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Fristlose Geschäftsführerkündigung – Kündigungsschutzklage und allgemeine Feststellungsklage

OLG Stuttgart – Az.: 9 U 102/10 – Urteil vom 22.12.2010

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Ulm vom 11.05.2010 (Az.: 10 O 44/10 KfH) wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert der Berufung: bis zu 600.000 €

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass ein zwischen den Parteien abgeschlossener Dienstvertrag nicht durch eine außerordentliche Kündigung durch die Beklagte beendet wurde und das Dienstverhältnis fortbesteht.

Zu den weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

Es hält den Geschäftsführer-Anstellungsvertrag für wirksam. Unschädlich sei, dass der für die Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer notwendige Gesellschafterbeschluss nicht vorliege. Da die Beklagte sich zu dessen Herbeiführung verpflichtet, der Kläger seine Tätigkeit als Geschäftsführer tatsächlich aufgenommen und die Beklagte dies nach außen publik gemacht habe, könne sie sich nicht auf die Unwirksamkeit des Anstellungsvertrags berufen. Zudem sei die Beklagte selbst von dessen Wirksamkeit ausgegangen, zumindest in dem Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 16.03.2009, wodurch der Kläger als Geschäftsführer abberufen worden sei, liege eine konkludente Genehmigung seiner Bestellung. Der Anstellungsvertrag sei deswegen nicht nach den Grundsätzen eines fehlerhaften Anstellungsverhältnisses zu beurteilen.

Es könne dahingestellt bleiben, ob die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten habe. Es spreche alles dafür, dass die Einlassung der Beklagten zum Kenntniszeitpunkt zutreffend sei, zumal es dabei auf die Kenntnis der Gesellschafterversammlung ankomme und nicht die des Herrn M.

Die Kündigung sei zwar von der Gesellschafterversammlung der Beklagten und somit vom zuständigen Gesellschaftsorgan ausgesprochen worden. Herr M. habe die Fa. M. Management Limited in der Gesellschafterversammlung wirksam vertreten können. Auf einen Vollmachtsnachweis komme es nicht an, weil der Kläger die Kündigungen nicht wegen fehlender Vorlage zurückgewiesen habe.

Die Kündigung sei jedoch materiell unbegründet, weil die Kündigungsgründe weder einzeln noch in einer Gesamtschau, auch nicht bei Berücksichtigung der in den vorangegangenen Kündigungen erhobenen Vorwürfe, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB darstellten.

Durch den Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 26.03.2007 habe sich die Beklagte auf die beiden in dem Kündigungsschreiben genannten Kündigungsgründe festgelegt. Zwar sei ein Nachschieben von im Zeitpunkt der Kündigung noch nicht verfristeten Kündigungsgründen möglich und könnten bereits verfristete Gründe ergänzend herangezogen werden. Da die Gesellschafterversammlung als das für die Kündigung zuständige Organ jedoch keinen Beschluss zum Nachschieben von Kündigungsgründen gefasst habe, könne die Kündigung nicht darauf gestützt werden, der Kläger habe die Beklagte des Abhörens bezichtigt, zumal ein solcher Grund von anderer Qualität sei als die im Kündigungsschreiben genannten Kündigungsgründe.

Der Vorwurf des Prozessbetrugs, welcher im Zusammenhang mit der Zwangsvollstreckung aus dem Teil-Vorbehaltsanerkenntnisurteil vom 27.10.2009 (LG Ulm, 10 O 132/09 KfH) stehe, sei nicht erwiesen. Es stehe nicht fest, dass der Kläger falsche Angaben bezüglich des Guthabens auf dem Konto der ungeteilten Erbengemeinschaft gemacht habe. Die Angabe, er sei auf das Geld angewiesen, sei nicht unrichtig gewesen. Bei der Äußerung handele es sich um eine subjektive Wertung mit tatsächlichen Hintergrund. Zwar habe der Kläger über Einkünfte aus gewerblichen Immobilien verfügt. Der Kern seiner Aussage habe sich jedoch nicht auf seine „Vermögenslosigkeit“, sondern darauf bezogen, dass er längere Zeit kein Gehalt bezogen und erhebliche Aufwendungen für Prozesse gehabt habe. Die Äußerung des Klägers sei für die Urteilsfindung nicht von maßgeblicher Bedeutung gewesen. Zum Zeitpunkt der Zwangsvollstreckung hätten auch unstreitige Zahlungen der Beklagten ausgestanden, weshalb dem Kläger laufende Einnahmen fehlten, auch wenn er gegebenenfalls auf Rücklagen hätte zurückgreifen können. Zur Auflösung von Festgeldanlagen sei er nicht verpflichtet gewesen. Zum Zeitpunkt der spontanen Äußerung im Termin vom 2.02.2007 sei der Kläger als Geschäftsführer bereits abberufen gewesen, weshalb ihn nur nachwirkende Pflichten trafen. Das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien sei zu diesem Zeitpunkt bereits endgültig zerrüttet gewesen. Bei Berücksichtigung sämtlicher Umstände, auch der vorangegangenen Vorwürfe, stelle die Äußerung keinen wichtigen Grund zur Kündigung dar.

