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Fristlose Kündigung – Ausschlussfrist

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 3 Sa 343/17 – Urteil vom 07.05.2018

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz -Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – vom 22.06.2017 – 6 Ca 887/16 – teilweise – hinsichtlich des Antrags zu 1) (Bl. 242 d. A.) aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 14.11.2016 weder außerordentlich fristlos, noch ordentlich zum nächstmöglichen Termin aufgelöst wird.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen und 4/5 der Kosten des erstinstanzlichen Rechtszuges. Der Kläger hat 1/5 der erstinstanzlichen Kosten zu tragen.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten im Berufungsverfahren (nur noch) darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund außerordentlicher, oder aber ordentlicher Kündigung zum nächstmöglichen Termin aufgelöst worden ist, oder aber nicht.

Der Kläger ist seit dem 01.02.2004 zunächst als Aushilfsfahrer auf Abruf mit einer Wochenarbeitszeit von 17 Stunden bei der Beklagten eingestellt worden. Sein Arbeitsentgelt dafür betrug pauschal 646,00 EUR im Monat. Der Arbeitsvertrag, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 5-7 d. A. Bezug genommen wird, wurde vom Vater des Klägers, der zum damaligen Zeitpunkt geschäftsführender Gesellschafter war, unterzeichnet.

Am 29.03.2004 haben die Parteien in Form der gleichen handelnden Personen den Arbeitsvertrag dahingehend geändert, dass der Kläger als kaufmännischer Angestellter der Lohngruppe 300 mit 38,5 Wochenstunden ab dem 01.04.2004 zu einem Gehalt von 1.830,71 EUR brutto beschäftigt wird. Daneben wurde ihm bis 31.03.2005 ein Fahrgeld von monatlich 270,00 EUR zugebilligt.

Ab 01.12.2004 wurde der Kläger in die Lohngruppe 400 hochgestuft. Das Fahrgeld wurde verlängert bis zum 31.03.2006 und schließlich weiterhin bis zum 31.03.2007.

Am 28.12.2006 hat der Kläger mit seinem Arbeitgeber, wiederum vertreten durch seinen Vater als geschäftsführender Gesellschafter, eine Provisionsregelung vereinbart, wonach dem Kläger 0,7 % Provision für den vermittelten „Neukunden-Nettoumsatz“ gewährt wurde.

Mit Änderungsvertrag vom 03.01.2007 haben die Parteien das Fahrgeld ab dem 01.01.07 auf 189,00 EUR reduziert. Mit Änderungsvertrag vom 17.01.2007 erhielt der Kläger eine Zulage von 10 % der Lohngruppe 40/ Gruppenalterzulage in Höhe von 144,60 EUR. Mit Änderungsvertrag vom 31.12.2007 haben die Parteien das Fahrgeld bis zum 31.12.2008 auf 189,00 EUR festgeschrieben. Mit Änderungsvertrag vom 30.09.2008 wurde der Kläger in die Lohngruppe 600/40 mit einem Monatsgehalt von 2.681,77 EUR eingruppiert. Mit einem Nachtrag vom 05.07.2010 erhielt der Kläger weitere 400,00 EUR Aufstockung zum Grundgehalt. Schließlich erhielt er mit Änderungsvertrag vom 15.01.2016 eine monatliche Leistungszulage von 200,00 EUR brutto. Seit dem 01.01.2009 hat die Beklagte dem Kläger monatlich Fahrgeld in Höhe von 150,00 EUR bezahlt.

Zwischen den Parteien besteht Streit über den konkreten Aufgabeninhalt des Klägers im Einzelnen und insbesondere eine von der Beklagten am 14.11.2016 ausgesprochene außerordentliche, vorsorglich ordentliche Kündigung zum nächst zulässigen Termin.

Eine bereits zuvor am 27.10.2016 erklärte außerordentliche Kündigung der Beklagten wurde übereinstimmend für gegenstandslos erklärt.

Der Kläger hat vorgetragen, er sei in die Auseinandersetzungen zwischen den Geschäftsführern und Gesellschaftern der Beklagten, die auch seinen Vater beträfen, ohne Grund einbezogen worden. Auch sein Bruder habe grundlos eine außerordentliche Kündigung erhalten. Hintergrund der Auseinandersetzung sei, dass sein Vater und sein Bruder U. und R. A. nicht hätten einwilligen können, ein Gebäude am G. an die XY deutlich unter Buchwert zu verkaufen. Man habe ihn in diesem Zusammenhang aufgefordert, seinen Firmenwagen abzugeben, die pauschale Rufbereitschaft gekündigt und es seien negative Gerüchte über ihn gestreut worden. Er habe keinerlei Zahlungen erhalten, die ihm nicht zugestanden hätten. Auch habe er nicht mit seinem Vater kollusiv zu Lasten der Firma zusammengearbeitet.

Vielmehr habe er in seiner Beschäftigungszeit im Wesentlichen dazu beigetragen, dass sich der Umsatz der Firma von 2,5 Mio auf nunmehr ca. 6,1 Mio Euro im Jahr gesteigert habe. Er habe viele Jahre Rufbereitschaft geleistet, ohne dafür überhaupt eine Vergütung zu erhalten. Außerdem habe er z. B. Botendienste übernommen, verschiedene Blumen gießen müssen, Gästegetränke kaufen müssen, Kondolenzbesuche abstatten, Firmenfeiern vorbereiten, Postfahrten durchführen, LKW-Touren fahren und Kurierfahrten durchführen müssen. Selbst Schneeräumen habe zu seinen Aufgaben gehört. Er habe keineswegs alleine Fahrgeld bekommen. Vielmehr habe auch der Betriebsleiter J. derartige Zahlungen erhalten. Außerdem sei die Bewilligung des Fahrgeldes nicht in seinem Einflussbereich erfolgt. Ein Firmenfahrzeug habe er erst zum Ende des Arbeitsverhältnisses nutzen dürfen; und zudem nur für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Dieses Fahrzeug habe zuvor allen Angestellten zur Verfügung gestanden, sodass viele dienstliche Botenfahrten mit dem Privatfahrzeug durchgeführt worden seien.

Die Vereinbarung von Provisionszahlungen sei nicht zu beanstanden. Dies sei angesichts seiner Tätigkeit als Vertriebsleiter auch nicht ungewöhnlich. Es treffe nicht zu, dass die Provision nicht für die Vermittlung von Neukunden durch ihn, sondern durch eine dafür eingeschaltete und auf dem Markt tätige Vermittlungsfirma gezahlt worden sei. Die von der Beklagten genannte Vermittlungsfirma sei ein deutschlandweit tätiger Verbund selbstständiger Wäschereien, der lediglich mögliche Kunden vorschlage. Ihm seien von diesem Verbund lediglich fünf Kunden vorgeschlagen worden. Letztlich obliege es zudem dem Kunden, ob er mit der Beklagten zusammenarbeiten wolle. Die konkreten Verhandlungen usw. habe er folglich selbst geführt und dafür die entsprechenden Provisionen erhalten.

Es treffe nicht zu, dass er den ihm übertragenen Aufgaben der Kundenbetreuung und des Beschwerdemanagements nicht nachgekommen sei. Seine Vergütung sei in Anbetracht der konkreten Tätigkeit als Vertriebs- und Logistikleiter angemessen. Einen Firmenwagen habe er erst ab dem 01.01.2016 zur Verfügung gehabt. Die restlichen Fahrten außerhalb der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte habe er mit seinem Privat-PKW durchgeführt und deshalb auch Fahrgeld erhalten.

Er sei inzwischen erkrankt, weil ein erheblicher Druck gegen ihn aufgebaut worden sei. Er habe seinen Vertreter, Herrn Z., keineswegs mehrfach täglich angerufen, um zu versuchen, diesen negativ zu beeinflussen. Auch habe er ihn nicht gebeten, die Tourenpläne nicht abzuändern, weil dann festgestellt werden könnte, dass er, der Kläger, die Tourenpläne nicht ganz so vorteilhaft für das Unternehmen abgebildet habe. Auch habe er Herrn Z. nicht aufgefordert, während seiner eigenen Erkrankung ebenfalls krank zu werden. Er habe zwar erklärt, dass möglichst wenige Änderungen an den Tourenplänen vorgenommen werden sollten, dies aber nur, damit die Touren auch möglichst ordnungsgemäß hätten durchgeführt werden könnten.

Als Fahrdienstleiter habe er keinerlei Verantwortung für die korrekte Anwendung der Fahrerkarten gehabt. Er bestreite, dass die Lenker von Fahrzeugen, wie sie die Beklagte nutzen lasse, nach einer EU-Verordnung Ausdrucke aus dem Kontrollgerät für den Zeitraum der laufenden Woche und der vorausgehenden 28 Tage mit sich führen müssten, ebenso wie die persönliche Fahrerkarte, die für jeden Fahrer wöchentlich auszustellen sei. Ebenso stelle er in Abrede, dass er für die vergangenen Jahre lediglich 20 Fahrerbescheinigungen ausgestellt habe. Auch bestreite er, dass ein Auszug aus dem Kontrollgerät nicht habe gefertigt werden können, weil die Daten überhaupt nicht EDV-mäßig erfasst oder eingespielt worden seien. Demgegenüber seien die Fahrer seien selbst verpflichtet, ihrer Nachweispflicht nachzukommen. Für das Auslesen der Fahrerkarte seien sie persönlich verantwortlich, das Auslesen der digitalen Tachos erfolge durch den technischen Dienst der Beklagten.

Soweit ihm fehlende Reaktionen auf Kundenreklamationen vorgeworfen werde, sei dies nicht substantiiert vorgetragen.

Soweit ihm vorgeworfen werde, die X-Karte sowie die Y-Payback-Karte benutzt zu haben, sei ihm dies ausdrücklich vom damaligen Geschäftsführer – seinem Vater – erlaubt worden. Diese Karten müssten immer auf eine Privatperson laufen. Außerdem habe er der Beklagen betreffend die Payback-Karte auf Wunsch eine Vollmacht erteilt, damit sie entsprechend habe Einsicht nehmen könne. Hinsichtlich der X-Punkte ergebe sich aus von ihm vorgelegten Übersicht hinsichtlich deren Inhalts auf Bl. 121, 122 d. A. Bezug genommen wird, dass er keinerlei Punkte eingelöst habe.

Abschließend bestreite er, dass der Betriebsrat am 08.11.2016 ordnungsgemäß angehört worden sei; dies gelte auch hinsichtlich des Verfahrens der Betriebsratsanhörung.

