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Fristlose Kündigung bei Arbeitsverweigerung für Überstunden

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Az.: 5 TaBV 7/14, Beschluss vom 18.12.2014

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Schwerin vom 09.04.2014 zum Aktenzeichen 55 BV 55/13 wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Im vorliegenden Zustimmungsersetzungsverfahren gemäß § 103 Abs. 2 BetrVG begehrt der Antragsteller als Arbeitgeber die Ersetzung der Zustimmung zur Kündigung des Beteiligten zu 2. Beim Beteiligten zu 3 handelt es sich um den aktuell bestehenden Betriebsrat beim Beteiligten zu 1.

Ursprünglich bestanden unabhängig voneinander als Arbeitgeber der D. Kreisverband D-Stadt e. V. (im Folgenden D. H.) sowie der A. (im Folgenden D. N.). Beide Arbeitgeber waren u. a. auch im Bereich des Rettungsdienstes auf Grund entsprechender öffentlich-rechtlicher Verträge tätig. Bei beiden Arbeitgebern bestand jeweils ein gewählter Betriebsrat. Beim D. N. handelte es sich um den nach der Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer größeren Betrieb.

Aufgrund Verschmelzungsvertrages trat sodann der D. H. dem D. N. im Wege der Aufnahme durch Übertragung (§ 2 Nr. 1 UmwG) bei. Die Verschmelzung erfolgte mit vereinbarter Wirkung zum 01.01.2012. Die Eintragung der Verschmelzung in das Vereinsregister erfolgte am 17.12.2012. (Aus Verständnisgründen wird nachfolgend für Zeiten nach der Verschmelzung vom Antragsteller bzw. Beteiligten zu 1 und andererseits für Zeiten vor Verschmelzung bzw. im Zuge der Verschmelzung vom D. N. gesprochen).

Fristlose Kündigung bei Arbeitsverweigerung für Überstunden
Symbolfoto: Von Photographee.eu /Shutterstock.com

Ob es mit Blick auf die betriebsverfassungsrechtliche Eigenschaft als Betrieb im Zuge der Verschmelzung zu hinreichenden organisatorischen Veränderungen bei den vormaligen Einzelbetrieben des D. H. sowie D. N. kam, ist zwischen den Parteien teils streitig. Jedenfalls erstreckt sich das Betriebsgebiet des Antragstellers auf die Betriebsgebiete der beiden verschmolzenen D.´s. Auf dieses Territorium (den Landkreis Nordwestmecklenburg) verteilen sich sechs Rettungswachen, 12 Kitas, drei Sozialstationen, zwei Einrichtungen für betreutes Wohnen sowie diverse Beratungs- und Hilfestützpunkte. Im ersten Halbjahr 2012 erfolgte die Zusammenlegung der Verwaltungen der beiden verschmolzenen D.´s. Der Sitz des Antragstellers ist weiterhin das Verwaltungsgebäude in A-Stadt. Das frühere Verwaltungsgebäude des D. H. wird für territoriale Aufgaben weiter verwendet. Die Rettungsdienstleitung wird seit Mitte 2012 einheitlich gestaltet. Jede der sechs Rettungswachen wird von einem Wachleiter geleitet. Ausschließlich entscheidungsbefugt ist der Leiter des Rettungsdienstes, dem einheitlich alle sechs Rettungswachen unterstehen. Die Kindertagesstätten beider früher nebeneinander existierenden Arbeitgeber werden seit Herbst 2012 einheitlich geleitet. Die gesamte Buchhaltung, Verwaltung und Abrechnung erfolgt seit dem 01.01.2013 einheitlich beim Antragsteller. Die gesamte Ehrenamts- und Mitgliederarbeit erfolgt ebenfalls spätestens seit dem 01.01.2013 einheitlich.

Auch nach der Verschmelzung waren die beiden Betriebsräte des D. H. sowie D. N. weiterhin nebeneinander tätig. Der Beteiligte zu 1 geht davon aus, dass es ihm nicht möglich und er auch nicht dazu berechtigt war, zu entscheiden, welcher der beiden auftretenden Betriebsräte nunmehr zu entscheiden habe. Deshalb wandte sich der Antragsteller typischerweise mit Anfragen und Anträgen stets an beide Betriebsräte. Diese tagten sodann auch häufig miteinander.

Der Beteiligte zu 2 ist seit dem 27.04.1982 beim Antragsteller bzw. seinen Rechtsvorgängern als Rettungssanitäter in der Rettungswache D-Stadt beschäftigt. Der Einsatz erfolgte nach Dienstplan entweder im Rettungstransportwagen oder im Notarztwagen oder aber im Krankentransportwagen. Das Quartalseinkommen des Beteiligten zu 2 betrug zuletzt bei monatlich variierenden Einkünften insgesamt 7.610,24 Euro.

Zudem war der Beteiligte zu 2 auch Betriebsratsvorsitzender beim vor der Verschmelzung gewählten Betriebsrat des D. H..

In diesem Fall ist auch zu berücksichtigen, dass der Rettungsdienst eine Aufgabe des Landkreises ist, der sich zur Erfüllung seiner Aufgaben mittels öffentlich-rechtlichen Vertrages Dritter, so auch des Antragstellers, bedient. Dabei ist der Rettungsdienst derartig organisiert, dass die vom Landkreis geschaffene Rettungsleitstelle Rettungsdienstaufträge im Sinne des Rettungsdienstgesetzes M-V unmittelbar an die vom jeweiligen Vertragspartner mit Arbeitnehmern besetzten Rettungsfahrzeuge (deren Besatzungen) erteilt. Dies bedeutet, dass die Besatzungen von Rettungsfahrzeugen Arbeitsanweisungen sowohl von der Rettungsleitstelle des Landkreises wie auch vom jeweiligen Arbeitgeber erhalten. Teilweise kommt es in diesem Zusammenhang dazu, dass die Rettungsleitstelle an die Besatzung eines Rettungsfahrzeuges kurz vor deren Dienstende des Tages einen Rettungsauftrag erteilt, dessen Ausführung dazu führt bzw. führen würde, dass die tägliche Arbeitszeit der Besatzung des Rettungsfahrzeuges überschritten wird/würde. Durch den Wechsel von 12-Stunden-Schichten auf 8-Stunden-Schichten hat dies generell zugenommen.