Der behauptete Wettbewerbsverstoß des Klägers liege nicht vor. Durch die Vermietung einer gewerblichen Immobilie an ein Konkurrenzunternehmen vor Abschluss des Anstellungsvertrages sei der Kläger weder in ein Wettbewerbsverhältnis zur Beklagten getreten, noch habe er in deren Bereich Geschäfte getätigt. Eine abstrakte Befürchtung hinsichtlich einer Beeinflussung von geschäftlichen Entscheidungen stelle keinen relevanten Wettbewerbsverstoß dar, zumal der Kläger nach § 12 des Geschäftsführeranstellungsvertrages berechtigt gewesen sei, Minderheitsgesellschafter an Konkurrenzunternehmen zu sein.

Auf eine Interessenabwägung komme es daher nicht mehr an. Bei einer solchen wäre zu berücksichtigen, dass dem Kläger bereits sechsmal von der Beklagten gekündigt worden sei und die Beklagte bereits zuvor deutlich zum Ausdruck gebracht habe, dass sie eine weitere Zusammenarbeit mit ihm ablehne. Dies seien Umstände, die nicht außer Acht gelassen werden könnten und im Rahmen einer Interessenabwägung dazu führten, die Begründetheit einer solchen Kündigung im Ergebnis zu verneinen.

Gegen dieses der Beklagten am 25.05.2010 zugestellte Urteil richtet sich die bei Gericht am 25.06.2010 eingegangene Berufung, die innerhalb der bis am 26.08.2007 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit einer Begründung versehen wurde.

Die Feststellung der Unwirksamkeit der ersten vier außerordentlichen Kündigungen durch die Beklagte vom 8.07.2009, 15.07.2009, 7.09.2009 und 13.10.2009 ist Gegenstand des Rechtsstreits LG Ulm -10 O 131/09 KfH -, OLG Stuttgart – 9 U 35/10 – , die weiteren außerordentlichen Kündigungen durch die Beklagte vom 13.11.2009 und 19.11.2009 sind Gegenstand des Rechtsstreits LG Ulm – 10 O 164/09 KfH -, OLG Stuttgart – 9 U 37/10 -. Das Landgericht Ulm hat jeweils mit Urteil vom 9.02.2010 sowie vom 12.02.2010 den Feststellungsklagen des Klägers stattgegeben, der Senat hat als Berufungsgericht die Berufungen der Beklagten jeweils mit Urteil vom 29.09.2010 zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Die Beklagte hat dagegen jeweils Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof eingelegt, über welche noch nicht entschieden wurde.

Die Beklagte rügt die Verletzung materiellen Rechts. Sie meint, ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung habe vorgelegen.

Das Landgericht habe sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob zum Zeitpunkt des Ausspruchs der streitgegenständlichen Kündigung vom 26.03.2010 noch ein Dienstverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten bestanden habe. Entgegen der Auffassung des Landgerichts, die sich aus den nicht rechtskräftigen Urteilen vom 9.02.2010 (Az. LG Ulm 10 O 131/09 KfH) und vom 12.02.2010 (Az. LG Ulm 10 O 164/09 KfH) ergebe, sei das Dienstverhältnis durch die von der Beklagten am 8.07.2009, 15.07.2009, 7.09.2009, 13.10.2009, 13.11.2009 und 19.11.2009 ausgesprochenen fristlosen Kündigungen bereits wirksam beendet worden, sofern dieses nicht durch vorausgegangene Kündigungen vorher beendet worden sei.

Die Beklagte wiederholt in diesem Zusammenhang ihre Ausführungen aus den Berufungsbegründungen in den genannten Berufungsverfahren beim OLG Stuttgart (9 U 35/10 und 9 U 37/10).

Sie meint, weil die Entscheidung, ob das Dienstverhältnis zum Zeitpunkt der Kündigung beendet gewesen sei, für diesen Rechtsstreit vorgreiflich sei, hätte das Landgericht bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Parallelverfahren den Rechtsstreit aussetzen müssen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Ulm – 1. Kammer für Handelssachen – vom 11.05.2010 ( Az. 10 O 44/10 kfH) abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das landgerichtliche Urteil. Er hält die Berufung für unzulässig. Der erstmalig in der Berufungsbegründung vorgebrachte Sachvortrag aus anderen Prozessen stelle einen unzulässigen neuen Vortrag dar. Im Übrigen seien die Rechtsausführungen hierzu unberechtigt. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der streitgegenständlichen Kündigung vom 26.03.2010 finde in der Berufungsbegründung nicht statt. Auf die von der Beklagten anders beurteilte Vorgreiflichkeit laufender Parallelprozesse komme es nicht an, da das Landgericht eine Aussetzung des Rechtsstreits abgelehnt habe. Schließlich verkenne die Beklagte die Tragweite der Rechtskraft, wenn sie meine, bei Nichtdurchführung der Berufung einen Prozessverlust in den Parallelverfahren zu erleiden.

Wegen des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung wurde ordnungsgemäß begründet.

Die Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO.

