicht bekannt.

Die ebenfalls an der Verkaufsstelle „0000“ tätige Mitarbeiterin Frau G. beschwerte sich gegenüber Herrn B. am 24.06.2021 über einen angeblichen Vorfall am 22.06.2021. Sie erklärte, dass die Klägerin zusammen mit Frau D. ihr gegenüber Bewegungen mit der Zunge in ihre Richtung gemacht hätten. Außerdem habe die Klägerin bei der Verabschiedung auf den Boden gespuckt. Am 30.06.2021 fand ein Gespräch mit der Frau G., der Klägerin, Frau C., Herrn B., Frau H., Frau I. und Frau J. statt. Ein weiteres Klärungsgespräch mit den Teilnehmern Herrn B., Frau I., Frau H. und Frau J. fand am 12.07.2021 statt. Hier wurde mit Frau K. und Herrn M. gesprochen.

Ein weiteres Gespräch wurde auf den 13.07.2021 angesetzt unter der Teilnahme von Herrn B. und Frau J.. Diese haben mit Frau N., die interimsweise in der Verkaufsstellenverwalterin in der Verkaufsstelle „0000“ war, sowie mit Frau O. gesprochen. Ein weiteres Gespräch fand am 20.07.2021 mit Frau P. und Herrn B. statt.

Die Klägerin wurde zu Mitarbeitergesprächen am 28.07.2021 und 19.08.2021 eingeladen. Zu beiden Terminen erschien sie nicht. Für den 28.07.2021 liegt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor.

Mit Schreiben vom 23.08.2021 wurde sie zur schriftlichen Stellungnahme zu den Sachverhalten aufgefordert bis zum 03.09.2021. Per E-Mail vom 03.09.2021 nahm die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten zu dem Anhörungsschreiben Stellung.

Mit schriftlichem Anhörungsschreiben unter dem 13.09.2021 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung der Klägerin an. In dem Anhörungsschreiben an den Betriebsrat gibt die Beklagte an, dass die Klägerin nach ihrer Kenntnis keine Kinder hat.

Der Betriebsrat gab keine Stellungnahme ab. Auf das Anhörungsschreiben nebst Anlagen (Bl. 46 ff d.A.) wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 16.09.2021 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin fristlos. Mit weiterem Kündigungsschreiben vom 21.09.2021 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis hilfsweise ordentlich.

Gegen die Kündigung vom 16.09.2021 wendete sich die Klägerin mit ihrer Klage vom 22.09.2021, eingegangen beim Arbeitsgericht am 24.09.2021, der Beklagten am 29.09.2021 zugestellt. Gegen die weitere Kündigung wendete sich die Klägerin mit Schriftsatz vom 28.09.2021, beim Arbeitsgericht eingegangen am 01.10.2021, der Beklagten zugestellt am 05.10.2021.

Die Klägerin bestreitet eine sexuelle Belästigung gegenüber Frau G. und ist der Ansicht, dass eine solche eine körperliche Berührung voraussetze. Gesten mit der Zunge hätten nicht stattgefunden. Auch an ein Ausspucken könne sich die Klägerin nicht im Zusammenhang mit dem Gespräch am 22.06.2021 an der Lagertür erinnern. Sie habe keine (volle) drei Zeitstunden mit Frau G. gearbeitet. Jedenfalls wäre als milderes Mittel aber eine Versetzung und eine Abmahnung in Betracht gekommen. Die Voraussetzungen einer echten Druckkündigung seien nicht vorgetragen worden. Die Betriebsratsanhörung werde gerügt. Dem Betriebsrat gegenüber sei nicht konkret benannt worden, welche ggfls. konkret überprüfbaren Pflichtverstöße (Ort, Datum, Uhrzeit?) als Kündigungsgrund herangezogen würden. Das Anhörungsschreiben beschränke sich auf eine Beschreibung der Mitarbeitergespräche und stelle eine reine Wertung dar. Bei der WhatsApp-Gruppe handele es sich um eine private mit verschiedenen Kolleginnen und Kollegen, die sich zum Teil in der Elternzeit befunden hätten. Es handele sich um eine geschlossene WhatsApp-Gruppe. Bei den dort hinterlassenen Sprach- oder Textnachrichten handele es sich um private Meinungsäußerungen, die vollumfänglich dem Schutz der Meinungsfreiheit und der Privatsphäre sowie dem Telekommunikationsgeheimnis unterlägen. Darüber hinaus habe die Klägerin selbst in dieser WhatsApp-Gruppe zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Äußerungen getätigt, die in irgendeiner Weise zu beanstanden wären.