Der Kläger hat beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 14.11.2016 weder außerordentlich fristlos, noch ordentlich zum nächstmöglichen Termin aufgelöst wird.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 1.472,48 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2016 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, persönliche Auseinandersetzungen zwischen den Geschäftsführern und Gesellschaftern der Beklagten seien vorliegend unerheblich. Auch treffe es nicht zu, dass der Kläger durch seine eigene Tätigkeit dazu beigetragen habe, dass ein Umsatzwachstum stattgefunden habe. Das Ausmaß der angeblichen unvergüteten Tätigkeiten sei zu bestreiten.

Der Kläger sei als Logistikleiter für die Durchführung der Belieferung von Kunden mit LKW-Fahrten durch die Beklagte verantwortlich gewesen. Dabei seien die Regularien der EU-Verordnung 3821/85 und 561/2006 einzuhalten gewesen. Daraus folge, dass die Ausdrucke aus dem Kontrollgerät für den Zeitraum der laufenden Woche und der vorausgegangenen 28 Kalendertage sowie die Nachweispflicht für die Fahrer (persönliche Fahrerkarte) dem Fahrer wöchentlich mitzugeben seien. Der Kläger habe mit einer Mail vom 11.10.2016 deutlich gemacht, dass er die Problematik gekannt habe und zur Entschuldigung dargelegt, dass für ein Funktionieren des Systems ein Aufwand in Höhe von 20.000,00 EUR habe betrieben werden müssen; vgl. Bl. 95 d. A.. Tatsächlich habe Herr Z. mit geringem Aufwand das ganze System in einen Zustand der Funktionsfähigkeit versetzen können. Aus der Archivierung habe man festgestellt, dass die drei gelisteten Fahrer Herr S. seit 653 Tagen, der Fahrer Herr H. seit 652 Tagen und der Fahrer Herr K. seit 592 Tagen über keine ordnungsgemäße Fahrerbescheinigung verfügt hätten. Die Auslesung der Fahrzeugdaten -Kennzeichen- sei seit 543 Tagen, -Kennzeichen- seit 542 Tagen überfällig. In der Zeit vom 07.01.2015 bis zur Arbeitsunfähigkeit des Klägers seien schließlich vom Firmen-KFZ überhaupt keine Daten eingespielt worden.

Des Weiteren habe die Vertreterin des Klägers in Sachen Reklamationsbearbeitung der Geschäftsleitung mitgeteilt, dass der Kläger seit Mai 2016 Reklamationen überhaupt nicht bearbeitet habe. Aus Gesprächen mit verschiedenen Kunden habe sich ergeben, dass der Kläger dieses seit Jahren nicht mehr besucht habe. Auch habe er sich nicht um Kundenkontakte gekümmert. So fänden sich weder vollständige Vertragsunterlagen, Preislisten, Aufzeichnungen über Ansprechpartner/Zuständigkeiten oder die telefonische Erreichbarkeit der Kunden und Ansprechpartner, Kundengespräche und Besuchsintervalle in den Akten.

Außerdem habe man im Laufe der Nachforschungen durch die Innenrevision festgestellt, dass der Kläger als Fahrdienstleiter offenbar bei der X-Tankstelle, bei der sämtliche Fahrzeuge der Beklagten regelmäßig betankt worden seien, eine Payback-Karte hinterlegt habe und eine sogenannte Bonuskarte. Die Angaben hinsichtlich der Top-Bonuskarte habe man am 03.11.2016 erhalten. Danach habe der Kläger seit 2005 bis 2016 insgesamt 580.348 Top-Bonuspunkte auf Tankvorgänge der Firma gesammelt und sich davon 506.465 Punkte auszahlen lassen. Diese Karte könne entweder zur Verbilligung des Literpreises beitragen oder im Eintausch gegen gewisse Gegenstände benutzt werden. Der Kläger habe offensichtlich die für ihn günstige Version des Eintauschens gewählt. Insoweit ergebe sich auch lohnsteuerrechtlich ein Problem.

Schließlich habe sich der Kläger 11.575,00 EUR Provisionen auszahlen lassen, die er tatsächlich gar nicht verdient habe. Diese seien gezahlt worden für die Vermittlung von Kunden, die durch eine eingeschaltete Vermittlungsfirma vermittelt worden seien.

Letztlich habe er ab 2014 dauerhaft einen Firmen-PKW benutzt, auch wenn dies ursprünglich ein Poolfahrzeug gewesen sei und dementsprechend Fahrgeld völlig zu Unrecht bezogen.

Das Arbeitsgericht Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – hat die Klage daraufhin durch Urteil vom 22.06.2017 – 6 Ca 887/16 – abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 238-249 d. A. Bezug genommen.

Gegen das ihm am 10.07.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger durch am 24.07.2017 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung durch am 02.10.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor durch Beschluss vom 06.09.2017 auf seinen begründeten Antrag hin die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 11.10.2017 einschließlich verlängert worden war.

Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, die Teilnahme an den Bonusprogrammen X und Payback sei unabhängig voneinander erfolgt und im Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Vorwürfen gegenüber dem Kläger zu unterscheiden. Bereits vor der Beschäftigung des Klägers durch die Beklagte im Jahre 2004 habe die Beklagte ihre Fahrzeuge bei einer X-Tankstelle unter Verwendung einer Tankkarte betankt. In einem Gespräch Anfang 2005 im Büro der Beklagten zwischen dem Kläger und Geschäftsführer, seinem Vater, Herrn U. A., habe dieser im Zusammenhang mit einem Bewerbungsschreiben von X entschieden, dass im Zusammenhang mit der bestehenden Tankkarte bei der X GmbH eine X-Karte bestellt werde und der Kläger berechtigt wird, der durch die Tankvorgänge der damals beiden Fahrzeuge der Beklagten mittels der hinterlegten Tankkarte gesammelten X-Punkte sei und dieser ermächtigt werde, diese zu sammeln und für sich persönlich einzulösen. Das Bestellformular sei ausgefüllt und durch Herrn A. unterschrieben worden. Gegenüber der X GmbH sei mitgeteilt worden, dass der Kläger Berechtigter an den gesammelten Punkten sei und für diesen die Ausstellung der X-Karte beantragt, die er im Nachgang dazu auch erhalten habe. Der Kundenservice der X habe dem Kläger Mitte Januar 2018 mitgeteilt, dass dieser seit dem 12.01.2005 Punkte sammele; des Weiteren sei dem Kläger bestätigt worden, dass nur mit der Erlaubnis der Firma es möglich sei, eine X-Karte für eine Tankkarte des Unternehmens zu nutzen. Diese Umstände seien der Geschäftsführung der Beklagten bekannt. Dies gelte insbesondere unabhängig vom Wissen des damaligen Geschäftsführers, Herrn U. A.. Denn der aktuelle Geschäftsführer, Herr V., sei seit Dezember 2009 Geschäftsführer der Beklagten und habe damit Kenntnis über die Kraftstoffbeschaffung der Beklagten, die durch hinterlegte Tankkarte über die X-Tankstelle in C-Stadt erfolge. Sie habe auch Kenntnis darüber, dass der Kläger zum Sammeln der X-Punkte aufgrund der Tankvorgänge der Beklagten in Zusammenhang mit der bei der X-Tankstelle in C-Stadt hinterlegten Tankkarte berechtigt sei und diese sammele.

Unabhängig davon sei der Bezug von Kraftstoffen über die Y auch im Hinblick auf die Umstände zu sehen, in deren Zusammenhang die Beklagte seit 2015 eine Y-Card nutze. Hintergrund sei der Umstand gewesen, dass die Beklagte einen Neubau errichtet und diesen 2015 bezogen habe. Da dieser sich in unmittelbarer Nähe der örtlichen Y-Tankstelle in C-Stadt befinde, habe der Kläger als zuständiger Fuhrparkleiter in Abstimmung mit dem Geschäftsführer, Herrn U. A., entschieden, dass für Tankvorgänge bei dieser Y-Tankstelle ebenfalls eine Tankkarte beantragt werde, was auch so geschehen sei. Im März 2015 habe der Kläger angefragt, ob es denn in Ordnung sei, wenn er auch für diese Tankvorgänge an dem von der Y. unterhaltenen Bonuspunkte-System teilnehme und er sich persönlich die Payback-Punkte gutschreiben lassen könne. Damit sei der damalige Geschäftsführer, Herr U. A., einverstanden gewesen. Dementsprechend habe der Kläger die Teilnahme an diesem Payback-Programm von Y beantragt; es seien zwei Payback-Karten ausgestellt worden, die der Beklagten zu Händen des Klägers mit Schreiben vom 25.03.2015 übermittelt worden seien. Wie mit Herrn U. A. besprochen, habe sich der Kläger für diese Payback-Karte registriert, sie bei der örtlichen Tankstelle hinterlegt, sodass bei jedem Tankvorgang entsprechend Payback-Punkte hätten gutgeschrieben werden können. Von diesem Payback-Punkten habe der Kläger nicht einen einzigen eingelöst. Dies sei der Beklagten bekannt, weil der Kläger am 06.09.2016 die Beklagte zur Einsichtnahme in das Payback-Konto in Person des Geschäftsführers der Beklagten, Herrn V., bevollmächtigt habe.

Im Hinblick auf die Teilnahme am X-Programm von X zu Gunsten des Klägers sei der Beklagten entgegen ihrer Darstellung kein Nachteil entstanden. Es treffe nicht zu, dass diese Karte entweder zum Sammeln von Punkten oder zur Verbilligung des Literpreises bei dem jeweiligen Tankvorgang eingesetzt werden könne, treffe nicht zu. Durch die Verwendung der Tankkarte, die für den Tankvorgang als solche maßgeblich sei, werde bei jedem Tankvorgang ein Fixpreis der Abrechnung zugrunde gelegt, der für den jeweiligen Tag des Betankungsvorgangs an ca. 5000 Akzeptanzstellen (Tankstellen der X-Gruppe) in Deutschland gelte. Der Preis orientiere sich am deutschlandweiten Marktpreis. Auch eine Lohnversteuerung durch die Beklagte sei entgegen ihrer Darstellung nicht erforderlich. Vielmehr nehme die X-GmbH die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Versteuerung auf alle erhaltenen Sachgeschenke aus dem jeweils gültigen X-Prämienkatalog an das zuständige Betriebsstätten-Finanzamt vor und führe entsprechende Beträge ab. Die anfallende Steuer werde pauschal an das für X zuständige Finanzamt abgeführt. Dies habe der Kundenservice dem Kläger mit E-Mail vom 22.06.2017 ausdrücklich mitgeteilt.

Insgesamt habe der Kläger in einem Zeitraum von zwölf Jahren Punkte im Wert von etwa 263,00 EUR pro Jahr eingelöst. Zu keinem Zeitpunkt sei die „neue“ Geschäftsführerin der Beklagten an ihn herangetreten, die zuvor bestehende Praxis zu ändern.

