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Fristlose Arbeitnehmerkündigung wegen Verweigerung Antigentest auf Sars-Cov 2-Viren (Corona)

ArbG Gera – Az.: 3 Ca 555/22 – Urteil vom 25.10.2022

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.614,33 € festgesetzt.

4. Soweit die Berufung nicht kraft Gesetzes statthaft ist, wird sie nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um eine fristlose, hilfsweise ordentliche Arbeitgeberkündigung wegen der Verweigerung des Klägers zur Durchführung eines Antigen-Tests auf Sars-Cov-2-Viren.

Der Kläger war aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 24.01.2020, welcher für die Beklagte durch die Personalleiterin Frau  K unterzeichnet war, bei der Beklagten seit dem 10.02.2020 als Fräser zum einen regelmäßigen Bruttomonatsentgelt von zuletzt 2.538,11 € bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Die für den Fall der Einführung von Kurzarbeit geschlossene Zusatzvereinbarung vom 25.06.2020 wurde seitens der Beklagten von der Personalleiterin  K unterzeichnet. Eine Abmahnung vom 01.07.2020 wurde ebenfalls von der Personalleiterin unterzeichnet.

Zur Umsetzung der Verpflichtungen der damals geltenden sogenannten „3-G-Regel“ (Geimpft oder genesen oder negativ getestet gegen Sars-Cov-2-Viren) hatte die Beklagte durch eine externe Fachkraft für Arbeitssicherheit entsprechende Maßnahmen entwickeln lassen und unter Berücksichtigung der Covid-2-Arbeitsschutz-Verordnung mit Aushang vom 26.11.2021 ab dem 29.11.2021 für alle betrieblichen Mitarbeiter das Tragen einer Arbeitsschutzmaske angeordnet.

Der Kläger trug weiterhin lediglich einen Schal unter Verweis ein ärztliches Attest zur Befreiung von der Maskenpflicht. Dazu legte er der Beklagten eine Kopie eines auf den 30.04.2020 ohne nähere Begründung von einem Orthopäden ausgestellten Attests vor. Die Beklagte hielt den Kläger an, sich im Dezember 2021 um einen Termin bei einem Lungenfacharzt zu kümmern um eine entsprechende ärztliche Erklärung zur Befreiung von der Maskenpflicht zu erhalten. Einen diesbezüglichen Termin im Februar 2022 nahm der Kläger nicht wahr.

Die Beklagte hatte toleriert, dass sich weder geimpfte noch genesene Arbeitnehmer zuhause testen lassen konnten, jedoch einen Testnachweis mit sich führen mussten. Sie führte Stichproben zur Einhaltung der sog. „3-G-Regel“ durch. Am 04.03.2022 gegen 8:00 Uhr kontrollierte die Personalleiterin Frau K den Kläger auf einen Nachweis der „3-G-Regel“. Der weder geimpfte noch genesene Kläger konnte kein

Negativattest, welches eine Infektion nach SARS-Cov-2 ausschloss, vorweisen. Die Personalleiterin bot dem Kläger daraufhin an, unmittelbar im Betrieb einen entsprechenden Test durch Nasenabstrich vorzunehmen. Der Kläger lehnte einen solchen Test kategorisch ab. Daraufhin wurde ein Personalgespräch mit dem Kläger unter Beteiligung der Personalleiterin Frau K, dem Seniorchef Herrn R und des Herrn L geführt. Dem Kläger wurde die verpflichtende 3-G Regel erläutert und ihm deutlich gemacht, dass diese Voraussetzung für den Zugang zum Betrieb und zur Erbringung seiner Arbeitsleistungen sei. Ihm wurde deutlich gemacht, dass seine weitere Weigerung zur Durchführung eines Antigentests die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zur Folge haben könne. Alternativ wurde ihm die Durchführung eines von ihm zu bezahlenden Spucktestes angeboten, welchen er ebenso verweigerte. Daraufhin übergab die Personalleiterin dem Kläger das Kündigungsschreiben vom 04.03.2022, mit welchem die Beklagte den bestehenden Arbeitsvertrag fristlos, außerordentlich zum 04.03.2022, behelfsweise zum 30.04.2022 bzw. zum nächst möglichen Zeitpunkt kündigte. Das Kündigungsschreiben war von der Personalleiterin unterzeichnet.

Mit Schreiben vom 08.03.2022 wies der Kläger die Kündigung wegen fehlender Vorlage einer Originalvollmacht des Geschäftsführers zurück.