Die Klägerin beantragt,

1. festzustellen, dass die Kündigung der Beklagten vom 16.09.2021 rechtsunwirksam ist,

2. festzustellen, dass auch die Kündigung der Beklagten vom 21.09.2021 rechtsunwirksam ist.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte begründet die Kündigung damit, dass die Klägerin die Mitarbeiterin Frau G. am 22.06.2021 sexuell belästigt habe. Darüber hinaus bestehe der dringende Verdacht, dass sie zielgerichtet auf Dauer Mitarbeiter diffamiert, ausspioniert, verunsichert habe und dadurch in extremer Weise nachhaltig den Betriebsfrieden störe.

Die Klägerin und die Mitarbeiterin D. hätten mit der Zunge in Richtung Frau G. Gestiken getätigt, was einen Zungenkuss hätte darstellen sollen. Die Frau G. habe sich hierdurch sexuell belästigt gefühlt. Darüber hinaus habe die Klägerin bei der Verabschiedung am 22.06.2021 in Richtung ihrer Kollegin Frau G. auf den Boden gespuckt, was diese als zutiefst beleidigend empfunden hätte. Die Mitarbeiterin D. und die Klägerin hätten darüber hinaus bei Ankunft von Frau G. in die russische Sprache gewechselt. Den Wechsel in die russische Sprache hätten auch die meisten anderen befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestätigt. Die Klägerin habe sich darüber hinaus mit der Frau D. häufig in der Filiale getroffen und zu lange Pausen, teilweise bis zu einer Stunde gemacht. Dies habe die Mitarbeiter z.B. Frau K. demotiviert. Herr M. habe angegeben, dass er mitbekommen habe, dass zu dem Zeitpunkt, als Frau N. die Verkaufsstellenverwalterin war, Frau D. und die Klägerin sich darüber ausgetauscht hätten, wie sie es schnellstmöglich schaffen könnten, dass Frau N. die Verkaufsstelle verlasse und damit die Klägerin die Leitung der Verkaufsstelle übernehmen könne. Er habe angegeben, dass die Klägerin andere Mitarbeiter ignoriere und in einem feindseligen Ton kommuniziere. Sie habe ihn darüber hinaus des Diebstahls eines Spachtels bezichtigt und ihn angeschrien. Die Klägerin und Frau D. hätten über andere Kolleginnen und Kunden Aussagen getroffen wie „die zieht sich an wie eine Schlampe“ und „so kurz wie die Hose mal wieder ist, will sie uns doch nur ihre …zeigen“. Die Klägerin habe ihm gegenüber sein Verschwinden gefordert. Darüber hinaus zeige die Klägerin eine permanente und offene Abneigung gegen Frau G. und habe ihr vorgeworfen, dass diese nicht richtig arbeiten würde und den Laden gegen die Wand fahre. Auch Frau N. habe bestätigt, dass die Klägerin sie häufig kritisiert habe und ein gemeinsames Miteinander nicht möglich gewesen sei. Dadurch habe sie sich extrem unter Druck gefühlt. Die Klägerin habe zu ihr gesagt, dass sie „den Laden runterwirtschafte“ und „das Lager aussähe wie Scheiße“. Der Umgangston sei permanent unter der Gürtellinie gewesen. Auch Frau O. habe bestätigt, dass sie von der Klägerin angegangen worden sei. Sie habe allen Mut zusammen genommen und die Klägerin auf ihre Äußerungen angesprochen. Daraufhin habe die Klägerin zu ihr gesagt, „sie wisse nichts, sie könne nichts und sie würde sich noch umgucken“. Außerdem habe die Klägerin geäußert „sie könne dafür sorgen, dass Frau O. ihre Stelle als Assistentin der Verkaufsstellenverwaltung vergessen könne“. Frau O. habe darüber hinaus Angst gehabt, ihr Auto an der Verkaufsstelle zu parken. Die Klägerin habe zu Frau O. gesagt „ich werde dir deine Zukunft kaputt machen. Du kannst nichts, du bist nichts, du bist hier nur Gast und gehörst an die Kasse“. Laut Stellungnahme von Frau R. sei diese nach einer längeren krankheitsbedingten Abwesenheit von der Klägerin fertig gemacht worden, so dass sie Angst und Panik vor der Arbeit gehabt habe. Darüber hinaus habe die Klägerin über Herrn M. gesagt, als dieser die Tresorverantwortung gehabt habe, „zählt bloß richtig nach, bei dem weiß man ja nie so genau“. Die Klägerin sei Mitglied einer WhatsApp-Gruppe, in der verbal andere Mitarbeiterinnen und ihre damalige Vorgesetze verunglimpft und herabgesetzt worden seien. Dort seien andere Kolleginnen u.a. Frau O. als „Fotzen, Schlampen und Hurentöchter“ bezeichnet worden. Die Klägerin habe auch kein Einsehen in ihre Handlungen, wie auch durch ihre Stellungnahme sichtbar werde.