In der Stellenbeschreibung des Beteiligten zu 2 findet sich unter der Überschrift „Aufgaben / Tätigkeiten“ unter anderem die Formulierung: „Den Weisungen der Leitstelle ist Folge zu leisten, davon unberührt bleibt das Dienstverhältnis, aus dem sich Rechte und Pflichten des MA ergeben.“

Am 04.11.2013 war der Beteiligte zu 2 auf einem Krankentransportwagen eingesetzt. Seine Schicht sollte bis 16:00 Uhr andauern. Für 16:30 Uhr an diesem Tage hatte der Beteiligte zu 2 beim Jugendamt einen Termin vereinbart. Auf diesen Termin hatte er mehr als fünf Wochen gewartet. Gegenstand des Termins waren Fragen des Umgangs- und Unterhaltsrechts bezüglich eines minderjährigen Kindes.

An diesem Tage hatte der Beteiligte zu 2 mit einem weiteren Kollegen gerade eine Krankentransportfahrt zum Altenpflegezentrum RZB N. durchgeführt und abgeschlossen. Als er sich noch um 15:17 Uhr im RZB N. befand, löste die Leitstelle des Landkreises einen Folgealarm mit Auftragserteilung aus. Es sollte ein Patient vom RZB N. ins Krankenhaus nach B. gebracht werden. Es handelte sich gemäß Einsatzprotokoll (vgl. Blatt 62 ff der Akte) um einen Krankentransport mit der Priorität 3. Eine Patientin sollte sitzend im Tragestuhl nach B. verbracht werden. Auf Grund der Lage des Ortes B. im Verhältnis zum Ort N. und zur Rettungswache in D-Stadt hätte allein die reine Fahrtzeit des weiteren Auftrages zu einem Überschreiten der eingeplanten Arbeitszeit geführt. Da der Krankentransportwagen nicht auf die Alarmmeldung um 15:17 Uhr reagierte, rief die Rettungsleitstelle um 15:20 Uhr die Besatzung des Krankentransportwagens telefonisch an. Nach Übergabe des Telefons an den Beteiligten zu 2 erklärte dieser, dass er diesen Einsatz ablehne, da er um 16:15 Uhr einen Termin beim Jugendamt habe. Die Rettungsleitstelle konnte den Kläger nicht von der Durchführung des Auftrages überzeugen. Daraufhin erfolgte um 15:24 Uhr die Beauftragung eines anderen Krankentransportwagens, welcher sich in F-Stadt befand. Der Patient kam dadurch etwa 45min später in B. an.

Während sich der Kläger sodann mit seinem Krankentransportwagen auf dem Heimweg zu seiner Rettungswache in D-Stadt befand, erreichte ihn ein Anruf des Geschäftsführers des Antragstellers. Streitig ist hier, ob dieses Telefonat um 15:30 Uhr (so der Antragsteller) oder aber um 15:45 Uhr (so der Beteiligte zu 2) stattfand. Des Weiteren hielt der Antragsteller im Laufe des Prozesses offenbar nicht mehr an seiner ursprünglichen Behauptung fest, der Beteiligte zu 2 sei in diesem Telefonat noch einmal durch den Geschäftsführer aufgefordert worden, die Fahrt durchzuführen. Am Folgetag fand ein Gespräch mit dem Beteiligten zu 2 statt, bei dem sich dieser aus Sicht des Antragstellers uneinsichtig zeigte.

Der Antragsteller versandte daraufhin am 07.11.2013 ein Schreiben mit selbigem Datum an beide Betriebsräte, in welchem er um Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 2 bat (auf Blatt 6 f d. A. wird verwiesen). Unstreitig ging dieses Schreiben dem Betriebsrat des D. N. zu. Streitig ist dieses bezüglich des Betriebsrates des D. H.. Letzterer bestand nach Vorstellung der Beteiligten zu diesem Zeitpunkt aus drei Personen; dem Beteiligten zu 2 als Vorsitzenden, der langzeitig erkrankten Stellvertreterin und einem anwesenden weiteren Mitglied. Am 08.11.2013 fand eine gemeinsame Betriebsratssitzung statt, die u. a. auch die Kündigung des Beteiligten zu 2 zum Thema hatte. Beide Betriebsräte haben die Stellungnahmefrist ohne Mitteilung einer Entscheidung verstreichen lassen.

Mit der Antragschrift vom 13.11.2013, eingegangen beim Arbeitsgericht Schwerin am 14.11.2013, leitete der Antragsteller ein Beschlussverfahren ein, in welchem er den Beteiligten zu 2 als einzig weiteren Beteiligten angab. Es wurde der Antrag angekündigt: „Dem Beteiligten zu 1 wird die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des mit dem Beteiligten zu 2 bestehenden Arbeitsverhältnisses erteilt.“

Das Arbeitsgericht teilte daraufhin mit Schreiben vom 15.11.2013 mit, dass es davon ausgehe, dass auch die Betriebsräte des D. H. sowie des D. N. in dem Verfahren beteiligt seien.

