Fristlose Kündigung wegen Arbeitszeitbetrug – Annahmeverzugslohn
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 06.10.2022, Az. 9 Ca 1286/21, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und der Klarstellung halber insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 14.10.2021 nicht außerordentlich mit sofortiger Wirkung aufgelöst wurde, sondern bis zum 31.01.2022 fortbestanden hat.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 15.000,00 EUR brutto abzgl. am 22.10.2021 gezahlter 917,91 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 2.832,09 EUR seit dem 01.11.2021 und aus jeweils 3.750,00 EUR seit dem 01.12.2021, 01.01.2022 und 01.02.2022 zu zahlen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 18 % und die Beklagte zu 82 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten zuletzt noch um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung und restliche Vergütungsansprüche.
Die Klägerin war bei der Beklagten ab dem 01.06.2020 als System Managerin (Grafikdesignerin) in Vollzeit beschäftigt, zuletzt mit 38 Wochenstunden zu einem Bruttomonatsgehalt von 3.750 EUR. Zu ihren Aufgaben zählten unter anderem die Überarbeitung von Webseiten sowie die Erstellung von Dokumenten, Vorlagen und Corporate-Design. Vom 01.10.2020 bis 01.10.2021 arbeitete sie im Homeoffice, wozu sie von der Beklagten einen Laptop und ein I-Phone erhielt. Eine Arbeitszeiterfassung gab es nicht. Am 04.10.2021 wurde die Klägerin von der Beklagten von ihrer Arbeitsleistung freigestellt, da diese meinte, ihre Arbeitsleistung habe erheblich nachgelassen. Aufforderungsgemäß gab sie der Beklagten Dienst-Laptop und I-Phone zurück. Eine Überprüfung des Browserverlaufs ergab für die Beklagte, dass die Klägerin mit dem Laptop des öfteren Webseiten ohne dienstlichen Bezug besucht hatte, in der Zeit vom 21. – 29.09.2021 an 6 Arbeitstagen insgesamt über mehrere Stunden (wegen der diesbezüglichen Browserverlaufsdaten wird auf Bl. 56 ff. d.A. Bezug genommen). Vor diesem Hintergrund hörte sie die Klägerin am 08.10.2021 unter Fristsetzung zum 13.10.2021 wegen des dringenden Verdachts auf Arbeitszeitbetrug an mit der Begründung, die Klägerin habe während ihrer von 9 bis 16 Uhr vergüteten Arbeitszeit teilweise ausschließlich private Dinge erledigt und in dieser Zeit ihre Arbeitsleistung nicht erbracht. Nachdem die Klägerin hierauf nicht reagierte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 14.10.2021 außerordentlich mit sofortiger Wirkung, hilfsweise ordentlich unter Einhaltung der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist von 3 Monaten zum 31.01.2022. Bei der Beklagten handelt es sich um einen Kleinbetrieb im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes. Als Vergütung für Oktober 2021 erhielt die Klägerin am 22.10.2021 einen Betrag von 917,91 EUR netto. Am 15.12.2021 meldete sie sich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend. Vermittlungsangebote erhielt sie keine, ebenso wenig (jedenfalls bis zum 31.01.2022) Arbeitslosengeld. Sonstigen anderweitigen Verdienst erzielte sie bis zum 31.01.2022 nicht. Zum 01.03.2022 trat sie eine neue Arbeitsstelle an.
Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, die von der Beklagten angeführte „Kernarbeitszeit“ von 9 bis 16 Uhr sei weder vereinbart worden noch im Betrieb üblich gewesen. Viele andere Arbeitnehmer hätten ihre Arbeit häufig erst später begonnen oder seien nachmittags früher gegangen. Sie selbst habe sich, erst recht im Homeoffice, ihre Arbeitszeit vereinbarungsgemäß sowie ständiger Übung entsprechend frei einteilen dürfen, zumal sie ihre Arbeitsaufgaben durchweg selbständig und ohne Notwendigkeit einer ständigen Kommunikation mit der Beklagten erledigt habe. Die im Betrieb gestattete private Internetnutzung habe sich nicht auf Pausenzeiten beschränkt. Sie habe sich während der Coronapandemie im Homeoffice, stellenweise zusätzlich im Lockdown sowie mehrfach in Quarantäne befunden und sich dadurch einer massiven psychischen Belastung und sozialen Isolation ausgesetzt gefühlt. Vor diesem Hintergrund habe es ihr geholfen, im Homeoffice eine angenehmere, nicht mehr so einsame Arbeitsatmosphäre dadurch zu schaffen, dass sie sich während ihrer Arbeit teilweise von populären Netflixserien, Musikvideos oder Podcasts habe berieseln lassen. Ihre Konzentration habe dies nicht beeinträchtigt, insbesondere da sie die Netflixserien nicht geschaut habe, sondern lediglich die vertrauten Stimmen im Hintergrund habe laufen lassen, um ein Gefühl von Gemeinschaft und Gesellschaft vermittelt zu bekommen. Sie sei für ihre Arbeit nicht auf eine ständige Nutzung des Laptops angewiesen gewesen, sondern habe häufig offline gearbeitet, etwa mit Programmen wie InDesign, Illustrator oder Photoshop. Ihre Arbeitsaufgaben habe sie stets ordnungsgemäß erledigt, mitunter auch an Wochenenden gearbeitet und unter der Woche Überstunden geleistet. Bei manchen Einträgen aus dem von der Beklagten vorgelegten Browserverlauf für die Zeit vom 21. – 29.09.2021 habe es sich um Recherchen für die Beklagte und damit um Arbeitszeit gehandelt. Dies betreffe etwa den Besuch der Seiten „WordPress“ und „Xing“ am 21.09., „Connex Shop“, „Made In Design“ und „Nordic Nest“ am 22.09. (im letztgenannten Fall habe sie im Auftrag des Geschäftsführers der Beklagten Champagnergläser für die Geburtstagsfeier der Kollegin M. gesucht), „Blogotheque“ am 23.09. sowie „LinkedIn“ am 24.09. Vergütungsansprüche hat die Klägerin für die Zeit von Oktober 2021 bis Januar 2022 geltend gemacht sowie eine Zielerreichungsprämie in Höhe von (nach Teilzahlung noch verbleibender) 7.666,67 EUR brutto.