Der Kläger vertritt die Ansicht, die Kündigung sei mangels Vorlage einer Originalvollmacht des gesetzlichen Vertreters unwirksam. Auch fehle es an einem wichtigen Kündigungsgrund und der Einhaltung der zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist. Die außerordentliche Kündigung sei weder verhältnismäßig noch seien seine Interessen hinreichend berücksichtigt. Die hilfsweise ordentliche Kündigung sei sozialwidrig. Er behauptet, er habe den Spucktest nur deshalb abgelehnt, weil er ihn habe bezahlen sollen. In einem ca. eineinhalb Monate zuvor mit dem Seniorchef Herrn R geführten Gespräch wegen des Aushangs zur Testpflicht habe ihm der Seniorchef in Kenntnis, dass er weder geimpft noch genesen sei und den Test nicht durchführen wolle, zu verstehen gegeben, dass er ohne Testung zur Arbeit kommen solle, er solle dies jedoch niemandem sagen.

Der Kläger beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose, außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 04.03.2022, dem Kläger zugegangen am 04.03.2022, am 04.03.2022 beendet wurde, sondern über den 04.03.2022 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

2. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 04.03.2022, dem Kläger zugegangen am 04.03.2022, am 30.04.2022 beendet wird, sondern über den 30.04.2022 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

3. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die höchst hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 04.03.2022, dem Kläger zugegangen am 04.03.2022, zum nächstmöglichen Zeitpunkt beendet wird, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, der Kläger habe in dem Personalgespräch erklärt, er werde aus Prinzip keinen Test ausführen. Dann lasse er sich lieber kündigen. Deshalb habe es ihrer Ansicht nach auch keiner Abmahnung bedurft.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle verwiesen.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist zulässig, aber in der Sache unbegründet.

Das seit dem 10.02.2020 bestanden habende Arbeitsverhältnis wurde durch die Kündigung vom 04.03.2022, welche dem Kläger an diesem Tage übergeben wurde, fristlos beendet. Die Kündigung ist rechtswirksam.

1. Gemäß § 174 Satz 1 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft wie eine Kündigung dann unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere aus diesem Grunde das Rechtsgeschäft unverzüglich zurückweist. Es kann dahinstehen, ob bei einer Übergabe des Kündigungsschreibens durch den Bevollmächtigten eine Zurückweisung mit Schreiben 4 Tage später noch unverzüglich ist. Gemäß § 174 S.2 BGB ist die Zurückweisung ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte. Der Kläger wusste, dass Frau K die Stellung einer Personalleiterin im Unternehmen innehat. Sie hatte unter Angabe dieser Funktionsbezeichnung den Arbeitsvertrag, die Zusatzvereinbarung und die Abmahnung unterzeichnet. Mit der Stellung als Personalleitung ist regelmäßig auch das Kündigungsrecht verbunden. Zudem hatte Frau K das der Kündigung vorangehende Personalgespräch im Beisein des Seniorchefs mit dem Kläger geführt.

2. Die außerordentliche fristlose Kündigung vom 04.03.2022 ist gemäß § 626 BGB wirksam.

a) Die Kündigung basiert auf der beharrlichen Weigerung des Klägers, einen Antigen Test auf SARS-Cov-2-Viren durchzuführen und damit die Voraussetzungen für das Betreten des Betriebes und der Erbringung seiner Hauptleistungspflicht als Fräser zu schaffen.

Gemäß der damaligen bundesgesetzlichen Regelung des § 28b Infektionsschutzgesetz galt im Hinblick auf die Corona-Pandemie in der Zeit vom 24.11.2021 – 19.03.2022 in Arbeitsstätten die sogenannte „3-G-Regel“. Danach durften Beschäftigte und Arbeitgeber Arbeitsstätten, in denen physische Kontakte mit anderen Menschen nicht ausgeschlossen werden konnten, nur betreten, wenn sie geimpft, genesen oder getestet waren und einen entsprechenden Nachweise mit sich führten, zur Kontrolle verfügbar hielten oder beim Arbeitgeber hinterlegt hatten. Die Beklagte hatte ihr Arbeitsschutzkonzept, welches ab dem 29.11.2021 für alle betrieblichen Mitarbeiter das Tragen einer Atemschutzmaske anordnete und die sogenannte „3-G-Regel“ umsetzte, per Aushang bekannt gemacht.

Das vom Kläger behauptete Gespräch mit dem Seniorchef Herrn R ca. eineinhalb Monate vor dem Personalgespräch vom 04.03.2022 in Reaktion auf den Aushang im Betrieb zeigt, dass der Kläger die grundsätzlich geltende Regelung zur Testpflicht für ungeimpfte bzw. nicht genesene Personen kannte. Ob die Beklagte oder zumindest der Seniorchef Herr R vor dem 04.03.2022 stillschweigend eine Missachtung der Regelung toleriert habe, kann dahinstehen. Zumindest hat die Beklagte mit Durchführung der Stichprobenkontrollen am 04.03.2022 ein abweichendes Verhalten nicht mehr toleriert und dies mit der Forderung der Vorlage eines Testnachweises sowie dem Angebot, einen für den Kläger kostenfreien Antigen-Nasentest oder durch einen durch den Kläger zu bezahlenden Spucktest nachzuholen, im Personalgespräch vom 04.03.2022 deutlich gemacht.