Die Klägerin bestreitet die Vorwürfe im Wesentlichen. Die Ausführungen der Beklagten seien nicht hinreichend substantiiert. Es werde nicht ein einziges konkretes Datum bzw. eine nähere Angabe zu Uhrzeit, Ort oder Anlass der behaupteten Pflichtverletzungen gemacht. Kein einziger der erhobenen Vorwürfe beruhe auf einem konkreten Sachverhalt. Alle Vorwürfe seien jeweils eine vage Schilderung von Abläufen und Vorgängen, die sich irgendwie in der Vergangenheit ereignet haben sollen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze und den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Die Klage ist zulässig. Das Feststellungsinteresse ergibt sich bereits aus der Gefahr der Präklusion gem. §§ 7, 4 KSchG.

II.

Die Klage ist begründet.

1.

Die außerordentliche fristlose Kündigung hat das Arbeitsverhältnis nicht beendet.

a)

Das Arbeitsverhältnis kann von dem Arbeitgeber aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer ihm unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann, § 626 Abs. 1 BGB. Dabei ist auch eine Störung des Betriebsfriedens durch den Arbeitnehmer an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Der Arbeitnehmer muss dabei das Zusammenleben und Zusammenwirken der in dem Betrieb tätigen Betriebsangehörigen konkret und nachhaltig in einer Weise beeinträchtigt haben, die es dem Arbeitgeber, der gemeinsam mit dem Betriebsrat für eine friedliche Zusammenarbeit der Mitarbeiter verantwortlich ist, unmöglich macht, das Arbeitsverhältnis mit dem störenden Arbeitnehmer fortzusetzen. Der Arbeitgeber kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb einer Frist von zwei Wochen erklären, die mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt, § 626 Abs. 2 BGB (LAG Berlin, Urteil v. 05.01.2005 – 17 Sa 1308/04, juris).

b)

Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB ist hinsichtlich der Verdachtskündigung und auch hinsichtlich einer eventuellen Tatkündigung nicht gewahrt.

Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist dann der Fall, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung ermöglichen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht. Grob fahrlässige Unkenntnis ist insoweit ohne Bedeutung. Zu den maßgeblichen Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Der Kündigungsberechtigte, der Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt. So lange er die zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinende Maßnahmen durchführt, läuft die Ausschlussfrist nicht an. Um den Lauf der Frist nicht länger als notwendig hinauszuschieben, muss eine Anhörung allerdings innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Die Frist darf im Allgemeinen, ohne dass besondere Umstände vorlägen, nicht mehr als eine Woche betragen (BAG, Urteil vom 27.01.2011 – 2 AZR 825/09 = NZA 2011, 798).

Diese Frist von einer Woche zur Anhörung des Arbeitnehmers ist hier nicht gewahrt. Selbst wenn hier davon ausgegangen wird, dass erst mit dem letzten Klärungsgespräch mit den Mitarbeitern am 20.07.2021 eine Anhörung der Klägerin möglich war, so wurde diese Anhörung erst am 28.07.2021 versucht. Die Beklagte hat damit die Klägerin erst nach 8 Tagen versucht, zu den Vorwürfen anzuhören. Selbst wenn die Klägerin nicht arbeitsunfähig gewesen wäre, so wäre hier eine einwöchige Frist nach Aufklärung aller Umstände verstrichen gewesen. Besondere Umstände, die es der Beklagten nicht möglich gemacht hätten, die Anhörung der Klägerin innerhalb einer Woche durchzuführen, sind seitens der Beklagten nicht vorgetragen worden.