Sie muss gem. § 520 Abs. 3 S. 2 ZPO auf den Streitfall zugeschnitten sein und deutlich machen, auf welche Punkte tatsächlicher oder rechtlicher Art sich die Angriffe erstrecken. Weder Schlüssigkeit noch Vertretbarkeit der Begründung sind Zulässigkeitsvoraussetzungen. Eine allgemeine Verweisung auf erstinstanzliches Vorbringen reicht grundsätzlich nicht aus. Die Berufungsbegründung muss so beschaffen sein, dass das Berufungsgericht nach ihrer und des angefochtenen Urteils Lektüre die Einwände des Berufungsführers gegen die erstinstanzliche Entscheidung erkennen kann (vgl. Schumann/Kramer, Die Berufung in Zivilsachen, 7. Aufl., Rn. 218 ff.; Zöller-Heßler, ZPO, 28. Aufl., 2010, § 520 Rn. 33 ff. je m.w.N.).

Die Beklagte rügt mit ihrer Berufung einerseits, dass das Landgericht nicht geprüft habe, ob zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vom 26.03.2010 das Dienstverhältnis nicht bereits durch die vorausgegangenen fristlosen Kündigungen beendet gewesen sei. Zum anderen bemängelt sie, dass das Landgericht den Rechtsstreit nicht gem. § 148 ZPO ausgesetzt hat, obwohl die Entscheidungen in den Parallelverfahren für das vorliegende Verfahren vorgreiflich seien. Demnach rügt sie in zulässiger Weise die materielle Rechtsanwendung sowie einen Verfahrensmangel. Ob die Rügen in der Sache begründet sind, ist für die Frage der Zulässigkeit ohne Belang. Weder Schlüssigkeit noch Vertretbarkeit der Begründung sind Zulässigkeitsvoraussetzungen (BGH NJW-RR 2003,1580).

2.

Neben der Kündigungsschutzklage ist die allgemeine Feststellungsklage zulässig, weil der Kläger mit Nachkündigungen rechnen musste und daher ein Rechtsschutzinteresse an der alsbaldigen Feststellung gemäß § 256 ZPO hat.

Gegenstand der Kündigungsschutzklage ist die Beendigung des Dienstverhältnisses durch eine konkrete Kündigung zu dem in ihr vorgesehenen Termin und Gegenstand der allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 ZPO die Frage, ob das Dienstverhältnis über diesen Termin hinaus im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz fortbesteht (vgl. zur Kündigungsschutzklage verbunden mit einer allgemeinen Feststellungsklage im Arbeitsverhältnis BAG NJW 2006, 395). Ob und inwieweit mit dem Klageantrag kumulativ eine allgemeine Feststellungsklage erhoben wird, ist unter Berücksichtigung des Streitgegenstandsbegriffs (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., 2010, Einl., Rn. 60 ff.) durch Auslegung zu ermitteln. Entscheidend ist der geäußerte Parteiwille, wie er aus Antrag, Begründung sowie aus sonstigen Umständen erkennbar wird.

Der Kläger hat mit seiner Klage die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung vom 26.03.2010 sowie die Feststellung des unveränderten Fortbestandes des Dienstverhältnisses beantragt. Die Auslegung des Wortlauts des Klageantrags ergibt, dass der Kläger keinen der bis zur Erhebung der Klage eingetretenen und auch keinen während des Rechtsstreits nachfolgenden etwaigen Beendigungstatbestand gegen sich gelten lassen möchte. Eine Einschränkung ergibt sich allerdings durch die Klagebegründung, in der es heißt, Gegenstand des Kündigungsschutzprozesses sei die fristlose Kündigung der Beklagten vom 26.03.2010. Der Sachverhalt zu den vorausgegangenen sechs fristlosen Kündigungen, welche bereits Gegenstand anderer Rechtsstreitigkeiten seien, werde nur zum besseren Verständnis wiedergegeben. Daraus ergibt sich, dass sich der Kläger mit dieser Klage nicht gegen die ersten sechs fristlosen Kündigungen zur Wehr setzen wollte, da der Streit um deren Wirksamkeit bereits anderweitig rechtshängig ist (andernfalls wäre das Rechtsschutzbedürfnis für eine Feststellungsklage mit identischem Streitgegenstand zu verneinen). Mit dem allgemeinen Feststellungsantrag sollten jedoch etwaige über den Kündigungszeitpunkt vom 26.03.2010 hinausgehende weitere Beendigungstatbestände (z.B. durch weitere im Laufe des Rechtsstreits ausgesprochene Nachkündigungen) erfasst werden. Ein Feststellungsinteresse für einen weitergehenden Feststellungsantrag ist gegeben, wenn die objektive Gefahr weiterer Beendigungstatbestände durch den Arbeitgeber deutlich wird (vgl. Baumbach/Hartmann, 68. Aufl., 2010, § 256 ZPO, Rn. 56; Jaroschek/Müken, Kündigungsschutzklage und allgemeine Feststellungsklage im arbeitsgerichtlichen Verfahren, JuS 2001, 64). Ein solches ist vorliegend zu bejahen, da in dem mittlerweile durch Animosität und Misstrauen geprägten Dienstverhältnis mit weiteren verhaltensbedingten Kündigungen bzw. mit dem Nachschieben von Kündigungsgründen zu rechnen war, weil sich die Beklagte – die Vorgeschichte macht dies deutlich – mit allen Mitteln vom Kläger trennen möchte (vgl. auch LAG Hamm MDR 1999, 1391). Die zusätzliche allgemeine Feststellungsklage ist daher zur Wahrung der Rechte des Klägers notwendig.