Die auf die Durchführung des Arbeitsvertrages gerichtete Nebenforderung war vom Weisungsrecht des Arbeitgebers gemäß § 106 GewO, welches sich auch auf Ordnung und Verhalten im Betrieb erstreckt, gedeckt. Die Beklagte hatte mit dieser Weisung lediglich die damals geltenden gesetzlichen Anforderungen gemäß § 28b IfSG umgesetzt. Einen Ermessensspielraum hat die Beklagte insoweit nicht.

Die Beklagte musste dem Kläger neben dem kostenfrei zur Verfügung gestellten Antigentest durch Nasenprobe keinen kostenfreien Spucktest zur Verfügung stellen. Der Gesetzgeber hielt im Hinblick auf die durch die Corona-Viren ausgelöste Gesundheitsgefahr die Durchführung der gängigen Corona-Antigentests generell für zumutbar, weshalb dies auch von der Beklagten im Rahmen ihrer Ermessensausübung als zumutbar erachtet werden durfte. Der Kläger hat seine Weigerung zur Durchführung eines Nasentests lediglich mit den leichten Schmerzen durch das Einführen des Teststäbchens begründet, die der Gesetzgeber als hinzunehmen für zumutbar erachtet hat. Eine besondere, darüber hinausgehende gesundheitliche Gefährdung durch einen Test per Nasenprobe wurde durch den Kläger nicht vorgebracht.

Der Kläger hat am 04.03.2022 gegen diese Weisung schuldhaft verstoßen, indem er sich in Kenntnis der durch Aushang bekannt gemachten Pflichten ohne einen Antigen Test auf Sars-Cov-2 Viren im Betrieb der Beklagten aufhielt und diesen auch nicht nachzuholen bereit war, als er der Stichprobenkontrolle unterzogen wurde.

Maßstab für die Negativprognose ist der Zeitpunkt der Übergabe des Kündigungsschreibens am 04.03.2022. Die Beklagte durfte zu diesem Zeitpunkt davon ausgehen, dass die Weigerung des Klägers zur Durchführung des Antigen-Tests das Arbeitsverhältnis dauerhaft für die Zukunft nachhaltig belastet, nämlich die Erbringung seiner Arbeitsleistung unmöglich machte. Die Aufhebung der gesetzlichen sog. „3-G-Regel“ in § 28b Infektionsschutzgesetz wurde erst mit dem Gesetz vom 18.03.2022 zum 20.03.2022 wirksam.

b) Die Kündigung ist verhältnismäßig. Ein milderes Mittel stand der Beklagten nicht zur Verfügung. Ist eine Abmahnung nicht erfolgversprechend, so bedarf es ihrer analog § 323 Abs. 2 BGB nicht. Der Kläger kannte spätestens aufgrund des Personalgesprächs am 04.03.2022 die Vertragswidrigkeit seines Verhaltens und weigerte sich dennoch und in Kenntnis, dass im Falle einer weiteren Weigerung die Kündigung droht, uneinsichtig und hartnäckig einen Antigen-test durchzuführen. Die Warnfunktion einer Abmahnung wäre ins Leere gelaufen.

Die Interessen der Beklagten an der sofortigen Aufhebung des knapp zwei Jahre bestanden habenden Arbeitsverhältnisses überwiegen das Fortsetzungsinteresse des Klägers bis zum nächstmöglichen ordentlichen Kündigungstermin am 30.04.2022. Zum Zugangszeitpunkt 04.03.2022 war es der Beklagten nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis über knapp 2 Monate bis zum 30.04.2022 aufrecht zu erhalten, ohne eine Chance auf die Hauptleistung zu erhalten. Zu berücksichtigen ist insbesondere, dass die in Aussicht stehende Unmöglichkeit der Erbringung der Hauptleistung auf einem steuerbaren, dem Kläger zumutbaren Verhalten basiert.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. mit § 91 Abs. 1 ZPO.

III. Der gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzende Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 3 ff ZPO, 42 Abs. 2 GKG entsprechend dem Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres an den Kläger zu leistenden Arbeitsentgelts bemessen.

IV. Die Berufung ist nicht gemäß § 64 Abs. 2 a ArbGG zuzulassen. Berufungszulassungsgründe i. S. d. § 64 Abs. 3 ArbGG liegen nicht vor. Unberührt von dieser Entscheidung bleibt die Statthaftigkeit der Berufung gemäß § 64 Abs. 2 b) und c) ArbGG.

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