Es ist zu berücksichtigen, dass eine fristlose Kündigung grundsätzlich innerhalb einer zweiwöchigen Erklärungsfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB ausgesprochen werden soll. Zwar ist die Frist so lange nicht in Gang gesetzt, solange die Beklagte noch Ermittlungen anstellen durfte. Hier ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte zum ersten Mal durch ihren Bezirksleiter am 24.06.2021 von einer Beschwerde der Mitarbeiterin, insbesondere im Hinblick auf die behauptete sexuelle Belästigung, aber auch im Hinblick auf die Umstände, die zur Störung des Betriebsfriedens aus Sicht der Beklagten geführt hat, erfahren hat. Die Beklagte hat sodann schon rund ein Monat Ermittlungen durchgeführt und auch schon einmal ein Gespräch mit der Klägerin im Hinblick darauf geführt. Schon bis zur Aufklärung der Vorwürfe ist fast ein Monat verstrichen. Es ist hier nicht ersichtlich, warum sodann noch einmal eine weitere Woche vergehen musste, bis die Klägerin selbst angehört werden sollte. Dies ist mit § 626 Abs. 2 BGB und dem von dem Bundesarbeitsgericht aufgestellten Grundsätzen nicht in Einklang zu bringen. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB ist damit ungenutzt verstrichen.

Dies gilt sowohl für die Verdachtskündigung, für die eine Anhörung zuvor nach den Grundsätzen des Bundesarbeitsgerichts erforderlich war, als auch erst recht zu einer eventuellen Tatkündigung. Denn hier waren die Umstände der Beklagten schon vorher bekannt. Selbst wenn hier aber davon auszugehen ist, dass eine Anhörung der Klägerin für erforderlich gehalten werden durfte, so kann jedoch keine längere Frist gelten, als für eine Verdachtskündigung, sodass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB auch für eine eventuelle Tatkündigung verstrichen wäre.

2.

Die Kündigung vom 21.09.2021 konnte das Arbeitsverhältnis auch nicht ordentlich beenden.

Hier unterscheidet die Kammer zwischen den Vorwürfen der sexuellen Belästigung, der Teilnahme der Klägerin an einer WhatsApp-Gruppe sowie den übrigen Vorwürfen, die den Betriebsfrieden bei der Beklagten in der Filiale nachhaltig gestört haben sollen.

a)

Auf das Arbeitsverhältnis findet nach der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses und der Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer das Kündigungsschutzgesetz gemäß §§ 23, 1 KSchG Anwendung.

b)

Die Beklagte stützt die Kündigung auf ein Verhalten der Klägerin. Die von der Klägerin selbst angesprochene Druckkündigung wird von der Beklagten selbst nicht als Kündigungsgrund angeführt.

Eine Druckkündigung liegt vor, wenn Dritte unter Androhung von Nachteilen für den Arbeitgeber von diesem die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers verlangen. Fehlt es an einer objektiven Rechtfertigung der Drohung durch personen- oder verhaltensbedingte Gründe, so kommt eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen gemäß § 1 Abs. 2 KSchG in Betracht. An die Zulässigkeit einer solchen „echten Druckkündigung“ sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Der Arbeitgeber hat sich zunächst schützend vor dem betroffenen Arbeitnehmer zu stellen. Nur wenn auf diese Weise die Drohung nicht abgewendet werden kann und bei Verwirklichung der Drohung schwere wirtschaftliche Schäden für den Arbeitgeber zu befürchten sind, kann die Kündigung sozialgerechtfertigt sein. Die Kündigung muss das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel sein, um die Schäden abzuwenden (BAG, Urteil vom 18.07.2013 – 6 AZR 420/12 = DB 2013, 29, 34).

Auf eine solche echte Druckkündigung stützt die Beklagte die Kündigung ersichtlich nicht. Sie stützt diese vielmehr auf ein Fehlverhalten der Klägerin. Dass die weiteren Arbeitnehmer unter Drohung von Nachteilen die Kündigung der Klägerin gefordert hätten, trägt die Beklagte nicht vor.

c)

Die Beklagte stützt die Kündigung auf den dringenden Verdacht der sexuellen Belästigung der Mitarbeiterin B.