Nachdem die Klägerin ursprünglich beantragt hatte,
1) festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis mit der Beklagten durch die fristlose Kündigung der Beklagten mit Datumsangabe „14.10.2021“ nicht beendet wurde, sondern dessen ungeachtet ungekündigt und unbefristet fortbesteht;
2) festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis mit der Beklagten auch durch die fristgerechte Kündigung der Beklagten mit Datumsangabe „14.10.2021“ nicht beendet wurde, sondern dessen ungeachtet ungekündigt und unbefristet fortbesteht;
3) festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis mit der Beklagten auch durch andere Beendigungstatbestände nicht beendet wird/wurde, sondern dessen ungeachtet ungekündigt und unbefristet fortbesteht;
4) die Beklagte zu verurteilen, sie zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen;
5) die Beklagte zu verurteilen, an sie € 15.000,– brutto nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz aus jeweils € 3.750,– brutto seit dem 31. Oktober, 30. November und 31. Dezember 2021 sowie seit 31. Januar 2022 zu zahlen, abzüglich am 22. Oktober 2021 gezahlter 917,91 € netto;
6) die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere € 7.666,67 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 3. November 2021, abzüglich am 24. Januar 2022 gezahlter 2.627,92 € netto zu zahlen,
am 24.03.2022 ein klagestattgebendes Teilurteil über einen Teilbetrag der eingeklagten Zielerreichungsprämie in Höhe von 2.750 EUR brutto ergangen (und zwischenzeitlich rechtskräftig geworden) ist, die Parteien ihre obigen Anträge zu 2), 3), 4) und 6) in der zweiten Kammerverhandlung vor dem Arbeitsgericht am 06.10.2022 übereinstimmend unter Kostenaufhebung für erledigt erklärt haben,
hat die Klägerin zuletzt noch die Anträge zu 1) und 5) gestellt.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung sei als Tat-, jedenfalls aber als Verdachtskündigung wegen Arbeitszeitbetrugs der Klägerin gerechtfertigt. Bei ihr sei grundsätzlich in der Kernarbeitszeit von 9 bis 16 Uhr Arbeit zu leisten, mit einer flexiblen Pause von 30 Minuten. Die Klägerin habe sich ihre Arbeitszeit nicht frei einteilen dürfen. Vom 21. – 29.09.2021 habe sie während ihrer Arbeitszeit insgesamt 225 Minuten privat im Internet verbracht und dort unter anderem Netflixserien geschaut, Bankgeschäfte erledigt, eine Eigentumswohnung, eine Ferienwohnung in M-Stadt, ein WG-Zimmer, gebrauchte I-Phones und Schutzhüllen, Sekt- und Champagnergläser, Aufbewahrungsboxen, Wohnaccessoires oder Damenunterwäsche gesucht sowie Fotos der Musikerin Billie Eilish aufgerufen. So habe sie – nach Abzug einer Pause von 30 Minuten – am 21.09. 38 Minuten privat im Internet verbracht, am 22.09. 21 Minuten, am 23.09. 25 Minuten, am 24.09. 49 Minuten, am 27.09. 54 Minuten, am 28.09. 16 Minuten und am 29.09. 71 Minuten (wegen der diesbzgl. Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 08.01.2022 S. 4 ff. [Bl. 46 ff. d.A.] verwiesen). In diesen Zeiten habe die Klägerin ihre Arbeitsleistung nicht erbracht. Ihr obliegende Arbeitsaufgaben seien unter anderem gewesen, Blogbeiträge von madafa.de auf blog.madafa.de umzuziehen und Dokumente sowie diverse Kundenwebseiten zu überarbeiten wie etwa Z.de, Y.de oder X.. Die Klägerin habe ihr Homeoffice bewusst ausgenutzt und sich 45 Minuten Arbeitszeit pro Tag erschlichen. Darin liege ein so schwerer Vertrauensbruch, dass eine vorherige Abmahnung entbehrlich gewesen sei. Die Klägerin wisse, dass die Arbeitszeiten an die telefonische Erreichbarkeit gekoppelt seien. Es sei lebensfremd, auf einer Videoplattform Serien zu streamen, sich dabei aber angeblich nur von deren Tonspur berieseln zu lassen. Die Internetrecherchen hätten die Konzentration der Klägerin ebenfalls gebunden und eine Erbringung von Arbeitsleistung während dieser Zeiten nicht ermöglicht. Zudem werde im Betrieb zur Kommunikation unter den Mitarbeitern eine Software namens „Slack“ genutzt. Dabei handle es sich um einen webbasierten Instant-Messaging-Dienst, in dem sich die Mitarbeiter untereinander austauschten, aber auch morgens bei Arbeitsantritt an- und bei Feierabend wieder abmeldeten. Ebenso erfolgten kurze Infos an die Kollegen, wenn eine Pause eingelegt werde. Die Auswertung der dortigen Chatverläufe für die Zeit vom 21. – 29.09.2021 habe bestätigt, dass die Klägerin während ihrer täglichen Arbeitszeit in erheblichem Umfang private Dinge erledigt habe. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf den Beklagtenschriftsatz vom 20.05.2022 (Bl. 213 ff. d.A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat mit Schlussurteil vom 06.10.2022 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten nicht aufgelöst werde, sondern bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31.01.2022 fortbestanden habe. Weiter hat es die Beklagte zur Zahlung der Bruttomonatslöhne von Oktober 2021 bis Januar 2022 in Höhe von 15.000 € brutto, abzüglich gezahlter 917,91 € netto „nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31.10.2021, 30.11.2021 und 31.12.2021“ verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe einen wichtigen Grund iSv § 626 Abs. 1 BGB nicht darlegen können. Auf die private Nutzung des Internets und der zu dienstlichen Zwecken zur Verfügung gestellten Geräte berufe sie sich zur Stützung ihrer Kündigung nicht. Dies könne ihre Kündigung ohne vorangegangene Abmahnung auch nicht rechtfertigen. Die Klägerin habe mit ihren Angaben im Messaging-Dienst „Slack“ zwar den Eindruck eines Arbeitsvolumens vorgetäuscht, welches nicht den Tatsachen entsprochen habe, dies allerdings nicht zum Zwecke der Bezahlung. Die Beklagte habe die Arbeitszeiten, wie sie sich aus dem Slackverlauf ergäben, gerade nicht vergütet. Dass die Klägerin aber nicht einmal die ihr obliegenden 38 Wochenstunden erbracht habe, sei nicht ersichtlich, zumal die Beklagte nicht dargelegt habe, warum die Klägerin lediglich online hätte arbeiten können. Ebenso wenig habe die Beklagte konkret angegeben, welche Arbeiten die Klägerin bis zum Ausspruch der Kündigung hätte erledigen müssen, ohne dass dies tatsächlich geschehen wäre. Eine Kernarbeitszeit sei nicht anzunehmen, da dies nur bei gleitender Arbeitszeit Sinn mache, es diese aber bei der Beklagten ersichtlich nicht gegeben habe. Zudem hätten die Arbeitnehmer nach dem Vortrag der Beklagten ihre Pausen flexibel nehmen dürfen, womit es sich nicht mehr um einen festen Kern an Arbeitszeit handle. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils (Bl. 282 f. d. A.) Bezug genommen.