3.

Das Landgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung angenommen, dass der Anstellungsvertrag zwischen den Parteien mangels ordnungsgemäßer Vertretung gem. § 164 Abs. 1 S. 1 BGB nicht wirksam zustande gekommen ist (a), allerdings durch nachträgliche Zustimmung gem. §§ 182, 184 BGB genehmigt wurde (b). Der Anstellungsvertrag ist weder durch vorausgegangene außerordentliche Kündigungen (c), noch durch die außerordentliche Kündigung vom 26.03.2010 beendet worden (d).

a)

Beim Abschluss des Dienstvertrags mit dem Kläger wurde die Beklagte nicht ordnungsgemäß vertreten, da die Vertragsurkunde nur von Herrn M. unterzeichnet wurde, ohne dass ein Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung erging.

Die Bestellung als Geschäftsführer kann – ebenso wie dessen Abberufung – nach §§ 6, 9 des Gesellschaftervertrages vom 30.06.1987 nur wirksam mit Zustimmung der Gesellschafterversammlung der KG erfolgen. Das Handeln des geschäftsführenden Direktors der Komplementärin (Limited), das nach dem Gesellschaftsvertrag der Zustimmung der Gesellschafterversammlung der beklagten KG bedurfte, war von der Vertretungsmacht der geschäftsführenden Gesellschafterin für „gewöhnliche“ Geschäfte nicht mehr gedeckt, da der im Streit befindliche Dienstvertrag eine Geschäftsführerbestellung beinhaltete (vgl. zur Auswirkung der fehlenden Zustimmung der Gesellschafterversammlung BGH DNotZ 1995, 961).

Bei der angemeldeten und in das deutsche Handelsregister eingetragenen Beklagten handelt es sich um eine nach deutschem Recht gem. § 161 Abs. 1 HGB gegründete Kommanditgesellschaft. Hieran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass persönlich haftende Gesellschafterin dieser KG eine nach englischem Recht errichtete private limited company by shares (im folgenden: Limited) ist. Es entspricht herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass eine Limited als eine im EU-Ausland gegründete Kapitalgesellschaft die Stellung einer Komplementärin in einer KG übernehmen kann (vgl. OLG Frankfurt ZIP 2006, 1673 m.w.N.), da von der Vergleichbarkeit der englischen Limited mit einer GmbH deutschen Rechts ausgegangen wird, deren Komplementärfähigkeit im Rahmen der Rechtsreform der GmbH Co. KG anerkannt ist. Für die KG ist nach dem Gesellschaftsstatut deutsches Recht maßgeblich. Nach §§ 161 Abs. 2, 164, 170, 115, 125 HGB sind bei der KG die Kommanditisten von der Geschäftsführung und organschaftlichen Vertretung ausgeschlossen und sämtliche Komplementäre grundsätzlich einzeln zur Geschäftsführung und Vertretung berechtigt und verpflichtet, soweit der Gesellschaftsvertrag keine abweichenden Regelungen trifft. Da es sich bei der Komplementärin um eine englische Limited handelt, ist für die Geschäftsführung und Vertretung dieser Gesellschaft englisches Recht maßgeblich, selbst wenn sie eine Zweigniederlassung in Deutschland begründet hat.

Vorliegend sieht § 6 i.V.m. § 9 des Gesellschaftsvertrags vom 30.06.1987 vor, dass für „nicht gewöhnliche“ Handlungen wie Erteilung oder Widerruf der Geschäftsführerbefugnis die Zustimmung der Gesellschafterversammlung der Beklagten notwendig ist. Gem. § 9 des Gesellschaftsvertrags vom 30.06.1987 ist die Gesellschafterversammlung beschlussfähig, wenn 2/3 der Gesellschafter anwesend oder vertreten sind. Gesellschafter der Beklagten sind neben der genannten Komplementärin M., R. M. sowie die F.-Verwaltungs-GmbH. Die Komplementärin kann laut vertraglicher Regelung vom 24.03.2009 der Limited durch den Direktor M. stets einzeln vertreten werden. Für die Verwaltungs-GmbH sind als weitere Kommanditisten die Herren E. und R. M. jeweils einzelvertretungsberechtigt. Demnach war die Gesellschafterversammlung der Beklagten beschlussfähig, wenn die Komplementärin und die Kommanditisten jeweils in Person bzw. in Vertretung der Herren E. und R. M. anwesend waren.

b)

Der wegen fehlender Vollmacht nicht wirksam zustande gekommene Dienstvertrag wurde durch nachträgliche Zustimmung (Genehmigung) der Gesellschafter der Beklagten gem. §§ 184, 182 BGB genehmigt. Die Zustimmung gem. § 182 BGB kann auch konkludent erfolgen, insbesondere ist eine Zustimmung anzunehmen, wenn der Zustimmungsberechtigte das Rechtsgeschäft als gültig behandelt und das Verhalten des Zustimmungsberechtigten dem Erklärungsempfänger als Zustimmung erkennbar ist (BGH WM 1990, 1575; Palandt-Ellenberger, BGB, 70. A., 2011, § 182 Rn. 3).