Eine sexuellen Belästigung im Sinne von § 3 Abs. 4 AGG liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch sexuell bestimmte körperliche Berührungen und Bemerkungen sexuellen Inhalts gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird (…). Schutzgut der §§ 7 Abs. 3, 3 Abs. 4 AGG ist die sexuelle Selbstbestimmung als Konkretisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung wird als Recht verstanden, selbst darüber zu entscheiden, unter den gegebenen Umständen von einem anderen in sexual bezogenes Geschehen involviert zu werden (…). Ob eine Handlung sexuell bestimmt i. S. v. § 3 Abs. 4 AGG ist, hängt damit nicht allein vom subjektiv erstrebten Ziel des Handelnden ab. Erforderlich ist auch nicht notwendig eine sexuelle Motivation des Täters. Eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist vielmehr häufig Ausdruck von Hierarchien und Machtausübung und weniger von sexuell bestimmter Lust. Das jeweilige Verhalten muss bewirken oder bezwecken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Relevant ist entweder das Ergebnis oder die Absicht. Für das „Bewirken“ genügt der bloße Eintritt der Belästigung. Gegenteilige Absichten oder Vorstellungen der für dieses Ergebnis aufgrund ihres Verhaltens objektiv verantwortlicher Personen spielen keine Rolle. Ebenso kommt es auf vorsätzliches Verhalten nicht an. Das Tatbestandsmerkmal der Unerwünschtheit erfordert – anders als nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 b Schutzgesetz – nicht, dass der Betroffene seine ablehnende Einstellung zu den fraglichen Verhaltensweisen aktiv verdeutlicht hat. Maßgeblich ist allein, ob die Unerwünschtheit der Verhaltensweise objektiv erkennbar war (BAG, Urteil vom 29.06.2017 – 2 AZR 302/16 = NZA 2017, 11, 21).

Auch bei einer vorliegenden sexuellen Belästigung kann allerdings auf eine Interessenabwägung nicht verzichtet werden.

Unterstellt, dass sich die Ereignisse sich so zugetragen haben, wie von der Beklagten vorgetragen, d. h. die Mitarbeiterinnen D. und die Klägerin Bewegungen mit der Zunge in Richtung der Mitarbeiterin G. gemacht haben und die Klägerin der Mitarbeiterin G sodann noch vor ihr auf dem Boden gespuckt hat bei der Verabschiedung, könnte diese Verhaltensweise den Verdacht einer sexuellen Belästigung tragen. Die Mitarbeiterin G. ist homosexuell. Ein solches Verhalten mit der Zunge kann sehr wohl von einem Dritten als sexuell motiviert erkannt werden bzw. in seiner Richtung so verstanden werden und nicht zuletzt wegen des Spuckens auf dem Boden auch als Herabwürdigung verstanden werden.

Dennoch geht hier die Interessenabwägung zugunsten der Klägerin aus. Hier muss berücksichtigt werden, dass das Arbeitsverhältnis bereits störungsfrei seit 15 Jahren bestand und es sich im Hinblick auf die behauptete sexuelle Belästigung um einen erstmaligen und einmaligen Vorfall in diese Richtung handelte, sofern er denn so stattgefunden hat. Körperliche Berührungen oder Eingriffe fanden nicht statt. Insofern hätte das Aussprechen einer Abmahnung noch eine Verhaltensänderung in dieser Hinsicht herbeiführen können. Schließlich unterhält die Beklagte auch mehrere Filialen, sodass auch eine Versetzung in Betracht gekommen wäre. Dies alles sind mildere Mittel, die aber auch zum Erfolg hätten führen können. Die Kündigung ist daher unverhältnismäßig.

d)

