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Fristlose Kündigung bei Arbeitsverweigerung

Auflösungsantrag des Arbeitgebers – Beleidigung

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern – Az.: 2 Sa 123/19 – Urteil vom 08.10.2019

1. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

2. Das Arbeitsverhältnis wird auf Antrag der Beklagten gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 15.000,00 EUR zum 30. September 2018 aufgelöst.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien sind durch ein Arbeitsverhältnis verbunden. Der Kläger wehrt sich im vorliegenden Rechtsstreit gegen vier Kündigungen und verlangt Weiterbeschäftigung. Die Beklagte verlangt hilfsweise die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses.

Knapp zusammengefasst wird dem Kläger beharrliche Arbeitsverweigerung, vorsätzlich falscher Parteivortrag im Rechtsstreit und Herabwürdigung des Geschäftsführers der Beklagten vorgeworfen.

Die Beklagte, eine GmbH mit Sitz in C-Stadt, betreibt deutschlandweit und international Fliesenhandel. Dabei arbeitet sie seit einigen Jahren eng mit einem Fliesenhersteller aus C-Stadt zusammen. Im Betrieb, der sich auf oder in der Nähe des Werksgeländes des Fliesenherstellers befindet, sind regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer im Sinne von § 23 KSchG beschäftigt. Neben dem Geschäftsführer wird die Beklagte unter anderem geführt von Herrn R., dem Geschäftsführer des Fliesenherstellers, der bei der Beklagten gleichzeitig die Stellung eines Prokuristen innehat. Außerdem wird die Beklagte auch durch Herrn A.-K. maßgeblich mitgeführt, der allerdings weder Arbeitnehmer der Beklagten ist noch dort eine förmliche Organstellung einnimmt.

Der in den 1990er Jahren geborene ledige Kläger hat im Februar 2013 seine Berufsausbildung bei der Beklagten begonnen. Nach erfolgreicher Ausbildung zum Außenhandelskaufmann wurde er im Januar 2016 in ein Arbeitsverhältnis bei der Beklagten übernommen. Seit Januar 2017 ist das Arbeitsverhältnis der Parteien unbefristet abgeschlossen. Der Kläger wird nach seinem Arbeitsvertrag als Innendienstmitarbeiter im Verkauf eingesetzt. Arbeitsvertraglich ist die Beklagte berechtigt, dem Kläger andere, den Fähigkeiten und Kenntnissen des Arbeitnehmers entsprechende, gleichwertige und gleichbezahlte Tätigkeiten zu übertragen. Im Streitzeitraum hat der Kläger 2.900 Euro brutto im Monat verdient.

Nach Abschluss der Ausbildung war der Kläger in verschiedenen Abteilungen der Beklagten eingesetzt. Einzelheiten dazu sind nur beiläufig und bruchstückhaft mitgeteilt. Fest steht, dass der Kläger im Jahre 2017 als Teamleiter POS-Marketing fungiert hat (belegt durch eine Visitenkarte, hier Blatt 339) und er sich auf Facebook zumindest mit Billigung von Herrn A.-K. als Creative Marketing Consultant bezeichnet hat (vgl. hier Blatt 340). In anderem Zusammenhang schildern die Parteien übereinstimmend, dass der Kläger zuletzt – bevor das Arbeitsverhältnis im Mai 2018 in eine Krise geraten ist – als Leiter der Musterabteilung der Beklagten eingesetzt war. Ob es sich dabei um die Stelle handelt, die er bereits 2017 bekleidet hat, ist unklar. Fest steht allerdings, dass der Kläger als Leiter der Musterabteilung im Kern mit der Restrukturierung dieser Abteilung befasst sein sollte. Es ging – was sich aus der mündlichen Verhandlung ergeben hat – insbesondere darum, das Leistungsspektrum der Beklagten im Internet umfangreicher und benutzerfreundlicher zu präsentieren. Zu einer vom Kläger wegen der gesteigerten Anforderungen geforderten Gehaltsanpassung ist es in jener Zeit nicht gekommen.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist spätestens seit Mai 2018 in eine Krise geraten. Die Aufgabe als Leiter der Musterabteilung ist dem Kläger nach Einlassung der Beklagten Ende Mai 2018 förmlich entzogen worden. Die Beklagte berichtet, dass es inzwischen keine Abteilung mehr in ihrem Betrieb gebe, in der der Kläger eingesetzt werden könne, da sich die Leiter aller Abteilungen geweigert hätten, den Kläger in ihren Abteilungen aufzunehmen. Zu den Gründen für diese Haltung der Abteilungsleiter hat keine der Parteien weiter vorgetragen.

In der Folge dieser Krise im Arbeitsverhältnis der Parteien wurde der Kläger zunächst ab dem 14. Mai 2018 bei Fortzahlung seiner regelmäßigen Vergütung informell von der weiteren Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Der Kläger sollte allerdings weiterhin während der vorgesehenen Arbeitszeiten im Betrieb anwesend sein.

Der Kläger wurde sodann mit Schreiben vom 22. Mai 2018 und mit Schreiben vom 15. Juni 2018 (beide hier Blatt 41, es wird Bezug genommen) abgemahnt. Dort wird ihm vorgeworfen, er habe mehrfach im April 2018 und auch am 22. und am 24. Mai 2018 vorzeitig Feierabend gemacht. Bereits rund ein Jahr zuvor hatte der Kläger unter dem 19. Juni 2017 eine Abmahnung erhalten, weil er bei einer von der Beklagten angesetzten Zwischeninventur, für die besondere Arbeitszeiten festgesetzt waren, die Arbeit erst 15 Minuten nach dem angesetzten Arbeitsbeginn begonnen hatte (Kopie hier Blatt 42, es wird Bezug genommen).

Vor oder nach der Zeit der Freistellung von der Arbeit ab Mitte Mai 2018 versuchte Herr A.-K. im Dialog mit dem Kläger für diesen eine neue Aufgabe zu finden. Am Ende dieses Findungsprozesses hatte beide Parteien in Erwägung gezogen, dem Kläger eine neue herausgehobene Aufgabe, die es so bisher bei der Beklagten nicht gab, zu übertragen (Koordinator im Bereich Digital-Change-Kommunikation), was nach den informellen Absprachen zwischen Herrn A.-K. und dem Kläger mit einer Gehaltserhöhung um 500 Euro brutto monatlich verbunden sein sollte. Die Geschäftsführung der Beklagten hat dann allerdings diese sofortige Gehaltserhöhung abgelehnt und lediglich eine aus ihrer Sicht wirtschaftlich gleichwertige spätere Gehaltserhöhung und eine zusätzliche Bonuszahlung bei Zielerreichung in Aussicht gestellt. Der dazu gefertigte Entwurf eines Änderungsvertrages zum Arbeitsvertrag wurde vom Kläger wegen der Abweichung zu den Absprachen mit Herrn A.-K. in der Entgeltfrage nicht unterzeichnet.

Nach dem Scheitern der Vertragsverhandlungen hat der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 15. Juni 2018 förmlich eine vertragsgemäße tatsächliche Beschäftigung verlangt. Als eine dafür gesetzte Frist erfolglos verstrichen war, hat der Kläger Klage auf vertragsgemäße Beschäftigung erhoben (Ausgangspunkt des vorliegenden Rechtsstreits). Nach einer Zeit der Arbeitsunfähigkeit hat der Kläger der Beklagten am 20. Juli 2018 mitgeteilt, dass er voraussichtlich am 23. Juli 2018 wieder arbeitsfähig sein werde und dann zur Arbeit am Betriebssitz erscheinen werde.

Am 23. Juli 2018 erschien der Kläger um 06:15 Uhr im Betrieb und fand an seinem Arbeitsplatz den PC-Zugang gesperrt vor und das Telefon ohne Funktion. Der Kläger schildert mit Anwaltsschreiben vom 23. Juli 2018 den Verlauf des Tages und bittet um Zuweisung von Arbeit und macht bis dahin von seinem Zurückbehaltungsrecht von der Arbeitsleistung Gebrauch (hier Blatt 61 – 63, es wird Bezug genommen). Vom 24. bis zum 26. Juli 2018 blieb der Kläger daraufhin der Arbeit fern. Am Abend des 26. Juli 2018 hat die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, man habe am morgigen Freitag (27. Juli 2018) Arbeit für den Kläger. Für den Fall, dass er die Arbeit nicht antrete, wurde eine fristlose Kündigung angekündigt. Am 27. Juli 2018 ist der Kläger dann wieder zur Arbeit erschienen.

Der Arbeitstag begann für den Kläger mit einem Vertragsgespräch mit dem Prokuristen Herrn R.. Dabei ging es um die Frage, wie der Kläger jetzt und zukünftig eingesetzt werden könne. Außerdem wurden Möglichkeiten der einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses angesprochen. Als Herr R. den Eindruck gewonnen hatte, dass es weder eine Lösung des Beschäftigungskonflikts gebe noch eine einvernehmliche Trennung möglich sei, hat er mit dem Kläger verschiedenen Möglichkeiten der Überbrückungsbeschäftigung erörtert. Es ging zum einen um das Umetikettieren von Waren für ungefähr einen halben Arbeitstag. Diese Tätigkeit hat der Kläger abgelehnt, weil sie nicht seiner vertraglich geschuldeten Tätigkeit entspreche. Der Prokurist bot dem Kläger sodann an, sich grundlegend um das Thema Euro-Paletten zu kümmern und die Prozesse rund um den Paletten-Umlauf neu zu strukturieren. Auch diese Aufgabe hat der Kläger abgelehnt. Er habe schon einmal die Aufgabe erhalten, Sachen zu strukturieren. Er wolle dies nicht, weil er dann sein Wissen preisgeben müsse. Zwischen den Parteien herrscht Streit, ob es sich insoweit um eine unverbindliche Erörterung von Einsatzmöglichkeiten im Rahmen des Vertragsgespräches gehandelt hat, oder ob der Prokurist den Kläger nach dem Scheitern des Vertragsgesprächs förmlich angewiesen hatte, die beiden geschilderten Arbeiten zu übernehmen, und dies der Kläger abgelehnt hatte.