Indem die Geschäftsführerposition des Klägers seitens der Beklagten publik gemacht wurde und der Kläger für die Beklagte als Geschäftsführer über eine Zeitspanne von über einem halben Jahr tätig war, haben die übrigen Gesellschafter die Geschäftsführerstellung des Klägers schlüssig genehmigt. Einer Zustimmung in Form eines Gesellschafterbeschlusses bedurfte es nicht, da die Zustimmung nicht der für das Hauptgeschäft bestimmten Form bedarf (§ 182 Abs. 2 BGB). Auch in dem Gesellschafterbeschluss vom 16.03.2009, wodurch der Kläger als Geschäftsführer abberufen wurde, kommt zum Ausdruck, dass die Gesellschafter der Beklagten bis dahin von einer Geschäftsführerbestellung des Klägers ausgegangen sind.

c)

Der Dienstvertrag wurde durch die Kündigungen Nr. 1 – 6 nicht wirksam beendet. Insoweit wird auf die Senatsurteile vom 29.09.2010 verwiesen . Der Senat hat als Berufungsgericht in den Verfahren 9 U 35/10 (Kündigung Nr. 1- 4) sowie 9 U 37/10 (Kündigung Nr. 5, 6) die Berufung der Beklagten jeweils zurückgewiesen, weil es die Auffassung des Landgerichts, sämtliche Kündigungen seien unwirksam, für richtig befunden hat.

In der Sache handelt es sich um keinen neuen Vortrag im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, da der Kläger erstinstanzlich die gesamte Vorgeschichte einschließlich der Umstände im Zusammenhang mit den vorausgegangenen fristlosen Kündigungen vorgetragen hat. Somit ist es der Beklagten nicht verwehrt, sich auf diesen – unstreitig gebliebenen – Vortrag in der zweiten Instanz zu berufen.

Die Rüge der Beklagten, das Landgericht habe sich mit dieser Problematik nicht beschäftigt, ist allerdings unberechtigt. Im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils ist aufgeführt, dass in den Entscheidungen in den Parallelverfahren 10 O 131/09 KfH (Bl. 14) sowie 10 O 164/09 KfH (Bl. 14) die Kündigungen für unwirksam gehalten wurden.

d)

Mit zutreffender Begründung hat das Landgericht angenommen, die Kündigung vom 26.03.2010 sei zwar formal wirksam ausgesprochen (aa), allerdings fehle es an einem wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung (bb). Weder der Vorwurf des Prozessbetrugs wegen Täuschung über die wirtschaftliche Situation (11) noch der Vorwurf der Wettbewerbsverstoßes (22) ist geeignet, die außerordentlichen Kündigung vom 26.03.2010 zu rechtfertigen. Soweit die Beklagte die Verbreitung wahrheitswidriger Äußerungen als Kündigungsgrund nachschiebt, ist dieser zur Rechtfertigung der früheren Kündigungserklärung zwar grundsätzlich möglich (33). Allerdings fehlt ein Beschluss der Gesellschafterversammlung (44). Auch stellt er keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar (55). Eine Gesamtschau aller bisherigen Kündigungsgründe führt nicht zur Beendigung des Anstellungsvertrags (66). Diese Gesichtspunkte, welche das Landgericht umfassend und zutreffend erörtert und gewürdigt hat, werden von der Beklagten mit ihrer Berufung nicht angegriffen.

(aa)

Für die Kündigungserklärung, welche zugleich einen Widerruf der Geschäftsführerbefugnis beinhaltete, bedurfte es gem. § 6 des Gesellschaftervertrags der Zustimmung durch Gesellschafterbeschluss. Diese Zustimmung für die Kündigung vom 26.03.2010 wurde erteilt, ebenso wurde Herrn M. die Vollmacht zur Kündigungserklärung übertragen.

(bb)

Nach § 626 Abs. 1 können Arbeitsverhältnisse aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Auch abgeschlossene Sachverhalte können derart schwerwiegend sein, dass dem Arbeitgeber eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zugemutet werden kann (vgl. Münch. Komm. – Henssler, BGB, 5. Aufl., 2009, § 626 Rn. 109). Ob eine vorherige Anhörung des Arbeitnehmers zu den Kündigungsgründen geboten und damit zugleich Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Bei einer Kündigung aufgrund eines durch Tatsachen bewiesenen Sachverhalts ergibt sich keine Pflicht zur Anhörung, weshalb sich eine solche im vorliegenden Fall erübrigte. Eine Abmahnung ist in der Regel entbehrlich, wenn das Vertrauensverhältnis gestört ist, dies insbesondere bei Pflichtverletzungen im Rahmen von Dienstverhältnissen von Organmitgliedern bei juristischen Personen (vgl. Palandt-Weidenkaff, BGB, a.a.O., § 626 Rn. 18). Dies trifft auch auf die behaupteten massiven Pflichtverletzungen des Klägers als Geschäftsführer zu.

Bei Versäumung der zweiwöchigen Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist die Kündigung – ebenso wie beim Fehlen seines wichtigen Grundes – unwirksam.