Der Kläger habe auch zu keinem Zeitpunkt Fahrer veranlasst, teures Diesel zu tanken, weil bei bestimmten Tankstellen die Tankkarten der Beklagten hinterlegt gewesen seien. Die Beklagte habe vielmehr Tankkarten hinterlegt, an den beiden Tankstellen, damit an diesen Tankstellen der Bezug von Treibstoffen unmittelbar gegenüber der Beklagten in einem Abrechnungsvorgang habe erfasst und abgerechnet werden können. Dies habe nicht der Kläger, sondern der damalige geschäftsführende Gesellschafter, Herr U. A., entschieden. Der Kläger sei in diesem Zusammenhang lediglich ermächtigt worden, für diese Tankkarte zu seinen Gunsten an dem Bonus-Punkte-Programm von Y und X teilzunehmen. Ob Herr U. A. ohne zweiten Geschäftsführer Entscheidungen auch hinsichtlich der Gewährung der Zustimmung zur Teilnahme an Bonussystemen habe wirksam vornehmen können, sei im Verhältnis zum Kläger irrelevant.

Soweit dem Kläger der zeitweise Bezug eines Fahrgeldes in Höhe von 150,00 EUR vorgeworfen werde, rechtfertigt dies keine Kündigung. Derartiges sei einem Arbeitnehmer zudem nicht vorwerfbar, wenn eine befristete schriftliche Regelung über Fahrtgeld mündlich oder auch konkludent ohne Beachtung der Schriftform verlängert werde. Falls die Geschäftsführung an einer solchen Praxis etwas zu beanstanden habe, so liege es an ihr, den Sachverhalt aufzuklären und, falls gewünscht, für den Fall, dass dies rechtlich einseitig möglich sei, eine entsprechende Änderung auf Vertragsebene vorzunehmen, wodurch das Fahrtgeld entfalle. Dies sei seitens der Geschäftsführung der Beklagten für den streitgegenständlichen Zeitraum aber nicht geschehen.

Nichts anderes gelte für den Vorwurf, dem Kläger seien unrechtmäßig Provisionen gewährt worden. Es treffe nicht zu, dass die Umsatzprovision des Klägers mit Einschaltung der S. nicht mehr gegeben sei. Denn auch unter Einbeziehung der S. und Teilnahme an den entsprechenden Ausschreibungsverfahren, über die S. informiere, sei es letztlich doch der Kläger, der sich und damit den Betrieb der Beklagten bei den Kunden, auch im Rahmen der Ausschreibung, vorgestellt hätte. Er habe jeweils abgeklärt, ob Preis, Kapazität und Abläufe von der Beklagten angeboten, für den regionalen Vertreter des Kunden an der Ausschreibung in Frage kämen. Da außer ihm, dem Kläger, kein weiterer Mitarbeiter für die Kundenbetreuung zuständig sei, ergebe sich für den Kläger, dass die Buchhaltungsdaten „Neukunden“ allesamt provisionspflichtige Umsätze im Verhältnis zum Kläger darstellten. Keineswegs seien in seinen Provisionsabrechnungen Kunden enthalten, die zwar von ihm geworben, aber nicht mehr provisionspflichtig sei; dieses Vorbringen der Beklagten sei nicht nachvollziehbar. Er, der Kläger, habe sich zu keinem Zeitpunkt eine Leistung versprechen lassen, die ihm – erkennbar – nicht zugestanden habe.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 02.10.2017 (Bl. 296-304 d. A.) sowie seine Schriftsätze vom 04.12.2017 (Bl. 350-357 d. A.), vom 26.01.2018 (Bl. 386-398 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 399-412 d. A.) sowie schließlich vom 16.04.2018 (Bl. 489-497 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 22.06.2017, Az.: 6 Ca 887/16, abgeändert. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 14.11.2016 weder außerordentlich fristlos, noch ordentlich zum nächstmöglichen Termin aufgelöst worden ist.

Die Beklagten beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, bei der Beklagten handele es sich um eine Unternehmen der Textilreinigungsbranche, an dem als Gesellschafter die Klinikum M. gGmbH und die Klinikum C-Stadt GmbH als Tochtergesellschaft der S. GmbH zu 70 %, der Vater des Klägers, Herr .U. A. und der Bruder des Klägers, Herr R.. U.A., jeweils 50 % beteiligt seien. Die Gesellschaft sei im relevanten Zeitraum durch zwei Geschäftsführer gemeinschaftlich vertreten worden, einerseits dem Vater des Klägers und andererseits einem Geschäftsführer der S. GmbH. Die Geschäftsführer aus dem Gesellschafterkreis der Mehrheitsgesellschafterinnen hätten zu keinem Zeitpunkt in die Gewährung von Sachleistungen durch die X-Karte oder Y-Payback Karte an den Kläger eingewilligt oder mitgewirkt. Auch gebe es keinen Gesellschafterbeschluss dazu. Änderungen oder Ergänzungen des Arbeitsvertrages des Klägers bedürften zudem grundsätzlich der Schriftform. Der Gesellschaftervertrag der Gesellschaft schreibe vor, dass Verträge mit Gesellschaftern oder deren Angehörigen bzw. leitenden Angestellten grundsätzlich eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung bedürften; diese Voraussetzungen seien bzgl. der X- und der ARAL-Payback-Karte nicht gegeben. Die Beklagte habe, nachdem erhebliche Unregelmäßigkeiten auf Seiten der Herren U. und R. U. A. als geschäftsführenden Gesellschaftern festgestellt hätten werden müssen, fristlose Kündigungen der Geschäftsführerverträge ausgesprochenen Strafanzeige wegen Untreue erstattet.

Es treffe nicht zu, dass der Vater des Klägers den Antrag an X unterschrieben habe; die Beklagte habe auch keine Vereinbarung mit einer Tankstelle für einen sogenannten „Flottenpreis“, d. h. für verbilligtes Tanken, gehabt. Sie habe keinen Nachlass dafür erhalten, dass ausschließlich bei X getankt werde. Die X-Tankstelle sei die Teuerste im Umkreis gewesen, habe kein LKW-Diesel angeboten und die Fahrer hätten einen Umweg fahren müssen, um zu dieser X-Tankstelle im Innenstadtbereich von C-Stadt zu kommen. Nach Durchführung des Neubaus der Beklagten hätten die Fahrer entgegen der Anweisung des Klägers bei der billigeren und näheren Y-Tankstelle getankt, sodass der Kläger sich genötigt gesehen habe, nachdem die Fahrer nicht mehr so häufig zur X-Tankstelle gefahren seien, sich seine Vorteile zu erhalten und eine Payback-Karte selbst zu beantragen. Auch dabei habe der Vater des Klägers als geschäftsführender Gesellschafter nicht mitgewirkt bzw. habe keine wie auch immer geartete Erlaubnis erteilt. Herr U. A. habe allein ohne zweiten Geschäftsführer dem Kläger derartige Zuwendungen ohnehin nicht machen dürfen; falls dies gleichwohl geschehen sei, sei ihm eine Zustimmung durch den Fahrer des Klägers eine kollusiv durchgeführte Schädigung des Unternehmens wegen des teuren Spritpreises und der Umwege, die die Fahrer hätten in Kauf nehmen müssen und der sozialversicherungspflichtigen Steuerpflicht der Beklagten gegeben. Eine Ausnahme von der allgemeinen Steuerpflicht bzw. ein Pauschalierungstatbestand sei vorliegend und entgegen der Darstellung des Klägers nicht gegeben.

Einer vorherigen Abmahnung habe es vor Ausspruch der Kündigung nicht bedurft, denn der Kläger habe eigenmächtig Aufträge in nicht unbeträchtlicher Höhe nach außen gegeben, die die beiden geschäftsführenden Gesellschafter U. und R. A. hätten nicht erteilen wollen und des Weiteren sei der Kläger nach Kürzung seiner pauschalen Rufbereitschaft nicht mehr bereit gewesen, nach 16.30 Uhr telefonisch für Fahrer erreichbar zu sein. Zudem habe er im kollusiven Zusammenwirken mit seinem Vater seit 2009 ohne jegliche vertragliche Grundlage Fahrtgeld erhalten. Des Weiteren habe er sich Provisionen für die Werbung von Neukunden auszahlen lassen, die nicht er, sondern die Vermittlungsfirma S. geworben habe. Er habe entgegen seiner vertraglichen Pflichten als Fahrdienstleiter länger als 24 Monate den betroffenen LKW-Fahrern die entsprechenden Fahrerbescheinigungen nicht mitgegeben und die gesetzlich vorgeschriebenen Fahr-, Lenk- und Ruhezeiten nicht ordnungsgemäß dokumentiert. Dadurch sei die Beklagte Gefahr gelaufen, dass dies bei der BAG bekannt werde. Bußgelder in Höhe von rund 800.000,00 EUR hätten gedroht. Es treffe nicht zu, dass der Aufwand, solche Bescheinigungen auslesen und elektronisch sichern zu können, sehr hoch sei und es eines Betrages in Höhe von 20.000,00 € bedürfe. Nach seinem Ausscheiden habe sein Nachfolger dies ohne jeglichen Aufwand eingerichtet. Des Weiteren habe der Kläger versucht, seinen Nachfolger, Herrn Z., zum Nachteil des Unternehmens zur Schlechtleistung anzustiften. Durch das Fehlverhalten des Klägers sei der Beklagten ein erheblicher Schaden entstanden. Der Kläger habe die Fahrer angewiesen, wenn sie nicht bei der X-Tankstelle tanken könnten, wo die X-Karte hinterlegt sei, sollten sie bei der Y-Tankstelle tanken, bei der eine (seine) Payback-Karte hinterlegt sei. Eine Unterschrift der Geschäftsführer bzw. eine Genehmigung dazu gebe es nicht. Der Kläger habe insoweit 165,56 € an Payback-Wert für sich generiert. Der Kläger habe auch mit einer Whats-App in die Fahrer-Whats-App-Gruppe darauf hingewiesen, die Fahrer müssten jetzt die dienstlichen Betankungen, sei es bei der X-Tankstelle M-Straße, sei es bei der nahe gelegenen Y-Tankstelle, wo seine Payback-Karte hinterlegt gewesen sei, vornehmen. Auch an X-Tankstellen werde nicht der billigste Sprit getankt. Auch mit der hier streitgegenständlichen Y-Tankstelle bestand und bestehe kein Flottenvertrag. Es werde dort kein Diesel für LKWs verbilligt abgegeben. Dem Mitarbeiter Z. habe der Kläger erklärt, die bei X hinterlegte Karte sei nicht die seine, sondern vielmehr die Firmenkarte. Während des erstinstanzlichen Rechtszuges habe der Kläger den Mitarbeitern Z. angerufen und diesem u. a. mitgeteilt, „sein Vater habe ihm jetzt bescheinigt, dass er die X-Karte habe nutzen dürfen“. Er könne dies jetzt „richtig stellen“.