Gegen Ende des Gesprächs hat der Prokurist sodann mit dem stellvertretenden Innendienstleiter telefoniert und den Kläger in Anschluss daran angewiesen, sich im Vertriebsinnendienst zur Zuteilung von Arbeitsaufgaben zu melden. Dem ist der Kläger nachgekommen und hat die ihm dort zugewiesenen Ablagearbeiten bis Dienstschluss durchgeführt. Auch am 30. und 31. Juli 2018 hat der Kläger ebenfalls die ihm im Vertriebsinnendienst zugewiesenen Ablagearbeiten erledigt.

Gegen Feierabend am 31. Juli 2018 hat die Beklagte dem Kläger die fristlose Kündigung vom 31. Juli 2018 ausgehändigt (erste Kündigung). Die Kündigung (Kopie hier Blatt 40, es wird Bezug genommen) wird von der Beklagten auf drei Gründe gestützt. Der Kläger habe am 23. Juli 2018 während der Arbeitszeit sein Mobiltelefon für Privatgespräche genutzt, obwohl dies im Betrieb ausdrücklich verboten sei. Außerdem sei er vom 24. bis zum 26. Juli 2018 unerlaubt der Arbeit ferngeblieben. Schließlich habe er sich am 27. Juli 2018 geweigert, den Arbeitsanweisungen, die der Prokurist in Anschluss an das Vertragsgespräch dem Kläger erteilt habe, nachzukommen (Waren umetikettieren bzw. Paletten-Umlauf neu strukturieren).

Diese Kündigung hat der Kläger mit der Klageerweiterung vom 14. August 2018 (Gerichtseingang am 20. August 2018) angegriffen. In diesem Schriftsatz lässt der Kläger bezüglich der Ereignisse am 27. Juli 2018 wörtlich wie folgt vortragen (Seite 3 des Schriftsatzes, hier Blatt 59):

„Am 27.07.2018 erschien der Kläger arbeitsbereit und trifft zunächst niemanden im Betrieb an. Schließlich werden dem Kläger Ablagetätigkeiten zugewiesen, weiterhin ohne Zugang zum PC, ohne Funktionieren des Telefons, an einem anderen Arbeitsplatz. Der Kläger befolgt die Weisung.“

Mit Schreiben vom 22. August 2018 hat die Beklagte dem Kläger erneut fristlos gekündigt (zweite Kündigung), da er im Rahmen der Klageerweiterung vom 14. August 2018 wahrheitswidrig behauptet hätte, er habe sich am 27. Juli 2017 nicht geweigert, ihm zugewiesene Tätigkeiten zu erledigen. Damit habe er im Rechtsstreit wissentlich falsch vorgetragen, was die Beklagte als Versuch des Prozessbetruges bewertet (hier Blatt 77, es wird Bezug genommen). Diese Kündigung greift der Kläger mit der Klagerweiterung vom 7. September 2018 an, nachdem er zuvor unter dem 6. September 2018 einen allgemeinen Feststellungsantrag zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses angekündigt hatte. In dem Schreiben vom 6. September 2018 heißt es zu den Ereignissen am 27. Juli 2018 wörtlich:

„Die Behauptung, der Kläger habe die Arbeit verweigert, wird bestritten. Dem Kläger sind am 27.07.2018 insgesamt drei Aufgaben vorgeschlagen worden, von denen er eine Aufgabe wählte. Diese drei Aufgaben waren als Angebot kommuniziert, nicht als Weisung. Zu keinem Zeitpunkt ist der Eindruck vermittelt worden, dieses sei als Weisung zu verstehen. Eine Tätigkeit im Lager wollte der Kläger nicht erledigen. Diese war aber nicht zugewiesen. Eine Langzeitaufgabe zur Prozessoptimierung betreffend der Europaletten begegnete der Kläger mit der Frage, was dies mit der Tätigkeit eines Innendienstmitarbeiters im Verkauf zu tun habe? Sodann ist dem Kläger angeboten worden, Ablage im Innendienst zu machen. Der Kläger zeigte sich mit dieser Aufgabe einverstanden. Daraufhin ist er gefragt worden, zu welchen Bedingungen er sich die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses vorstellen könne.“

In dem klageerweiternden Schriftsatz vom 7. September 2018 hat der Kläger unter anderem wie folgt zu dem Gespräch am 27. Juli 2018 vorgetragen:

„Der Kläger hat keine falschen Tatsachen vortragen lassen. Die Beklagte hat im Gespräch mit dem Kläger mehrere Aufgaben vorgeschlagen und der Kläger hat eine Aufgabe ausgewählt, was zwangsläufig die Ablehnung der beiden übrigen Aufgaben bedingt.“

Die Beklagte kündigte dem Kläger abermals mit Schreiben vom 17. September 2018 fristlos (dritte Kündigung). Auch hier wird dem Kläger unwahrer Parteivortrag im Rechtsstreit vorgeworfen. Dem Kläger wird vorgeworfen, wissentlich unwahr im Rechtsstreit in den Schriftsätzen vom 6. und 7. September 2018 vorgetragen zu haben, der Prokurist habe am 27. Juli 2018 lediglich einige Angebote für eine weitere Beschäftigung unterbreitet. Tatsächlich habe es sich jedoch um Weisungen gehandelt. Zusätzlich wirft die Beklagte dem Kläger vor, seine Einlassung im Rechtsstreit, er habe seine Weigerung, die Aufgabe der Prozessoptimierung im Bereich des Paletten-Umlaufs zu übernehmen, damit begründet, dass eine solche Aufgabe nicht zu den Aufgaben eines Verkäufers im Vertriebsinnendienst gehöre, sei unwahr. Tatsächlich habe der Kläger seine Weigerung damit begründet, dass er bei Erfüllung dieser Aufgabe zu viel Wissen preisgeben müsse.

Gegen diese dritte Kündigung wehrt sich der Kläger mit der Klageerweiterung vom 20. September 2018.

Die vierte Kündigung, die die Beklagte unter dem 28. September 2018 fristlos ausgesprochen hat, wird mit dem klägerischen Verhalten während des ersten Teils der Kammerverhandlung vor dem Arbeitsgericht am 27. September 2018 begründet. In dieser Verhandlung wurde der Kläger durch das Gericht zu den Einzelheiten des Gesprächs am 27. Juli 2018 befragt. Die klägerische Einlassung ist wie folgt protokolliert worden:

„Der Kläger erklärt, Herr R. habe in dem Gespräch eine Abfindung angeboten, die sich zwischen 0,5 und 0,8 bewege. Er, der Kläger, habe die Verhandlungen mit 1,2 Bruttomonatsentgelten begonnen und sei am Schluss zur Beendigung gegen ein Bruttomonatsentgelt einverstanden gewesen. Er habe dies als Mitte der beiderseitigen Vorschläge empfunden.“

Die Beklagte wirft dem Kläger mit der vierten Kündigung vor, wissentlich unwahr über das Vertragsgespräch mit Herrn R. am 27. Juli 2018 und dessen Abfindungsangebot berichtet zu haben. Tatsächlich habe der Prokurist in dem Trennungsgespräch lediglich eine Abfindung in Höhe von maximal 0,5 Bruttomonatsentgelten pro Beschäftigungsjahr angeboten.

Der weitere Anlass für die vierte Kündigung wegen des klägerischen Verhaltens in der besagten mündlichen Verhandlung findet im Protokoll der Verhandlung keinen Niederschlag. Der Kläger hatte während der Verhandlung, die vor interessierter Öffentlichkeit stattgefunden hatte, sich auch über die Person und den Charakter des Geschäftsführers der Beklagten geäußert. Im unstreitigen Kern hat der Kläger den Geschäftsführer als cholerisch charakterisiert und hat ergänzend ausgeführt, die Mitarbeiter der Beklagten hätten Angst vor dem Geschäftsführer, nur er – der Kläger – habe keine Angst vor dem Geschäftsführer.

Diese vierte Kündigung greift der Kläger mit der Klagerweiterung vom 11. Oktober 2018 an. Mit weiterer Klagerweiterung vom 23. Oktober 2018 begehrt der Kläger hilfsweise für den Fall, dass eine der Kündigungen das Arbeitsverhältnis beende, Urlaubsabgeltung in Höhe von 947,63 Euro brutto.

In der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2019 hatte die Beklagte nach Beweisaufnahme und längerem Verhandeln schließlich einen Vergleich angeboten, mit einer Abfindung in der Höhe, wie vom Kläger in den vorangegangenen Verhandlungen verlangt. Der Kläger hat diesen Vergleich mit dem Argument nicht angenommen, er habe sich inzwischen überlegt, dass er gerne bei der Beklagten weiter arbeiten wolle.

Ausweislich des Tatbestandes des arbeitsgerichtlichen Urteils hat der Kläger erstinstanzlich bei Klagabweisungsantrag der Beklagten insgesamt folgende elf Anträge zur Entscheidung gestellt.

1. Es wird beantragt, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger zukünftig Arbeitsaufgaben zuzuweisen, deren Vergütung derjenigen eines Innendienstmitarbeiters im Verkauf entspricht oder Arbeitsaufgaben, die gleichwertig denen eines Innendienstmitarbeiters um Verkauf sind und insbesondere gleich bezahlt werden.

2. Für den Fall, dass die Beklagte ihre Pflicht gem. Antrag zu 1 nicht binnen einer Frist von einer Woche nach Zustellung der Klage erbringt, wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger Schadenersatz zu zahlen in Höhe einer in das freie Ermessen des Gerichts gestellten pauschalen Entschädigung, die jedoch Euro 1.000,00 pro Monat der Nichtbeschäftigung nicht unterschreiten soll.