Gegen dieses ihr am 03.03.2023 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit beim Landesarbeitsgericht am 06.03.2023 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage Berufung eingelegt und diese mit beim Landesarbeitsgericht am 03.05.2023 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage begründet. Zur Begründung führt sie nach Maßgabe ihres Berufungsbegründungsschriftsatzes vom 03.05.2023 (Bl. 304 ff. d.A.), auf den ergänzend Bezug genommen wird, aus, die Klägerin habe im Messaging-Dienst Slack Arbeitszeiten vorgetäuscht, die nicht den Tatsachen entsprochen hätten. Sie sei keineswegs nur für ihre Kernarbeitszeit von 9 bis 16 Uhr, sondern für sämtliche Arbeitszeiten vergütet worden. Sie habe mit den von ihr gemeldeten Zeiten ihre Arbeitsleistung angeboten, diese aber nur teilweise erbracht. Die vom Arbeitsgericht aufgeworfenen Fragen, welche Arbeiten sie hätte erledigen müssen, ohne dass dies tatsächlich geschehen wäre, und ob sie ihr geschuldetes Zeitvolumen von 38 Wochenstunden erbracht habe, seien nicht relevant, da nicht geleistete Arbeit nicht nachgeholt werden könne. Bei dem Einwand der Klägerin, sie habe auch offline Arbeitsleistung erbringen können, handle es sich um eine unbeachtliche Schutzbehauptung. Aus dem Browserverlauf sei erkennbar, dass sie teils ohne Unterbrechung Hunderte von Webseiten aufgesucht habe. Es sei nicht plausibel, dass sie in dieser Zeit parallel Arbeitstätigkeiten erledigt haben wolle. Zum anderen habe die Klägerin nicht erklären können, wie sie an dem Gerät, an dem sie gleichzeitig stundenlang gesurft und gestreamt habe, ihre Arbeitsleistung hätte erbringen wollen. Mit den Voraussetzungen der Verdachtskündigung habe sich das Arbeitsgericht überhaupt nicht befasst. Es hätte den Kündigungsschutzantrag abweisen müssen. Gleiches gelte für die Vergütungsklage, zumal sich die Klägerin erst am 15.12.2021 arbeitslos gemeldet und damit die Erzielung von Zwischenverdienst böswillig iSv § 11 Nr. 2 KSchG unterlassen habe. Dem Arbeitnehmer könne bei der in diesem Rahmen durchzuführenden Gesamtabwägung arbeitsrechtlich zugemutet werden, was ihm das Gesetz ohnehin abverlange, hier in Gestalt des § 38 Abs. 1 SGB III, der die Pflicht für den Arbeitnehmer statuiere, sich binnen 3 Tagen nach Erhalt einer außerordentlichen Kündigung bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Die Klägerin habe sich mit dieser Meldung ganze 2 Monate Zeit gelassen und damit die Möglichkeit verhindert, rechtzeitig Stellenangebote der Bundesagentur für Arbeit zu erhalten. Sie wäre aufgrund ihres Alters, ihrer Qualifikation sowie angesichts des Fachkräftemangels sehr gut vermittelbar gewesen. Da sie aus dem arbeitsgerichtlichen Urteil bereits die vorläufige Vollstreckung betrieben und auf diesem Wege 14.315,79 EUR erhalten habe, bestehe gem. § 717 Abs. 2 S. 1 ZPO ein entsprechender Rückzahlungsanspruch.
Die Beklagte beantragt,
1. das am 06.10.2022 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Mainz zum Az. 9 Ca 1286/21 abzuändern und die Klage abzuweisen;
2. die Klägerin für den Fall der Abänderung des Urteilstenors zu 2) in der Hauptsache zu verurteilen, an sie 14.315,79 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie trägt nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 26.05.2023 (Bl. 331 ff. d.A.), auf den ergänzend Bezug genommen wird, vor, die Beklagte trage die Darlegungslast für angeblich nicht geleistete Arbeitszeiten und vermeintlich nicht erledigte Arbeitsaufgaben. Dieser Darlegungslast sei sie nicht ausreichend nachgekommen. Da sie auf eine Aufzeichnung der Arbeitszeiten verzichtet habe, seien auch in erheblichem Maß angefallene Überstunden unberücksichtigt geblieben. Eine unterlassene Meldung beim Arbeitsamt könne ihr bereits nach dem Wortlaut des § 615 BGB nicht entgegengehalten werden, da die Vorschriften über den Annahmeverzug keine Obliegenheit des Arbeitnehmers begründeten, die Vermittlung der Bundesanstalt für Arbeit in Anspruch zu nehmen. Sie sei durch den überraschenden Kündigungsausspruch, den Betrugsvorwurf und das beklagtenseits kompromisslos und mit ungewöhnlicher Härte geführte Gerichtsverfahren psychisch erheblich belastet. Von Böswilligkeit auf ihrer Seite könne keine Rede sein.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die nach § 64 Abs. 1 und 2 lit. b), c) ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.
II.
In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch nur zu einem geringen Teil hinsichtlich der Zinsansprüche Erfolg. In der Hauptsache hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt, dass die außerordentliche Kündigung der Beklagten unwirksam ist und der Klägerin die geltend gemachten Annahmeverzugslohnansprüche zustehen.
1. Die primär ausgesprochene fristlose Tatkündigung wegen Arbeitszeitbetrugs ist unwirksam.
a) Die Prüfung der Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung erfolgt in zwei Stufen: Auf der ersten Stufe ist zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt an sich, also ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls, geeignet ist, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung iSv § 626 Abs. 1 BGB abzugeben. Bejahendenfalls ist sodann auf der zweiten Stufe zu prüfen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (BAG 16.07.2015 – 2 AZR 85/15 – Rn. 21; 19.01.2016 – 2 AZR 449/15 – Rn. 28; 29.06.2017 – 2 AZR 302/16 – Rn. 11; 14.12.2017 – 2 AZR 86/17 – Rn. 27; 23.08.2018 – 2 AZR 235/18 – Rn. 12; 13.12.2018 – 2 AZR 370/18 – Rn. 15, juris). Nicht erforderlich ist die Verletzung arbeitsvertraglicher Hauptpflichten, auch eine Nebenpflichtverletzung kann als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung genügen (BAG 27.01.2011 – 2 AZR 825/09 – Rn. 29; 08.05.2014 – 2 AZR 249/13 – Rn. 19; 23.08.2018 – 2 AZR 235/18 – Rn. 12, juris). Ausgehend hiervon fehlt es bereits an einem wichtigen Grund.
b) Zwar kann ein Arbeitszeitbetrug als solcher einen wichtigen Grund iSv § 626 Abs. 1 BGB abgeben und den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung grundsätzlich rechtfertigen (BAG 09.06.2011 – 2 AZR 381/10 – Rn. 14; 13.12.2018 – 2 AZR 370/18 – Rn. 17; LAG Rheinland-Pfalz 24.10.2017 – 8 TaBV 19/17 – Rn. 52, 55, juris). Dass die Klägerin einen solchen Arbeitszeitbetrug begangen hätte, hat die Beklagte indes nicht hinreichend dargelegt. Ein Arbeitszeitbetrug setzt voraus, dass Arbeitszeit gerade zum Zwecke der Bezahlung vorgetäuscht wird, also falsche Tatsachen vorgespiegelt werden, um nicht erbrachte Arbeitsleistung gleichwohl als Arbeitszeit vergütet zu bekommen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 24.10.2017 – 8 TaBV 19/17 – Rn. 54 ff., juris). Dafür fehlt es hier an ausreichenden Anhaltspunkten.
aa) Unstreitig gab es nach dem eigenen Vortrag der Beklagten bei dieser keine Arbeitszeiterfassung. Die bereits seit dem 01.10.2020 – also im Kündigungszeitpunkt seit einem Jahr – im Homeoffice tätige Klägerin wurde hinsichtlich ihrer Arbeitszeit auch nicht engmaschiger kontrolliert, etwa durch eine Arbeitszeiterfassung oder Anweisung, ihre täglichen Arbeitszeiten zu notieren. Die von der Beklagten erstinstanzlich angeführte „Kernarbeitszeit“ war tatsächlich keine solche, was die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung eingeräumt hat. Soweit während der Zeit von 9 bis 16 Uhr eine durchgängige Erreichbarkeit der Klägerin für ihren Arbeitgeber, Kunden oder Kollegen sichergestellt sein sollte, hat die Beklagte nicht behauptet, dass dies bei der Klägerin nicht der Fall gewesen wäre. Damit war die Klägerin auch während der angeführten, zu privaten Zwecken am Dienst-Laptop verbrachten Zeiten sowohl über das I-Phone wie auch über den Laptop zu erreichen und jederzeit ansprechbar.