Eine vom Kläger behauptete Zustimmung seines Vaters decke jedenfalls nicht ab, dass der Kläger davon profitiert habe, dass der Beklagte nach und nach immer mehr LKWs und Transporter eingesetzt und der Kläger die Anweisung gegeben habe, für alle Fahrzeuge bei der X-Tankstelle und später bei der Y-Tankstelle, wo jeweils die Bonuskarten gelegen hätten, zu tanken.

Die Entgegennahme einer unberechtigten Zulage (monatlich 150,00 EUR Fahrtgeld) ohne vertragliche Grundlage im gemeinsamen Zusammenwirken mit seinem Vater stelle eine gemeinschaftliche Untreue zur Lasten der Beklagten dar. Gleichermaßen verhalte es sich bei den zu Unrecht gewährten Provisionen. Der Kläger habe Provisionen berechnet erhalten unter Angabe von Kunden, die ausnahmslos von Dritten geworben worden seien und nicht durch den Kläger, sodass er habe ersehen müssen, dass die errechneten Provisionen ihm nicht zugestanden hätten. Er habe die von der Firma S. bzw. zuvor von der Firma Sa. gewonnenen Kunden nicht geworben. Er habe im April eines jeden Jahres die für das abgelaufene Jahr durchgeführte Provisionsabrechnung mit seinem Vater durchgesprochen. In den Provisionsabrechnungen seien zwar auch vom Kläger geworbene Kunden beinhaltet, jedoch nicht begrenzt auf zwei Jahre, sondern fortlaufend, sodass er auch insofern erhöhte Provisionen unberechtigt erhalten habe. Aufgrund der Akquisition durch Dritte sei die von Herrn U. A. vorgegebene unrechtmäßige Provisionsabrechnung, die nie mehr als 4.300,00 EUR pro Jahr ausgemacht habe, 2014 auf 7.942,00 EUR, 2015 auf knapp 13.000,00 EUR auch für den Kläger auffällig angestiegen, obwohl dem eine Akquisition durch den Kläger nicht zugrunde gelegen habe. Bei zutreffender Berechnung habe der Kläger jedenfalls 19.177,99 EUR weniger Provision im Zeitraum 2011 bis 2015 erhalten dürfen. Der Kläger habe Kenntnis gehabt, dass die ihm gegenüber abgerechnete und ausgezahlte Provision ihm nicht zustehe.

Hinzu komme die fehlende, bzw. bewusst unrichtige Dokumentation der Lenk- und Ruhezeiten der bei der Beklagten angestellten Fahrer. Zudem habe der Kläger den Mitarbeiter Z. angewiesen, er solle den Sprinter als Transportmittel nutzen, dieser habe nur eine Tacho-Scheibe und „die kannst du verschwinden lassen“. Der Kläger habe durch die Teilnahmen an mehreren einschlägigen Weiterbildungsmaßnahmen die erforderlichen Fachkenntnisse zu den insoweit bestehenden Pflichten nach Unionsrecht erworben. So habe er gewusst, dass jeder einzelne Verstoß bußgeldbewährt sei, ob es sich für den Fahrer um den Umstand handele, dass dieser keine Fahrerbescheinigung mit sich führe, für die Beklagte, dass diese keine Fahrerbescheinigung ausgestellt habe und weiterhin für die Beklagte, dass diese die Lenk- und Ruhezeiten der Fahrer nicht ordnungsgemäß sichere. Damit wäre neben drohenden erheblichen Bußgeldern die Zuverlässigkeit der Beklagten zum Betrieb von Transportdienstleistungen im Straßenverkehr nicht gegeben gewesen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 07.11.2017 (Bl. 325-335 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 336-340 d. A.) sowie ihre Schriftsätze vom 29.01.2018 (Bl. 425-436 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 437-463 d. A.), vom 22.02.2018 (Bl. 472-479 d. A.) und vom 25.04.2018 (Bl. 507-514 d. A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Schließlich wird Bezug genommen auf die Sitzungsprotokolle vom 11.12.2017 und 07.05.2018.

Entscheidungsgründe

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Dabei ist allerdings klarzustellen, dass sich die Berufung des Klägers ausschließlich gegen die erstinstanzliche Klageabweisung hinsichtlich seines Kündigungsschutzantrages betreffend die Kündigung der Beklagten vom 14.11.2016 richtet, nicht aber gegen die Klageabweisung hinsichtlich eines Betrages in Höhe von 1.472,48 EUR nebst Zinsen. Zwar lässt sich eine derartige Beschränkung des Rechtsmittels nicht dem Berufungseinlegungsschriftsatz vom 21.07.2017 (Bl. 260 d. A.) entnehmen, sie folgt aber eindeutig aus der Berufungsbegründungsschrift vom 02.10.2017 (Bl. 284 ff. d. A.) durch den dort angekündigten Antrag, der sich ausschließlich auf die Klageabweisung hinsichtlich der Kündigung der Beklagten vom 14.11.2016 bezieht. Auch dem gesamten schriftsätzlichen Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren lässt sich etwas anderes nicht entnehmen; insbesondere lässt sich ihm weder entnehmen, dass sich die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts auch insoweit richtet, noch warum das angefochtene Urteil insoweit fehlerhaft sein könnte.

II.

Das Rechtsmittel der Berufung hat in der Sache Erfolg.

Denn entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts und der Beklagten kann der Kläger die Feststellung verlangen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 14.11.2016 weder außerordentlich fristlos, noch ordentlich zum nächst möglichen Termin aufgelöst worden ist.

Denn die außerordentliche Kündigung der Beklagten ist rechtsunwirksam, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des §§ 626 BGB nicht gegeben sind.

Insoweit ist zunächst davon auszugehen, dass bereits die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten worden ist.

Die außerordentliche Kündigung kann gemäß § 626 Abs. 2 BGB nur innerhalb einer zweiwöchigen Frist erfolgen (s. BAG 22.11.2012 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 2; 26.09.2013 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 3 = NZA 2014, 529; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, DLW/Dörner Handbuch des Arbeitsrechts, 14. Aufl. 2018, Kap. 4 Rdnr. 1086 ff.).

Zweck dieser Regelung ist es, den Kündigenden möglichst schnell zur Entscheidung über die Kündigung aus einem bestimmten Grund zu veranlassen. Denn ansonsten könnte die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung fraglich sein.

Zudem soll der Kündigungsgegner frühzeitig die Konsequenzen des Vorliegens eines wichtigen Grundes für sein Arbeitsverhältnis erfahren (APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 116 f.); dem betroffenen Arbeitnehmer soll rasch Klarheit darüber verschafft werden, ob der Kündigungsberechtigte einen Sachverhalt zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung nimmt (BAG 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3; 17.03.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 9).

Ist dem Kündigungsgegner mit Ablauf der Zweiwochenfrist keine Kündigung zugegangen, so wird unwiderleglich vermutet, dass dem Kündigungsberechtigten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist. Die Ausschlussfrist kann daher als gesetzliche (bzw. tarifliche, vgl. z. B. § 34 Abs. 2 TVöD) Konkretisierung der Verwirkung des Kündigungsgrundes angesehen werden (BAG 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3; 17.03.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 9; 02.02.2006 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 1). Ohne Kenntnis des Kündigungsberechtigten vom Kündigungssachverhalt kann das Kündigungsrecht folglich nicht verwirken (BAG 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3).

Sie ist eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, ihr Versäumung führt zur Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung (BAG 06.07.1972 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 15). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ausgeschlossen.

Die Frist gem. § 626 Abs. 2 BGB beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt (s. BAG 22.11.2012 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 2). Erforderlich ist eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen (BAG 22.11.2012 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 2; 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10 = NZA 2011, 798; 26.06.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 21; 05.06.2008 – 2 AZR 25/07 , JurionRS 2008, 21755 = NZA-RR 2009, 69; 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3; 02.02.2006 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 1), die ihm die fundierte Entscheidung ermöglicht, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (BAG 25.11.2010 EzA § 108 BPersVG Nr. 5; 23.10.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 21; 26.06.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 21; 02.03.2006 EzA § 91 SGB IX Nr. 3).

Dazu gehören sowohl die für als auch gegen die Kündigung sprechenden Umstände sowie die Beschaffung und Sicherung möglicher Beweismittel für die ermittelte Pflichtverletzung (BAG 17.03.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 9; LAG SchlH 17.12.2008 NZA-RR 2009, 397); Aspekte, die für den Arbeitnehmer sprechen, lassen sich regelmäßig nicht ohne eine Anhörung des Arbeitnehmers erfassen (BAG 25.11.2010 EzA § 108 BPersVG Nr. 5). Die Kenntnisnahme von ersten Anhaltspunkten für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes genügt nicht (BAG 25.11.2010 EzA § 108 BPersVG Nr. 5); selbst grob fahrlässige Unkenntnis schadet nicht (BAG 05.12.2002 EzA § 123 BGB 2002 Nr. 1; vgl. auch LAG Bln.-Bra. 18.11.2009 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 25; OLG Karlsruhe 28.04.2004 NZA 2005, 301); ohne die umfassende Kenntnis des Kündigungsberechtigten vom Kündigungssachverhalt kann sein Kündigungsrecht nicht verwirken (BAG 01.02.2007 § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3).

Die Kündigungsberechtigte, die bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen beginnt (BAG 25.11.2010 EzA § 108 BPersVG Nr. 5; 20.03.2014 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 6 = NZA 2014, 1015). Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen. Bei Vorliegen besonderer Umstände kann sie allerdings überschritten werden (BAG 20.03.2014 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 6 = NZA 2014, 1015). Im Regelfall darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch noch zu dem Ermittlungsbericht einer Detektei befragen (BAG 25.11.2010 EzA § 108 BPersVG Nr. 5). Ist die Frist bereits angelaufen, kann sie gleichwohl gehemmt werden (BAG 05.06.2008 – 2 AZR 25/07, JurionRS 2008, 21755 = NZA-RR 2009, 69). Denn zur Erlangung dieser Kenntnis kann der Kündigungsberechtigte zunächst Ermittlungen anstellen, insbesondere den Betroffenen anhören (BAG 02.02.2006 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 1, 02.03.2006 EzA § 91 SGB IX Nr. 3). Da das Ziel der gesetzlichen Regelung auch darin besteht, eine hektische Eile bei der Kündigung und insbesondere eine vorschnelle außerordentliche Kündigung zu verhindern, ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Sachverhalt und die Beweismittel zu überprüfen und sich angesichts der Schwere der gegen den Arbeitnehmer erhobenen Vorwürfe auch einen persönlichen Eindruck von Belastungszeugen zu verschaffen (BAG 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3; 17.03.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 9; s. a. LAG BW 28.01.2015 – 13 TaBV 6/14, LAGE § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 5).