3. Für den Fall, dass die Beklagte ihre Beschäftigung gem. Antrag zu 1. nicht erfüllt, wird festgestellt, dass der Kläger berechtigt ist, von seinem Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich seiner Arbeitsleistung Gebrauch zu machen.

4. Hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger als Verkäufer im Innendienst gem. Arbeitsvertrag vom 12.12.2016/ 13.12.2016 mit entsprechenden oder gleichwertigen, insbesondere gleich bezahlten, Arbeitsaufgaben zu beschäftigen.

5. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristlose Kündigung vom 31.07.2018 nicht endet.

6. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung nicht zum 30.09.2018 endet.

7. Es wird festgestellt, dass auch keine anderen Beendigungstatbestände vorliegen.

8. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 22.08.2018, zugegangen am 27.08.2018, nicht fristlos endet.

9. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die erneute fristlose Kündigung vom 17.09.2018, nicht endet.

10. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristlose Kündigung vom 28.09.2018 nicht endet.

11. Hilfsweise, für den Fall, dass die Kündigungen das Arbeitsverhältnis beenden: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Urlaubsabgeltung in Höhe von Euro 947,63 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2018 zu zahlen.

Das Arbeitsgericht Schwerin hat der Klage – nach Vernehmung der von der Beklagten angebotenen Zeugen R. und A.-K. – mit Urteil vom 14. Januar 2019 überwiegend entsprochen (5 Ca 895/18). Es hat festgestellt, dass die Kündigung vom 31. Juli 2018 weder als außerordentliche noch als ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet habe und dies auch für die Kündigungen vom 22. August 2018, vom 17. September 2018 und vom 28. September 2018 zutreffe (Klageanträge zu 5, 6, 8, 9 und 10). Aus dem Kreis der auf die tatsächliche Beschäftigung des Klägers gerichteten Anträge (Klageanträge zu 1 bis 4) hat das Arbeitsgericht die Beklagte lediglich auf den Hilfsantrag (Klageantrag zu 4) hin zur vertragsgemäßen Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum Abschluss des vorliegenden Rechtsstreits verurteilt und die übrigen Anträge (Klageanträge zu 1 bis 3) teils als unzulässig verworfen (Klageantrag zu 3), teils als unbegründet (Klageanträge zu 1 und 2) abgewiesen. Den Klageantrag zu 7, den man im weitesten Sinne als allgemeinen Feststellungsantrag zum Bestand des Arbeitsverhältnisses verstehen könnte, hat das Arbeitsgericht als unzulässig verworfen. Den Hilfsantrag zu 11 (Urlaubsabgeltung) hat es wegen des Erfolges der Kündigungsschutzanträge als nicht zur Entscheidung stehend angesehen. – Auf dieses Urteil wird wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.

Mit der rechtzeitig eingelegten und fristgerecht begründeten Berufung verfolgt die Beklagte das Ziel der vollständigen Klageabweisung fort. Hilfsweise hat sie im Berufungsrechtszug einen Auflösungsantrag im Sinne von § 9 KSchG gestellt. Der Kläger hat gegen das arbeitsgerichtliche Urteil kein Rechtsmittel eingelegt.

Bezüglich des Auflösungsantrages der Beklagten sind folgende erstmals im Berufungsrechtszug vorgetragene Umstände unstreitig.

Bereits kurz nach der Verkündung des hier angegriffenen Urteils des Arbeitsgerichts vom 14. Januar 2019 ist der Kläger in Hinblick auf den ausgeurteilten Anspruch auf Prozessbeschäftigung von der Beklagten aufgefordert worden, seine Arbeit bei der Beklagten aufzunehmen. Dem ist der Kläger zunächst – nach Inanspruchnahme von Urlaub in der Zeit vom 15. bis zum 24. Januar 2019 – nachgekommen. Er ist wie zuletzt in der Zeit vom 27. bis 31. Juli 2018 damit betraut worden, im Vertriebsinnendienst Ablagetätigkeiten zu verrichten. Der ihm zugewiesene Arbeitsplatz verfügt nach wie vor nicht über einen Computer mit Zugang zum Netz und er verfügt auch nicht über einen Telefonanschluss.

Der Kläger wird ab Mitte Januar 2019 auch wieder auf Basis der Vertragslage mit 2.900 Euro brutto pro Monat vergütet. Eine Nachvergütung für die Zeit von August 2018 bis Mitte Januar 2019 hat die Beklagte nach Zahlungsaufforderung seitens des Klägers wegen des noch nicht abgeschlossenen vorliegenden Berufungsverfahrens allerdings abgelehnt. Wie angekündigt hat der Kläger daher ab Februar 2019 unter Berufung auf ein ihm seiner Auffassung nach zustehenden Zurückbehaltungsrechts wegen der offenen Entgeltforderungen aus der Vergangenheit die weitere Erbringung von Arbeitsleistungen eingestellt.

In diesem Zusammenhang hatte der Kläger mit Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 4. Februar 2019 versucht, die gerichtliche Feststellung zu erstreiten, dass dem Kläger aus diesem Verhalten der Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht bezüglich seiner Arbeitsleistung erwachsen sei (Kopie Antragsschrift hier Blatt 255 ff). Diesen Verfügungsantrag hat das Arbeitsgericht als unzulässig verworfen (Entscheidungsdatum und Aktenzeichen sind nicht mitgeteilt). Daraufhin verfolgt der Kläger inzwischen in einem weiteren Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht seinen Anspruch auf Annahmeverzugslohn für die Zeit von August 2018 bis Mitte Januar 2019. Dort sind auch vom Kläger gesehene Abrechnungsdifferenzen für den laufenden Lohn seit Mitte Januar 2019 eingeklagt.

Fristlose Kündigung bei Arbeitsverweigerung
(Symbolfoto: Von fizkes/Shutterstock.com)

Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nach der hier streitgegenständlichen vierten Kündigung vom 28. September 2018 noch mehrfach abermals aus wichtigem Grund fristlos gekündigt. Der Kläger wehrt sich gegen diese Kündigungen in einem weiteren Rechtsstreit, der noch vor dem Arbeitsgericht Schwerin anhängig ist (2 Ca 455/19). Hier stehen insgesamt sechs weitere Kündigungen aus März 2019 und späteren Monaten in Streit. All diese Kündigungen drehen sich um die Frage, ob sich der Kläger in den sozialen Medien (Facebook und LinkedIn) in Bezug auf seine berufliche Stellung bei der Beklagten wissentlich falsch präsentiert bzw. präsentiert hat. Ergänzend wird dem Kläger vorgeworfen, er habe sich auch in diesem Folgerechtsstreit abermals wissentlich falsch eingelassen.

Die Beklagte geht im vorliegenden Rechtstreit nach wie vor davon aus, dass die Kündigung vom 31. Juli 2018 wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung gerechtfertigt sei. Die Beklagte kritisiert, das Arbeitsgericht habe entgegen der Vorgaben der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die beharrliche Arbeitsverweigerung am 27. Juli 2018 verneint. Es habe klare Weisungen zur Aufnahme der Tätigkeit bezüglich des Umetikettierens gegeben. Nur um einen größeren Konflikt zu vermeiden, habe man, als der Kläger sich geweigert habe, diese Tätigkeit aufzunehmen, den Kläger angewiesen, sich um den Gesamtprozess des Paletten-Umlaufs zu kümmern. Auch diese Weisung habe der Kläger nicht befolgt.

Das Arbeitsgericht habe zudem nicht beachtet, dass es nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stets auf eine Gesamtabwägung aller erkennbar wichtigen Umstände ankomme. Hätte das Gericht eine Gesamtabwägung vorgenommen, hätte es in Rechnung stellen müssen, dass der Kläger bereits wegen vorzeitiger Beendigung seiner Arbeit zum Feierabend hin abgemahnt worden sei. Außerdem sei er wegen Nutzung seines Mobiltelefons während der Arbeitszeit abgemahnt worden, was ebenfalls als Arbeitsverweigerung qualifiziert werden müsse, da dies während der Arbeitszeit geschehen sei.

Die Beklagte vertritt auch nach wie vor die Auffassung, dass der Kläger mehrfach im hiesigen Rechtsstreit vorsätzlich falsch vorgetragen habe und dieser Umstand geeignet sei, die weiteren Kündigungen vom 21. August 2018, vom 17. September 2018 und vom 28. September 2018 (Kündigungen 2, 3 und 4) zu rechtfertigen.

Die Beklagte ist bezüglich der vierten Kündigung vom 28. September 2018 auch nach wie vor der Ansicht, die Äußerungen des Klägers zum Charakter des Geschäftsführers der Beklagten („cholerisch“) und seinem Führungsstil („angsteinflößend“) seien boshaft, herabwürdigend und unzutreffend.

Ihren Auflösungsantrag begründet die Beklagte unter anderem mit dem gesamten Prozessverhalten des Klägers im hiesigen und in den anderen Rechtsstreitigkeiten und mit seiner Äußerung über den Charakter und den Führungsstil des Geschäftsführers der Beklagten aus dem ersten Teil der Kammerverhandlung vor dem Arbeitsgericht am 27. September 2018. Daraus ergebe sich, dass eine weitere gedeihliche den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit der Parteien im Sinne von § 9 Absatz 1 Satz 2 KSchG nicht mehr zu erwarten sei.

Die Beklagte beantragt,

1. das am 14.01.2019 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin (AZ: 5 Ca 895/18) abzuändern und die Klage abzuweisen;

2. hilfsweise das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zum Ablauf des 31.08.2018, hilfsweise zum 30.09.2018, hilfsweise zum 31.10.2018, hilfsweise zum 30.11.2018 aufzulösen.

Der Kläger beantragt,

1. die Berufung zurückzuweisen,

2. den Auflösungsantrag abzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vortrages.

