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Fristlose Kündigung Ausbildungsvertrag bei Streit mit Mitschülern

AG Frankfurt – Az.: 32 C 2036/18 (84) – Urteil vom 10.05.2019

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien schlossen im Juni 2017 einen Vertrag zur Ausbildung zur staatlich geprüften Kosmetikerin. Hinsichtlich der Einzelheiten zu diesem Vertrag wird auf die Anl. K1 (= Bl. 4 d.A.) verwiesen. Auf der Rückseite dieses Vertrages sind allgemeine Geschäftsbedingungen abgedruckt. Hinsichtlich der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die Anl. 1 zum Protokoll vom 9.5.2019 verwiesen.

Die Klägerin zahlte im Voraus einen Betrag in Höhe von insgesamt 5200 € an die Beklagte.

Die Ausbildung begann am 2. Oktober 2017.

Die Klägerin reichte bei der Beklagten ein ärztliches Attest vom 11.10.2017 ein, ausweislich dessen kein Anhaltspunkt dafür bestand, dass die Klägerin in gesundheitlicher Hinsicht nicht die zur Ausübung des Berufes der Kosmetikerin erforderliche Eignung besitze. Hinsichtlich der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die Anl. B1 (= Bl. 81 d.A.) verwiesen.

Im Laufe der Ausbildung bemängelten die Dozentinnen der Beklagten bei der Klägerin und ihren Mitschülerinnen, dass ihre Kittel nicht gebügelt waren oder sie keinen Lippenstift trugen.

Ende Oktober/Anfang November 2017 kam es zu einem Konflikt zwischen der Klägerin und einer Mitschülerin. Die Mitschülerin sollte an der Klägerin eine Behandlung durchführen. Dabei kam ein Kosmetikprodukt ins Auge der Klägerin und sie sollte ein dreckiges Stirnband aufziehen. Die Klägerin wandte sich daraufhin an ihre Dozentin. Mit dieser und anderen Dozentinnen besprach sie die Situation, wobei diese der Klägerin sagten, sie solle mit der Mitschülerin sprechen und ihr helfen, die Gesichtsbehandlung richtig durchzuführen. Die Klägerin sprach mit der Mitschülerin, jedoch stellte sich keine Verbesserung ein, so dass die Klägerin sich erneut an ihre Dozentinnen wandte. Die Klägerin weinte, wobei eine Dozentin hierauf mit einer Aussage wie “Hören sie bloß auf zu weinen, das zieht bei mir nicht“ reagierte. Die Dozentinnen und die Klägerin vereinbarten einen Gesprächstermin bei der Beklagten. Dieser Gesprächstermin fand etwa einen Tag nach dem Vorfall statt. In diesem Gespräch erklärte die Klägerin, dass sie eine gesundheitliche Vorgeschichte habe und auch wegen Mobbing in Behandlung gewesen sei. Die Klägerin erklärte, dass sie auch zu diesem Zeitpunkt Medikamente einnehme. Daraufhin verlangte die Beklagte von der Klägerin ein ärztliches Attest, dass die Medikamenteneinnahme die Teilnahme an der Ausbildung nicht negativ beeinträchtige. Die Beklagte äußerte zudem, dass das Verhalten der Klägerin bezüglich der Mitschülerin nicht akzeptabel sei, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob die Beklagte eine „Abmahnung“ ausgesprochen habe.

Etwa einen Tag nach diesem Gespräch trat die Beklagte vor die gesamte Klasse und besprach den Vorfall zwischen der Klägerin und der Mitschülerin vom Vortag. Dabei sagte sie sinngemäß, dass der Vorfall ausgeräumt sei, die Klägerin aus einer Mücke einen Elefanten gemacht hätte aber auch die Mitschülerin an sich arbeiten müsse.

Die Klägerin reichte bei der Beklagten ein Attest vom 7.11.2017 ein, nach dem sie ausbildungs- und schulfähig sei und die Medikamente zu keinen motorischen Beeinträchtigungen führten. Hinsichtlich der Einzelheiten zu diesem Attest wird auf die Anl. B2 (=Bl. 82 d.A.) verwiesen.