Im Weiteren zieht die Beklagte als Kündigungsgrund darüber hinaus die Störung des Betriebsfriedens durch die Klägerin heran. Hier behauptet sie, dass in der WhatsApp-Gruppe, in der die Klägerin unstreitig Teilnehmerin ist, Beleidigungen über Kolleginnen ausgesprochen worden sind, die Klägerin sich insgesamt gegenüber vielen Mitarbeitern in einem unangemessenen Ton und unhöflich mit diesen umgegangen ist, sie psychischen Druck ausgeübt habe, sie despektierliche Bemerkungen über andere Mitarbeiterinnen und Kunden habe fallen lassen, sie insbesondere den Mitarbeiter M. des Diebstahls verdächtigt und hier auch eine despektierliche Äußerung getätigt habe, dass die anderen Mitarbeiterinnen gut aufpassen sollten und gut nachzählen sollten, als dieser die Tresorverantwortung hatte, die Mitarbeiter von der Klägerin teilweise fertig gemacht wurden und sie z. B. die Mitarbeiterin O. eingeschüchtert habe, als diese sich beschwert habe mit der Antwort: „Sie wisse nichts, sie könne nichts und sie würde sich noch umgucken. Sie könne dafür sorgen, dass Frau O. ihre Stelle als Assistentin der Verkaufsstellenverwaltung vergessen könnte.“ Auch habe die Klägerin längere Pausen gemacht, was die anderen Mitarbeiter demotiviert habe und sie sei in die russische Sprache gewechselt, wenn andere Mitarbeiter hinzugekommen seien. Die Beklagte habe daher den Verdacht, dass die Klägerin den Betriebsfrieden störe.

Eine Verdachtskündigung ist auch als ordentliche Kündigung sozial nur gerechtfertigt, wenn Tatsachen vorliegen, die zugleich eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten. Dies gilt zum einen für die Anforderungen an die Dringlichkeit des Verdachts als solchen. In dieser Hinsicht bestehen keine Unterschiede zwischen außerordentlicher und ordentlicher Kündigung. Für beide Kündigungsarten muss der Verdacht gleichermaßen erdrückend sein. Dies gilt zum anderen für die inhaltliche Bewertung des fraglichen Verhaltens und die Interessenabwägung. Auch im Rahmen von § 1 Abs. 2 KSchG müssen sie zu dem Ergebnis führen, dass das Verhalten, dessen der Arbeitnehmer verdächtig ist – wäre es erwiesen -, sogar eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen würde. Nur unter dieser Voraussetzung ist die Kündigung schon durch den bloßen Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG „bedingt“. Angesichts der jeweils aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG folgenden, gegensätzlichen Grundrechtspositionen der Arbeitsvertragsparteien bedarf das Rechtsinstitut der Verdachtskündigung der besonderen verfassungsrechtlichen Legitimation. Sie beruht auf der Erwägung, dass dem Arbeitgeber von der Rechtsordnung die Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses unter dem dringenden Verdacht auf ein Verhalten des Arbeitnehmers, das ihn zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigen würde, nicht zugemutet werden kann. Besteht dagegen der Verdacht auf das Vorliegen eines solchen Grundes nicht, weil selbst erwiesenes Fehlverhalten des Arbeitnehmers die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht rechtfertigen könnte, überwiegt bei der Güterabwägung im Rahmen von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG das Bestandsinteresse des Arbeitnehmers. In einem solchen Fall nimmt die Rechtsordnung das Risiko, einen „Unschuldigen“ zu treffen, nicht in Kauf. Ist der Arbeitnehmer eines Verhaltens verdächtig, das selbst als erwiesenes, nur eine ordentliche Kündigung zu stützen vermöchte, ist dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses deshalb trotz des entsprechenden Verdachts zuzumuten. Weder liegt ein Grund im Verhalten des Arbeitnehmers noch liegt ein Grund in der Person des Arbeitnehmers vor, der die Kündigung „bedingen“ könnte. Ein pflichtwidriges Verhalten ist – wie stets bei der Verdachtskündigung – nicht erwiesen und der bloße Verdacht auf ein lediglich die ordentliche Kündigung rechtfertigendes Verhalten führt nicht zu einem Eignungsmangel (BAG, Urteil vom 21.11.2013 – 2 AZR 797/11 = NZA 2014, 243).

Die Beklagte stützt die Kündigung im vorliegenden Fall auf einen dringenden Verdacht der Störung des Betriebsfriedens durch die Klägerin. Soweit die Beklagte den Verdacht der Störung des Betriebsfriedens auf die Teilnahme der Klägerin an einer WhatsApp-Gruppe stützt, kann dies nicht den dringenden Verdacht der Störung des Betriebsfriedens tragen. Unabhängig von der Frage, ob diese WhatsApp-Gruppe der Vertraulichkeit des Wortes untersteht, ist hier selbst von der Beklagten nicht behauptet worden, dass die Klägerin selbst beleidigende Äußerungen über Kolleginnen in dieser WhatsApp-Gruppe getätigt hätte. Die alleinige Mitgliedschaft einer Gruppe kann aber nicht der Klägerin die volle Verantwortung für den Inhalt dieser WhatsApp- Gruppe aufbürden. Dass überhaupt dort beleidigende Äußerungen getätigt wurden bzw. die Klägerin selbst solche getätigt hätte, wurde von der Beklagten nicht substantiiert dargelegt, sondern lediglich als Vermutung getätigt. Dies sind aber keine dringenden Verdachtsmomente, die ausreichen würden, ein entsprechendes Verhalten der Klägerin nahezulegen.