Bei Pflichtverletzungen, die zu einem Gesamtverhalten zusammengefasst werden können, beginnt die Ausschlussfrist mit dem letzten Vorfall, der ein weiteres und letztes Glied in der Kette der Ereignisse bildet, die zum Anlass für die Kündigung genommen werden (vgl. Münch. Komm. – Kramer, a.a.O., § 626 Rn. 307). Die Ausschlussfrist ist somit gewahrt, wenn der Dienstherr innerhalb von zwei Wochen nach der letzten Pflichtverletzung kündigt. Ist die Anhörung notwendig, so muss sie innerhalb einer Regelfrist von einer Woche erfolgen, wobei mit dem Ende der Regelfrist die zweiwöchige Ausschlussfrist beginnt (vgl. Münch. Komm. – Henssler, a.a.O. § 626 Rn. 305).

Vorliegend gibt es keine zuverlässigen Anhaltspunkte, dass das für die Beklagte zuständige Vertretungsorgan vor Mitte März 2010 Kenntnis von angeblichen Falschangaben des Klägers im Prozess hatte. Auch für eine verzögerte Einberufung der Gesellschafterversammlung gibt es keine Anhaltspunkte. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen werden.

(11)

Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 19.01.2010 u.a. finanzielle Not zur Rechtfertigung der zügigen Zwangsvollstreckung ohne Vorankündigung vorträgt, war dieses Vorbringen zwar grundsätzlich geeignet, die Beurteilung einer dadurch begangenen dienstvertraglichen Pflichtverletzung mit zu beeinflussen. Diese angebliche Falschbehauptung stellt jedoch in Anbetracht der Besonderheiten des vorliegenden Falles keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar.

Der Ausdruck „finanziell am Ende“ zu sein, enthält neben einem Tatsachenkern eine wertende Komponente, welche im Kontext des bereits durch mehrfache fristlose Kündigungen zerrütteten Vertrauensverhältnisses zum Dienstherren zu sehen ist. Weiter muss – wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat – berücksichtigt werden, dass es sich dabei um eine spontane Äußerung im Prozess handelte. Ihr ist demnach nur zu entnehmen, dass der Kläger auf die laufenden Gehaltszahlungen angewiesen sei und nicht auch, dass er im Übrigen vermögenslos sei. Unabhängig davon wäre der Kläger nicht verpflichtet gewesen, zur Entlastung der Beklagten seinen Vermögensstamm anzugreifen. Auch sind Geldmittel, welche nicht zum laufenden Lebensunterhalt vorgesehen sind, üblicherweise „angelegt“ und dadurch nicht ohne weiteres kurzfristig frei verfügbar. Hinzu kommt, dass die Einkommensverhältnisse und die finanzielle Situation eines Gläubigers für das Ob und die Art und Weise der Durchführung der Zwangsvollstreckung aus dem Zahlungstitel grundsätzlich ohne Relevanz sind. Deswegen hat auch der Senat – ähnlich wie das erstinstanzliche Gericht – bei der Beurteilung der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom November 2009 in seinem Urteil vom 29.09.2010 (9 U 37/10) argumentiert:

„ Zu Recht hat das Landgericht in dem Zwangsvollstreckungsauftrag des Klägers vom 2.11.2009 – eingegangen bei der Gerichtsvollzieherin am 3.11.2009 – keinen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gesehen. Für sich betrachtet wurde dieser Zwangsvollstreckungsauftrag durch die Klägervertreter zwar vorschnell erteilt, da bei einem Titel aufgrund Anerkenntnis und bestehender Solvenz des Schuldners in der Regel auch mit dessen freiwilliger und baldiger Zahlung zu rechnen ist. Dennoch ist das Verhalten nicht als ein erheblicher Pflichtenverstoß anzusehen, welcher die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht. Bei dem bereits durch andere Vorfälle aus der Vergangenheit gestörten Vertrauensverhältnis (mehrfach ausgesprochene außerordentliche Kündigungen gegenüber dem Kläger, Strafanzeige gegen den Kläger) war eine an sich vom Gesetz nicht vorgeschriebene, jedoch übliche vorgeschaltete Zahlungsaufforderung nicht unbedingt geboten, auch stand die Zahlungsbereitschaft der Beklagten nicht außer Zweifel. Die Art und Weise der Zwangsvollstreckung (Kassenpfändung in einer Filiale der Beklagten) ist nicht gesetzwidrig. Zwar ist ein Angestellter, insbesondere ein solcher in leitender Position auf Grund seiner Treuepflicht gehalten, Schaden von seinem Arbeitgeber abzuwenden und geschäfts- und rufschädigende Handlungen zu unterlassen. Dass der Kläger die Zwangsvollstreckung nicht wegen des Geldes, sondern ausschließlich zum Zwecke der Rufschädigung betrieben hat, ist keine feststehende Tatsache, sondern eine Vermutung der Beklagten. Um ihrer Aufklärungspflicht zu genügen, hätte sie den Kläger vor Ausspruch der Kündigung anhören müssen, um den Sachverhalt zu klären. Zudem deutet die Bitte an den Gerichtsvollzieher, die Kassenpfändung abends, somit zu Zeiten der „gefüllten“ Kassen vorzunehmen, darauf hin, dass der Kläger die Forderung tatsächlich beitreiben wollte. Eine mit der Ausführung des Pfändungsauftrags einhergehende Geschäfts- oder Rufschädigung hat die Beklagte nicht behauptet. Selbst wenn der Kläger auf die Gehaltszahlungen aufgrund seiner Vermögenssituation nicht angewiesen war, wäre die Zwangsvollstreckung nicht deswegen rechtsmissbräuchlich, weshalb es für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes nicht darauf ankommt, ob der Kläger hinsichtlich seiner Vermögenssituation unzutreffende Angaben gemacht hat.“

Nach alledem kommt es nicht darauf an, ob die Behauptung des Klägers in ihrem Tatsachkern unrichtig war. Im Übrigen kann bzgl. des fehlenden Nachweises der tatsächlichen Verfügbarkeit von Barmitteln auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen werden.