An einem weiteren Tag fühlte sich die Klägerin nicht gut, da es einen Trauerfall in ihrer Familie gegeben hatte. Die Klägerin sprach hierüber mit einer Dozentin die in etwa fragte „Boah, was denn nun schon wieder los“ und die Augen verdrehte. Die Klägerin weinte und erzählte von dem Trauerfall, worauf die Dozentin vorschlug, dass die Klägerin nach Hause gehen könne. Die Klägerin wollte jedoch zur Ablenkung in der Schule bleiben.

Zwei Dozentinnen reagierten in der Folgezeit teilweise mit Augenrollen und Aussagen wie „Verstehen Sie denn gar nichts“ auf Fragen der Klägerin.

Die Klägerin kündigte den Vertrag mit Schreiben vom 6. Dezember 2017, wobei hinsichtlich der diesbezüglichen Einzelheiten auf die Anl. K3 (= Bl. 6 der Akte) verwiesen wird.

Die Klägerin reichte der Beklagten ein Attest vom 14.12.2017 nach. Hinsichtlich der Einzelheiten zu diesem Attest wird auf die Anl. K2 (= Bl. 5 der Akte) verwiesen.

Die Beklagte bot der Klägerin an, anstatt den Vertrages fristlos zu beenden, die Ausbildung im April 2018 neu zu beginnen. Dies lehnte die Klägerin ab.

Die Klägerin trägt vor, dass sowohl sie als auch ihre mit Mitschülerinnen einige der Dozentinnen der Beklagten als überheblich und eingebildet empfanden. Sie behauptet, dass es sei oft zu Tränen gekommen sei. Die Klägerin habe sich schon kurze Zeit nach Ausbildungsbeginn von den Dozentinnen gemobbt und fortwährend gedemütigt gefühlt. Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe ihr im Rahmen des Gespräches aufgrund des Vorfalls mit der Mitschülerin eine „Abmahnung“ ausgesprochen. Am Folgetag hätte die Beklagte die Klägerin vor der gesamten Klasse an den Pranger gestellt und sie gebrandmarkt.

Die Klägerin behauptet, eine Dozentin habe einmal für die Klasse der Klägerin ursprünglich keine hochwertigen Kosmetikprodukte bestellt wollen, weil sie unzufrieden mit der Klasse gewesen sei und diese die Produkte nicht verdiene, nur die andere Klasse würde diese Produkte verdienen. Letztlich seien dann jedoch für beide Klassen dieselben hochwertigen Produkte zur Verfügung gestellt worden.

Die Klägerin trägt vor, dass das Verhalten der Beklagten und der Dozentinnen bei ihr zu großen psychischen Belastungen geführt habe, die es ihr unmöglich gemacht hätten, die Ausbildung bei der Beklagten fortzusetzen. Mit vorliegender Klage verlangt die Klägerin die Rückzahlung des anteiligen Schulgeldes für 10 Monate sowie die volle Rückerstattung der Prüfungsgebühr.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 3.766,67 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten hieraus über dem Basiszinssatz seit dem 10. März 2018 sowie außergerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 473,62 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, dass weder sie noch die Dozentinnen die Klägerin gemobbt und gedemütigt hätten. Sie trägt vor, dass die Schülerinnen eine Pflicht hätten, gepflegt zur Schule zu kommen. Es sei auch aufgrund des Verhaltens der Dozentinnen nicht zu „Tränen gekommen“. Sie bestreitet, der Klägerin mündlich eine „Abmahnung“ ausgesprochen zu haben, vielmehr habe sie der Klägerin in etwa gesagt, dass sie sich beruhigen und nicht gleich explodieren solle. Sie bestreitet, dass es aufgrund des Verhaltens der Dozentinnen zu einer psychischen Belastung der Klägerin gekommen sei.

Die Beklagte trägt vor, dass sich schon von Beginn an Auffälligkeiten im Verhalten der Klägerin ergeben hätten, so hätte sie beispielsweise schnell geweint, hätte viel Aufmerksamkeit bedurft, teilweise abwesend gewirkt und viele einfache Fragen gestellt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Verhandlungsprotokoll vom 9.5.2019 (Bl. 101 ff. der Akte) verwiesen. Das Gericht hat beide Parteien persönlich angehört.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung der bereits gezahlten Gebühren, insbesondere nicht aus § 812 BGB. Die Parteien haben einen wirksamen Vertrag geschlossen und die Klägerin hat diesen nicht wirksam gekündigt.