bb) Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin mit ihrer „Anmeldung“ bzw. „Abmeldung“ im Rahmen der Mitarbeiterkommunikation beim Messaging-Dienst Slack der Beklagten rechtsverbindlich ihre minutengenaue Dauer der an den betreffenden Tagen erbrachten Arbeitsleistung nachweisen wollte, anstatt lediglich ihre Anwesenheit und Erreichbarkeit zu signalisieren (welche gegeben war). Die Beklagte hat auch nicht behauptet, den Messaging-Dienst ihren Mitarbeitern zur Verfügung gestellt zu haben, um dort deren Arbeitszeiten zu erfassen oder diese von ihnen erfassen zu lassen. Im Gegenteil hat sie mit Schriftsatz vom 08.01.2022 (dort S. 1, Bl. 43 d.A.) vorgetragen, eine Arbeitszeiterfassung gebe es bei ihr nicht. Sie nutzte die Software nach ihrem eigenen Vorbringen „für die Kommunikation unter den Mitarbeitern“ (Schriftsatz vom 20.05.2022 S. 1, Bl. 213 d.A.). Der Messaging-Dienst war mithin für den Austausch der Mitarbeiter untereinander gedacht, nicht aber als Instrument zur täglichen Arbeitszeiterfassung. Dass die Klägerin gleichwohl davon hätte ausgehen müssen oder ausgegangen wäre, ist weder ersichtlich noch hätte die Beklagte dies substantiiert behauptet. Erst recht nicht ist ersichtlich oder von der Beklagten vorgetragen, dass, wann und auf welchem Wege sie der Klägerin erklärt oder gar mit ihr vereinbart hätte, aufgrund der An- und Abmeldung bei Slack werde die minutengenaue Arbeitsleistung ermittelt und auf gerade dieser Grundlage die monatliche Vergütung gezahlt. Da aus dem von der Beklagten für die Zeit vom 21. – 29.09.2021 vorgelegten Slackverlauf ersichtlich ist, dass die Klägerin sich an jedem Tag zu anderen Zeiten an- und abmeldete, und auch die Zeitspanne zwischen diesen beiden Endpunkten an den einzelnen Tagen differierte, hätte die Beklagte jeden Monat minutengenau abrechnen und vergüten müssen. Dass sie dies tatsächlich getan hätte, ist nicht erkennbar. Die von ihr mit Schriftsatz vom 25.02.2022 eingereichte Abrechnung für August 2021 weist – abgesehen von Sonderzahlungen – lediglich das reguläre Bruttomonatsgehalt von 3.750 EUR aus. Dass etwaige Unter- oder Überstunden bei verstetigtem Bruttomonatsgehalt auf einem separaten Arbeitszeitkonto nachgehalten worden wären, ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Die bloße Behauptung der Beklagten in der Berufungsbegründung, über den Zeitrahmen von 9 bis 16 Uhr hinaus erbrachte Arbeitsleistung sei „selbstverständlich“ vergütet worden, genügt insoweit nicht. Vielmehr hätte sie im Einzelnen darlegen müssen, welche (Über- bzw. Mehr-)Arbeitszeiten sie der Klägerin für welche Tage über das vereinbarte Bruttomonatsgehalt hinaus vergütet haben will. Die Augustabrechnung weist weder Überstundenvergütung für den laufenden oder den Vormonat noch ein Arbeitszeitguthaben oder einen diesbezüglichen Negativsaldo aus. Hätte die Beklagte tatsächlich minutengenau nach den Einträgen im Slackverlauf abgerechnet, hätte sich für August kaum der glatte Betrag von 3.750 EUR brutto ergeben. Dass die Klägerin ihre von der Beklagten gerügte und im Browserverlauf dargestellte vielfältige Internetnutzung aber erst plötzlich vom einen auf den anderen Monat (also von August auf September) begonnen und daher im August noch exakt 38 Wochenstunden gearbeitet hätte, ist unwahrscheinlich und von der Beklagten ebenfalls nicht vorgetragen.
cc) Die Beklagte hat daher nicht dargelegt, dass und in welchem Umfang sie die Klägerin für welche vorgetäuschten Arbeitszeiten ungerechtfertigt vergütet oder die Klägerin dies zumindest erwartet hätte, weil sie davon ausgegangen wäre, dass die Beklagte gerade die Slack-Zeiten als rechtsverbindliche Erklärung ihr gegenüber zur täglich wechselnden Dauer ihrer Arbeitszeit auffassen und auf genau dieser Grundlage die minutengenaue Vergütung berechnen und auszahlen würde.
dd) Dass die Klägerin ihre regulären 38 Wochenstunden pflichtwidrig nicht abgeleistet, der Beklagten aber gleichwohl Gegenteiliges vorgespiegelt hätte, ist ebenfalls nicht ersichtlich.
aaa) Dies ergibt sich schon daraus, dass die Klägerin lediglich eine Wochenarbeitszeit schuldete, die Beklagte aber für die beiden hier streitgegenständlichen Kalenderwochen 38/2021 (20. – 24.09.) und 39/2021 (27.09. – 01.10.) die tatsächliche wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin nicht dargelegt hat. So hat sie für die KW 38 zum 20. und 24.09. sowie für die KW 39 zum 30.09. und 01.10. keine Ausführungen getätigt. Daher blieb bei der gem. § 3 Satz 1 des Arbeitsvertrages wie auch des Nachtrags hierzu vom 07.10.2020 anzustellenden wöchentlichen Betrachtung von vornherein offen, ob die Klägerin in den genannten Kalenderwochen ihr arbeitsvertragliches Stundensoll unterschritten, erreicht oder überschritten hat. Es ist durchaus denkbar, dass sie unter Berücksichtigung der von der Beklagten nicht näher dargelegten Arbeitstage ihr jeweiliges Wochensoll erreicht hat, zumal die von der Beklagten angeführten Slackzeiten für sämtliche substantiiert aufgeführten Tage – zum Teil deutlich – über der rechnerisch durchschnittlichen täglichen Arbeitszeit der Klägerin von (38 : 5 =) 7,6 Stunden liegen. Dies erscheint auch angesichts des von der Beklagten für beide Wochen benannten Gesamtvolumens der privaten Internetbesuche der Klägerin von 225 Minuten (Beklagtenschriftsatz vom 08.01.2022 S. 7, Bl. 49 d.A.) keineswegs ausgeschlossen.
Aus diesem Grunde kam es weder darauf an, ob und in welchem zeitlichen Rahmen die Klägerin Arbeitszeit hätte nachholen können, noch darauf, wie oft sie offline bzw. online arbeiten musste oder ob es ihr möglich war, parallel zu ihrer Arbeit am PC Netflixserien laufen zu lassen.
bbb) Zudem handelt es sich bei den von der Beklagten angeführten Internetzeiten der Klägerin nicht sämtlich um Zeiten ohne Arbeitsleistung.