Daraufhin übersandte der Antragsteller mit Schreiben vom 15.11.2013, eingegangen beim Arbeitsgericht Schwerin am 19.11.2013, ein weiteres Schreiben, in welchem er die beiden Betriebsräte als weitere Beteiligte zu 3 und 4 angab. Außerdem wurde mitgeteilt, dass sich der Antrag auf Ersetzung der Zustimmung gemäß § 103 BetrVG gegen die beiden existierenden Betriebsräte richten solle.

Im Dezember 2013 fand eine Betriebsratswahl beim Antragsteller statt, die zur Bildung eines neuen Betriebsrates beim Antragsteller führte. Der Beteiligte zu 2 ist Mitglied dieses neuen Betriebsrates. Die beiden alten Betriebsräte sind seither nicht mehr tätig.

Mit Beschluss vom 09.04.2014 wies das Arbeitsgericht Schwerin den Antrag auf Ersetzung der Zustimmung ab. Es ging davon aus, dass der Antrag zulässig und hinreichend bestimmt sei. Zu beteiligen seien auch die Betriebsräte des D. H. sowie des D. N.. Nicht zu beteiligen sei der Anfang Dezember 2013 neu gewählte Betriebsrat. Der Antrag sei jedenfalls unbegründet, weil die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB nicht vorliegen würden. Dem Arbeitgeber sei zuzustimmen, dass der Beteiligte zu 2 einen schweren Vertragsverstoß beging, indem er die Anweisung zur Krankentransportfahrt nicht befolgte und sich auch nachfolgend nicht einsichtig zeigte. Die Anweisung hätte auch nicht der Zustimmung des Betriebsrates bedurft, da schichtübergreifende Aufträge lange vor der Wahl der Betriebsräte bereits üblich waren. Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur ordnungsgemäßen Durchführung des Rettungsdienstes schlage auf die Arbeitnehmer durch. Sie seien daher verpflichtet, Aufträge, die während der Schicht eingehen, auch abzuarbeiten. Pflichtwidrig sei es auch gewesen, dass der Beteiligte zu 2 kurz nach Schichtende einen wichtigen privaten Termin vereinbart hatte bzw. es unterlassen hatte, den Wunsch nach einem Schichtwechsel zu äußern, weil dadurch Kollisionen mit dienstlichen Pflichten nicht ausgeschlossen gewesen seien. Ein weiterer Pflichtverstoß liege auch in seinem Verhalten im Gespräch am 05.11.2013. Denn der Beteiligte zu 2 hatte nach Ansicht des Arbeitsgerichts nicht vorgetragen, dass er versucht hätte, durch sein Verhalten in dem Gespräch das am 04.11.2013 verlorene Vertrauen durch geeignete Maßnahmen wieder herzustellen. Weiterhin ging das Arbeitsgericht davon aus, dass die Voraussetzungen einer außerordentlichen Druckkündigung nicht vorliegen. Denn eine Druckkündigung führe regelmäßig nur zu einer ordentlichen Kündigung, welche beim Beteiligten zu 2 als Betriebsratsmitglied ausgeschlossen sei. Letztlich kam das Arbeitsgericht zu der Überzeugung, dass sich im Rahmen der Interessenabwägung ergäbe, dass dem Antragsteller eine Beschäftigung des Beteiligten zu 2 bis zum Ablauf der normalen Kündigungsfrist von sieben Monaten zuzumuten gewesen wäre. Das Arbeitsgericht verwies insbesondere darauf, dass es sich nicht um einen Notfall gehandelt habe und das Arbeitsverhältnis bereits über einen langen Zeitraum störungsfrei verlaufen war. Insbesondere Letzteres führe dazu, dass das Arbeitsverhältnis nicht zu beenden sei. Der Beschluss wurde dem Antragsteller am 06.05.2014 zugestellt.

Mit seiner am 5. Juni 2014 beim Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern eingegangenen Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Der Antragsteller geht davon aus, dass die Zustimmung der Betriebsräte gemäß § 103 Abs. 2 BetrVG zu ersetzen sei, da ein Grund für eine außerordentliche Kündigung vorliege. Die Arbeitsverweigerung des Beteiligten zu 2 stelle eine so schwerwiegende Pflichtverletzung dar, dass die außerordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt sei. Anweisungen der Rettungsleitstelle seien in jedem Fall zu befolgen. Auch wenn es sich hier um einen Krankentransport gehandelt hatte, habe es sich doch um einen Notfall gehandelt. Dies ergebe sich daraus, dass auch Krankentransporte im Rettungsdienstgesetz geregelt sind und von der Rettungsleitstelle vergeben werden. Da es sich bei Aufträgen im Rettungsdienst generell um Notfälle handele, sei eine Diskussion über Arbeitszeit, Schichtpläne und dergleichen zu unterlassen. Die Gesundheit und das Leben der Patienten stünden an erster Stelle. Der Beteiligte zu 2 habe hiergegen verstoßen, indem er offenbar eine Abschätzung zwischen einem Notfallpatienten und seinen persönlichen Interessen vorgenommen hatte. Dies dürfe er nicht. Der Beteiligte zu 2 habe, wie im Rettungsdienst üblich, rechtzeitig eine Schichtänderung abklären können.

Weiterhin verwies der Antragsteller im Laufe des Prozesses darauf, dass auch der Landkreis als Träger des Rettungsdienstes zwischenzeitlich einem Einsatz des Beteiligten zu 2 als Rettungssanitäter widerspreche und mitgeteilt hatte, dass bei einem Einsatz des Beteiligten zu 2 in der Zukunft der öffentlich-rechtliche Vertrag mit dem Antragsteller zur Disposition stehen könnte.