Die Parteien schlossen wirksam einen Vertrag (Anl. K1 = Bl. 4 d.A.), in den die auf der Rückseite abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch wirksam in den Vertrag einbezogen worden sind.

Gemäß § 5 (1b) der Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann der Vertrag jederzeit aus „wichtigem Grund“ außerordentlich gekündigt werden. Eine außerordentliche Kündigung kann nicht erklärt werden.

Diese allgemeine Geschäftsbedingung hält einer Prüfung nach §§ 307 ff. BGB stand, da sie der gesetzlichen Regelung der §§ 620 ff. BGB entspricht. Der geschlossene Vertrag stellt einen Dienstvertrag im Sinne der §§ 611 BGB ff. dar (vergleiche zum Vertragstyp BGH, Urteil vom 7.1.2008, NJW 2008,1064). Die Kündigungsregel nach § 5 (1b) entspricht dem Dienstvertragsrecht im BGB, da auch nach der gesetzlichen Lage ein zeitlich befristeter Dienstvertrag (hier 12 Monate) lediglich außerordentlich kündbar ist.

Was genau unter „wichtigem Grund“ zu verstehen ist, ist in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht näher definiert, so dass auf die gesetzliche Regelung aus § 626 Abs. 1 BGB zurückzugreifen ist. Danach kann die Kündigung aus wichtigem Grund erfolgen, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung nicht zugemutet werden kann.

Das Verhalten einer Vertragspartei kann grundsätzlich das Vorliegen eines wichtigen Grundes rechtfertigen, so beispielsweise im Falle von Beleidigungen und/oder einem schweren Vertrauensbruch. Das Gericht kann allerdings in dem Verhalten der Beklagten und ihrer Dozentinnen kein Verhalten erkennen, dass eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen würde. Insbesondere auch der Eindruck im Rahmen der informatorischen Anhörung beider Parteien hat dem Gericht die Überzeugung verschafft, dass das Verhalten der Beklagten und ihrer Dozentinnen im Wesentlichen als sozial-adäquates Verhalten zu bewerten war und es lediglich zu Unhöflichkeiten gekommen ist, die jedoch die erforderliche Erheblichkeitsschwelle nicht überschreiten.

Im Einzelnen: Es kann dahinstehen, ob es tatsächlich zu Tränen bei der Klägerin und anderen Mitschülern aufgrund der Bemängelung von ungebügelter Kleidung sowie Nichttragens von Lippenstift gekommen ist oder nicht. Zwar mag eine solche Bemängelung sehr streng sein, allerdings ist das Verlangen eines gepflegten, ggf. sogar tadelfreien Aussehen für die Ausbildung zur Kosmetikerin durchaus inhaltlich nachvollziehbar und berechtigt. Die Klägerin hat dem Gericht auch nicht vorgetragen, dass die Art und Weise, wie dieser inhaltliche Vorwurf vorgetragen wurden, nicht mehr sozial-adäquat gewesen wäre (beispielsweise Anschreien durch die Dozentinnen).

Auch das Verhalten der Dozentinnen Ende Oktober/Anfang November, als es zu einem Konflikt mit einer Mitschülerin kam, stellt sich für das Gericht als korrektes Verhalten dar. Sie sind auf den Gesprächswunsch der Klägerin eingegangen und haben ihr Tipps im Umgang mit der Mitschülerin gegeben. Als das nicht half, hat man einen Gesprächstermin mit der Beklagten als Schulleiterin ausgemacht. Auch dies stellt ein sozial-adäquates Verhalten in Konfliktfällen dar. Die Anmerkung der Dozentin XXX nach der Art „Hören Sie auf zu weinen, das zieht bei mir nicht“, mag in diesem Zusammenhang tatsächlich als Unhöflichkeit zu werten sein. Diese Unhöflichkeit rechtfertigt jedoch nicht die Annahme eines Fehlverhaltens, das eine Kündigung rechtfertigen würde.