(1) Dies gilt zunächst hinsichtlich der Netflixserien. Insoweit hat die Klägerin vorgetragen, ihre psychische Belastung infolge Einsamkeit im Homeoffice und angesichts verschiedener Lockdown- sowie persönlicher Quarantänezeiten durch die Tonspur der Serie gemildert zu haben. Dies habe ihre Arbeitsleistung nicht beeinträchtigt, da sie nicht ständig online habe arbeiten müssen. Gleiches gelte, wenn sie Podcasts oder Musikvideos gehört habe. Darin mag die Beklagte eine Schutzbehauptung sehen. Dies genügt jedoch nicht. Der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Kündigungsgründe wie auch für die Widerlegung vom Arbeitnehmer vorgebrachter Rechtfertigungsgründe (BAG 17.06.2003 – 2 AZR 123/02 – Rn. 25; 06.09.2007 – 2 AZR 264/06 – Rn. 24; 18.09.2008 – 2 AZR 1039/06 – Rn. 29; 27.09.2012 – 2 AZR 646/11 – Rn. 28, juris). Der Vortrag der Klägerin erscheint nicht von vornherein unwahr oder konstruiert. Es ist ein durchaus bekanntes Phänomen, dass manche Menschen bei ihrer Arbeit Musik, Radio, Fernsehen oder ähnliches im Hintergrund laufen lassen, ohne dadurch von ihrer Arbeit abzulassen, sei es, um sich nicht allein zu fühlen, um in angenehmerer Atmosphäre zu arbeiten, um eine Geräuschkulisse zu haben oder aus sonstigen Gründen. Dass auch die Klägerin zu dieser Gruppe zählt, erscheint weder ausgeschlossen noch lebensfremd, zumal sie unstreitig nicht ausschließlich online arbeiten musste.
(2) Hinsichtlich weiterer Zeiten hat die Klägerin unwidersprochen vorgetragen, diese hätten dienstlichen Bezug gehabt, namentlich der Besuch der Seiten WordPress und Xing (21.09.), Connex Shop, Made In Design und Nordic Nest (22.09.), Blogotheque (23.09.) und LinkedIn (24.09.). Dem ist die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten.
(3) Soweit die Beklagte vorträgt, die Klägerin hätte „teils durchgängig und ohne Unterbrechung Hunderte von Webseiten aufgesucht“, hat sie diese Behauptung nicht durch entsprechenden Sachvortrag substantiiert, sondern es bei einem Verweis auf den Browserverlauf belassen. Dieser bloße Verweis auf ein (hier über 80-seitiges) Anlagenkonvolut genügt indes nicht, denn Anlagen können Sachvortrag nur erläutern oder belegen, nicht aber ihn ersetzen; es ist auch nicht Aufgabe des Gerichts, sich insoweit mutmaßlichen Parteivortrag aus den Anlagen zusammenzusuchen (BAG 16.05.2012 – 5 AZR 347/11 – Rn. 29; 18.02.2016 – 6 AZR 629/14 – Rn. 25; 17.04.2019 – 7 AZR 292/17 – Rn. 42, juris).
(4) Damit ergibt sich für die einzelnen streitgegenständlichen Tage folgendes:
(a) Für den 21.09. verbleiben 57 Minuten, die nicht als Arbeitszeit gewertet werden können: 17 Minuten für Bankgeschäfte (12.25 Uhr bis 12.42 Uhr), 13 Minuten für die Suche nach einem I-Phone (12.47 Uhr bis 12.55 Uhr und 14.43 Uhr bis 14.48 Uhr) sowie 27 Minuten für die Suche nach einer Ferienwohnung (15.24 Uhr bis 15.51 Uhr). Geht man mit der Beklagten von den sich aus dem Slackverlauf ergebenden Arbeitszeiten aus, hat die Klägerin ihre Arbeit an diesem Tag morgens um 6.56 Uhr begonnen und nachmittags um 17.01 Uhr beendet. Dies entspricht einer Arbeitsdauer von 10 Stunden und 5 Minuten. Eine Pause ist hiervon gemäß der Äußerung der Klägerin im Slackverlauf vom 23.09.2021 (dort um 11.59 Uhr) nach dem Vortrag der Beklagten selbst nicht in Abzug zu bringen. Zieht man nun die 57 „privaten“ Minuten ab, verbleibt eine Arbeitszeit von (10:05 – 0:57 =) 9 Stunden und 8 Minuten. Die Klägerin schuldete indes lediglich (38 : 5 =) 7,6 Stunden, also 7 Stunden und 36 Minuten. Aus welchem Grunde sie diese Arbeitsleistung nicht erbracht haben soll, ist weder ersichtlich noch substantiiert vorgetragen.
(b) Für den 22.09. verbleiben lediglich 2 Minuten für eine private Suche bei Ikea von 13.39 Uhr bis 13.41 Uhr. Die Klägerin hat nach dem Slackverlauf von 6.59 Uhr bis 14.47 Uhr gearbeitet, was 7 Stunden und 48 Minuten entspricht. Zieht man hiervon die 2 Minuten ab, verbleiben 7 Stunden und 46 Minuten und damit immer noch 10 Minuten mehr, als der Klägerin an regulärer täglicher Arbeitszeit oblag. Eine Pause war gemäß ihrer Äußerung im Slackverlauf vom 23.09.2021 (dort um 11.59 Uhr) nach dem Vortrag der Beklagten selbst nicht in Abzug zu bringen.
(c) Für den 23.09. ergeben sich 12 private Minuten: 6 Minuten für die Seite Pinterest (11.01 Uhr bis 11.07 Uhr) und 6 Minuten für die Fotos von Billie Eilish (11.50 Uhr bis 11.56 Uhr). Die Arbeitsdauer betrug nach dem Slackverlauf 8 Stunden und 51 Minuten (7.09 Uhr bis 16 Uhr), diesmal abzüglich einer – indes unbezifferten – Pause. Nach dem Vortrag der Beklagten durften sich die Arbeitnehmer eine 30-minütige Pause nehmen. Damit würde sich die Arbeitszeit auf 8 Stunden und 21 Minuten, unter Abzug der vorgenannten 12 „privaten“ Minuten auf 8 Stunden und 9 Minuten reduzieren. Selbst wenn man zu Lasten der Klägerin eine einstündige Pause annähme (vor dem Hintergrund, dass sie mit Schriftsatz vom 08.03.2022 [dort S. 4, Bl. 189 d.A.] vorgetragen hat, viele Mitarbeiter hätten sich eine einstündige Pause genommen), läge die Arbeitszeit mit 7 Stunden und 39 Minuten immer noch über der durchschnittlich geschuldeten täglichen Sollarbeitszeit.
(d) Für den 24.09. wären von der beklagtenseits vorgetragenen privaten Internetzeit von 79 Minuten (9.46 Uhr bis 11.05 Uhr) 11 Minuten für die Seite LinkedIn abzuziehen, womit 68 Minuten verblieben. Insoweit hat die Beklagte indes weder Sachvortrag zu sonstigen Arbeitszeiten oder An-/Abmeldungen der Klägerin gehalten noch einen Slackverlauf vorgelegt. Daher konnte für diesen Tag nicht überprüft werden, ob im Ergebnis eine Unterschreitung der täglichen Sollarbeitszeit vorlag.
(e) Für den 27.09. ergeben sich insgesamt 14 Minuten privater Internetzeit: 4 Minuten für Sperrmüll (13.02 Uhr bis 13.06 Uhr) und 10 Minuten für die Suche nach Damenunterwäsche (14.31 Uhr bis 14.41 Uhr). Ausweislich der Slackzeiten meldete sich die Klägerin um 6.44 Uhr an und um 17 Uhr wieder ab. Dies ergibt eine Arbeitsdauer von 10 Stunden und 16 Minuten. Hiervon wäre eine Pause von 30/60 Minuten abzuziehen zzgl. der genannten 14 Minuten. Damit ergäbe sich eine Arbeitsdauer von 9 Stunden und 32 Minuten bzw. 9 Stunden und 2 Minuten. Ihre tägliche Sollarbeitszeit hätte die Klägerin in beiden Fällen übererfüllt.