Am 27. Juli 2018 habe er nicht die Arbeit verweigert. Er habe auch nicht gegen Weisungen verstoßen. Mit dem Prokuristen Herrn R. sei lediglich ein Vertragsgespräch geführt worden. Die beiden Aufgaben, die dort zunächst erörtert wurden (Umetikettieren von Waren und Neustrukturierung des Paletten-Umlaufs), seien ihm von Herrn R. nicht zur Erledigung angewiesen worden.

Der Vorwurf der Beklagten, er habe im Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht wissentlich falsch vorgetragen, sei daher unzutreffend. Dies gelte auch für die Darstellung des Grundes, weshalb er nicht bereit gewesen sei, die Prozessoptimierung hinsichtlich des Paletten-Umlaufs zu übernehmen. Es möge zwar zutreffen, dass er im Gespräch die Ablehnung wörtlich gesehen damit begründet habe, dass er damit zu viel seines Wissens preisgeben müsse. Im Kontext des Gesprächs sei aber erkennbar gewesen, dass er damit zum Ausdruck bringen wollte, dass diese Aufgabe schwieriger und verantwortungsvoller sei als seine geschuldete Tätigkeit im Verkaufsinnendienst und er diese daher nur bei einer entsprechenden Anhebung seiner Vergütung zu übernehmen bereit sei. Daher sei es auch nicht wissentlich falsch vorgetragen, wenn er hier im Rechtsstreit die Ablehnung dieser Tätigkeit damit begründet habe, dass die Übernahme dieser Aufgabe nach seinem Vertrag nicht geschuldet sei.

Die Kündigung vom 28. September 2018 könne auch nicht mit seiner Äußerung über den Charakter und den Führungsstil des Geschäftsführers der Beklagten begründet werden. Seine Charakterisierung als Choleriker sei bezogen auf die althergebrachte Unterscheidung der vier verschiedenen Temperamente (Choleriker, Melancholiker, Phlegmatiker und Sanguiniker) zutreffend. Diese Bezeichnung sei nicht abwertend oder herabwürdigend gemeint gewesen, was sich schon daraus ergebe, dass man in der althergebrachten Unterscheidung verschiedener Temperamente dem Choleriker auch positive Eigenschaften zuschreibe wie etwa seine Entschlossenheit, seine Furchtlosigkeit oder seine Willensstärke. Es wäre jedenfalls nicht die Absicht des Klägers gewesen, den Geschäftsführer damit zu kränken. Sollte dies unbeabsichtigt geschehen sein, bitte er – so erstmals im Berufungsrechtszug – den Geschäftsführer um Entschuldigung.

Der erst im Berufungsrechtszug keine zwei Wochen vor dem Kammertermin angekündigte Auflösungsantrag der Beklagten sei nicht begründet. Auflösungsgründe im Sinne von § 9 KSchG lägen nicht vor. In diesem Zusammenhang betont der Kläger, Dreh- und Angelpunkt des gesamten Konflikts der Parteien sei die Frage der angemessenen Bezahlung. Wie sich aus der Zeugenaussage von Herrn A.-K. vor dem Arbeitsgericht eindrucksvoll ergebe, habe die Beklagte erkannt, dass der Kläger über Fähigkeiten verfüge, die über die eines Mitarbeiters im Verkaufsinnendienst deutlich hinausgingen. Diese Fähigkeiten habe die Beklagte in der Vergangenheit gerne in Anspruch genommen, jedoch zu keinem Zeitpunkt angemessen vergütet. Allein die Weigerung des Geschäftsführers der Beklagten, das im Mai 2018 mit Herrn A.-K. erzielte Einvernehmen über die neue Arbeitsaufgabe und eine um 500 Euro monatlich erhöhte Vergütung arbeitsvertraglich umzusetzen, habe zu der bis heute andauernden Krise im Arbeitsverhältnis geführt. Es sei auch nicht zutreffend, wenn die Beklagte meint, er – der Kläger – habe die Krise durch sein Verhalten befeuert. Die Beklagte könne nicht erwarten, dass er die zahllosen Kündigungen klaglos hinnehme. Nach seinem Obsiegen vor dem Arbeitsgericht im vorliegenden Rechtsstreit sei es legitim, dass er nunmehr auch den Annahmeverzugslohn für die Zeit von August 2018 bis Mitte Januar 2019 einklage.

Da die Beklagte den Auflösungsantrag erst kurz vor dem abschließenden Kammertermin angekündigt habe, müsse dem Kläger vom Gericht wie beantragt eine Schriftsatznachlassfrist gewährt werden, damit er sich noch schriftsätzlich zu dem Antrag äußern könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages im Berufungsrechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Zutreffend hat das Arbeitsgericht die erste Kündigung vom 31. Juli 2018 als unwirksam erachtet. Allerdings hat das Berufungsgericht das Arbeitsverhältnis der Parteien auf den Hilfsantrag der Beklagten nach § 9 KSchG gegen Zahlung einer Abfindung zum Ablauf des 30. September 2018 aufgelöst. Die drei weiteren Kündigungen stehen hier zwar noch zur Entscheidung an, da sie bei Wirksamkeit zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem Auflösungszeitpunkt geführt hätten. Mit dem Arbeitsgericht geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass keine dieser Kündigungen das Arbeitsverhältnis beendet hat.

I.

Die Kündigung vom 31. Juli 2018 (erste Kündigung) hat das Arbeitsverhältnis der Parteien weder als außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund (§ 626 BGB) noch als hilfsweise ordentliche Kündigung beendet.

1.

Die Benutzung des Mobiltelefons durch den Kläger während der Arbeitszeit am 23. Juli 2018 für private Zwecke ist kein ausreichender Anlass für eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund im Sinne von § 626 BGB. Es handelt sich zwar um einen formalen Verstoß gegen das von der Beklagten gesetzte betriebliche Verbot, während der Arbeitszeit private Telefonate zu tätigen. Da dem Kläger in jener Zeit keine Arbeitsaufgaben übertragen waren, hatte das klägerische Verhalten allerdings keine negativen betrieblichen Auswirkungen und taugt schon aus diesem Grunde nicht als Kündigungsgrund.

Die Beklagte macht insoweit lediglich geltend, dass sich die Kolleginnen und Kollegen des Klägers, die in demselben Büro arbeiteten, und die sich an das Verbot gebunden fühlten, ohne Reaktion der Beklagten auf das klägerische Fehlverhalten ungerecht behandelt gefühlt hätten. Das mag zwar eine negative betriebliche Auswirkung des Fehlverhaltens des Klägers darstellen, der aber angesichts des betriebsbekannten Konflikts zwischen den Parteien des Rechtsstreits keine eigenständige Bedeutung zukommt.

Im Übrigen hat das Arbeitsgericht zutreffend darauf abgestellt, dass ein Verstoß gegen das Verbot der Privatnutzung von Telefonen während der Arbeitszeit typischerweise erst im Wiederholungsfalle nach einer Abmahnung geeignet wäre, eine Kündigung zu rechtfertigen. Dem ist die Beklagte im Berufungsrechtszug nur unzureichend entgegengetreten. Denn es wird zwar behauptet, der Kläger sei insoweit abgemahnt, es wird aber weder eine Abmahnung dazu vorgelegt, noch wird die behauptete Abmahnung in zeitlicher und inhaltlicher Sicht näher erläutert.

2.

Zutreffend ist auch die Erkenntnis des Arbeitsgerichts, dass das Nichterscheinen des Klägers zur Arbeit in der Zeit vom 24. bis zum 26. Juli 2018 die Kündigung nicht zu rechtfertigen vermag.

Der Kläger hat für diese Zeit – nach entsprechender Vorankündigung – von seinem Recht auf Zurückhaltung seiner Arbeitskraft Gebrauch gemacht, da er bereits seit mehreren Wochen nicht mehr von der Beklagten beschäftigt worden ist. Es kann dahinstehen, ob im vorliegenden Falle tatsächlich alle Voraussetzungen für die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts vorgelegen haben. Denn entscheidend ist, dass der Kläger in Ausübung eines ihm prinzipiell zustehenden Rechts der Arbeit ferngeblieben ist. Das Nichterscheinen am Arbeitsplatz ist daher nicht Ausdruck einer Missachtung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten. Vielmehr stellt es den Versuch dar, durch den Aufbau von Druck den Vertragspartner dazu anzuhalten, zu einem vertragstreuen Verhalten zurückzukehren.

Wenn die Beklagte dies wegen einer anderen rechtlichen Bewertung des Verhaltens zum Anlass einer Kündigung nehmen will, hätte sie den Kläger zuvor abmahnen müssen, um unmissverständlich klar zu machen, dass sie das klägerische Verhalten, weil es eine beharrliche Arbeitsverweigerung darstelle, bei Fortsetzung zum Anlass einer Kündigung nehmen werde.

3.

Die Kündigung vom 31. Juli 2018 hat auch unter dem Gesichtspunkt der beharrlichen Arbeitsverweigerung am 27. Juli 2018 nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend ebenso bewertet. Das Berufungsvorbringen der Beklagten erfordert lediglich einige ergänzende Bemerkungen.

Die beharrliche Weigerung eines Arbeitnehmers, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen, ist „an sich“ geeignet, eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Das gilt nicht nur für die Weigerung, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen (BAG 14. Dezember 2017 – 2 AZR 86/17 – Rn. 29), sondern auch für die Verletzung von Nebenpflichten (BAG 19. Januar 2016 – 2 AZR 449/15 – Rn. 29). Ein Arbeitnehmer weigert sich beharrlich, seinen vertraglichen Pflichten nachzukommen, wenn er sie bewusst und nachhaltig nicht erfüllen will (ständige Rechtsprechung vgl. zuletzt noch BAG 28. Juni 2018 – 2 AZR 436/17 – AP Nr. 270 zu § 626 BGB = NZA 2018, 1259).