Auch das Verhalten der Beklagten selbst im Rahmen des Gesprächs mit der Klägerin stellt klein Fehlverhalten dar. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob eine „Abmahnung“ ausgesprochen worden ist oder ob eine andere Formulierung gewählt wurde, da die Beklagte an ihre Äußerung unstreitig keine weiteren juristischen Maßnahmen knüpfte. Das Verhalten der Beklagten stellt auch kein Fehlverhalten da, also weder das Verlangen eines weiteren Attestes noch die Bewertung der Reaktion der Klägerin als übertrieben. Die Beklagte hat von einer Medikamenteneinnahme erfahren, so dass die Vorlage eines Attestes, dass diese zu keinen motorischen Einschränkungen führt, sachlich begründet ist. Die Klägerin hatte mit der Mitschülerin einen Konflikt, weil ein Produkt in die Augen kam und ein dreckiges Stirnband benutzt wurde. Dass hieraus ein Konflikt wurde, den die gesamte Klasse mitbekam, kann durchaus als übertrieben bewertet werden. Jedenfalls ist dies nicht unsachlich.

Auch die Äußerungen der Beklagten vor der Klasse stellen kein schweres Fehlverhalten dar. Die Äußerung, dass die Klägerin „aus einer Mücke einen Elefanten gemacht habe“, ist eine nachvollziehbare Bewertung. Außerdem hat die Beklagte auch klargestellt, dass die Mitschülerin an sich arbeiten müsse, so dass nicht allein der Klägerin die Schuld gegeben worden ist. Ein „an den Pranger stellen“ oder eine „Brandmarkung“ kann das Gericht in diesem Verhalten der Beklagten nicht erkennen. Entgegen der Darstellung im Schriftsatz vom 22. Dezember 2018 (Bl. 53 d.A.), hat die Klägerin im Rahmen der informatorischen Anhörung auch angegeben, dass die Beklagte im Rahmen der Äußerung vor der Klasse nicht den Gesundheitszustand der Klägerin öffentlich gemacht, so das auch hierin kein schwerer Vertrauensbruch zu sehen ist.

Es kann auch dahinstehen, ob Frau XXX tatsächlich einmal angekündigt hat, für die Klasse der Klägerin keine hochwertigen Produkte zu bestellen, sondern nur für die andere Klasse, da auch dieses Verhalten kein Fehlverhalten darstellt, dass eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt, denn letztlich sind für beide Klassen dieselben Produkte bestellt worden.

Auch das Verhalten einer Dozentin im Zusammenhang mit dem Trauerfall überschreitet die Erheblichkeitsschwelle nicht. Die Dozentinnen mag sich zwar anfänglich durch die Äußerung wie „Boah, was ist denn jetzt schon wieder los“ unhöflich verhalten haben, schließlich hat sie jedoch angeboten, dass die Klägerin nach Hause gehen kann. Sie zeigte sich also verständnisvoll.

Tatsächlich ist es auch als unhöflich zu bewerten, wenn die Dozentinnen auf Fragen der Klägerin Aussagen tätigen wie „verstehen Sie denn gar nichts“. Allerdings rechtfertigen auch derartige Unhöflichkeiten keine außerordentliche Kündigung. Auch in einer Gesamtschau aller vorgetragenen Umstände kommt das Gericht nicht zu der Wertung, dass das Verhalten „Mobbing“ oder „Demütigung“ zu bewerten wäre. Dass eine solche Bewertung aus der Art und Weise des Äußerungen hervorgeht (beispielsweise Anschreien) ist auch nicht vorgetragen.

Auch die klägerseits behaupteten psychischen Belastungen, die zur Unmöglichkeit der Fortsetzung der Ausbildung geführt haben sollen, stellen keinen wichtigen Grund für die Kündigung dar. Zwar kann eine Krankheit, die die Unmöglichkeit der Schulteilnahme führt, grundsätzlich einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen, allerdings hat die Klägerin für das Vorliegen einer solchen psychischen Krankheit keinen geeigneten Beweis angeboten. Sie hat lediglich das Zeugnis ihres behandelnden Arztes als Beweis angeboten. Ein Zeuge kann allerdings lediglich über die Wahrnehmung von Tatsachen berichten. Für die Frage, ob eine Krankheit vorliegt, wäre die Einholung eines Sachverständigengutachtens das geeignete Beweismittel. Auch die vorgelegte Kopie des Attests vom 14.12.2017 (Anlage K 2 = Bl. 5 d.A.) war nicht ausreichend, da es nicht nachvollziehbar ist. In diesem wird die Diagnose „emotional-instabile Störung“ festgestellt und anschließend ausgeführt, dass die Klägerin aufgrund der psychischen Störung nicht in der Lage sei, der Ausbildung zur Kosmetikerin nachzugehen. Bereits das Attest vom 7.11.2017 (Anlage B 2 = Bl. 82 d.A) stellt jedoch als Diagnose eine „emotional-instabile Störung“ fest. In diesem Attest wird ausgeführt, dass die Klägerin „ausbildungs- und schuldfähig“ sei. Wieso dieselbe Diagnose zu zwei unterschiedlichen Schlussfolgerungen führt, ist ohne weitere Erklärungen – und diese liegen nicht vor – nicht nachvollziehbar, weshalb die Atteste zur Beweisführung im Wege des Indizienbeweises nicht ausreichend sind.