(f) Für den 28.09. führt die Beklagte lediglich 46 Minuten für Netflix an, die indes aus den o.g. Gründen nicht zu Lasten der Klägerin gewertet werden können. Die Slackeinträge ergeben einen Arbeitsbeginn um 6.47 Uhr und ein Arbeitsende von 16.57 Uhr bei einer Pause von 11.06 Uhr bis 12.05 Uhr. Daraus folgt eine Arbeitsdauer von (10:10 – 0:59 =) 9 Stunden und 11 Minuten und damit ebenfalls eine Übererfüllung des durchschnittlichen Tagessolls.
(g) Für den 29.09. ergeben sich 125 private Minuten, da insoweit das Vorbringen der Beklagten (52 Minuten für WG-Suche [10.38 Uhr bis 11.02 Uhr und 13.17 Uhr bis 13.45 Uhr], 18 Minuten für Netflix [14.25 Uhr bis 14.43 Uhr], 33 Minuten für das Suchen nach Wohnaccessoires [15.27 Uhr bis 16 Uhr] sowie weitere 40 Minuten [7.58 Uhr bis 8.38 Uhr]) bis auf die Netflixzeit zu berücksichtigen ist. Nach dem Slackverlauf hat die Klägerin ihre Arbeitszeit an diesem Tag um 6.15 Uhr begonnen und um 16.04 Uhr beendet, bei einer Pause ab 12 Uhr. Daraus ergibt sich eine Arbeitsdauer von (9:49 – 2:05 =) 7 Stunden und 40 Minuten abzgl. einer Pause von 30/60 Minuten. Damit verblieben 7 Stunden und 10 Minuten bzw. 6 Stunden und 40 Minuten. Die Klägerin hätte damit ihr durchschnittliches Tagessoll allenfalls um (7:36 – 6:40 =) 56 Minuten unterschritten.
(5) Daraus ergibt sich, dass die Klägerin ihre tägliche Sollarbeitszeit lediglich am 29.09. unterschritten hat.
(a) Zum einen genügt dies nicht, um hierauf eine fristlose Kündigung zu stützen, da wegen der o.g. Ausführungen nicht von einem Betrug bzw. einer betrügerischen Absicht der Klägerin ausgegangen werden kann.
(b) Zum anderen ergibt sich aus der anzustellenden wöchentlichen Betrachtung des Arbeitsvolumens, dass die Klägerin in der KW 38/2021 an 3 Tagen (für den 20. und 24.09. fehlt es an Ausführungen der Beklagten) insgesamt (9:08 + 7:46 + 7:39 =) 24 Stunden und 33 Minuten gearbeitet hat, obgleich ihr insoweit lediglich (7:36 x 3 =) 22 Stunden und 48 Minuten oblagen. In der KW 39/2021 hat sie am Montag Überarbeit von 1:26 Stunden und am Dienstag von 1:35 Stunden geleistet, am Mittwoch dagegen ihr Tagessoll um 56 Minuten unterschritten. Damit blieb sie im Ergebnis noch im Plus, da es zu ihren Arbeitszeiten von Donnerstag und Freitag an entsprechendem Sachvortrag der Beklagten mangelt. Mithin konnte für keine der beiden Wochen eine Unterschreitung der regulären Arbeitszeit festgestellt werden. Die Darlegungs- und Beweislast oblag insoweit der Beklagten als dem kündigenden Arbeitgeber.
ccc) Aus den genannten Gründen fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten für die von der Beklagten behauptete betrügerische Erschleichung von Arbeitsvergütung. Ob die Klägerin – wie die Beklagte behauptet – diverse Arbeitsaufgaben hätte erledigen müssen, kann offenbleiben.
c) Daher erwies sich die außerordentliche Tatkündigung als unwirksam.
2. Entsprechendes gilt für die außerordentliche Verdachtskündigung der Beklagten.
a) Nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder sonstigen Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung abgeben. Jedes Arbeitsverhältnis setzt als personenbezogenes Dauerschuldverhältnis ein gewisses gegenseitiges Vertrauen der Vertragspartner voraus („vertragsnotwendige Vertrauenswürdigkeit“ [BAG 31.01.2019 – 2 AZR 426/18 – Rn. 21, juris]). Daher kann eine Verdachtskündigung gerechtfertigt sein, wenn starke, auf objektive Tatsachen gründende Verdachtsmomente vorliegen, die geeignet sind, dieses für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Der Verdacht muss dabei auf konkrete, vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende Tatsachen gestützt und dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine Kündigung nicht rechtfertigen könnte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen nicht aus(BAG 18.06.2015 – 2 AZR 256/14 – Rn. 21 f.; 17.03.2016 – 2 AZR 110/15 – Rn. 39; 02.03.2017 – 2 AZR 698/15 – Rn. 22; ferner BVerfG 15.12.2008 – 1 BvR 347/08 – Rn. 12, juris).
b) Ausgehend hiervon ergibt sich kein objektiv hinreichend erhärteter Verdacht gegen die Klägerin auf einen Arbeitszeitbetrug.
aa) Dass die Klägerin ihre Begrüßung und Verabschiedung im Messaging-Dienst Slack als rechtsverbindliche Angabe zu Beginn und Ende ihrer durchgängigen Arbeitszeit hätte verstanden wissen und der Beklagten dadurch eine zu ihren Gunsten längere Arbeitszeit als tatsächlich geschehen hätte vorspiegeln wollen, ist weder erkennbar noch von der Beklagten substantiiert dargelegt. Ebenso wenig gibt es Anhaltspunkte dafür, die Klägerin wäre davon ausgegangen oder hätte davon ausgehen müssen, dass die Beklagte – wie von dieser behauptet, aber nicht dargelegt – ihre Vergütung nach den Begrüßungs- und Abmeldezeiten bei Slack bemessen und dementsprechend abweichend vom vereinbarten Bruttomonatsgehalt zahlen würde. Daher ist auch nicht ersichtlich, wie die Beklagte objektiv nachvollziehbar einen entsprechenden Verdacht hätte schöpfen sollen.
bb) Ebenso wenig gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin im Rahmen der Slackzeiten ihr vertraglich geschuldetes Wochenstundensoll aufgrund der zu privaten Zwecken im Internet verbrachten Zeiten nicht erreicht und sich daher eine entsprechende Vergütung erschlichen hätte. Dass ihr die Beklagte über das Wochensoll und die damit korrespondierende vereinbarte reguläre Bruttomonatsvergütung hinausgehende Arbeitsstunden als Überstunden vergütet hätte, ist weder ersichtlich noch substantiiert dargelegt. Keine Rolle spielt in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin der Beklagten ihre im Laufe des Rechtsstreits erhobenen Einwendungen nicht schon im Rahmen des am 08.10.2021 eingeleiteten Anhörungsverfahrens mitgeteilt hat. Auch wenn die Beklagte in Unkenntnis der später im Prozess vorgebrachten Einwendungen der Klägerin höhere private Internetzeiten annahm, hat sie gleichwohl zu den konkreten Arbeitszeiten der Klägerin in den Kalenderwochen 38/2021 und 39/2021 sowie der für diese Zeiten geleisteten konkreten Vergütung keinerlei Vortrag gehalten. Daher sind keine Anknüpfungspunkte ersichtlich, die bei objektiver, verständiger Betrachtung unter Berücksichtigung dieser Zeiten sowie der der Klägerin dafür zustehenden Vergütung einen Verdacht auf einen Arbeitszeitbetrug hätten erhärten können. Vielmehr hat die Beklagte für keine der beiden hier streitgegenständlichen Wochen im September 2021 dargelegt, dass und inwieweit die Klägerin ihr Wochenstundensoll nicht erreicht haben sollte, oder dass an einzelnen Tagen infolge privaten Internetkonsums erfolgte Unterschreitungen des durchschnittlichen Tagessolls nicht innerhalb der betreffenden Woche oder zumindest im Rahmen des insgesamt vergüteten Monats hätten ausgeglichen werden können. Damit fehlt es an hinreichend konkreten Anhaltspunkten für einen objektiv nachvollziehbaren Verdacht auf einen Arbeitszeitbetrug.
c) Kann mangels Sachvortrags der darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten das Ausmaß eines möglicherweise objektiv gerechtfertigten Verdachts nicht ermittelt werden, ist zudem nicht ausgeschlossen, dass eine außerordentliche Kündigung jedenfalls auf der zweiten Prüfungsstufe unverhältnismäßig gewesen wäre, da eine – grds. als milderes Mittel erforderliche (vgl. BAG 19.06.2010 – 2 AZR 541/09 – Rn. 35 ff., juris) – Abmahnung genügt hätte und sich dies einem vernünftigen Arbeitgeber auch hätte erschließen müssen.