Der Antragsteller meint auch, dass der Betriebsrat des D. H. mit der Durchführung der Verschmelzung spätestens zum 01.01.2013 seine Existenzberechtigung verloren habe. Die Veränderungen in der betrieblichen Organisation hätten dazu geführt, dass nach der Verschmelzung kein gesonderter Betrieb des ehemaligen D. H. mehr bestanden habe. Jedenfalls sei der Zustimmungsantrag vom 07.11.13 auch dem Betriebsrat des D. H. zugegangen.

Der Antragsteller beantragt: Unter Aufhebung und Abänderung des Beschlusses der 5. Kammer des Arbeitsgerichts Schwerin vom 09.04.2014 – 55 BV 55/13 – wird ausgesprochen, die fehlende Zustimmung des Betriebsrates zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung des mit dem Beteiligten zu 2 bestehenden Arbeitsverhältnisses wird ersetzt.

Der Beteiligte zu 2 sowie der zuletzt vom LAG als Beteiligter zu 3 beteiligte neu gewählte Betriebsrat beantragen: Die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie sind zunächst der Ansicht, dass auf Grund der ursprünglichen Formulierung des Antrages durch den Antragsteller nebst der ursprünglichen Nichtbeteiligung eines Betriebsrates in der Antragschrift die Frist zur Beantragung der Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates nicht eingehalten sei. Außerdem sei die Betriebsratsanhörung im Rahmen des Zustimmungsantrages nach § 103 BetrVG nicht ordnungsgemäß erfolgt. Hierzu wird der Zugang des Anhörungsschreibens beim Betriebsrat des D. H. bestritten. Weiterhin wird dargestellt, dass das Anhörungsschreiben inhaltlich nicht den notwendigen Anforderungen genüge. Problematisch sei insbesondere die Formulierung: „Wir benötigen entsprechend § 15 des Kündigungsschutzgesetzes die schriftliche Zustimmung zur fristlosen Kündigung innerhalb der nächsten drei Werktage. Aufgrund der Besonderheit, dass zum jetzigen Zeitpunkt zwei Betriebsräte im A. tätig sind, benötigen wir die Zustimmung aller Betriebsratsmitglieder …“

Weiterhin sind die weiteren Beteiligten der Ansicht, dass eine Pflichtverletzung nicht vorliege. Ein Notfall habe im Fall eines Krankentransportes nicht vorgelegen. Der Beteiligte zu 2 verweist darauf, dass er im Fall eines echten Notfalls diesen durchgeführt hätte. Auch gehen die weiteren Beteiligten davon aus, dass die Anordnung von Mehrarbeit der Zustimmung des Betriebsrates bedurft hätte. Eine solche war hier unstreitig nicht eingeholt worden. Ein außergewöhnlicher Notfall habe nicht vorgelegen. Die ursprünglich beteiligten alten Betriebsräte des D. N. sowie D. H. bezweifelten, dass sie im Verfahren zu beteiligen seien.

Das Landesarbeitsgericht hat die alten Betriebsräte des D. N. sowie D. H. aus ihrer Position als Beteiligte im vorliegenden Verfahren entlassen und sodann den neu gewählten Betriebsrat beim Antragsteller als Beteiligten zu 3 beteiligt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst aller Anlagen, die Sitzungsprotokolle der ersten und zweiten Instanz, die Hinweise des Gerichts sowie den angegriffenen Beschluss des Arbeitsgerichts Schwerin verwiesen.

II.

Die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde gegen den angegriffenen Beschluss des Arbeitsgerichtes Schwerin ist im Ergebnis unbegründet und war zurückzuweisen.

Der Beschluss des Arbeitsgerichts Schwerin vom 09.04.2014 ist in seinem Ergebnis und im Kern der Begründung nicht zu beanstanden.

Der vorgetragene Sachverhalt rechtfertigt nicht den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung im Sinne des § 626 BGB. Deshalb war die Zustimmung zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nach § 103 Abs. 2 BetrVG weder zu ersetzen noch originär zu erteilen

Das Beschwerdegericht hat allerdings die vormaligen Betriebräte des D. H. und des D. N. aus ihrer bisherigen Beteiligteneigenschaft zu 3 und 4 entlassen und den neu gewählten Betriebrat als Beteiligten zu 3 beteiligt, da die alten Betriebsräte allerspätestens durch die Neuwahl nicht mehr existent sind. Ein Übergangsmandat (§ 21 a BetrVG) wie auch ein Restmandat (§ 21b BetrVG) können hier entgegen der Ansicht der Vorinstanz nicht mehr bestehen.

1.

a)

Zu Gunsten des Antragstellers kann unterstellt werden, dass durch die Antragschrift vom 13.11.2013 gegebenenfalls in Kombination mit dem weiteren Schriftsatz vom 15.11.2013 die zweiwöchige Frist zur gerichtlichen Beantragung der Zustimmungsersetzung nach § 103 Abs. 2 BetrVG in Verbindung mit § 626 Abs. 2 BGB eingehalten wurde. Zudem kann auch zu Gunsten des Antragstellers unterstellt werden, dass die angekündigten Anträge seinerzeit hinreichend bestimmt formuliert wurden und auch in notwendigem Maße die richtigen Beteiligten angegeben wurden.

b)

Auch kann zu Gunsten des Antragstellers unterstellt werden, dass der Anwendungsbereich des § 103 BetrVG im vorliegenden Fall überhaupt eröffnet ist.