Gemessen an diesem Maßstab kann die Weigerung des Klägers am 27. Juli 2018, Ware umzuetikettieren oder sich fürderhin um die Optimierung des Paletten-Umlaufs zu kümmern, nicht als beharrliche Arbeitsverweigerung angesehen werden.

a)

Das Arbeitsgericht hat dazu festgestellt, dass es nach Durchführung der Beweisaufnahme durch Vernehmung des seinerzeitigen Gesprächspartners des Klägers, Herrn R., gerade nicht feststehe, dass dieser den Kläger förmlich angewiesen habe, die eine oder die andere Tätigkeit zu erledigen. Es besteht kein Anlass, diese Feststellung zu revidieren. Denn der Zeuge hat zunächst bekundet, dem Kläger seien diese Tätigkeiten angeboten und angewiesen worden. In Hinblick auf das Beweisthema war die Aussage also unergiebig. Auch auf mehrfache Nachfrage von Seiten der Richterbank hat sich der Zeuge nicht eindeutig positioniert. Wenn aber der Vertreter des Arbeitgebers in diesem Gespräch sich schon nicht in der Lage sieht, seine Ansprache an den Kläger eindeutig zu klassifizieren, kann es dem Kläger nicht zum Vorwurf gereichen, wenn er die Ansprache lediglich als Angebot für die Wiederbelebung des Arbeitsverhältnisses begriffen hat.

Es besteht kein Anlass für das Berufungsgericht, diese Bewertung durch das Arbeitsgericht in Frage zu stellen, zumal die Beklagte diesbezüglich im Berufungsrechtszug lediglich den bereits erstinstanzlich eingenommenen Standpunkt wiederholt. Sie hat sich weder mit der Aussage des von ihr benannten Zeugen auseinandergesetzt noch mit den darauf bezogenen Erwägungen des Arbeitsgerichts.

b)

Selbst wenn man hilfsweise zu Gunsten der Beklagten unterstellt, Herr R. habe den Kläger am 27. Juli 2018 „klar und eindeutig“ (so die Berufungsbegründung) angewiesen, die Waren umzuetikettieren bzw. sich fürderhin um die Optimierung des Paletten-Umlaufs zu kümmern, kann in der Weigerung des Klägers, die eine oder die andere Aufgabe anzunehmen, keine beharrliche Arbeitsverweigerung erblickt werden.

aa)

Das Berufungsgericht teilt den Standpunkt des Klägers, dass das Umetikettieren der Waren nicht zum Berufsbild des kaufmännischen Mitarbeiters gehört. Auch insoweit ist die Einlassung des Zeugen R. aufschlussreich. Denn dieser schildert, dass diese Aufgabe lediglich in ferner Vergangenheit an dem alten Betriebsstandort der Beklagten in Winsen gelegentlich von kaufmännischen Mitarbeitern bei Bedarf miterledigt wurde. Daraus muss das Gericht schließen, dass die Beklagte während der Beschäftigungszeit des Klägers bei der Beklagten bisher von keinem der kaufmännischen Mitarbeiter eine entsprechende Tätigkeit abverlangt hat. – Im Übrigen fehlt es vollständig an der Darstellung der negativen betrieblichen Auswirkungen dieses Fehlerverhaltens des Klägers.

bb)

Die Weigerung des Klägers, sich fürderhin um die Optimierung des Paletten-Umlaufs zu kümmern, kann ebenfalls nicht als beharrliche Arbeitsverweigerung qualifiziert werden.

In erster Linie stellt das Berufungsgericht darauf ab, dass die Gesamtumstände darauf schließen lassen, dass der Kläger lediglich eine zukünftige Arbeitsverweigerung in Aussicht gestellt haben kann. Denn eine tatsächliche Arbeitsverweigerung setzt voraus, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zur Erfüllung seiner Aufgabe einen funktionstüchtigen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt, damit dieser die ihm angewiesene Arbeitsaufgabe überhaupt erledigen kann. Zum Zeitpunkt der streitigen Anweisung am 27. Juli 2018 stand dem Kläger aber kein zur Erfüllung der Aufgabe der Optimierung des Paletten-Umlaufs geeigneter Arbeitsplatz zur Verfügung. Dabei ist zu beachten, dass es diesen Arbeitsplatz bei der Beklagten zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben hatte. Man hätte ihn, wenn der Kläger zugestimmt hätte, zunächst einrichten müssen. Das betrifft nicht nur den Schreibtisch mit Computer und Telefon, sondern ebenso eine entsprechende Kommunikation innerhalb des Betriebes, damit auch die Beschäftigten, die mit Paletten zu tun haben, dem Kläger die notwendige Zuarbeit leisten.

Wenn allerdings vom Arbeitnehmer lediglich eine zukünftige Arbeitsverweigerung angekündigt wird, kann und muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer androhen, für den Fall der Aufrechterhaltung der Weigerungshaltung eine Kündigung gewärtigen zu müssen. Bleibt es bei der Ankündigung einer zukünftigen Arbeitsverweigerung, weil der Arbeitgeber – wie hier – den Plan, diesen Arbeitsplatz zu schaffen, angesichts der Weigerung des Klägers aufgibt, liegt kein Fall der Arbeitsverweigerung vor.

Ergänzend hat das Gericht berücksichtigt, dass es der Beklagten nicht gelungen ist, die sich aufdrängenden Zweifel, ob die dem Kläger angediente Aufgabe noch von seinen arbeitsvertraglichen Pflichten umfasst ist, auszuräumen. Der Kläger ist laut Arbeitsvertrag Mitarbeiter im Verkaufsinnendienst. Das ist eine Aufgabe, die unter einem Vorgesetzten, der einen kontrolliert und anleitet, erfüllt wird. Das ist nicht vergleichbar mit der Stabsaufgabe, einen bestimmten Bereich des Betriebes zu analysieren, um aus der Prozessanalyse Optimierungsmöglichkeiten abzuleiten. Hätte sich der Kläger dieser Aufgabe gewidmet, wäre er auf sich allein gestellt gewesen und hätte zunächst ein geeignetes Konzept für die Analyse entwickeln müssen und die daraus gewonnen Daten dann eigenständig bewerten müssen, um dann schließlich unter Zuhilfenahme seines Sachverstandes Optimierungspotential auszuloten. Das ist eine typische Ingenieursaufgabe, die sowohl von der Verantwortung wie von der Vergütung deutlich oberhalb der arbeitsvertraglichen Absprachen der Parteien anzusiedeln wäre.

4.

Eine andere Bewertung der zur Begründung der Kündigung vorgetragenen Gründe lässt auch eine Gesamtschau aller Vorwürfe nicht zu.

Soll eine fristlose Kündigung auf mehrere Einzelvorfälle gestützt werden, die jeder für sich betrachtet keinen wichtigen Grund darstellen, kann eine gemeinsame Betrachtung aller einzelnen Vorfälle nur dann zu einer anderen Gesamtbewertung führen, wenn sich durch die Gesamtbetrachtung neue zusätzliche Erkenntnisse ergeben. Das ist hier offensichtlich nicht der Fall.

Die drei der Kündigung vom 31. Juli 2018 zu Grunde liegenden Vorwürfe sind ihrem Lebenssachverhalt nach so unterschiedlich, dass sich das Gericht nicht in der Lage sieht, aus der gemeinsamen Betrachtung der drei Vorwürfe weitere Folgerungen zu ziehen. Es gibt keinen gemeinsamen Nenner zwischen dem verbotenen Privattelefonat während der Arbeitszeit, der Einstellung der Arbeit wegen eines in Anspruch genommenen Zurückbehaltungsrechts und der dem Kläger vorgeworfenen Missachtung arbeitgeberseitiger Arbeitsanweisungen. Dass alle drei Vorgänge im weiteren Sinne mit dem Oberthema Arbeitszeit zusammenhängen, ermöglicht noch nicht die von der Beklagten gewünschte Folgerung, dass sich daraus in der Summe ein eigenständiger wichtiger Grund zur Kündigung ergibt.

Dasselbe gilt, wenn man die vorausgegangenen Abmahnungen mit einbezieht. Die behauptete Abmahnung wegen privater Telefonate während der Arbeitszeit ist nur behauptet aber nicht belegt worden. Die drei vorhandenen Abmahnungen betreffen zwar auch im weiteren Sinne Fragen der Arbeitszeit. Aus der abgemahnten eigenmächtigen Abkürzung des Arbeitstages zum Feierabend hin kann aber nicht gefolgert werden, der Kläger müsste sich dadurch bei der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts oder gar bei der ihm vorgeworfenen Missachtung arbeitgeberseitiger Arbeitsanweisungen vorgewarnt fühlen.

5.

Die hilfsweise als ordentliche Kündigung ausgesprochene Kündigung vom 31. Juli 2018 hat ebenfalls nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt. Ihr fehlt die soziale Rechtfertigung im Sinne von § 1 KSchG.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet aufgrund der Anzahl der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer das Kündigungsschutzgesetz Anwendung (§ 23 KSchG). Die Kündigung könnte demnach nur dann zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt haben, wenn sie sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1 KSchG gewesen wäre. Das ist nicht der Fall.

a)

Erstinstanzlich hatte die Beklagte vorgetragen, die hilfsweise ordentliche Kündigung sei wegen dringender betrieblicher Erfordernisse im Sinne von § 1 KSchG gerechtfertigt. Sie hat allerdings die Voraussetzungen für eine wirksame betriebsbedingte Kündigung nicht vorgetragen. Es fehlt bereits an einer belastbaren Darstellung des Wegfalls des Arbeitsplatzes des Klägers. Der nicht weiter ausgeführte Hinweis, von den Abteilungsleitern wolle inzwischen niemand mehr mit dem Kläger zusammenarbeiten, reicht zur Darlegung des Wegfalls des Arbeitsplatzes offensichtlich nicht aus.

b)

Auch die zur Begründung der außerordentlichen Kündigung herangezogenen Gründe reichen zur Darstellung einer sozial gerechtfertigten verhaltensbedingten Kündigung nicht aus.