3. Die hilfsweise ordentliche (Tat-/Verdachts-) Kündigung stand im Berufungsverfahren nicht mehr im Streit.
4. Daher hat das Arbeitsverhältnis gemäß der Feststellung im erstinstanzlichen Schlussurteil vom 06.10.2022 bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31.01.2022 fortbestanden. Bis dahin kann die Klägerin ihren regulären Bruttomonatslohn von 3.750 EUR verlangen.
a) Bis zum Ausspruch (Zugang) der außerordentlichen Kündigung vom 14.10.2021 kann die Klägerin infolge der Erbringung ihrer Arbeitsleistung den anteiligen Lohn aus ihrem Arbeitsvertrag iVm § 611a Abs. 1 BGB verlangen. Dies wird von der Beklagten auch nicht in Abrede gestellt.
b) Ab diesem Zeitpunkt steht ihr ein Annahmeverzugslohnanspruch gem. § 615 S. 1 BGB zu. Dem steht die Regelung des § 615 S. 2 BGB bzw. des von der Beklagten angeführten § 11 Nr. 2 KSchG nicht entgegen.
aa) Nach den genannten Normen hat sich der Arbeitnehmer auf seine Vergütungsansprüche den Wert desjenigen anrechnen zu lassen, was er böswillig unterlassen hat, durch anderweitige Verwendung seiner Dienste zu erwerben. Dabei unterlässt er in diesem Sinne „böswillig“ anderweitigen Verdienst, wenn ihm ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er während des Annahmeverzugs trotz Kenntnis aller objektiven Umstände vorsätzlich untätig bleibt und eine ihm nach Treu und Glauben unter Beachtung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl nach Art. 12 GG zumutbare anderweitige Arbeit nicht aufnimmt oder die Aufnahme der Arbeit bewusst verhindert. Maßgebend sind dabei die gesamten Umstände des Einzelfalls. Erforderlich für die Beurteilung der Böswilligkeit ist stets eine unter Bewertung aller Umstände des konkreten Falls vorzunehmende Gesamtabwägung der beiderseitigen Interessen, was es ausschließt, einen bei der Gesamtabwägung zu berücksichtigenden Umstand losgelöst von den sonstigen Umständen des Einzelfalls gleichsam absolut zu setzen (BAG 22.03.2017 – 5 AZR 337/16 – Rn. 17 ff.; 23.02.2021 – 5 AZR 213/20 – Rn. 14; 19.05.2021 – 5 AZR 420/20 – Rn. 15; 08.09.2021 – 5 AZR 205/21 – Rn. 13; 19.01.2022 – 5 AZR 346/21 – Rn. 31; 12.10.2022 – 5 AZR 30/22 – Rn. 14 ff. mwN, juris). Böswilligkeit setzt nicht voraus, dass der Arbeitnehmer in der Absicht handelt, den Arbeitgeber zu schädigen; vielmehr genügt das vorsätzliche Außerachtlassen einer dem Arbeitnehmer bekannten Gelegenheit zur Erwerbsarbeit (BAG 11.01.2006 – 5 AZR 98/05 – Rn. 18; 22.03.2017 – 5 AZR 337/16 – Rn. 17, juris).
bb) Ob der Klägerin danach böswilliges Verhalten mit der Begründung vorgeworfen werden kann, sie habe sich entgegen § 38 Abs. 1 SGB III nicht umgehend nach Erhalt der außerordentlichen Kündigung bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend gemeldet, kann letztlich dahinstehen.
Zwar ist die von der Klägerin insoweit zitierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 16.05.2000 – 9 AZR 203/99), nach der den Arbeitnehmer keine Obliegenheit traf, die Vermittlung der (damaligen) Bundesanstalt für Arbeit in Anspruch zu nehmen, weshalb das Unterlassen einer solchen Meldung das Merkmal der Böswilligkeit nicht erfüllte, durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27.05.2020 (5 AZR 387/19 Rn. 47, juris) überholt. Nach dieser ist der Arbeitnehmer nunmehr aufgrund der Regelung in § 2 Abs. 5 SGB III zur aktiven Mitarbeit bei der Vermeidung oder Beendigung von Arbeitslosigkeit angehalten und verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts des Arbeitsverhältnisses persönlich gem. § 38 Abs. 1 SGB III bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Obgleich es sich zunächst um eine rein sozialversicherungsrechtliche Meldeobliegenheit handelt, mit der vorrangig arbeitsmarktpolitische und sozialversicherungsrechtliche Zwecke verfolgt werden, muss die Meldepflicht auch im Rahmen der Anrechnungsvorschriften beim Annahmeverzug Beachtung finden, weil dem Arbeitnehmer arbeitsrechtlich zugemutet werden kann, was ihm das Gesetz ohnehin abverlangt (BAG 27.05.2020 – 5 AZR 387/19 – Rn. 47, juris).