Denn gemäß § 103 Abs. 1 BetrVG in Verbindung mit § 15 KSchG bedarf der besondere Kündigungsschutz von dort bezeichneten Funktionsträgern der Feststellung, dass die zu kündigende Person überhaupt ein dort genannter Funktionsträger ist. Im vorliegenden Fall bestehen diesbezüglich – dem bisherigen Sachvortrag der Beteiligten folgend – erhebliche Zweifel. Zwar gingen die Beteiligten davon aus, dass der Beteiligte zu 2 Vorsitzender des Betriebsrates des D. H. war. Allerdings findet sich im Sachvortrag der Beteiligten auch schon die Formulierung, dass sie Zweifel daran haben, ob der Betriebsrat des D. H. zum Zeitpunkt der Kündigung überhaupt noch eine Existenzberechtigung hatte. Diese Überlegung ist nicht fernliegend. Denn nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers wurde nach der Verschmelzung die betriebliche Struktur so verändert, dass der Rettungsdienst, die Kita´s und die allgemeine Verwaltung sowie weitere Betätigungsbereiche der beiden ursprünglichen Arbeitgeber unter eine einheitliche Leitung und Verwaltung gestellt wurden. Hieraus könnte sich der Schluss ergeben, dass mit der Durchführung der Verschmelzung spätestens zum 01.01.2013 beim Antragsteller nur noch ein Betrieb im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne vorhanden war. Dies würde wiederum dazu führen, dass eine Kollision von zwei Betriebsräten innerhalb eines Betriebes auftritt, welche durch § 21 a Abs. 2 und 3 BetrVG dahingehend gelöst wird, dass der Betriebsrat des nach der Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer größeren Betriebes ein Übergangsmandat erhält, welches nach § 21 a Abs. 1 BetrVG befristet für sechs Monate besteht. Dies führt gleichzeitig dazu, dass die Amtszeit des Betriebsrates des vormals kleineren Betriebes endet. Hier handelte es sich beim D. H. um den kleineren Betrieb im Verhältnis zum D. N., so dass der eigene Vortrag des Antragstellers dazu führen könnte, dass der Betriebsrat des D. H. zum 01.01.2013 aufgrund der Kollisionsregel nicht mehr bestand. Dies würde wiederum zur Folge haben, dass der Beteiligte zu 2 zum Zeitpunkt des Kündigungszustimmungsantrages im November 2013 nicht mehr Betriebsratsvorsitzender war und sich nach § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG nur noch im nachfolgenden Kündigungsschutz befand, der allerdings nicht mehr die Hürde einer Zustimmung gemäß § 103 BetrVG aufstellt. Dann könnte das Gericht nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers jedoch nicht mehr eine Zustimmung gemäß § 103 BetrVG ersetzen. Die geplante außerordentliche Kündigung hätte vielmehr ausgehend von der Kenntnis des Kündigungsberechtigten direkt binnen zwei Wochen (§ 626 Abs. 2 BGB) gegenüber dem Beteiligten zu 2 ausgesprochen werden müssen.

Problematisch ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass die Frage, in welchem Maße es betriebliche Veränderungen nach der Verschmelzung gegeben hatte, zwischen den Parteien streitig ist und zum weiteren das Landesarbeitsgericht dem Beteiligtenvortrag entnommen hat, dass Anfang Dezember 2013 eine neue Betriebsratswahl stattgefunden hatte, im Rahmen derer, der Beteiligte zu 2 wiederum zum Betriebsratsmitglied gewählt wurde. Der Zeitpunkt der Betriebsratswahl zum Anfang Dezember 2013 lässt es für das Landesarbeitsgericht als äußerst wahrscheinlich erscheinen, dass der Beteiligte zu 2 zum Zeitpunkt des Zustimmungsersetzungsantrages gegebenenfalls bereits Wahlbewerber war und als solcher gemäß § 15 Abs. 3 KSchG nur noch durch außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund in Verbindung mit einer Zustimmung nach § 103 BetrVG gekündigt werden konnte.

c)

Vorgenannte Fragen können jedoch in jedem Fall dahinstehen, da die Beschwerde in jedem Fall zurückzuweisen ist:

War der Beteiligte zu 2 kein Funktionsträger, welcher unter den Schutz des § 103 BetrVG fiel, so ist die Beschwerde in jedem Fall schlicht allein deshalb zurückzuweisen, weil der § 103 BetrVG überhaupt nicht zur Anwendung gelangt. Weitere Betrachtungen wären für diese Variante nicht mehr erforderlich.

War der Beteiligte zu 2 jedoch Funktionsträger, dessen Kündigung auch der Zustimmung nach § 103 BetrVG bedurfte, so war die Beschwerde in jeglicher hieran anschließender Konstellation jedenfalls deshalb zurückzuweisen, weil kein Grund vorlag, welcher eine Zustimmungsersetzung oder –erteilung für eine außerordentliche Kündigung ermöglicht hätte (hierzu nachfolgend unter II.2.). Es kann somit in dieser Variante auch dahinstehen, ob der Beteiligte zu 2 mangels betrieblicher Veränderungen noch Betriebsratsvorsitzender war und deshalb die Zustimmung des Betriebsrates ggf. zu ersetzen war oder ob er ohne aktuelles Betriebsratsmandat Wahlbewerber war und auch der Betriebsrat des D. N. aufgrund Ablaufes des Übergangsmandates untergegangen war und somit in einem betriebsratslosen Betrieb die Zustimmung zur Kündigung originär durch das Arbeitsgericht zu erteilen war (wobei in diesem Fall übrigens die ursprüngliche Antragsschrift bzgl. des Antrages und der Beteiligten richtig gewesen wäre).

2.

Ein als zulässig angesehener Antrag auf Zustimmungsersetzung/-erteilung nach § 103 Abs. 2 BetrVG muss im vorliegenden Fall jedenfalls deshalb als unbegründet angesehen werden, weil keine Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung zu erteilen war.