Bezüglich des betrieblich verbotenen privaten Telefonierens während der Arbeitszeit und bezüglich des Vorwurfs der Arbeitsverweigerung in der Zeit vom 24. bis zum 26. Juli 2018 fehlt es an der vorausgehenden Androhung einer Kündigung für den Wiederholungs- oder Fortsetzungsfall (Abmahnung). Insofern kann auf die obigen Ausführungen zur außerordentlichen Kündigung Bezug genommen werden.

Das gilt in vergleichbarer Weise auch für die Vorwürfe, die die Beklagte gegen den Kläger in Zusammenhang mit seinem Verhalten bei dem Gespräch mit Herrn R. am 27. Juli 2018 erhoben hat. Wenn man mit dem Gericht in der Hauptbegründung davon ausgeht, dass der Kläger nicht erkennen musste, dass Herr R. ihm Weisungen zu seiner zukünftigen Tätigkeit erteilt hat, fehlt es bereits an einem pflichtwidrigen Verhalten des Klägers. Wegen der Einzelheiten kann auch insoweit auf die obigen Ausführungen zur außerordentlichen Kündigung Bezug genommen werden.

Geht man mit der Hilfsbegründung des Gerichts davon aus, dass Herr R. den Kläger erkennbar angewiesen hatte, die in Rede stehenden Tätigkeiten zu erledigen, ergibt sich im Ergebnis nichts Anderes. Da der Kläger nach seinem Arbeitsvertrag nicht verpflichtet war, die Waren umzuetikettieren, fehlt es insoweit an einer Pflichtverletzung. Da die Weigerung des Klägers, sich fürderhin um die Optimierung des Paletten-Umlaufs zu kümmern, wegen des Nichtvorhandenseins dieses Arbeitsplatzes lediglich die Ankündigung einer zukünftigen Arbeitsverweigerung darstellen kann, kann man nur die Ankündigung einer zukünftigen Pflichtverletzung feststellen, die aber nicht in die Tat umgesetzt wurde. Im Übrigen bleiben die Bedenken bestehen, ob die dem Kläger angediente Aufgabe der Prozessoptimierung noch als im Rahmen des Arbeitsvertrages geschuldet angesehen werden kann. Wegen der Einzelheiten kann auch insoweit auf die obigen Ausführungen zur außerordentlichen Kündigung Bezug genommen werden.

II.

Allerdings ist der erstmals im Berufungsrechtszug gestellte Hilfsantrag der Beklagten auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG begründet.

Nach § 9 Absatz 1 Satz 2 KSchG hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Das ist hier der Fall.

1.

Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber im Sinne von § 9 Absatz 1 Satz 2 KSchG kommen alle Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, eine Wertung seiner Persönlichkeit, Leistung oder Eignung für die ihm übertragenen Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist, ob die objektive Lage bei Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz die Besorgnis rechtfertigt, eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit sei gefährdet (BAG 24. Mai 2018 – 2 AZR 73/18 – AP Nr. 72 zu § 9 KSchG 1969 = NJW 2018, 3131 unter Bezugnahme auf BAG 19. November 2015 – 2 AZR 217/15 – Rn. 60).

In diesem Sinne kann auch das Verhalten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess die Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Parteien zur Verteidigung ihrer Rechte schon im Hinblick auf das rechtliche Gehör (Art. 103 Absatz 1 GG) alles vortragen dürfen, was als rechts-, einwendungs- oder einredebegründender Umstand prozesserheblich sein kann. Anerkannt ist insbesondere, dass ein Verfahrensbeteiligter starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen darf, um seine Rechtsposition zu unterstreichen, selbst wenn er seinen Standpunkt vorsichtiger hätte formulieren können. Das gilt freilich nur in den Grenzen der Wahrheitspflicht. Zudem dürfen die Parteien nicht leichtfertig Tatsachenbehauptungen aufstellen, deren Unhaltbarkeit ohne Weiteres auf der Hand liegt (BAG 24. Mai 2018 aaO mit weiteren Nachweisen).

Der Arbeitgeber kann sich zur Begründung seines Auflösungsantrags sogar auf Gründe berufen, auf die er zuvor erfolglos die ausgesprochene Kündigung gestützt hat. In diesen Fällen muss er indes im Einzelnen vortragen, weshalb die unzureichenden Kündigungsgründe einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit entgegenstehen sollen. Der Vortrag des Arbeitgebers dazu muss so beschaffen sein, dass sich das Gericht, wollte es die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf dieses Vorbringen stützen, nicht in Widerspruch zu seiner Beurteilung des Kündigungsgrundes als unzureichend setzen müsste (BAG 24. Mai 2018 aaO mit weiteren Nachweisen).

2.

Vorliegend hat die Beklagte geltend gemacht, das gesamte Prozessverhalten des Klägers verbunden mit der öffentlichen Charakterisierung des Geschäftsführers als – überspitzt ausgedrückt – angsteinflößendem Choleriker vor großem Publikum im ersten Teil der Kammerverhandlung am 27. September 2018 lasse den Schluss zu, dass es keine Grundlage mehr für eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit gebe. Diese Einschätzung wird vom Berufungsgericht jedenfalls im Ergebnis geteilt.

a)

Ausgangspunkt dieser Bewertung ist die Äußerung des Klägers über den Charakter und den Führungsstil des Geschäftsführers der Beklagten im ersten Teil der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 27. September 2018.

Entscheidend ist für das Gericht allerdings nicht die von der Beklagten betonte Bewertung der klägerischen Aussage in ihrer Wirkung auf den Geschäftsführer. Es kommt für den Auflösungsantrag im hiesigen Zusammenhang nicht darauf an, ob die klägerische Aussage herabwürdigend oder beleidigend war.

Entscheidend ist, dass der Kläger mit seiner Äußerung ungewollt gezeigt hat, was ihn antreibt, den Rechtsstreit so zu führen wie er ihn geführt hat. Er begreift den Rechtsstreit als einen Machtkampf zwischen sich und dem Geschäftsführer und er verfolgt das Ziel, dem Geschäftsführer seine Grenzen aufzuzeigen. Das ergibt sich mit hinreichender Sicherheit aus dem Kontext, in dem die Äußerung gefallen ist.

Die Äußerung ist im Rahmen der beim Arbeitsgericht in Kündigungsrechtsstreitigkeiten häufig vorkommenden Verhandlungen über einen Beendigungsvergleich gegen Zahlung einer Abfindung gefallen. Der Arbeitnehmer oder sein Anwalt versuchen in dieser Situation typischerweise der Arbeitgeberseite klarzumachen, dass sie wegen des gegebenen Annahmeverzugsrisikos auch bei Vereinbarung einer satten Abfindung im Vergleich zur Zahlung von Annahmeverzugslohn, der ohne einen Beendigungsvergleich zu zahlen wäre, wirtschaftlich gesehen vorteilhaft dastehen würden. Die Arbeitgeberseite betont dann üblicherweise das Risiko, dass der Arbeitnehmer den Rechtsstreit auch verlieren könnte und beruft sich – wie hier – ergänzend auf Prinzipien und Vorgaben der Geschäftsführung zur Höhe einer Abfindungszahlung, in die häufig auch rechtsferne Überlegungen zur Vermeidung von Nachahmungseffekten für zukünftige arbeitsrechtliche Streitigkeiten eine Rolle spielen.

In der konkreten Verhandlungssituation hatte die Beklagte geltend gemacht, ein weiteres Zugehen auf den Kläger in der Frage der angemessenen Abfindungshöhe werde an den Vorgaben des Geschäftsführers scheitern. Die an dieser Stelle vom Kläger spontan getätigte Äußerung über den Charakter und den Führungsstil des Geschäftsführers kann in Hinblick auf sein Verhandlungsziel, eine bessere Abfindung auszuhandeln, nur als kontraproduktiv angesehen werden. Das muss ihm als in einem Handelsunternehmen ausgebildetem Kaufmann klar gewesen sein. Will man den erfolgreichen Verhandlungsabschluss herbeiführen, ist es in aller Regel unklug, den Verhandlungspartner persönlich anzugreifen.

Da der Kläger in seinen Schriftsätzen seine Rechtsposition stets ausschließlich sachbezogen und ohne jegliche Polemik gegen seinen Arbeitgeber zum Ausdruck gebracht hat, muss der Antrieb für die in der Verhandlungssituation völlig unpassende spontane Äußerung des Klägers über den Charakter und den Führungsstil des Geschäftsführers auf einem anderen Feld gesucht werden. Mangels anderer Erklärungsansätze geht das Gericht mit der Beklagten davon aus, dass der Kläger sich zu der spontanen Äußerung hat hinreißen lassen, weil er damit billig Sympathiepunkte beim anwesenden Publikum – eine Gruppe Betriebsräte, die im Rahmen einer Schulung eine Verhandlung des Arbeitsgerichts besucht haben – erwerben konnte. Diese Einschätzung wird durch seine Einlassung zum Führungsstil des Geschäftsführers bestätigt, wo er betont, alle hätten Angst vor dem Geschäftsführer, nur er nicht.

Beide Indizien stützen die Feststellung des Gerichts, dass der Kläger den Rechtsstreit als einen Machtkampf zwischen sich und dem Geschäftsführer begreift. Der Kläger sieht sich aufgrund seiner finanziellen Unabhängigkeit und vielleicht sogar aufgrund einer von ihm gesehenen intellektuellen Überlegenheit als einziger Beschäftigter der Beklagten in der Lage, dem Geschäftsführer seine Grenzen aufzuzeigen.

b)

Zutreffend hebt die Beklagte hervor, dass sich auch das klägerische Verhalten in den Vergleichsverhandlungen im zweiten Teil der Kammerverhandlung am 14. Januar 2019 nahtlos in dieses Bild fügt.