Die Hemmung des Fristablaufs setzt aber voraus, dass die vom Arbeitgeber ergriffenen Maßnahmen vom Standpunkt eines verständigen Vertragspartners her zur genaueren Sachverhaltsermittlung erforderlich waren (APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 127 ff.); die Ermittlungen sind zudem unverzüglich und zeitnah mit der gebotenen Eile anzustellen, andernfalls ist die außerordentliche Kündigung ausgeschlossen. Denn der Arbeitgeber weiß nunmehr, dass – aus seiner Sicht – ein Kündigungsgrund vorliegt und dass er kündigen kann. Innerhalb der Frist muss er dann entscheiden, ob er kündigen will und die Kündigung gegenüber dem Arbeitnehmer erklären (BAG 05.06.2008 – 2 AZR 25/07 JurionRS 2008, 21755 = NZA-RR 2009, 69; 02.02.2006 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 1; 02.03.2006 EzA § 91 SGB IC Nr. 3; LAG RhPf 27.05.2004 LAG Report 2005, 40). Eine Hemmung tritt z. B. dann nicht ein, wenn von vornherein damit zu rechnen ist, dass die Ermittlungen keine zusätzlichen Erkenntnisse bringen. Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer nach seiner telefonischen Anhörung angeregt hatte, sich noch einmal im Betrieb zusammenzusetzen, führt dann zudem auch nicht dazu, dass er rechtsmissbräuchlich handelt, wenn er sich auf die Nichteinhaltung der Frist nach § 626 Abs. 2 BGB beruft (LAG Köln 12.08.2008 – 9 Sa 480/08, ZTR 2009, 225 LS).

Es spielt andererseits insoweit keine Rolle, ob die zunächst nicht aussichtlos erscheinenden Ermittlungsmaßnamen tatsächlich etwas zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder im Ergebnis letztlich überflüssig waren (BAG 20.03.2014 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 6 = NZA 2014, 1015). Kein Anlass für Ermittlungen besteht andererseits dann nicht (mehr), wenn der Sachverhalt geklärt oder vom Arbeitnehmer sogar zugestanden worden ist (BAG 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3; 05.12.2002 EzA § 123 BGB 2002 Nr. 1). Allerdings ist die Ausschlussfrist nur so lange gehemmt, wie der Kündigungsberechtigte die notwendig erscheinenden Aufklärungsmaßnahmen mit der gebotenen Eile aus tatsächlich durchführt (BAG 31.03.1993 EzA § 626 Ausschlussfrist Nr. 5; 05.12.2002 EzA § 123 BGB 2002 Nr. 1). Ein Zeitraum von über zwei Monaten ist insoweit regelmäßig zu lang, soweit nicht besondere Umstände vorliegen (LAG Nds. 16.09.2005 LAGE § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 1a). Hat der Kündigungsberechtigte dagegen dennoch weitere Ermittlungen durchgeführt, muss er darlegen, welche Tatsachenbehauptungen unklar und daher ermittlungsbedürftig waren und welche weiteren Ermittlungen – zumindest aus damaliger Sicht – zur Klärung von Zweifeln angestellt worden sind; der Vortrag des Arbeitgebers, es seien insgesamt mehr als 12.000 Rechnungen und Sammelrechnungen mit mehreren Lieferscheinen zu prüfen gewesen, lässt insoweit ausnahmsweise bereits aufgrund des Umfangs der Unterlagen einen Überprüfungszeitraum von gut zwei Monaten plausibel erscheinen (BAG 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3).

Der mit der beabsichtigten Anhörung verbundene Fristaufschub i. S. v. § 626 Abs. 2 BGB entfällt nicht nachträglich, wenn der Arbeitgeber das ergebnislose Verstreichen der Frist zur Stellungnahme für den Arbeitnehmer zum Anlass nimmt, nunmehr auf dessen Anhörung zu verzichten. Ein solcher nachträglicher Wegfall des ursprünglichen Aufschubs käme nur infrage, wenn der betreffende Entschluss des Arbeitgebers auf Willkür beruhte. Das ist nicht der Fall, wenn Anlass für den neuen Entschluss der Umstand ist, dass sich der Arbeitnehmer innerhalb der ihm gesetzten, angemessenen Frist nicht geäußert hat (BAG 20.03.2014 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 6 = NZA 2014, 1015).

Auch die sachdienliche Anhörung des Arbeitnehmers hemmt den Fristablauf, möglicherweise ist auch eine Mehrfachanhörung erforderlich. Denn die Anhörung ist zwar – de lege lata – keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Tatkündigung (BAG 10.04.2014 EzA § 622 BGB 2002 Nr. 10 = NZA 2015, 162; s. Rdn. 1515), sie gehört aber regelmäßig zu den erforderlichen Aufklärungsmaßnahmen, damit der Arbeitnehmer Gelegenheit erhält, entlastende Umstände vorzutragen (LAG Hamm 07.06.2005 LAG Report 2005, 384 LS; LAG Sachsen 23.04.2007 – 3 Sa 301/06, FA 2007, 358 LS; LAG SchlH 06.05.2015 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 55 = NZA-RR 2015, 526). Um den Schutz des Kündigungsgegners durch die Ausschlusswirkung nicht mittels einer Hinauszögerung der Anhörung umgehen zu können, muss sie innerhalb einer kurzen Frist erfolgen, die regelmäßig nicht länger als eine Woche sein darf (BAG 02.03.2006 EzA § 91 SGB IX Nr. 3), berechnet ab dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt (APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 130). Allerdings kann die Frist bei Vorliegen besonderer Umstände auch überschritten werden (BAG 02.03.2006 EzA § 91 SGB IX Nr. 3 = NZA 2006, 2011).

Entscheidend ist die Kenntnis des zur Kündigung des Berechtigten, das ist jeder, der zur Kündigung des konkreten Arbeitnehmers befugt ist (BAG 22.11.2012 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 2). Handelt es sich bei dem Arbeitgeber um eine juristische Person, ist grds. die Kenntnis des gesetzlich oder satzungsgemäß für die Kündigung zuständigen Organs maßgeblich (BAG 18.06.2015 EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 33 = NZA 2016, 287; s. a. LAG Saarland 04.05.2016 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 64 = NZA-RR 2016, 473: Cheftrainer Profifußball). Nach hessischem Gemeinderecht kommt es für den Beginn des Laufs der Ausschlussfrist auf die Kenntnis des Gemeindevorstands als Gremium an. Kenntnisse eines nicht kündigungsbefugten Personalamtes sind der Gemeinde nur zuzurechnen, wenn deren Nichtweitergabe an den Gemeindevorstand auf einem Organisationsmangel beruhte (Hess. LAG 04.04.2003 NZA 2004, 1160).

Grundsätzlich reicht die Kenntnis dritter Personen ohne Entlassungsbefugnis für den Beginn der Ausschlussfrist nicht aus (BAG 28.10.1971 AP Nr. 1 zu § 626 BGB Ausschlussfrist).

Hat der Dritte im Betrieb allerdings eine Stellung, die nach den Umständen des Einzelfalles erwarten lässt, dass er den Kündigungsberechtigten von dem Kündigungssachverhalt unterrichtet, so ist trotz unterlassener oder verzögerter Unterrichtung dem Kündigungsberechtigten die Kenntnis nach Treu und Glauben zuzurechnen, wenn die Information des Arbeitgebers durch eine mangelhafte Organisation des Betriebes verhindert wurde, obwohl eine andere Organisation sachgemäß gewesen wäre und dem Arbeitgeber zumutbar war (BAG 05.05.1977 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 57; APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 131 f.).

Im Einzelnen gilt insoweit Folgendes (BAG 23.10.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 23):

Nur der Arbeitgeber ist nach der gesetzlichen Regelung zur Kündigung berechtigt. Zu den Kündigungsberechtigten gehören aber auch die Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung übertragen hat. Die Kenntnis anderer Personen ist für die Zwei-Wochen-Frist grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt selbst dann, wenn den Mitarbeitern Aufsichtsfunktionen übertragen worden sind. Nur ausnahmsweise muss sich der Arbeitgeber die Kenntnis anderer Personen nach Treu und Glauben zurechnen lassen. Diese Personen müssen allerdings eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb oder der Verwaltung haben und tatsächlich sowie rechtlich in der Lage sein, einen Sachverhalt, der Anhaltspunkt für eine außerordentliche Kündigung bietet, so umfassend klären zu können, dass mit ihrer Meldung der Kündigungsberechtigte ohne weitere Erhebungen und Ermittlungen seine (Kündigungs-) Entscheidung treffen kann. Dementsprechend muss der Mitarbeiter zum einen in einer ähnlich selbständigen Stellung sein, wie ein gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Stellvertreter des Arbeitgebers. Zum anderen muss die verspätet erlangte Kenntnis des Kündigungsberechtigten in diesen Fällen auf einer unsachgemäßen Organisation des Betriebs oder der Verwaltung beruhen, obwohl eine andere betriebliche Organisation sachgemäß und zumutbar gewesen wäre. Beide Voraussetzungen – ähnlich selbständige Stellung und schuldhafter Organisationsmangel – müssen kumulativ vorliegen.