Jedenfalls wäre eine psychische Störung im vorliegenden Fall aber auch kein Kündigungsgrund, da die erforderliche Interessenabwägung ergibt, dass eine Kündigung nicht gerechtfertigt ist. Vorliegend ist die Klägerin seit 2014 kontinuierlich in fachärztlicher Behandlung. Dies auch wegen „Mobbings“. Der Klägerin war also bei Abschluss des Vertrages im Jahr 2017 bekannt, dass sie eine Vorbelastung hat. Nun trägt sie vor, dass sie sich „gemobbt“ und „gedemütigt“ gefühlt habe. Das Gericht kann allerdings in dem Vortrag der Klägerin zum Verhalten der Beklagten und ihrer Dozentinnen kein Verhalten erkennen, dass in nachvollziehbarere Weise als demütigend empfunden werden kann. Die Klägerin mag diesbezüglich besonders sensibel sein, allerdings hätte ihr ihre besondere Sensibilität vorher bekannt sein müssen. Sie hat sich trotz ihrer Vorbelastung in eine 12-monatige Vollzeitausbildung ergeben, wobei im Rahmen einer schulischen Zusammenarbeit mit üblichen sozialen Konflikten zu rechnen ist. Die dem Gericht geschilderten Konflikte überschreiten die Schwelle üblicher schulischer Konflikte nicht. Dass die Klägerin auf diese üblichen Konflikte besonders sensibel, möglicherweise sogar mit einer psychischen Erkrankung reagiert, geht bei der Interessenabwägung zu ihren Lasten, denn es hat sich genau das Risiko realisiert, das ihr aufgrund der Vorbelastung hätte bekannt sein müssen, nämlich dass sie sich gemobbt fühlt. Dennoch hat sie der Beklagten nichts von ihrer Vorerkrankung erzählt.

Außerdem war auch bei diesem Kündigungsgrund zu berücksichtigen, dass eine fristlose Kündigung die ultima ratio darstellt. Die Beklagte hatte der Klägerin jedoch angeboten, die Ausbildung zu unterbrechen und im April 2018 neu zu beginnen. Dies wäre ein milderes Mittel gewesen. Soweit die Klägerin diesbezüglich ausführt, dass dies für sie nicht in Betracht gekommen wäre, da es sich nicht um einen Beinbruch oder ähnlichen gehandelt habe, so kann dies nicht überzeugen. Wie bereits ausgeführt, stellte das Verhaltend der Beklagten und ihrer Dozentinnen ein sozial-adäquates Verhalten dar, dass keine Kündigung rechtfertigt. Allein eine mögliche psychische Krankheit, die die Ausbildung unmöglich macht, könnte einen Kündigungsgrund darstellen. Allerdings war die Klägerin bei Ausbildungsbeginn im Oktober 2017 noch schulfähig. Ebenso am 7.11.2017, als es bereits zu dem Vorfall mit der Mitschülerin gekommen war. Erst am anschließend habe die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag gesundheitlich so abgebaut, dass sie am 6.12.2017 kündigte. Bei einem derart schnellen gesundheitlichen Wandel ist der sofortige Ausschluss einer Genesung bis April 2018 nicht begründet. Diese Möglichkeit hätte jedenfalls nicht ausgeschlossen werden dürfen, sondern eine mögliche Genesung abgewartet werden müssen, um auch die Interessen der Beklagten ausreichend zu berücksichtigen.

Obige Ausführungen gelten auch für den vertraglich unter § 5 (2) der Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgeführten Kündigungsgrund wegen medizinischer Ungeeignetheit.

Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 ZPO.

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