Auch soweit die Beklagte sich darauf stützt, dass die Mitarbeiter eingeschüchtert gewesen seien, die Klägerin sich in unangemessenem Ton geäußert habe und eine Mitarbeiterin sogar Angst gehabt hätte, ihr Auto in der Nähe zu parken, ihr ein feindseliger Unterton vorgeworfen wird und sie psychischen Druck ausgeübt, so handelt es sich hier um unsubstantiierte Behauptungen. Auch wenn die Beklagte sich auf die Aussagen der Mitarbeiter/innen stützt, so hätte sie doch recherchieren müssen, wie diese Gefühle konkret bei den Mitarbeiter/innen hervorgerufen wurden. Es handelt sich hier hauptsächlich um wertende Aussagen, wie die einzelnen Mitarbeiter/innen das Verhalten der Klägerin empfunden haben, ohne dass hier konkret dargelegt wurde, wodurch genau durch welches Verhalten diese Gefühle geweckt worden sind.

Auch die Äußerungen der Mitarbeiter, dass die Regale immer unordentlich gewesen seien, wenn sie aufgeräumt hätten und sie dies der Klägerin zuschrieben, weil dies meistens in ihrer Schicht geschehen sei, entbehrt jeder sachlichen Grundlage. Auch hier handelt es sich um eine gefühlte Einschätzung der Mitarbeiter. Konkrete Verdachtsmomente, wie Beobachtungen oder Ähnliches, werden nicht geschildert.

Als konkrete Vorwürfe bleiben aber, dass Herr M. gehört haben soll, dass die Klägerin und Frau D. sich ausgetauscht hätten, wie sie es schaffen könnten, dass die damalige Verkaufsstellenleiterin die Verkaufsstelle verlässt, damit die Klägerin die Leitung übernehmen könne, sie ihn des Diebstahls verdächtigt habe und ihn angeschrien habe, sie schlecht über Kunden und Kollegen geredet habe und diese mit „Schlampe“ u.ä. betitelt habe, sie zu Frau N. gesagt habe, das Lager sehe aus wie „Scheiße“ sowie dass sie zu Frau O. gesagt haben soll, „sie wisse nicht, sie könne nichts und sie würde sich noch umgucken. Sie könne dafür sorgen, dass ihre Stelle als Assistentin der Verkaufsstellenverwaltung vergessen könne“ sowie, dass sie zu anderen Mitarbeiter/innen gesagt habe, als Herr M. die Tresorverantwortung gehabt habe, dass die Mitarbeiter/innen bloß richtig nachzählen sollten, weil man bei ihm nie so genau wisse.

Hier bezeichnet die Beklagte unter Berufung auf die Mitarbeiter/innen konkret, was die Klägerin geäußert haben soll bzw. durch welches Verhalten sie die anderen Mitarbeiter eingeschüchtert haben soll. Dennoch muss hier berücksichtigt werden, dass sich die Beklagte selbst auch nur auf einen Verdacht der Störung des Betriebsfriedens beruft.

Es fehlt hier aber an jeglicher zeitlicher Eingrenzung, insbesondere wann und in welchem Zusammenhang diese Äußerungen der Klägerin getätigt worden sein sollen. Die konkrete Situation und in welchem Zusammenhang die Äußerungen zustande gekommen sein sollen, wird nicht geschildert.

Die geschilderten Tatsachen müssten einen konkreten Verdacht gegen die Klägerin begründen, die an dem Maßstab für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung gemessen, jedwede weitere Zusammenarbeit mit der Klägerin ausschließen würde.

Dies ist nicht gegeben. Die Kündigung ist außerdem unverhältnismäßig.