(22)

Die Beklagte kann auch nicht damit gehört werden, durch Vermietung von Gewerbefläche an ein Konkurrenzunternehmen habe der Kläger einen gewichtigen Wettbewerbsverstoß begangen. Die Vermietung als solche erfolgte bereits vor Beginn des Anstellungsvertrages, somit zu einem Zeitpunkt, als der Kläger noch nicht in einem Pflichtenverhältnis zur Beklagten stand. Das Verschweigen der Vermietung bzw. die Fortsetzung des Mietvertrages während seiner Tätigkeit als Geschäftsführer stellt keine gröbliche Pflichtverletzung dar. Wenn dem Kläger nach der vertraglichen Regelung des § 12 des Geschäftsführeranstellungsvertrages gestattet wird, Minderheitsgesellschafter bei Konkurrenzunternehmen zu sein, so muss es ihm erst recht gestattet sein, Gewerbefläche an ein solches Unternehmen zu vermieten. Dass mit der Vermietung eine besondere Förderung der Tätigkeit des Konkurrenzunternehmens verbunden war, hat die Beklagte nicht behauptet. Auch ist nicht ersichtlich, dass der Kläger damit in einen Interessenkonflikt zu seinem Dienstherrn geraten ist. Schließlich hat die Beklagte nicht vorgetragen, dass es dem Kläger als rechtmäßiges Alternativverhalten möglich gewesen wäre, diesen Mietvertrag vorzeitig zu beenden.

(33)

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können Kündigungsgründe, die dem Kündigenden bei Ausspruch der Kündigung noch nicht bekannt waren, uneingeschränkt nachgeschoben werden, wenn sie bereits bei Ausspruch der Kündigung entstanden sind (vgl. BAG NJW 2008, 1097 m.w.N.). Laut Bundesgerichtshof (BGHZ 157, 151 = NJW 2004, 1528; BB 2005, 1698) ist – was vom Bundesarbeitsgericht offen gelassen wurde – ein Nachschieben bzw. Auswechseln der Kündigungsgründe im Prozess auch dann möglich, wenn die Kündigung hierdurch einen völlig anderen Charakter erhält, sofern die Gründe bei Ausspruch der Kündigung schon vorlagen und dem kündigenden Gesellschaftsorgan nicht länger als zwei Wochen zuvor bekannt waren. Auf einen sachlichen Zusammenhang kommt es danach nur für die unterstützende Heranziehung von bei Ausspruch der Kündigung bereits gem. § 626 Abs. 2 BGB verfristeter „Gründe“ an.

(44)

Da es sich bei dem Kündigungsgrund der Verbreitung wahrheitswidriger Äußerungen über angebliche Abhörmaßnahmen im Unternehmen um einen sachlich anderen als diejenigen Gründe handelt, welche die Gesellschafterversammlung zur fristlosen Kündigung vom 26.03.2010 veranlasst hat, war für das Nachschieben dieses Kündigungsgrundes ein Beschluss der Gesellschafterversammlung notwendig (vgl. dazu BGH BB 2004, 64; 2005, 1698). Da ein solcher Beschluss nicht vorliegt, kann der nachgeschobene Kündigungsgrund bei der Frage der Wirksamkeit der Kündigung keine Berücksichtigung finden.

(55)

Auch in der Sache stellt sich das Nachschieben bzw. der Austausch dieses Kündigungsgrundes mangels Anhörung und mangels ausreichender Aufklärung als unverhältnismäßig dar und entspricht nicht den Anforderungen des § 626 BGB.

Bei diesem Kündigungsgrund handelt es sich wegen der zwischen den Parteien streitigen und damit ungeklärten Einzelheiten um einen nicht ausreichend aufgeklärten Sachverhalt. Bei einer solchen Verdachtskündigung war die Beklagte verpflichtet, den Kläger vorher anzuhören. Der Dienstverpflichtete muss bei einer Verdachtskündigung vor dem Ausspruch der Kündigung die Möglichkeit erhalten, die Verdachtsgründe bzw. Verdachtsmomente zu beseitigen bzw. zu entkräften. Auch muss er alles ihm Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts tun (vgl. Lunk NJW 2010, 2753 m.w.N.). Bereits wegen schuldhafter Verletzung dieser sich aus der Aufklärungspflicht ergebenden Anhörungspflicht ist die auf den Verdacht einer strafbaren Handlung bzw. eines pflichtwidrigen Verhaltens des Klägers gestützte Kündigung unwirksam (vgl. BAG NZA 1986, 674; Münch. Komm. – Henssler, a.a.O., § 626 ).