In dieser Verhandlung war die Beklagte aus der Sicht des Klägers – umgangssprachlich ausgedrückt – endlich eingeknickt und hatte ihr Einverständnis mit einer Abfindung in der vom Kläger bisher gewünschten Höhe signalisiert. Aber statt darauf einzugehen, verweigert der Kläger die Zustimmung zu dem vom Kammervorsitzenden bereits diktierten und vorgespielten Vergleichstext mit einem Argument, das in den gesamten bisherigen Verhandlungen keine Rolle gespielt hatte, nämlich dem Wunsch, weiterhin bei der Beklagten beschäftigt zu sein. Auch dieser offensichtliche Bruch mit seiner bisherigen Verhandlungsposition – Zustimmung zur Beendigung, wenn die Abfindungshöhe stimmt – lässt sich eigentlich nur damit erklären, dass der Kläger den Rechtsstreit aus sachfremden Erwägungen führt, nämlich um einen Machtkampf mit dem Geschäftsführer auszufechten.

c)

Ergänzend stützt das Gericht seine Feststellung, dass der Kläger den Rechtsstreit als einen Machtkampf zwischen ihm und dem Geschäftsführer begreift und er ihn aus diesem Grunde weiter betreibt, auf ein weiteres Indiz.

Es muss festgestellt werden, dass der zur Ablehnung des Beendigungsvergleichs in der abschließenden Kammerverhandlung vor dem Arbeitsgericht am 14. Januar 2019 vorgetragene Wunsch, weiter bei der Beklagten arbeiten zu können, in einem deutlichen Spannungsverhältnis zu dem weiteren Verhalten des Klägers steht, das er nach der Aufforderung der Beklagten, die erfolgreich erstrittene Prozessbeschäftigung tatsächlich wahrzunehmen, gezeigt hat.

Denn die klägerische Ankündigung vom 29. Januar 2019 von seinem Zurückbehaltungsrecht wegen Zahlungsrückständen ab dem 1. Februar 2019 Gebrauch zu machen, wenn bis zu diesem Zeitpunkt nicht sämtliche aufgelaufenen Entgeltansprüche seit August 2018 erfüllt sind (Kopie hier Blatt 273 ff), spricht schon aufgrund der unzumutbar kurz gewählten Frist eher dafür, dass der Kläger nunmehr vorrangig einen Weg sucht, den Konsequenzen des von ihm erstrittenen Prozesserfolgs zu entkommen. In dieses Bild passt dann auch das gescheiterte Ansinnen, mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Arbeitsgericht eine gerichtliche Feststellung im Sinne von § 256 ZPO zu erstreiten, dass dem Kläger wegen der Entgeltrückstände ein Recht zustehe, seine Arbeitsleistung zu verweigern.

d)

Aus den obigen Feststellungen ergibt sich, dass zwischen den Parteien eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit im Sinne von § 9 Absatz 1 Satz 2 KSchG nicht mehr zu erwarten ist.

Im Arbeitsverhältnis muss sich der Arbeitnehmer loyal gegenüber dem Arbeitgeber verhalten. Das bedeutet, dass sein Verhalten die betrieblichen Zwecke nicht gefährden darf. Diese sind in erster Linie in dem gemeinsamen betrieblichen Erfolg zu sehen, der nicht durch das Austragen persönlicher Fehden in Frage gestellt werden darf. Das gilt insbesondere dann, wenn ein Arbeitnehmer – wie hier der Kläger – meint, mittels des Arbeitsverhältnisses einen Machtkampf mit dem Geschäftsführer ausfechten zu müssen. Aus dem Prozessverhalten des Klägers ergibt sich mit hinreichender Sicherheit, dass er den hier gezeigten Machtkampf bei Fortführung des Arbeitsverhältnisses nicht einstellen würde.

e)

Zusätzlich wird die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch das Gericht eigenständig auch noch darauf gestützt, dass die klägerische Äußerung über den Charakter und den Führungsstil des Geschäftsführers der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 27. September 2018 zumindest als eine Kränkung anzusehen ist, die der weiteren gedeihlichen Zusammenarbeit hinderlich entgegensteht.

Das Attribut cholerisch ist heutzutage eindeutig abwertend belegt. Dies gilt insbesondere dann, wenn damit eine betriebliche Führungspersönlichkeit charakterisiert werden soll. Denn die Führung einer Organisation auf der Basis von Befehl und Gehorsam wird heutzutage als überholt und kontraproduktiv angesehen. Insofern bezeichnet heute eine cholerische Führungspersönlichkeit eine Person, die sich bei ihrer Führungsaufgabe nicht im Griff hat, worunter die geführten Personen zu leiden haben.

Genau in diesem Sinne hat auch der Kläger seine Äußerung zum Charakter und Führungsstil des Geschäftsführers der Beklagten gemeint. Das ergibt sich sowohl aus dem Gesprächskontext wie auch aus der Betonung der angeblichen Angst der Untergebenen vor ihrem Geschäftsführer.

Der spätere schriftsätzlich Versuch des Klägers, die Äußerung im Kontext der althergebrachten Lehre von den vier Temperamenten auf eine wissenschaftlich korrekte Aussage über den Geschäftsführer zu reduzieren, verfängt nicht. Denn die Äußerung war für das Publikum im Verhandlungssaal gedacht und sie hat durch die Verbindung der behaupteten Charaktereigenschaft mit den negativen betrieblichen Auswirkungen auf die Mitarbeiter („Angst“) genau die oben bezeichnete herabsetzende Konnotation gehabt.

Daran ändert auch die vom Kläger im Berufungsrechtszug formulierte Entschuldigung nichts. Diese kann schon deshalb nicht mildernd berücksichtigt werden, da sie bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vom Geschäftsführer nicht angenommen wurde. Im Übrigen leidet die Entschuldigung an mangelnder Überzeugungskraft, da der Kläger nicht erklärt hat, welche Umstände sein Fehlverhalten verzeihlich machen sollen. Der bloße Hinweis darauf, dass der Kläger den Geschäftsführe nicht kränken wollte, ist angesichts des bereits beschriebenen Zusammenhangs, in dem die Äußerung gefallen ist, und angesichts der Verbindung der Charaktereigenschaft mit den vom Kläger gesehenen negativen Auswirkungen auf den Betrieb und seine Mitarbeiter, unglaubwürdig.

Auch diese Kränkung des Geschäftsführers steht einer weiteren gedeihlichen Zusammenarbeit der Parteien hinderlich entgegen. Da der Kläger keine Bereitschaft gezeigt hat, seine spontane Äußerung in der streitigen Verhandlung später zu relativieren oder gar als fehlerhaft zurückzunehmen, muss das Gericht davon ausgehen, dass der Kläger sie nach wie vor für richtig hält. Dies steht einer weiteren gedeihlichen Zusammenarbeit der Parteien selbst dann entgegen, wenn diese Äußerung im Kern zutreffend sein sollte. Denn die Äußerung zeigt, dass der Kläger den Geschäftsführer in seiner Führungsrolle nicht anerkennt.

3.

Nach dem Gesetz wird das Arbeitsverhältnis zu dem Zeitpunkt aufgelöst, der sich aus einer fristgemäßen ordentlichen Kündigung ergeben würde. Das ist hier der 30. September 2018.

Der Kläger ist bei der Beklagten einschließlich seiner Ausbildungszeit seit Februar 2013 beschäftigt. Damit war er zum Zeitpunkt der Kündigung vom 31. Juli 2018 zwar mehr als fünf Jahre bei der Beklagten beschäftigt aber noch keine acht Jahre. Aus diesen Daten ergibt sich nach § 622 Absatz 2 BGB eine Kündigungsfrist von zwei Monaten zum Monatsende. Da dem Kläger die Kündigung noch am 31. Juli 2018 ausgehändigt wurde, hätte das Arbeitsverhältnis bei wirksamer ordentlicher Kündigung mit Ablauf des 30. September 2018 geendet. Es ist daher zu diesem Zeitpunkt aufgelöst worden.

Bei der Bemessung der angemessenen Höhe der Abfindung ist das Gericht bis an die gesetzliche Grenze aus § 10 KSchG gegangen und hat eine Abfindung von einem vollen Bruttomonatsentgelt pro vollendetem Beschäftigungsjahr zu Grunde gelegt. Unter Berücksichtigung von Sonderzahlungen hat das Gericht das durchschnittliche Bruttomonatseinkommen des Klägers mit 3.000 Euro brutto eingeschätzt. Daraus ergibt sich die festgesetzte Abfindung in Höhe von 15.000 Euro.

Die Abfindung muss in dieser Höhe festgesetzt werden, da die Beklagte den sozialen Geltungsanspruch des Klägers durch den Entzug von Arbeitsaufgaben seit Mai 2018 nachhaltig missachtet hat und sie ihn in der Folgezeit mit einer Vielzahl von Kündigungen, die teilweise mit kaum nachvollziehbaren Argumenten begründet wurden, zusätzlich unter Druck gesetzt hat. Dieses Fehlverhalten muss sich in der Höhe, der von der Beklagten zu zahlenden Abfindung, widerspiegeln.

Die Festsetzung einer noch höheren Abfindung ist nicht möglich. Aus § 10 Absatz 2 Satz 1 KSchG lässt sich indirekt schließen, dass der Gesetzgeber die Festsetzung einer Abfindung von einem vollen Bruttomonatsentgelt pro vollendetem Beschäftigungsjahr als die Obergrenze einer denkbaren Abfindungszahlung ansieht.

4.

Der Auflösungsantrag war zum Schluss der mündlichen Verhandlung des Landesarbeitsgerichts entscheidungsreif. Es trifft zwar zu, dass der Auflösungsantrag der Beklagten erst so kurz vor der mündlichen Verhandlung gestellt wurde, dass der Kläger keine Gelegenheit mehr hatte, dazu in einem Schriftsatz Stellung zu nehmen. Es muss aber beachtet werden, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung persönlich anwesend war, und im Rahmen der mündlichen Verhandlung der Auflösungsantrag ausführlich erörtert wurde. Da nicht ersichtlich ist, zu welchen Aspekten des Auflösungsantrages der Kläger noch weiter vortragen wollte, hat das Gericht ihm nicht wie beantragt eine Schriftsatznachlassfrist gewährt.