In Anwendung dieser Grundsätze ist aufgrund der Besonderheiten des hier zu entscheidenden Lebenssachverhalts davon auszugehen, dass es vorliegend in beiden Rechtszügen an konkretem tatsächlichen, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierten Vorbringen der Beklagten fehlt, wann, wer, welche Kenntnis der einzelnen maßgeblichen Umstände seitens der Beklagten erlangt hat. Dessen hätte in besonderem Maße vorliegend schon deshalb bedurft, weil die wesentlichen streitgegenständlichen Vorgänge über Jahre hinweg zurückliegen. Zum anderen ist hinsichtlich des Vorbringens der Beklagten betreffend die Kündigungsgründe weitgehend zwischen den Parteien unstreitig, dass alle wesentlichen Einzeltatsachen dem Vater des Klägers und damit einem im fraglichen Zeitraum als solchen tätigen geschäftsführenden Gesellschafter bekannt waren. So hat dieser insbesondere durchgängig bis zum Jahr 2016 sowohl den Arbeitsvertrag als auch die zahlreichen nachfolgenden Änderungen als einziger Vertreter der Beklagten unterzeichnet, mit Ausnahme einer Vertragsänderung, die auch vom Bruder des Klägers, gleichfalls jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt geschäftsführender Gesellschafter, mitunterzeichnet worden ist. Vor diesem Hintergrund wäre von der Beklagten im Einzelnen darzulegen gewesen, wer, wann, welche tatsächlichen Kenntnisse im Einzelnen erlangt hatte und insbesondere warum Kenntnisse eines ihrer Geschäftsführer der Beklagten nicht zuzurechnen sein sollen. Denn gemäß § 35 GmbH-G wird eine GmbH von ihrem Geschäftsführer vertreten, d. h. vorliegend jedenfalls auch vom Vater des Klägers, zeitweise des Bruders des Klägers, sowie eines von den Mehrheitsgesellschaftern bestimmten Geschäftsführers. Dass hier ein sogenanntes kollusives Zusammenwirken des Klägers und seines Vaters zum Nachteil der Mehrheitsgesellschafter vorgelegen hat, lässt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht feststellen. Der Vater des Klägers hat alle arbeitsvertraglichen Vereinbarungen mit dem Kläger als alleiniger Vertreter der Beklagten unterzeichnet; dass dies ohne entsprechende gesellschaftsrechtliche Befugnis und in Unkenntnis des von den Mehrheitsgesellschaftern bestimmten Geschäftsführers geschehen ist, ist für die Kammer nicht nachvollziehbar und wird insbesondere von der Beklagten auch nicht substantiiert behauptet. Die Beklagte hat insoweit lediglich darauf hingewiesen, der Vater des Klägers habe keine Alleinvertretungsbefugnis gehabt. Ob dies zutrifft, lässt sich nach dem Vorbringen der Beklagten in beiden Rechtszügen nicht beurteilen, weil es jeglichen genaueren Angaben insoweit fehlt. Das unsubstantiierte Vorbringen der Beklagten würde zudem darauf hinauslaufen, dass der Kläger viele Jahre lang im Betrieb der Beklagten in Kenntnis aller Geschäftsführer der Beklagten beschäftigt war, ohne dass eine vermeintlich fehlende Rechtsgrundlage dafür von den anderen Geschäftsführern moniert worden wäre, obwohl die vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Kläger und seinem Vater als Vertreter der Beklagten dann an sich als gesellschaftsrechtswidrig anzusehen gewesen wären.

Darüber hinaus sind entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts und der Beklagten auch die gesetzlichen Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB nicht gegeben.

Ein wichtiger Grund im Sinne der Generalklausel der § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung liegt dann vor, wenn Tatsachen gegeben sind, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und in der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung nicht zugemutet werden kann (vgl. BAG 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38; 21.06.2012 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 63 = NZA 2013, 199; 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013 Seite 6 LS). Damit wird der wichtige Grund zunächst durch die objektiv vorliegenden Tatsachen bestimmt, die an sich geeignet sind, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar zu machen. Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist deshalb jeder Sachverhalt, der objektiv das Arbeitsverhältnis mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes belastet (vgl. BAG 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38). Entscheidend ist nicht der subjektive Kenntnisstand des Kündigenden, sondern der objektiv vorliegende Sachverhalt, der objektive Anlass. Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind (Ascheid/Preis/Schmidt Großkommentar Kündigungsrecht 4. Auflage 2012 (APS-Dörner/Vossen), § 626 BGB Rz. 42 ff.; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Arbeitsrecht (DLW-Dörner), 14. Auflage 2018, Kap. 4. Rn. 1121 ff.).

Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen. Nachträglich eingetretene Umstände können für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen. Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde. Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch eine Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden. Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen gilt nichts anderes (BAG 15.12.1955 NJW 1956, 807; 28.10.1971 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 9; 3.7.2003 EzA § 626 BGB 202 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 2; 24.11.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 12, 484; 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32).

Die danach zu berücksichtigenden Umstände müssen nach verständigem Ermessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar erscheinen lassen (BAG AP-Nr. 4 zu § 626 BGB). Bei der Bewertung des Kündigungsgrundes und bei der nachfolgenden Interessenabwägung ist ein objektiver Maßstab anzulegen, so dass subjektive Umstände, die sich aus den Verhältnissen der Beteiligten ergeben, nur aufgrund einer objektiven Betrachtung zu berücksichtigen sind. Dabei ist insbes. nicht auf die subjektive Befindlichkeit des Arbeitgebers abzustellen; vielmehr ist ein objektiver Maßstab („verständiger Arbeitgeber“) entscheidend, also ob der Arbeitgeber aus der Sicht eines objektiven Betrachters weiterhin hinreichendes Vertrauen in den Arbeitnehmer haben müsste, nicht aber, ob er es tatsächlich hat (BAG 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32). Die danach maßgeblichen Umstände müssen sich konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken; da der Kündigungsgrund zukunftsbezogen ist und die Kündigung keine Sanktion für das Verhalten in der Vergangenheit darstellt, kommt es auf seine Auswirkungen auf die Zukunft an, die vergangene Pflichtverletzung muss sich noch in Zukunft belastend auswirken (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 23.10.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 25; 12.1.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67; 12.1.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68; LAG BW 25.3.2009 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 20; LAG RhPf 26.2.2010 NZA-RR 2010, 297). Da es um den zukünftigen Bestand des Arbeitsverhältnisses geht, muss dessen Fortsetzung durch objektive Umstände oder die Einstellung oder das Verhalten des Gekündigten im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im persönlichen Vertrauensbereich (der Vertragspartner) oder im Unternehmensbereich konkret beeinträchtigt sein.

Das kann dann der Fall sein, wenn auch zukünftige Vertragsverstöße zu besorgen sind, d. h. wenn davon ausgegangen werden muss, der Arbeitnehmer werde auch künftig den Arbeitsvertrag nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen oder sonst von einer fortwirkenden Belastung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen werden muss (LAG BW 25.3.2009 § 626 2002 Nr. 20; LAG RhPf 26.2.2010 NZA-RR 2010, 297).

Die erforderliche Überprüfung gem. § 626 Abs. 1 BGB vollzieht sich folglich zweistufig (vgl. z. B. BAG 24.3.2011 2 AZR 282/10 EzA-SD 16/2011 S. 3 LS. = NZA 2011, 1029; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35).

Zum einen muss ein Grund vorliegen, der unter Berücksichtigung der oben skizzierten Kriterien überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Insoweit handelt es sich um einen Negativfilter, d. h., dass bestimmte Kündigungsgründe eine außerordentliche Kündigung von vornherein nicht rechtfertigen können.

Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der – in der Regel – vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (vgl. ausführlich APS-Dörner/Vossen, § 626 BGB a. a. O.; DLW-Dörner a. a. O.). In einer Gesamtwürdigung ist das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 24.3.2011 – 2 AZR 282/10- EzA-SD 16/2011 S. 3 LS. = NZA 2011, 1029; 27.09.2012 -2 AZR 646/11 – EzA-SD 9/2013, Seite 6 LS).

Entscheidend ist die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung bzw. bis zum Ende der vereinbarten Befristung (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; 27.09.2012 – 2 AZR 646/11 – EzA-SD 9/2013, Seite 6 LS; LAG Bl. 5.1.2005 – 17 Sa 1308/04 – EzA-SD 8/05, Seite 12 LS; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a. a. O.; APS/Dörner/Vossen).

Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegen seiner erheblichen Pflichtverletzung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung des Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen – einstweiligen – Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung der Umstände des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013, Seite 6 LS).

Nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ist die außerordentliche Kündigung „Ultima Ratio“, so dass sie dann nicht gerechtfertigt ist, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar ist, weil dann die ordentliche Kündigung ein milderes Mittel als die außerordentliche Kündigung darstellt (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013 Seite 6 LS; krit. Stückmann/Kohlepp RdA 2000, 331 ff.).

Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus; sie dient der Objektivierung der Prognose (BAG 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67: 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Sie ist nur dann entbehrlich, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht Erfolg versprechend angesehen werden kann. Das ist insbes. dann anzunehmen, wenn erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten. Nur besonders schwere Vorwürfe bedürfen keiner Abmahnung, wenn und weil der Arbeitnehmer dann von vornherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann (LAG RhPf 26.02.2010 – 6 Sa 682/09, NZA-RR 2010, 297; LAG Nds. 12.02.2010 – 10 Sa 1977/08, EzA-SD 8/2010 S. 6 LS).

Einer Abmahnung bedarf es danach bei einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes also nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG 24.03.2011 – 2 AZR 282/10, EzA-SD 16/2011 S. 3 LS = NZA 2011, 1029; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 36; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 39 = NZA-RR 2012, 567;25.10.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 41 = NZA 2013, 319; LAG Hessen 27.02.2012 NZA-RR 2012, 471), denn dann ist grds. davon auszugehen, dass das künftige Verhalten des Arbeitnehmers schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann; die Abmahnung dient insoweit der Objektivierung der negativen Prognose: Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen. Das gilt grds. uneingeschränkt selbst bei Störungen des Vertrauensbereichs durch Straftaten gegen Vermögen oder Eigentum des Arbeitgebers (BAG 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; LAG Bln.-Bra. 30.03.2012 LAGE § 611 BGB 2002 Abmahnung Nr. 9 = NZA -RR 2012, 353; LAG Köln 20.01.2012 NZA-RR 2012, 356), denn auch in diesem Bereich gibt es keine „absoluten“ Kündigungsgründe. Stets ist konkret zu prüfen, ob nicht objektiv die Prognose berechtigt ist, der Arbeitnehmer werde sich jedenfalls nach einer Abmahnung künftig wieder vertragstreu verhalten (BAG 10.06.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32; Preis AuR 2010, 242;Schlachter NZA 2005, 433 ff.; Schrader NJW 2012, 342 ff.; s. LAG Bln.-Bra. 30.03.2012 LAGE § 611 BGB 2002 Abmahnung Nr. 9 = NZA-RR 2012, 353; Arbeitszeitbetrug; LAG Köln 20.01.2012 NZA-RR 2012, 356: vorzeitiges Arbeitsende ohne betriebliche Auswirkungen).

Entscheidender Zeitpunkt für die Beurteilung ist grundsätzlich (ebenso wie bei der ordentlichen Kündigung) der Zeitpunkt des Ausspruchs bzw. Zugangs der Kündigung. Die Wirksamkeit einer Kündigung ist grundsätzlich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zugangs zu beurteilen. dieser Zeitpunkt ist im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB sowohl für die Prüfung des Kündigungsgrundes als auch für die Interessenabwägung maßgebend. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen (BAG 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32 = NZA 2010, 1227; 28.10.1971 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 9; 15.12.1955 BAGE 2, 245).

Nachträglich eingetretene Umstände können für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen (BAG 10.6.2010; a. a. O.; 28.10.1971 a. a. O. Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde (BAG 10.6.2010 a. a. O; 15.12.1955 a. a. O.). Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch die Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden (BAG 15.12.1955 a. a. O). Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen (BAG 10.6.2010; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 202 Nr. 4 a. a. O.; 24.11.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 12; 3.7.2003 EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 2) gilt nichts anderes.