Gemäß § 15 Abs. 1 bzw. auch Abs. 3 KSchG bedarf die Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes bzw. eines Wahlbewerbers unter anderem der Voraussetzung, dass Tatsachen vorliegen müssen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Damit wird auf die außerordentliche Kündigung in § 626 BGB Bezug genommen. Der vorgetragene Sachverhalt erfüllt die Voraussetzung einer außerordentlichen Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB nicht.

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dabei ist bei Personen aus dem geschützten Personenkreis des § 15 KSchG auf die Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist abzustellen (vgl. BAG, Urteil vom 21.06.2012, 2 AZR 343/11).

Im Rahmen einer außerordentlichen Kündigung ist im Grundsatz die Notwendigkeit anerkannt, den der außerordentlichen Kündigung zu Grunde liegende Lebenssachverhalt nach dem sachlichen Inhalt zu systematisieren, um dann zunächst zu überprüfen, ob der vorgefundene sachliche Inhalt dem Grunde nach – ohne Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles – an sich geeignet ist, einen wichtigen Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Sodann ist zu überprüfen, ob der Arbeitnehmer im konkreten Einzelfall arbeitsvertragliche Pflichten verletzt hat, so dass dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen der Arbeitsvertragsparteien die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist.

Im vorliegenden Fall sind vorgenannte Voraussetzungen sowohl für den Umstand der möglichen Arbeitsverweigerung [nachfolgend a)] wie auch für die Forderung des Landkreises, den Beteiligten zu 2 nicht mehr im Rettungsdienst einzusetzen [nachfolgend b)] nicht erfüllt.

a)

Soweit sich der Antragsteller darauf beruft, der Beteiligte zu 2 habe am 04.11.2013 eine Arbeitsverweigerung begangen, so stellt die Arbeitsverweigerung grundsätzlich einen für die außerordentliche Kündigung geeigneten Kündigungsgrund dar.

Bei Betrachtung des vorliegenden Einzelfalles sind die Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung jedoch nicht erfüllt.

Grundsätzlich ist ein Arbeitnehmer – selbst bei Ausblendung möglicher Beteiligungsrechte eines Betriebsrates – nur zur Arbeitsleistung während der arbeitsvertraglich vereinbarten Regelarbeitszeit verpflichtet. Eine Pflicht zur Ableistung von Überstunden kommt dann in Betracht, wenn es hierzu eine auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Vereinbarung gibt oder aber der Arbeitnehmer aus der Treuepflicht heraus zur Ableistung von Überstunden verpflichtet ist, wenn sich der Arbeitgeber in einer Notlage befindet, der anders nicht begegnet werden kann.

Problematisch ist im vorliegenden Fall schon, dass vom Antragsteller nicht vorgetragen wurde, woraus sich hier die Pflicht des Beteiligten zu 2 zur Ableistung von Überstunden ergeben sollte. Eine ausdrückliche vertragliche oder aber tarifvertragliche Vereinbarung besteht offenbar nicht. Eine Betriebsvereinbarung zum Thema Arbeitszeit bzw. Ableistung von Überstunden ist nach den Ausführungen der Parteien im Prozess nicht abgeschlossen worden. Damit könnte sich die Pflicht zur Ableistung von Überstunden allein aus betrieblicher Übung oder aber aus der Treuepflicht in einem Notfall ergeben.

Hier will das Gericht wiederum zu Gunsten des Antragstellers unterstellen, dass überhaupt aus dem einen oder anderen Grund grundsätzlich/abstrakt eine Pflicht zur Ableistung von Überstunden am 04.11.2013 bestand und damit der Beteiligte zu 2 einen Pflichtverstoß unter der Überschrift Arbeitsverweigerung begangen haben könnte. Eine außerordentliche Kündigung würde dieser Pflichtverstoß jedoch unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen nicht rechtfertigen.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Landesarbeitsgericht entgegen der Formulierung des Arbeitsgerichts Schwerin schon nicht von einem schweren Pflichtverstoß ausgeht. Entscheidend ist im vorliegenden Fall, dass die Ablehnung des weiteren Einsatzes etwa 40 Minuten vor Dienstende erfolgte. Diese 40 Minuten wären jedoch grob schon erforderlich gewesen, um von N. in die Rettungswache nach D-Stadt zurückzufahren, die Übergabe des Fahrzeuges an das Nachfolgeteam vorzunehmen und gegebenenfalls weitere kleine Abschlussarbeiten durchzuführen. Der weitere Einsatzauftrag hätte damit nahezu vollständig zu einer Überschreitung der Arbeitszeit geführt. Damit war absehbar, dass sich die Arbeitszeit des Beteiligten zu 2 nicht nur um wenige Minuten, sondern spürbar verlängern würde. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine gegebenenfalls grundsätzlich bestehende Verpflichtung zur Ableistung von Überstunden nicht derartig zu verstehen ist, dass die Pflicht zur Ableistung von Überstunden in jedem Fall grenzenlos besteht. Denn auch hier ist wiederum das Interesse des Arbeitgebers an der schnellen Abarbeitung bestehender Aufgaben einerseits und das Interesse des Arbeitnehmers an der Einhaltung der durch Arbeitsvertrag, Arbeitszeitgesetz und Schichtplangestaltung vorgegebenen Arbeitszeiten gegenüberzustellen. Es ist zu berücksichtigen, dass auch der Arbeitnehmer ein Interesse an einer vorhandenen, planbaren und störungsfreien Freizeit zur freien Gestaltung und Erholungszwecken hat.