Es wäre hier seitens der Beklagten aufzuklären gewesen, wie lang die Situation in der Filiale schon so bestand. Es wurde nicht geschildert, dass die Klägerin, bis auf den einen Versuch von Frau O., bisher eine kritische Rückmeldung zu ihrem (angeblichen) Verhalten erhalten hat. Die Klägerin konnte daher davon ausgehen, dass ihr Umgangston in der bisher gehaltenen Art und Weise in Ordnung und geduldet sei, wenn die Situation so schon seit einiger Zeit bestand.

Auch hat die Beklagte hier nicht herausgearbeitet, welche Stellung die Klägerin überhaupt in der Verkaufsstelle bekleidet. Nach dem bisherigen Vortrag lässt sich nicht erkennen, dass die Klägerin eine Vorgesetztenposition innehatte. Es stellt sich insofern die Frage, inwiefern ihre Kritik von den Mitarbeiterinnen überhaupt als Bedrohung empfunden werden konnte. Auch ist von der Beklagten nicht herausgearbeitet worden, wie viele Mitarbeiter in dieser Filiale arbeiten und wie viele Mitarbeiter sich tatsächlich von der Art und Weise, wie die Klägerin sich verhielt und gesprochen hat, betroffen gefühlt haben. Es fehlt hier vollständig an der Widerspiegelung der Aussagen der Mitarbeiter, die offensichtlich keine Kritik an der Klägerin zu äußern hatten. Bei Berücksichtigung aller dieser Umstände hätte die Beklagte im Rahmen der Verhältnismäßigkeit sich mildere Mittel überlegen müssen. Es ist hier zu berücksichtigen, dass das Arbeitsverhältnis ohne Belastung seit 15 Jahren bestanden hat. Es wurde von der Beklagten nicht herausgearbeitet, wie lange dieser Zustand in der Filiale mit der Klägerin bestanden haben soll. Selbst wenn also hier der Verdacht gegeben sein sollte, dass die Klägerin den Betriebsfrieden gestört hätte, so hätte die Beklagte hier als milderes Mittel eine Abmahnung in Betracht ziehen müssen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Vorfälle an sich eine fristlose Kündigung hätten rechtfertigen können. Soweit hier Beleidigungen behauptet wurden, so ist nicht erkennbar, dass diese direkt gegenüber den Betroffenen ausgesprochen worden sind, sondern es liegt vielmehr nahe, dass sich dies aus einem Belauschen von Gesprächen ergeben hat. Insofern muss hier berücksichtigt werden, dass die Klägerin die Mitarbeiter nicht direkt beleidigt hat. Sofern die Klägerin geäußert hat, die Frau O. wisse nichts, könne nichts etc., so hätte es sich, sofern dieser Vorfall so geschehen ist, sicher um eine unangemessene Art und Weise des Umgangs gehandelt, das Verhalten an sich kann aber hier einen fristlosen Kündigungsgrund nicht rechtfertigen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin die Frau O. hier so einschüchtern konnte, da hier nicht ersichtlich nicht, dass sie in irgendeiner Art und Weise eine Vorgesetztenfunktion inne gehabt hat. Auch die Äußerungen bezüglich Herrn M., dass man genau nachzählen solle, stellt sicherlich, sofern dies so geschehen ist, den Herrn M. in ein schlechtes Licht und ist geeignet, diesen persönlich zu betreffen und zu beleidigen. Jedoch ist auch in diesen Äußerungen nicht das Maß erreicht, das eine fristlose Kündigung rechtfertigen würde. Die Beklagte hätte insofern zu einer Abmahnung greifen müssen und gegebenenfalls hätte sie die Möglichkeit einer Versetzung gehabt, insbesondere da das Arbeitsverhältnis in anderen Filialen wohl störungsfrei verlaufen ist.

Wie bereits gezeigt, kann aber eine Verdachtskündigung auch als ordentliche Kündigung nur durchgreifen, wenn der Verdacht von Gründen vorgetragen ist, die eine fristlose Kündigung tragen würden. Dies ist hier nicht gegeben. Auch die ordentliche Kündigung war damit sozial ungerechtfertigt.

4.

Es kann insofern dahinstehen, ob der Betriebsrat zutreffend angehört wurde und insbesondere ob die Falschangabe hinsichtlich des Familienstandes bzgl. der Frage, ob die Klägerin Kinder hat, falsch dargestellt wurde.

5.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 ZPO. Als Streitwert wurde ein Vierteljahreseinkommen in Ansatz gebracht.

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