Die in den aufgehobenen gesetzlichen Vorschriften der §§ 123, 124 Gewerbeordnung, 71, 72 HGB nach altem Recht genannten Beispiele für wechselseitige wichtige Gründe (z. B. Arbeitsvertragsbruch, beharrliche Arbeitsverweigerung) sind als wichtige Hinweise für typische Sachverhalte anzuerkennen, die an sich geeignet sind, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu bilden und die Kündigung in der Regel auch zu rechtfertigen, wenn keine besonderen Umstände zugunsten des Gekündigten sprechen (vgl. BAG AP-Nr. 99 zu § 626 BGB). „Absolute Kündigungsgründe“, die ohne eine besondere Interessenabwägung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, bestehen andererseits jedoch nicht (BAG 15.11.1984 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 95; 10.6.2010; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 40 = NZA 2013, 27).

Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast gilt Folgendes:

Der Kündigende ist darlegungs- und beweispflichtig für die Umstände, die als wichtige Gründe geeignet sein können. Die Bewertung eines Fehlverhaltens als vorsätzlich liegt insoweit im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und ist Gegenstand der tatrichterlichen Beweiswürdigung i.S.v. § 286 ZPO (BAG 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027).

Im Rahmen der ihr obliegenden Darlegungslast trifft jede Prozesspartei eine vollständige Substantiierungspflicht; sie hat sich eingehend und im Einzelnen nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiiert zu äußern. Andererseits darf von keiner Prozesspartei von Verfassungswegen etwas Unmögliches verlangt werden. Der Konflikt zwischen diesen beiden Positionen wird gelöst durch das Prinzip der Sachnähe, d. h., je näher eine Prozesspartei an dem fraglichen tatsächlichen Geschehen selbst unmittelbar und persönlich beteiligt ist, desto eingehender hat sie substantiiert vorzutragen. Das kann so weit gehen, dass sie auch verpflichtet sein kann, durch tatsächliches Vorbringen oder Vorlage von Unterlagen die Gegenpartei überhaupt erst in die Lage zu versetzen, der ihr obliegenden Darlegungslast nachzukommen. Schließlich muss das tatsächliche Vorbringen wahrheitsgemäß sein (vgl. BAG 26.06.2008, 23.10.2008 EzA § 23 KSchG Nr. 32, Nr. 33).

Zu den die Kündigung begründen Tatsachen, die der Kündigende vortragen und gegebenenfalls beweisen muss, gehören auch diejenigen, die Rechtfertigungs-und Entschuldigungsgründe (z.B. eine vereinbarte Arbeitsbefreiung, die Einwilligung des Arbeitgebers in eine Wettbewerbstätigkeit: eine „Notwehrsituation“, vgl. LAG Köln 20.12.2000 ARST 2001, 187) für das Verhalten des gekündigten Arbeitnehmers ausschließen (BAG 06.08.1987 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 109; 18.09.2008 – 2 AZR 1039/06, EzA-SD 8/2009 S. i; Notwehr bei tätlicher Auseinandersetzung; 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607).

Der Umfang der Darlegungs- und Beweislast richtet sich danach, wie substantiiert der Gekündigte sich auf die Kündigungsgründe einlässt. Der Kündigende muss daher nicht von vornherein alle nur denkbare Rechtfertigungsgründe widerlegen.

Es reicht insoweit nicht aus, dass der Gekündigte pauschal und ohne nachprüf-bare Angaben Rechtfertigungsgründe geltend macht. Er muss deshalb unter substantiierter Angabe der Gründe, die ihn gehindert haben, seine Arbeitsleistung, so wie an sich vorgesehen, zu erbringen, den Sachvortrag des Kündigenden nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen bestreiten. Gleiches gilt dann, wenn sich der Gekündigte anders als an sich vorgesehen verhalten hat (s. BAG 18.09.2008 – 2 AZR 1039/06, FA 2009, 221 LS).

Nur dann ist es dem Kündigenden möglich, diese Angaben zu überprüfen und ggf. die erforderlichen Beweise anzutreten (BAG 06.08.1987 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 109). Wenn der gekündigte Arbeitnehmer sich allerdings gegen die Kündigung wehrt und i.S.d. § 138 Abs. 2 ZPO ausführlich Tatsachen vorträgt, die einen Rechtfertigungsgrund für sein Handeln darstellen oder sonst das Verhalten in einem milderen Licht erscheinen lassen können, muss der Arbeitgeber seinerseits Tatsachen vorbringen und ggf. beweisen, die die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Rechtfertigungsgründe erschüttern (LAG Köln 21.04.2004 LAG Report 2005, 64 LS). Will der Arbeitgeber bspw. die außerordentliche Kündigung auf die Behauptung stützen, der Arbeitnehmer habe Beträge aus der Einlösung von Schecks unterschlagen, muss er im Einzelnen diese Unterschlagung darlegen und unter Beweis stellen. Wenn der Arbeitnehmer nachvollziehbar darlegt, wann und wenn er die Beträge abgeliefert hat, kann sich der Arbeitgeber nicht mit Erfolg auf den Standpunkt stellen, der Arbeitnehmer müsse die Ablieferung der Beträge beweisen (LAG Köln 26.06.2006 – 14 Sa 21/06, EzA-SD 19/06, S. 10 LS).

Die dem kündigenden Arbeitgeber obliegende Beweislast geht auch dann nicht auf den gekündigten Arbeitnehmer über, wenn dieser sich auf eine angeblich mit dem Arbeitgeber persönlich vereinbarte Arbeitsbefreiung beruft und er einer Parteivernehmung des Arbeitgebers zu der streitigen Zusage widerspricht.

In diesem Fall sind allerdings an das Bestreiten einer rechtswidrigen Vertragsverletzung hinsichtlich des Zeitpunkts, des Ortes und des Anlasses der behaupteten Vereinbarung, die das Verhalten des Arbeitnehmers rechtfertigen oder entschuldigen sollen, strenge Anforderungen zu stellen (BAG 24.11.1983 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 88; APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 173 ff.).

Gelingt es dem Arbeitgeber nicht, den Kündigungsvorwurf in tatsächlicher Hinsicht zu beweisen, ist die streitgegenständliche Kündigung mangels eines wichtigen Grundes i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB unwirksam (LAG RhPf 21.05.2010 NZA-RR 2011, 80).

Für das erforderliche Beweismaß der vollen Überzeugung im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO gelten nachfolgende Grundsätze:

Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Insofern ist das tatsächliche Vorbringen der Beklagten, dass die Klägerin zulässigerweise bestritten hat, nach Maßgabe der vor dem Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme als wahr anzusehen.

Auf der Basis der abgeschlossenen Beweisaufnahme stellt die richterliche Würdigung einen internen Vorgang in der Person der Richter zur Prüfung der Frage dar, ob ein Beweis gelungen ist. Im Rahmen dieses internen Vorgangs verweist § 286 ZPO ganz bewusst auf das subjektive Kriterium der freien Überzeugung des Richters und schließt damit objektive Kriterien – insbesondere die naturwissenschaftliche Wahrheit als Zielpunkt – aus. Die gesetzliche Regelung befreit den Richter bzw. das richterliche Kollegium von jedem Zwang bei seiner Würdigung und schließt es damit auch aus, dass das Gesetz dem Richter vorschreibt, wie er Beweise einzuschätzen und zu bewerten hat. Dabei ist Bezugspunkt der richterlichen Würdigung nicht nur das Ergebnis der Beweisaufnahme, sondern der gesamte Inhalt der mündlichen Verhandlung (vgl. Münchner Kommentar zur ZPO – Prütting, 4. Auflage 2013, § 286 Rn. 1 ff.).

Hinsichtlich der Anforderungen an die richterliche Überzeugung ist von Folgendem auszugehen: Die richterliche Überzeugung ist nicht gleichzusetzen mit persönlicher Gewissheit. Der Begriff der Gewissheit stellt nämlich absolute Anforderungen an eine Person. Er lässt für – auch nur geringe – Zweifel keinen Raum. Dies wird gesetzlich aber nicht verlangt; die gesetzliche Regelung geht vielmehr davon aus, das Gericht müsse etwas für wahr „erachten“. Bei dem Begriff der richterlichen Überzeugung geht es also nicht um ein rein personales Element der subjektiven Gewissheit eines Menschen, sondern darum, dass der Richter in seiner prozessordnungsgemäßen Stellung bzw. das Gericht in seiner Funktion als Streit entscheidendes Kollegialorgan eine prozessual ausreichende Überzeugung durch Würdigung und Abstimmung erzielt. Daraus folgt, dass es der richterlichen Überzeugung keinesfalls im Weg steht, wenn dem Gericht aufgrund gewisser Umstände Unsicherheiten in der Tatsachengrundlage bewusst sind. Unerheblich für die Beweiswürdigung und die Überzeugungsbildung ist auch die Frage der Beweislast. Richterliche Überzeugung ist vielmehr die prozessordnungsgemäß gewonnene Erkenntnis des einzelnen Richters oder der Mehrheit des Kollegiums, dass die vorhandenen Eigen- und Fremdwahrnehmungen sowie Schlüsse ausreichen, die Erfüllung des vom Gesetz vorgesehenen Beweismaßes zu bejahen. Es darf also weder der besonders leichtgläubige Richter noch der generelle Skeptiker ein rein subjektives Empfinden als Maß der Überzeugung setzen, sondern jeder Richter muss sich bemühen, unter Beachtung der Prozessgesetze, Ausschöpfung der gegebenen Erkenntnisquellen und Würdigung aller Verfahrensergebnisse in gewissenhafter und vernünftigerweise einer Entscheidung nach seiner Lebenserfahrung darüber zu treffen, ob im Urteil von der Wahrheit einer Tatsachenbehauptung auszugehen ist. Dabei muss sich das Gericht allerdings der Gefahren für jede Wahrheitsfindung bewusst sein.

Dabei ist letzten Endes ausschlaggebend, dass das Gesetz eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraussetzt. Vielmehr kommt es auf die eigene Überzeugung des entscheidenden Richters an, auch wenn andere zweifeln oder eine andere Auffassung erlangt haben würden. Der Richter darf und muss sich aber in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGHZ 53, 245 = NJW 1970, 946; vgl. Münchner Kommentar zur ZPO – Prütting a. a. O., Rn. 28 ff). Vom Richter wird letztlich verlangt, dass er die volle Überzeugung erlangt, dass er eine streitige Tatsachenbehauptung für wahr erachtet. Diese Überzeugung kann und darf er nicht gewinnen, wenn für die streitige Behauptung nur die überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht, vielmehr muss für die behauptete Tatsache eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit sprechen, damit der Richter die Tatsache für wahr erachtet.