Insofern war es keinesfalls – entgegen der Ausführungen des Arbeitsgerichts Schwerin – zu beanstanden, dass der Beteiligte zu 2 einen privaten Termin eine halbe Stunde nach geplantem Schichtende vereinbarte. Der geplante Termin befand sich unstreitig in der Freizeit des Arbeitnehmers. Die Freizeit des Arbeitnehmers beginnt ab dem Ende der Arbeitszeit. In dieser Zeit ist er völlig frei in seiner Zeitgestaltung. Deshalb war der Beteiligte zu 2 auch nicht gehalten, einen Schichttausch vorzunehmen, um den privaten Termin weiter entfernt von der Arbeitzeit zu halten. Eine gegenteilige Überlegung wäre gegebenenfalls nur dann denkbar, wenn sich auf Grund konkreter Umstände andeuten würde, dass an dem gewissen Tag Tatsachen eintreten könnten, die noch nachträglich die Anordnung von Überstunden notwendig machen könnten. Dies müssen dann jedoch besondere Einzelfallumstände sein. Nicht ausreichend wäre die allgemeine, nicht von konkreten Umständen für den einzelnen Tag getragene Annahme, es könnten theoretisch allgemein immer Überstunden anfallen. Denn dies trifft nahezu auf alle Arbeitsplätze zu. Dann wäre ein Arbeitnehmer jedoch nicht frei in seiner Freizeitgestaltung. Auch würde sich dann die Frage stellen, innerhalb welcher Zeit nach eigentlichem Arbeitszeitende keine privaten Termine vereinbart werden dürfen. Soll eine halbe Stunde angemessen sein oder eine Stunde oder zwei Stunden?

Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, dass abweichend von einem Normalfall hier am 04.11.2013 ausnahmsweise mit Überstunden gegebenenfalls zu rechnen war. Der Antragsteller kann vielmehr nur einwenden, dass immer mit Folgeaufträgen kurz vor Dienst-ende zu rechnen ist. Dann ist dies jedoch der bekannte betriebliche Normalfall, auf den der Arbeitgeber mit entsprechender Organisation des Arbeitskräfteeinsatzes zu reagieren hat. Der Umstand, dass ständig ohne jedwede Planbarkeit Rettungseinsätze eingehen können, ist dem vom Arbeitgeber zu tragenden unternehmerischen Risiko zuzurechnen. Dieser bekannte fortlaufende Umstand ist nicht dadurch aufzulösen, dass die Arbeitnehmer sich eine gewisse Zeit nach ihrem Arbeitszeitende weiterhin für den Arbeitgeber einplanen müssen. Anderenfalls wäre diese Zeit nicht mehr als Freizeit zu werten – mit entsprechender vergütungsrechtlicher Konsequenz.

Weiterhin spricht gegen die Einordnung der angenommenen Pflichtverletzung als schwerwiegend, dass der so bezeichnete aufgetretene „Notfall“ kein besonders erheblicher Notfall war. Unstreitig handelte es sich nur um einen Krankentransport. Der Umstand, dass dieser Krankentransport im Rettungsdienstgesetz geregelt ist und die Aufträge über die Rettungsleitstelle vergeben werden, heißt jedoch nicht, dass hier ein medizinischer Notfall vorlag, der sofortiges Handeln unter Hintanstellung jedweder privater Interessen gefordert hätte. Das Rettungsdienstgesetz regelt zum einen die Notfallrettung und zum anderen den Krankentransport. Die Notfallrettung betrifft gemäß § 2 Abs. 2 Rettungsdienstgesetz M-V die Durchführung lebensrettender Maßnahmen bei lebensbedrohlich Verletzten oder Erkrankten (Notfallpatienten). Ein solcher Fall lag hier nicht vor. Hingegen ist der Krankentransport in § 2 Abs. 3 Rettungsdienstgesetz M-V dadurch definiert, dass er der Beförderung von Verletzten, Erkrankten oder sonstigen Personen, die einer medizinischen Versorgung bedürfen, ohne Notfallpatienten zu sein, dient. Bei der Beförderung muss fachgerechte Hilfe oder fachgerechte Betreuung notwendig sein. Beim Krankentransport geht es also nicht darum, dass verletzte oder erkrankte Personen zur Abwendung weiterer Schäden eiligst an einen Zielort transportiert werden müssen. Ziel ist nur um die medizinisch fachgerechte Unterstützung beim Transport. Entsprechend handelte es sich im vorliegenden Einzelfall um den Transport einer sitzenden Person. Ein Zeitfaktor ist dem Krankentransport nach dem Rettungsdienstgesetz M-V somit grundsätzlich nicht immanent. Allein aus der Definition im Rettungsdienstgesetz M-V wird daher deutlich, dass in medizinischer Hinsicht kein besonderer Notfall vorlag und damit auch der vom Antragsteller behauptete betriebliche Notfall der Ausführung unmittelbar und schnellstens durch den Beteiligten zu 2 nicht vorlag. Allein der Verweis darauf, dass der Krankentransport im Rettungsdienstgesetz M-V geregelt ist, führt nicht dazu, dass Krankentransporte pauschal schnellstmöglich ohne jeglichen Verzug auszuführen sind. Letztendlich musste der Krankentransport in einem Gesetz geregelt werden. Die gleichzeitige Regelung mit der Notfallrettung in einem Gesetz hebt den Krankentransport nicht auf die Dringlichkeitsebene der Notfallrettung. Dies folgt auch aus § 2 Abs. 5 Rettungsdienstgesetz M-V. Danach darf eine Notfallrettung nicht deshalb abgelehnt werden, wenn kein rechtswirksamer Transportvertrag vorliegt oder die Entrichtung des Entgeltes nicht gesichert ist. Im Umkehrschluss dürfte daher sogar der Antragsteller unter gewissen Umständen einen Krankentransport ablehnen. Dieses Bild wird vervollständigt durch § 7 Abs. 2 Rettungsdienstgesetz M-V. Danach ist ein Notfallort (Notfallrettung) innerhalb von zehn Minuten zu erreichen. Weiterhin soll jedoch die Wartezeit bis zur Beförderung von zeitkritischen Krankentransporten in der Spitzenbelastung in der Regel nicht mehr als 30 Minuten betragen. Es handelt sich hier um eine Sollvorschrift. Danach wird für zeitkritische Krankentransporte die Wartezeit auf 30 Minuten festgesetzt. Im vorliegenden Einzelfall gibt es jedoch keinen Anhaltspunkt dahingehend, dass es sich um einen zeitkritischen Krankentransport handelte. Das Rettungsdienstgesetz sieht somit für den Vorfall vom 04.11.2013 keine Zeitvorgabe vor. Zudem ist die Patientin nach dem Vortrag des Antragstellers mit 45 Minuten Verspätung abgeholt worden. Somit sind hier besondere Folgen aus der Verweigerungshaltung des Beteiligten zu 2 im Verhältnis zu Zeitobergrenzen für zeitkritische Transporte nicht erkennbar.