III.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht vor dem gerichtlichen Auflösungszeitpunkt mit Ablauf des 30. September 2018 geendet, da keine der weiteren außerordentlichen Kündigungen, die vor diesem Datum ausgesprochen wurden, vor dem Gesetz Bestand hat.

1.

Die außerordentliche Kündigung vom 22. August 2018 hat das Arbeitsverhältnis offensichtlich nicht beendet, denn sie ist weder vor dem Arbeitsgericht noch im Berufungsrechtszug nachvollziehbar begründet worden.

Ausweislich des Kündigungstextes (Anlage K 7, hier Blatt 77) wird dem Kläger vorgeworfen, er habe mit dem anwaltlichen Schriftsatz vom 14. August 2018 sich vorsätzlich falsch zu den Geschehnissen am 27. Juli 2018 eingelassen. Dieser Vorwurf ist nicht nachvollziehbar. Es trifft zwar zu, dass sich der Kläger in diesem Schriftsatz zu den Geschehnissen an diesem Tage nur unvollständig eingelassen hat. Zu den Ereignissen am 27. Juli 208 verhält sich nur der eine kurze im Tatbestand wörtlich und vollständig zitierte Absatz, der keinerlei falsche Sachverhaltsdarstellung enthält. Auffällig ist lediglich, dass der Kläger sich damit zu dem gesamten Gespräch mit Herrn R. an diesem Tage nicht eingelassen hat. Da er sich dazu überhaupt nicht eingelassen hat, kann er sich zu Einzelheiten dieses Gesprächs allerdings auch nicht vorsätzlich unwahr eingelassen haben.

Das hat das Arbeitsgericht ebenso bewertet, ohne dass die Beklagte sich damit im Berufungsrechtszug auseinandergesetzt hat.

2.

Auch die außerordentliche Kündigung vom 17. September 2018 (Anlage B 4, hier Blatt 87) hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht vor Ablauf des 30. September 2018 beendet.

a)

Die Kündigung wird zum einen darauf gestützt, dass der Parteivortrag des Klägers, man habe ihm im Gespräch am 27. Juli 2018 unverbindlich verschiedene Angebote bezüglich seiner zukünftigen Arbeitsaufgabe unterbreitet, wissentlich unwahr sei.

Darauf lässt sich die Kündigung nicht stützen, denn, wie bereits oben ausgeführt, konnte und durfte der Kläger die Ansprache von Herrn R. zu seinen zukünftigen Aufgaben in diesem Sinne verstehen. Das hat das Gericht bereits oben damit begründet, dass Herr R., selbst als Zeuge vernommen, seine seinerzeitige Ansprache an den Kläger nicht eindeutig klassifizieren konnte. Wegen der Einzelheiten wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

b)

Die Beklagte stützt diese Kündigung im Weiteren darauf, dass sich der Kläger im Rechtsstreit vorsätzlich unwahr dazu eingelassen habe, wie er seine Weigerung, die Aufgabe der Optimierung des Paletten-Umlaufs zu übernehmen, gegenüber Herrn R. in dem Gespräch am 27. Juli 2018 begründet habe.

Der Kläger habe im Rechtsstreit sich dahin eingelassen, er habe das damit begründet, dass diese Aufgabe nicht zu seiner arbeitsvertraglichen Position als Innendienstmitarbeiter im Verkauf passe. Das sei unwahr, tatsächlich habe sich der Kläger in dem Gespräch dahin eingelassen, dass er bei Übernahme dieser Aufgabe zu viel von seinem Wissen preisgeben müsse.

Unter Einbeziehung des Gesprächskontextes kann das Gericht in den unterschiedlichen Ausdrucksweisen für die Weigerung des Klägers keinen kündigungsrelevanten Unterschied erkennen. Im Kern steht der Kläger auf dem nachvollziehbaren Standpunkt, die ihm angetragene Aufgabe der Optimierung des Paletten-Umlaufs müsse man in Bezug auf Schwierigkeit und Verantwortung deutlich oberhalb der Aufgabe und der Vergütung des Klägers ansiedeln. Im Gespräch am 27. Juli 2018 hat er diesen Sachverhalt indirekt dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er betonte, er müsse zu viel seines – zur Aufgabenbewältigung benötigten und bei ihm vorhandenen – Wissens dafür preisgeben. Im Rechtsstreit umschreibt er denselben Sachverhalt eher nüchtern juristisch, in dem er darauf abstellt, dass diese Tätigkeit nicht mehr zum Berufsbild des Innendienstmitarbeiters im Verkauf passe. Im Kern geht es immer um die Frage, ob nicht die Übernahme einer solch anspruchsvollen Aufgabe berechtigt davon abhängig gemacht werden darf, dass auch die Vergütung angehoben wird.

3.

Auch die außerordentliche Kündigung vom 28. September 2018 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien ebenfalls nicht vor Ablauf des 30. September 2018 beendet.

Dies ergibt sich schon daraus, dass die Beklagte nicht vorgetragen hat, dass diese Kündigung dem Kläger bereits vor Ablauf des 30. September 2018 zugegangen war. Aber selbst dann, wenn man zu Gunsten der Beklagten unterstellt, die Kündigung sei dem Kläger bereits vor dem 30. September 2018 zugegangen, ergibt sich daraus für das Arbeitsverhältnis der Parteien kein früherer Beendigungszeitpunkt, da es an einem wichtigen Grund für die Kündigung im Sinne von § 626 BGB mangelt.

a)

Der an den Kläger gerichtete Vorwurf, dieser habe im Rechtsstreit bewusst unwahr behauptet, ihm sei vorgerichtlich von Herrn R. eine Abfindung in Höhe von 0,5 bis 0,8 Bruttomonatsentgelten pro Beschäftigungsjahr angeboten worden, ist offensichtlich nicht geeignet, die Kündigung zu begründen.

Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten unterstellt, Herr R. habe vorgerichtlich nur eine Abfindung im Bereich zwischen 0,3 bis 0,5 Bruttomonatsentgelten pro Beschäftigungsjahr angeboten und wenn man zusätzlich unterstellt, der Kläger hätte diesen Rahmen bewusst falsch wiedergegeben, kann die falsche Wiedergabe der Verhandlungspositionen aus den vorgerichtlichen Abfindungsverhandlungen keinen versuchten Prozessbetrug darstellen, da es sich insoweit um Umstände und Informationen handelt, die für die gerichtliche Entscheidungsfindung offensichtlich ohne Bedeutung sind. Denn die Äußerung ist im Zusammenhang der Vergleichsgespräche gefallen, die vom Gericht lediglich moderiert werden.

Ein Betrugsversuch durch Irrtumserregung des für die Beklagte im Termin anwesenden Herrn A.-K. kann ebenfalls ausgeschlossen werden, denn Herr A.-K. wusste zu jeder Zeit, welche Vorgaben die Geschäftsführung für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung gemacht hatte. Er hat sich durch den falschen Bericht des Klägers über die vorgerichtlichen Verhandlungen nicht täuschen lassen. Ein Irrtum ist bei ihm nicht erregt worden.

b)

Auch die Äußerungen des Klägers im ersten Teil der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 27. September 2018 über den Charakter und den Führungsstil des Geschäftsführers der Beklagten stellen keinen wichtigen Grund zur Kündigung im Sinne von § 626 BGB dar.

Das Gericht hat bereits oben bei den Ausführungen zur gerichtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Charakter dieser Äußerung beschrieben. Darauf kann hier Bezug genommen werden. Diese Äußerung hat den Geschäftsführer der Beklagten herabgewürdigt. Als wichtiger Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses reicht dies allerdings nicht aus. Denn die Äußerung ist in einer durch die Nichtbeschäftigung des Klägers und durch zahlreiche Kündigungen aufgeheizten Situation außerhalb des Betriebes vor den Schranken des Gerichts gefallen. Wegen der zahlreichen Beiträge der Beklagten zur Aufheizung der Situation sieht sich das Gericht nicht in der Lage, die Feststellung treffen, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei den Parteien wegen dieser unbedachten spontanen Äußerung des Klägers unzumutbar.

IV.

Weitere sachliche Entscheidungen stehen nicht an. Wegen der Auflösung des Arbeitsverhältnisses steht der Weiterbeschäftigungsantrag und der entsprechende Urteilstenor zu 2 nicht mehr zur Entscheidung des Berufungsgerichts an.

Der erstinstanzlich hilfsweise gestellte und richtigerweise vom Arbeitsgericht nicht beschiedene Antrag auf Urlaubsabgeltung ist im Berufungsrechtszug nicht angefallen. Denn der Kläger hat einen dahingehenden Antrag im Berufungsrechtszug nicht – auch nicht hilfsweise – gestellt. Für das Gericht bestand insoweit auch kein Anlass zur Nachfrage, da sich die Umstände durch die tatsächliche Urlaubsgewährung für den Kläger in der zweiten Januarhälfte 2019 ohnehin verändert hatten.

V.

Die Nebenentscheidungen sind wie folgt begründet.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben beiden Parteien nach § 92 ZPO je zur Hälfte zu tragen, da bei einer wertenden Betrachtung der Kläger durch den Erfolg des Auflösungsantrages der Beklagten den Rechtsstreit zur Hälfte verloren hat. Ein Anlass zur Abänderung der Kostenentscheidung des Arbeitsgerichts besteht wegen der Zurückweisung der Berufung nicht.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision aus § 72 ArbGG sind nicht erfüllt. Soweit das Gericht sein Urteil auf Rechtssätze stützt, handelt es sich durchweg um Rechtssätze, die aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entnommen sind.

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