Zudem setzt eine Verdachtskündigung den dringenden (objektiven) Verdacht einer schweren Pflichtverletzung oder einer Straftat voraus (vgl. zum Ganzen Lunk a.a.O.). Nachdem die Beklagte eingeräumt hat, in der Vergangenheit einen Mitarbeiter abgehört zu haben, und der Kläger angibt, sich mit Mitarbeitern über derartige Vorfälle im Unternehmen unterhalten zu haben, ist eine auf Beweiszeichen gestützte große Wahrscheinlichkeit für eine grobe Pflichtverletzung des Klägers nicht ersichtlich. Unter diesen Umständen kann auch ein sich in diesem Zusammenhang entwickelndes vertrauliches Gespräch unter Arbeitskollegen, selbst wenn es sich auf Gerüchte stützt und teilweise einen diffamierenden Inhalt hat, nicht ohne Weiteres als grobe Pflichtverletzung angesehen werden, solange die Gesprächsteilnehmer darauf vertrauen konnten, dass ihre Äußerungen nicht nach außen getragen werden und sich nicht betriebsschädigend auswirken (vgl. BAG NZA 2010, 271; DB 2003, 1797; Hess. LAG NZA-RR 2007, 245). Bei alledem muss berücksichtigt werden, dass das Klima zwischen den Parteien im relevanten Zeitraum (Frühjahr 2009) bereits durch fristlose Kündigung, Verdächtigungen und Strafanzeige „vergiftet“ war, weshalb das eingestandene Erörtern von Gerüchten – welche sich später zumindest teilweise als zutreffend herausstellten – kein kündigungsrechtlich relevantes Fehlverhalten darstellt. Der Senat vermag dem teilweise wechselnden Vortrag der Beklagten in dem Berufungsverfahren 9 U 37/09 unter Berücksichtigung der Einlassung des Klägers keinen weitergehenden dringenden Verdacht zu entnehmen, der Kläger habe bewusst wahrheitswidrig geäußert, er werde selbst von der Beklagten abgehört, weshalb sich eine Beweisaufnahme hierzu erübrigt hat.

(66)

Sofern die Beklagte einen wichtigen Kündigungsgrund in der Gesamtschau aller vorgetragenen Gründe sehen möchte, hat das Landgericht zu Recht darauf abgestellt, dass für eine neue Kündigungserklärung die Legitimation durch einen zustimmenden Gesellschafterbeschluss der Beklagten notwendig gewesen, wobei die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB ab Kenntnis der letzten Pflichtverletzung zu beachten gewesen wäre. Eine „unterstützende“ Mitberücksichtigung der Gründe im Rahmen der ersten sechs fristlosen Kündigungen würde bereits an dem fehlenden sachlichen Zusammenhang, welcher eine Gewichtung der „ fortdauernden“ Pflichtverletzung zuließe, scheitern.

4.

Die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung des Rechtsstreits durch das Landgericht stellt keinen Verfahrensfehler dar.

Gem. § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen sei. Die Verfahrensaussetzung dient in erster Linie dem Ziel, einander widersprechende Entscheidungen bzw. eine Inzidentenprüfung zeitlich früherer Kündigungen im laufenden Prozess und hiermit einhergehende „doppelte“ Beweisaufnahmen zu vermeiden.

Die Anordnung der Aussetzung steht im Ermessen des Gerichts. Dieses kann auf eine Pflicht zur Aussetzung reduziert sein, z.B. weil die Voraussetzungen einer Sachentscheidung im vorliegenden Verfahren nicht geklärt werden können. Umgekehrt kann sich die Aussetzung im Hinblick auf geringe Erfolgsaussichten des anderen Verfahrens und Prozessverzögerung verbieten (BGH NJW-RR 1992,1149; KGN 99,95; Zöller-Greger, a.a.O., § 148 Rn. 5 ff.).

Zwar geht die nachfolgende Kündigung ins Leere, wenn ein Dienstverhältnis im Hinblick auf eine frühere Kündigung bereits beendet ist. Allerdings hat ein rechtskräftiges Urteil im Vorprozess nur deklaratorische und keine rechtsgestaltende Wirkung bzgl. der Wirksamkeit vorausgegangener Kündigungen (OLG Saarbrücken NJOZ 2010,1325). Nachdem die Frage, ob das Dienstverhältnis aufgrund vorausgegangener Kündigungen wirksam beendet wurde, bereits durch das Landgericht in den Parallelverfahren durch Urteilsspruch verneint worden war und das Beschleunigungsgebot gegen eine Aussetzung sprach, stellt sich die Versagung der Aussetzung nicht als ermessensfehlerhaft dar. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen werden.

5.

Zwar handelt es sich bei dem in der Berufungsinstanz gestellten Antrag auf Aussetzung des Rechtsstreits gemäß § 148 ZPO nicht um ein neues Angriffsmittel im Sinne des § 531 Abs.2 ZPO, da die Beklagte bereits erstinstanzlich die Aussetzung des Rechtsstreits beantragt hatte.

Dem Antrag ist jedoch aus den unter Ziffer 4 genannten Gründen nicht stattzugeben, zumal in den beiden Parallelverfahren der Senat die Berufung der Beklagten inzwischen durch Urteil zurückgewiesen hat und die Revision nicht zugelassen wurde.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, die eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Rechtsfortbildung erforderlich machen.

 

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