Zwar sind Vermögensdelikte jedenfalls in dem von der Beklagten vorliegend behaupteten Ausmaß ohne Weiteres geeignet, einen an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneten Umstand in diesem Sinne darzustellen. Allerdings ist vorliegend aufgrund der Besonderheiten des hier zu beurteilenden Einzelfalles davon auszugehen, dass die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht hinreichend dargelegt und nachgewiesen hat, dass der Kläger durch vertragswidriges Verhalten die wirtschaftliche Schädigung der Beklagten verursacht hat. Selbst wenn man anderer Auffassung wäre, wäre die Beklagte vorliegend aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles gehalten gewesen, die als unzuträglich empfundenen Umstände durch einvernehmliche Vertragsänderung mit dem Kläger für die Zukunft abzustellen, im Weigerungsfalle durch einseitige Weisungen nach Maßgabe des Direktionsrechts und/oder Ausspruchs einer Änderungskündigung.

Zwar ist im Hinblick auf die Bonuspunkte usw. davon auszugehen, dass wirtschaftliche Vorteile, die mit Erwerbsgeschäften für den Arbeitgeber anfallen (Tankvorgänge), dem Arbeitgeber zustehen, nicht aber dem Arbeitnehmer. Vorliegend hat der Kläger allerdings im Berufungsverfahren substantiiert vorgetragen, dass seine Vorgehensweise im Einvernehmen mit seinem Vater als geschäftsführendem Gesellschafter erfolgt ist. Das Vorbringen hat die Beklagte nicht substantiiert bestritten. Ein geschäftsführender Gesellschafter ist zudem weder gesellschaftsrechtlich noch arbeitsrechtlich grundsätzlich daran gehindert, im Rahmen seiner Zuständigkeiten vertragliche Regelungen zu treffen, die einen Arbeitnehmer begünstigen. Dass der Vater des Klägers eine entsprechende Regelungsbefugnis gesellschaftsrechtlich in einer für den Kläger erkennbaren Weise nicht gehabt haben könnte, hat die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen. Soweit die Beklagte behauptet hat, der Kläger habe nach Anwachsen der Fahrzeugflotte der Beklagten, die Mitarbeiter mehr oder weniger zum Aufsuchen der zwei Tankstellen genötigt, um sich dadurch einen entsprechenden Vermögensvorteil zu verschaffen, obwohl dies wirtschaftlich für die Beklagte aus verschiedenen Gründen ungünstig gewesen sei, ist darauf hinzuweisen, dass unklar bleibt, inwieweit der Kläger nicht bereits aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Funktion zu derartigen Weisungen befugt war. Auch existieren mangels entsprechendem tatsächlichen Vorbringen der Beklagten offensichtlich keinerlei anderweitige Handlungsanweisungen im Betrieb der Beklagten für die fortgesetzt erforderlich werdenden Betankungsvorgänge der betrieblich genutzten Fahrzeuge. Insoweit lässt sich also nicht einmal eindeutig feststellen, dass der Kläger durch sein Verhalten nach Darstellung der Beklagten, diese als zutreffend unterstellt, den Rahmen des im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zustehenden Entscheidungsspielraums überschritten hätte. Auch lässt sich dem Vorbringen der Beklagten nicht entnehmen, dass zu irgendeinem Zeitpunkt auch nur der Versuch unternommen worden wäre, diese Umstände aufzuklären und für die Zukunft durch betriebliche Regelungen zu unterbinden. Warum dies nicht ohne weiteres möglich gewesen sein könnte, erschließt sich nicht. Insbesondere für einen verständigen Arbeitgeber, von dem als maßgeblich auszugehen ist, wäre zu erwarten gewesen, den Sachverhalt aufzuklären, entsprechende inhaltliche Regelungen für die Zukunft zu vereinbaren bzw. durchzusetzen und, falls erforderlich, unter Beachtung insbesondere des Verhältnismäßigkeitsprinzips durchaus auch Sanktionen vorzusehen, wie Einzelweisungen, Ermahnungen, Abmahnungen, Änderungskündigungen und erst in letzter Konsequenz die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Diese Überlegungen gelten auch, soweit die Beklagte dem Kläger vorwirft, nach Maßgabe der mit seinem Vater abgeschlossenen Verträge einen beachtlichen beruflichen Aufstieg erreicht zu haben. Warum dies zu beanstanden sein soll, erschließt sich nicht. Nichts anderes gilt für die weiteren Vorwürfe der Beklagten betreffend das Fahrtgeld, das vertraglich zwischen den Parteien ebenso vereinbart wurde, wie die zu leistenden Provisionen. Soweit die Beklagte darüber hinaus behauptet, auch nach Maßgabe der Provisionsregelung seien die Provisionen jedenfalls nicht in der gezahlten Höhe geschuldet gewesen, ist ihr Vorbringen in besonderem Maße widersprüchlich, weil sie selbst darlegt, dass die Provisionsabrechnungen jeweils einmal jährlich für das jeweils vergangene Kalenderjahr zwischen dem Kläger und seinem Vater, einem der Geschäftsführer der Beklagten, besprochen und letztlich vereinbart worden sind. Worin insoweit und insgesamt ein kollusives Zusammenwirken zum Nachteil der Beklagten zu sehen sein soll, ist für die Kammer nicht nachvollziehbar. Die hier maßgeblichen Umstände vollzogen sich keineswegs „hinter dem Rücken“ der Beklagten, sondern wurden durchweg schriftlich vereinbart und damit im Betrieb der Beklagten zur allseitigen Kenntnis; damit war auch mangels substantiiertem gegenteiligem Vorbringen die Kenntnis aller Geschäftsführer der Beklagten vorhanden.

Soweit die Beklagte die von ihr erklärte außerordentliche Kündigung auf die fehlende bzw. bewusst unrichtige Dokumentation der Lenk- und Ruhezeiten der bei der Beklagten angestellten Fahrer stützt, ist darauf hinzuweisen, dass derartige Leistungsmängel grundsätzlich nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsprinzips in erster Linie abzumahnen sind, sodass eine – regelmäßig – ordentliche Kündigung erst dann in Betracht kommt, wenn der Arbeitnehmer das insoweit maßgebliche Leistungsverhalten nicht vertragsgerecht umstellt.

Folglich erweist sich die außerordentliche Kündigung der Beklagten als rechtsunwirksam.

Auch die vorsorglich erklärte Arbeitgeberkündigung zum nächst zulässigen Termin ist rechtsunwirksam, da sozial ungerechtfertigt i. S. d. § 1 Abs. 2 KSchG.

Was als verhaltensbedingter Kündigungsgrund zu verstehen ist, wird im KSchG zwar nicht definiert. Allerdings kommen verhaltensbedingte Umstände, die grundsätzlich dazu geeignet sind, einen wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen, ebenso als verhaltensbedingte Gründe i. S. d. § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG in Betracht. Im Übrigen ist eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen des Arbeitnehmers gem. § 1 Abs. 2 S 1 Alt. 2 KSchG dann sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und i. d. R. schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile angemessen erscheint. Ein nachhaltiger Verstoß des Arbeitnehmers gegen berechtigte Weisungen des Arbeitgebers stellt eine Vertragspflichtverletzung dar, die eine Kündigung zu rechtfertigen vermag. Ebenso kann eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gemäß § 241 Abs. 2 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers eine Kündigung rechtfertigen (BAG 24.06.2004 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 65; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 37; 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607;s. a. BAG 12.05.2011 EzA § 123 BGB 2002 Nr. 10).

Eine ordentliche verhaltensbedingte Arbeitgeberkündigung ist grundsätzlich nur dann sozial gerechtfertigt (vgl. BAG 24.06.2004 EzA § 1 KSchG, Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 65, 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 37; 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607; s. a. BAG 12.05.2011 EzA § 123 BGB 2002 Nr. 1; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Arbeitsrechts, 14. Aufl. 2018, Kap. 4, Rn. 2282 ff.) wenn

  • ein (i. d. R. schuldhaftes) Fehlverhalten des Arbeitnehmers als Abweichung des tatsächlichen Verhaltens oder der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung vom vertraglich geschuldeten Verhalten bzw. der vertragliche geschuldeten Arbeitsleistung gegeben ist, der Arbeitnehmer also seine vertraglichen haupt- oder Nebenpflichten erheblich und i. d. R. schuldhaft verletzt hat;
  • dieses Fehlverhalten auch betriebliche Auswirkungen hat;
  • (i. d. R. zumindest) eine einschlägige vorherige Abmahnung gegeben ist;
  • danach weiteres einschlägiges schuldhaftes Fehlverhalten mit betrieblichen Auswirkungen vorliegt und
  • eine umfassende Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung der betrieblichen Auswirkungen des Fehlverhaltens oder der Schlechtleistung und des Verhältnismäßigkeitsprinzips das Überwiegen des Interesses des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ergibt.

Es gilt das Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht die Sanktion für eine Vertragspflichtverletzung, sondern eine Vermeidung von weiteren Vertragspflichtverletzungen. Die eingetretene Pflichtverletzung muss sich auch zukünftig noch belastend auswirken. Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen (BAG 19.04.2007 NZA-RR 2007, 571; LAG RhPf 26.02.2010 NZA-RR 2010, 297).

Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung, wie bereits dargelegt, regelmäßig eine Abmahnung voraus; sie dient der Objektivierung der Prognose (BAG 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67: 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Sie ist nur dann entbehrlich, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht Erfolg versprechend angesehen werden kann. Das ist insbes. dann anzunehmen, wenn erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten. Nur besonders schwere Vorwürfe bedürfen keiner Abmahnung, wenn und weil der Arbeitnehmer dann von vornherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann (LAG RhPf 26.02.2010 – 6 Sa 682/09, NZA-RR 2010, 297; LAG Nds. 12.02.2010 – 10 Sa 1977/08, EzA-SD 8/2010 S. 6 LS).

Einer Abmahnung bedarf es danach bei einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes also nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG 24.03.2011 – 2 AZR 282/10, EzA-SD 16/2011 S. 3 LS = NZA 2011, 1029; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 36; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 39 = NZA-RR 2012, 567;25.10.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 41 = NZA 2013, 319; LAG Hessen 27.02.2012 NZA-RR 2012, 471), denn dann ist grds. davon auszugehen, dass das künftige Verhalten des Arbeitnehmers schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann; die Abmahnung dient insoweit der Objektivierung der negativen Prognose: Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen.

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist unter Bezugnahme auf die Ausführungen zu § 626 BGB zu verneinen. Angesichts der gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzungen wäre, wie dargelegt, ein verständiger Arbeitgeber in erster Linie darum bemüht gewesen, zunächst – ergebnisoffen – eine Klärung des Inhalts der arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten mit dem Kläger oder einseitig herbeizuführen und hätte erst im Falle der Ergebnislosigkeit dieser Bemühungen arbeitsrechtliche Sanktionen ernsthaft in Betracht gezogen.

Nach alledem war die angefochtene Entscheidung aufzuheben und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 14.11.2016 weder außerordentlich fristlos, noch ordentlich zum nächstmöglichen Termin aufgelöst worden ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92, 97 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

 

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