Auch wenn man vor diesem Hintergrund aber von einem böswilligen Unterlassen der Klägerin ausgehen wollte, stünde dies der Geltendmachung ihres Vergütungsanspruchs vorliegend nicht entgegen. Eine Anrechnung böswillig unterlassenen anderweitigen Verdienstes scheitert jedenfalls daran, dass der Höhe nach kein Betrag feststellbar ist, den sich die Klägerin anrechnen lassen müsste (vgl. LAG Baden-Württemberg 29.12.2022 – 3 Sa 100/21 – Rn. 144, juris). Die Darlegungs- und Beweislast für die Einwendung des böswilligen Unterlassens trägt der Arbeitgeber (BAG 27.05.2020 – 5 AZR 387/19 – Rn. 46; 12.10.2022 – 5 AZR 30/22 – Rn. 31; LAG Baden-Württemberg 27.01.2023 – 12 Sa 56/21 – Rn. 302; Hessisches LAG 25.06.2021 – 10 Sa 1233/20 – Rn. 42; LAG A-Stadt 19.01.2023 – 8 Sa 480/22 – Rn. 39; LAG Berlin-Brandenburg 30.09.2022 – 6 Sa 280/22 – Rn. 144, juris). Die Beklagte hätte darlegen und beziffern müssen, in welcher Höhe die Klägerin tatsächlich anderweitigen Verdienst hätte erzielen können. Daran fehlt es. Die Beklagte hat keine einzige konkrete Stelle aufgezeigt, auf die sich die Klägerin erfolgreich hätte bewerben können. Ihr pauschaler Hinweis auf Alter und Qualifikation der Klägerin, verbunden mit dem Vorbringen, diese hätte ohne weiteres eine neue Arbeitsstelle finden können, genügt nicht, zumal selbst aus einer gewissen Anzahl offener Stellen nicht zwingend der Schluss gezogen werden kann, dass eine Bewerbung dort auch zum Erfolg geführt hätte (LAG Baden-Württemberg 29.12.2022 – 3 Sa 100/21 – Rn. 144; LAG Hamburg 06.04.2023 – 8 Sa 51/22 – Rn. 31; Thüringer LAG 06.09.2022 – 1 Sa 427/20 – Rn. 50, juris; KR/Spilger, 13. Aufl. 2022, § 11 KSchG Rn. 49). Es kann auch nicht ohne jegliche Anhaltspunkte – die die Beklagte darzulegen gehabt hätte – davon ausgegangen werden, die Klägerin hätte bei einer Bewerbung auf ein Vermittlungsangebot der Arbeitsagentur nicht nur die betreffende Stelle erhalten, sondern auf dieser auch eine Vergütung mindestens in Höhe ihres Lohns bei der Beklagten erzielt. Um eine konkrete Verrechnung vornehmen zu können, bedarf es daher der konkreten Darlegung eines böswillig unterlassenen anderweitigen Verdienstes (vgl. BAG 25.10.2007 – 8 AZR 917/06 – Rn. 56; 12.10.2022 – 5 AZR 30/22 – Rn. 31; Hessisches LAG 25.06.2021 – 10 Sa 1233/20 – Rn. 42; LAG Hamburg 06.04.2023 – 8 Sa 51/22 – Rn. 31, 36; LAG A-Stadt 19.01.2023 – 8 Sa 480/22 – Rn. 39, juris). Daran fehlt es hier mangels Sachvortrags der Beklagten. Bereits deshalb kann diese sich nicht mit Erfolg auf den Einwand böswilligen Unterlassens berufen. Die Frage, ob die am 15.12.2021 erfolgte Meldung der Klägerin bei der Arbeitsagentur für sich genommen genügt, um jedenfalls ab diesem Zeitpunkt eine Böswilligkeit auszuschließen (dafür etwa LAG Baden-Württemberg 29.12.2022 – 3 Sa 100/21 – Rn. 137; LAG A-Stadt 19.01.2023 – 8 Sa 480/22 – Rn. 44 ff.; LAG Berlin-Brandenburg 27.07.2023 – 10 Sa 871/21 – Rn. 53; Hessisches LAG 25.06.2021 – 10 Sa 1233/20 – Rn. 61; Thüringer LAG 06.09.2022 – 1 Sa 427/20 – Rn. 47, juris; ErfK/Preis/Greiner, 24. Aufl. 2024, § 615 BGB Rn. 101; MüKo-BGB/Henssler, 9. Aufl. 2023, § 615 BGB Rn. 88; BeckOK-ArbR/Joussen, 01.09.2023, § 615 BGB Rn. 79), konnte daher offenbleiben.
c) Mithin hat das Arbeitsgericht der Klägerin für den Zeitraum von Oktober 2021 bis Januar 2022 zu Recht jeweils das volle Bruttomonatsgehalt zugesprochen, lediglich abzgl. der am 22.10.2021 für den Monat Oktober gezahlten 917,91 EUR netto.
5. Stattzugeben war der Berufung in geringem Umfang hinsichtlich der eingeklagten Zinsansprüche.
a) Das Arbeitsgericht hat im Tenor lediglich für drei Monate den Beginn des Annahmeverzuges ausgeurteilt (Oktober bis Dezember 2021), für den vierten eingeklagten Monat (Januar 2022) jedoch nicht. Zudem ist es ausweislich seiner Urteilsbegründung unter II. davon ausgegangen, dass Zinsen monatlich aus jeweils 3.750 EUR zu entrichten seien. Dies ist nicht zutreffend, da ausweislich des arbeitsgerichtlichen Entscheidungstenors die Beklagte bereits vor dem ersten Verzugszinsdatum (31.10.) auf das Oktobergehalt 917,91 EUR netto gezahlt hatte. Dieser Betrag ist daher bei der Zinsberechnung in Abzug zu bringen, so dass für den Oktober lediglich (3.750 – 917,91=) 2.832,09 EUR zu verzinsen waren.
b) Zudem war die Vergütung jeweils zum Monatsende fällig, weshalb die Beklagte nicht schon zu diesen Tagen in Verzug geriet, sondern erst zu Beginn des jeweiligen Folgemonats, hier zum 01.11. und 01.12.2021 sowie zum 01.01. und 01.02.2022.
c) Insoweit war das erstinstanzliche Urteil teilweise abzuändern.
6. Der Berufungsantrag zu 2) fiel nicht zur Entscheidung an, da er auf Nachfrage der Kammer in der Berufungsverhandlung von einer Abänderung des erstinstanzlichen Tenors in der Hauptsache (und nicht lediglich hinsichtlich der Zinsen) abhängen sollte.
B.
1. Die Kostenentscheidung folgt für das erstinstanzliche Verfahren aus §§ 91, 91a ZPO. Bezüglich der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien in der erstinstanzlichen Kammerverhandlung vom 06.10.2022 ist von einer Kostenteilung auszugehen, da die Parteien ausweislich des nicht angefochtenen Terminsprotokolls ihre Erledigungserklärungen „unter Kostenaufhebung“ abgegeben haben. Die Kosten des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils werden nach außen hin einheitlich im Urteil über den nicht erledigten Teil mitbeschieden (BGH 04.01.1963 – V ZB 19/62 – NJW 1963, 583, 584; 19.03.2013 – VIII ZB 45/12 – Rn. 19, juris; Zöller/Althammer, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 91a Rn. 54; MüKo-ZPO/Schulz 6. Aufl. 2020, § 91a Rn. 103). Zwar entspricht es grundsätzlich billigem Ermessen, der Partei, die ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses unterlegen wäre, die Kosten aufzuerlegen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist jedoch gerechtfertigt, wenn sich die Parteien – wie hier – auf eine Kostenaufhebung verständigt haben (BGH 01.02.2017 – VII ZR 125/14 – Rn. 2 [BeckRS 2017, 102820] für einen außergerichtlichen Vergleich). Vor diesem Hintergrund konnte die wechselseitige Kostenaufhebung für die ursprünglichen Klageanträge zu 2), 3), 4) und 6) entsprechend der Vereinbarung der Parteien übernommen werden. Insoweit waren die Anträge zu 2) und 3) nicht gesondert zu veranschlagen, der Antrag zu 4) mit einer Bruttomonatsvergütung und der Antrag zu 6) unter Berücksichtigung des durch Teilurteil vom 24.03.2022 entschiedenen Teils mit (7.666,67 – 2.750 =) 4.916,67 EUR. Hiervon geht jeweils die Hälfte zu Lasten der Klägerin, mithin (3.750 : 2 + 4.916,67 : 2 =) 4.333,34 EUR. Dies entspricht, da die Klägerin mit den weiteren Anträgen zu 1) und 5) voll obsiegt hat, einem Unterliegensanteil von 18 %.
2. Hinsichtlich des Berufungsverfahrens folgt die Kostenentscheidung aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, da die Klägerin in der Hauptsache voll obsiegt hat und das erstinstanzliche Urteil lediglich geringfügig hinsichtlich der Zinsen abzuändern war.
C.
Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst (§ 72 Abs. 2 ArbGG).