Aus vorgenannten Umständen zieht das Landesarbeitsgericht den Schluss, dass keine schwere Pflichtverletzung vorlag. Ob überhaupt eine sonstige Pflichtverletzung vorlag, mag unentschieden bleiben und kann zu Gunsten des Antragstellers unterstellt werden.

Jedoch ist dann im Weiteren zu Gunsten des Beteiligten zu 2 zu berücksichtigen, dass er den Krankentransport nicht schlicht grundlos verweigert hatte. Er hatte vielmehr einen Grund von nicht unerheblichem Gewicht einzuwenden. Der Beteiligte zu 2 hatte bereits fünf Wochen auf einen Termin beim Jugendamt bezüglich Unterhalt und Umgang mit einem minderjährigen Kind gewartet. Dies sind keine Themen, die schlicht hinter den Interessen des Arbeitgebers zurücktreten müssten. Während die Absage eines Krankentransportes für den Patienten nur zu einer Verschiebung von etwa 45 Minuten führte, hätte der Beteiligte zu 2 hier wiederum auf einen neuen Termin beim Jugendamt warten müssen. Fehlende Regelungen und Absprachen zu Unterhalts- und Umgangsrecht mit dem Kind würden sich in der Zwischenzeit schon tagtäglich auswirken und könnten zu einer Belastung insbesondere der Beziehung des Beteiligten zu 2 mit dem minderjährigen Kind führen.

Berücksichtigt man zudem auch, dass der Beteiligte zu 2 bereits seit etwa 31 Jahren (jedenfalls nach Aktenlage) störungsfrei im Arbeitsverhältnis beschäftigt war, so führt die Gesamtabwägung selbst bei Unterstellung gewisser Punkte zu Gunsten des Antragstellers dazu, dass hier keine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt wäre.

Zusammengefasst lässt sich darstellen, dass der Anfall von Arbeit kurz vor Ablauf eines Schichtendes und damit der potentielle Anfall von Überstunden für den Arbeitgeber in abstrakter Sicht dauerhaft vorhersehbar ist und er hierauf durch entsprechende Organisation reagieren könnte. Andererseits hatte der Beteiligte zu 2 mit vernünftigen und nicht unerheblichen Gründen die Überstunden verweigert und kann zudem auf eine über 31 Jahre hinweg geschaffene Vertrauensbasis verweisen.

Ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund liegt somit im Ergebnis nicht vor.

b)

Ein Kündigungsgrund ergibt sich auch nicht daraus, dass die Landrätin vom Antragsteller verlangte, den Beteiligten zu 2 nicht mehr im Rettungsdienst einzusetzen.

Der Fall einer Druckkündigung, so wie in der erstinstanzlichen Entscheidung angesprochen, liegt hier nicht vor. Denn der Druck wurde nicht dahingehend ausgeübt, den Beteiligten zu 2 zu kündigen. Er wurde nur dahingehend ausgeübt, den Beteiligten zu 2 in einem gewissen Bereich nicht einzusetzen.

Aus der Forderung, den Beteiligten zu 2 nicht im Rettungsdienst einzusetzen, könnte vielmehr je nach Einzelkonstellation ein betriebsbedingter oder aber personenbedingter Grund folgen. Solche Gründe sind jedoch nur in besonderen Ausnahmefällen geeignet, einen Grund für eine außerordentliche Kündigung darzustellen. Allerdings muss dann der Arbeitgeber darstellen, dass eine Beschäftigung des Arbeitnehmers weder am bisherigen Arbeitsplatz noch an irgendeinem anderen Arbeitsplatz möglich ist. Er muss somit darlegen und beweisen, dass überhaupt keine Möglichkeit mehr besteht, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzusetzen (vgl. BAG, 23.01.2014, 2 AZR 372/13). Diese fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ist zwar zu Beginn des Prozesses einmal kurz und völlig pauschal vom Arbeitgeber behauptet worden. Allerdings zeigt die zwischenzeitliche Arbeitsaufforderung des Antragstellers innerhalb des Prozesses, der Beteiligte zu 2 möge auf einem anderen Arbeitsplatz tätig werden, eindrucksvoll, dass eine Weiterbeschäftigung beim Antragsteller gerade nicht ausgeschlossen ist. Dabei wäre zudem bezüglich der Suche nach einem anderen Arbeitsplatz für den Fall der Anwendbarkeit des § 103 BetrVG von der besonderen Schutzbedürftigkeit des Beteiligten zu 2 als Betriebsratsmitglied/Wahlbewerber auszugehen.

c)

Der Antrag war somit in jedem Fall abzuweisen und damit auch die Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung zurückzuweisen.

III.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich.

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