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Fristlose Kündigung bei Arbeitszeitbetrug – Abmahnungserfordernis

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 8 Sa 361/20 – Urteil vom 03.08.2021

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 13.10.2020, Az. 1 Ca 539/20, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Beendigung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses.

Der Kläger begann im November 2011 seine Tätigkeit bei der Beklagten als Sachgebietsleiter Debitorenbuchung. Zuletzt war er als Leiter der Abteilung Finanzen, einer Abteilung mit 17 Mitarbeitern, tätig.

Am 30.11.2019 veranlasste der Kläger auf Kosten der Beklagten die Versendung eines Blumenstraußes und einer Genesungskarte an eine langfristig erkrankte Kollegin. Die Kosten hierfür betrugen 34,25 EUR.

Zudem fand auf Initiative des Klägers am 18.12.2019 eine etwa zweistündige abteilungsinterne Veranstaltung statt. Hierfür ließ der Kläger einen Besprechungsraum für die Zeit von zehn bis zwölf Uhr vormittags reservieren und weihnachtlich schmücken, zudem bestellte er Gebäckwaren zu diesem Anlass im Wert von 96,70 EUR. Währen dieser Veranstaltung war zunächst für etwa 15 Minuten (so die Beklagte) bzw. 30 Minuten (so der Kläger) der Jahresabschluss der Abteilung Thema, im Anschluss wurden private Gespräche geführt. Der Kläger hatte sich während dieser Zeit nicht aus dem Zeiterfassungssystem der Beklagten ausgeloggt.

Bei der Beklagten existiert eine Repräsentations- und Bewirtungsrichtlinie.

Auszugsweise lautet diese:

Fristlose Kündigung bei Arbeitszeitbetrug - Abmahnungserfordernis
(Symbolfoto: Quality Stock Arts/Shutterstock.com)

8. Interne Veranstaltungen am Geschäftssitz (z.B. Klausurtagungen, Workshops, Dienstberatungen) sind im steuerlichen Sinne keine Repräsentationsmaßnahmen, die zur Gewährung von Bewirtungen berechtigen. Zulässig sind Aufmerksamkeiten, die keinen Mahlzeitcharakter haben (kalte und heiße Getränke, Gebäck und kleine Snacks).

9. Geschenke, Sachzusendungen, Werbemittel: (…) Sachzuwendungen an Beschäftigte der Universitätsmedizin C-Stadt (Eigenpersonal) sind aus gesetzlichen und tariflichen Anlässen bis brutto 40,- EUR/ Jahr zulässig (z.B. Dienstjubiläen).

Die Beklagte hörte den Personalrat am 23.03.2020 zu den beabsichtigten außerordentlichen Kündigungen des Klägers aufgrund der Versendung des Blumenstraußes, der Veranstaltung der Weihnachtsfeier und der Beschaffung von Gebäck auf Kosten der Beklagten zu diesem Anlass an. Mit Schreiben vom 27.03.2020 teilte der Personalrat mit, dass er den „Mitwirkungsantrag ablehne“ .

Am 30.03.2020 sprach die Beklagte drei fristlose Kündigungen aus, am 16.04.2020 weitere drei außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigungen zum 30.09.2020.

Gegen diese Kündigungen wendet sich der Kläger.

Hierzu hat er erstinstanzlich vorgetragen, in den vorausgegangenen Jahren habe stets eine Veranstaltung zum Jahresende in dem Rahmen stattgefunden, wie es auch 2019 der Fall war. Stets habe die Abteilungsleitung etwa eine halbe Stunde referiert, danach seien Privatgespräche geführt worden und es seien Snacks und Getränke zur Verfügung gestellt worden. Im Januar 2020 habe der Vorgesetzte des Klägers mitgeteilt, dass fortan keine Häppchen mehr bei den Abschlussveranstaltungen angeboten werden sollten.

Erstinstanzlich hat der Kläger beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die schriftliche außerordentliche Kündigung vom 30.03.2020 wegen einer angeblichen Weihnachtsfeier am 18.12.2019 nicht aufgelöst worden ist.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 30.03.2020 wegen einer Aufwandsbuchung in Höhe von 96,70 € nicht aufgelöst worden ist.

3. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die fristlose Kündigung vom 30.03.2020 wegen einer Aufwandsbuchung in Höhe von 34,95 € aufgelöst worden ist.

4. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die

schriftliche ordentliche Kündigung vom 16.04.2020 wegen angeblicher Weihnachtsfeier am 18.12.2019 nicht aufgelöst worden ist.

5. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 16.04.2020 wegen einer Aufwandsbuchung in Höhe von 96,70 € nicht aufgelöst worden ist.

6. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 16.04.2020 wegen einer Aufwandsbuchung in Höhe von 34,95 € nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte erstinstanzlich beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat hierzu vorgetragen, das Fehlverhalten des Klägers stelle eine Veruntreuung zu Lasten der Beklagten dar. Auch seien die entstandenen Kosten für den Blumengruß und die Weihnachtsfeier nicht durch die Repräsentations- und Bewirtungsrichtlinie der Universitätsmedizin gedeckt. Gerade aufgrund der Vertrauensstellung des Klägers sei das Verhalten nicht hinnehmbar. Die Kosten seien erst im März 2020 innerhalb einer Datenanalyse bekannt geworden, so dass die Zwei-Wochen-Frist des § 626 BGB gewahrt sei. Der Kläger habe seine Position ausgenutzt und ohne Genehmigung seines Vorgesetzten Auslagen gebucht, die sachlich nicht gerechtfertigt gewesen seien. Zudem habe er durch das fehlende Ausloggen aus dem Zeiterfassungssystem einen Arbeitszeitbetrug begangen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 13.10.2020 stattgegeben. Zusammengefasst hat das Gericht ausgeführt, es bestünden bereits erhebliche Bedenken am Vorliegen eines an sich geeigneten Kündigungsgrundes. Eine klare Dienstanweisung, nach der Weihnachtsfeiern rein private Veranstaltungen seien und ausgeloggt werden müsse, sei, anders als von der Beklagten behauptet, weder vorgelegt noch inhaltlich näher beschrieben. Bei internen Veranstaltungen sei nach Ziffer 8 Satz 2 der Repräsentations- und Bewirtungsrichtlinie zulässig, Gebäck zur Verfügung zu stellen. Auch habe es 2015 und 2018 entsprechende Buchungen für Betriebsveranstaltungen gegeben, ohne dass dies beanstandet worden wäre. Hinsichtlich der Versendung des Blumenstraußes sei dem Kläger jedenfalls keine Vermögensschädigungsabsicht zu unterstellen, zudem seien auch hier die laut der von der Beklagten vorgelegten Buchungsübersicht 2016 und 2017 jeweils ein Blumenstrauß für eine Verabschiedung bzw. für einen Geburtstag durch die Beklagte finanziert worden.

Mangels Vorliegen einer einschlägigen Abmahnung seien sämtliche Kündigungen, auch die ordentlichen, unwirksam.

Das Urteil wurde der Beklagten am 13.11.2020 zugestellt. Sie hat hiergegen am 02.12.2020 Berufung eingelegt und diese nach vorausgegangener Fristverlängerung bis 15.02.2021 am 12.02.2021 begründet.

Sie trägt zur Begründung der Berufung vor, das erstinstanzliche Gericht habe zu Unrecht angenommen, dass es vor Ausspruch der Kündigungen einer Abmahnung bedurft hätte. Die Position des Klägers als Leiter der Finanzabteilung erfordere ein absolutes Vertrauen in dessen redliches Verhalten. Der Kläger hätte sich am 18.12.2019 jedenfalls dann aus der Zeiterfassung ausloggen müssen, als der dienstliche Teil der Besprechung zu Ende war und private Gespräche geführt wurden. Er habe einen Arbeitszeitbetrug begangen. Bereits 2014 habe die Beklagte darauf hingewiesen, dass Weihnachtsfeiern private Veranstaltungen seien. Auch könne man nicht annehmen, dass der Betrag von 96,70 EUR ein „kleiner Betrag“ sei. Weder die Finanzierung der Gebäckwaren noch des Blumenstraußes sei durch die Repräsentations- und Bewirtungsrichtlinien gedeckt.

Erst am 13.03.2020 sei die Buchung dieser Kosten im Rahmen der Datenanalyse aufgefallen, nach weiteren Recherchen sei dann am 17.03.2021 die Personalabteilung informiert worden. Die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei folglich gewahrt worden.

Die Beklagte hat zweitinstanzlich beantragt, unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 13.10.2020, Az. 1 Ca 539/20, die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger habe keinen Pflichtenverstoß begangen, da sich die Handhabung bezüglich der Veranstaltung und der Genesungsgrüße durch die Repräsentations- und Bewirtungsrichtlinie rechtfertigen lasse, zudem sei in den Vorjahren bezüglich der Jahresabschlussveranstaltung ebenso verfahren worden. Dass eine Änderung beabsichtigt sei, habe der Vorgesetzte des Klägers diesem im Januar 2020 mitgeteilt, der Kläger habe sein Einverständnis damit erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.Entscheidungsgründe

I. Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt worden.

II. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage zu Recht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist durch die streitgegenständlichen Kündigungen nicht beendet worden.

1. Ein wichtiger Grund für den Ausspruch der fristlosen Kündigungen ist nicht gegeben.

a. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Hierzu ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, das heißt typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (BAG, Urteil vom 13. Mai 2015 – 2 AZR 531/14).

Dabei gilt ein objektiver Maßstab. Nach § 626 Abs. 1 BGB bestimmt sich der wichtige Grund anhand des Vorliegens von Tatsachen. Maßgeblich ist nicht, ob ein bestimmter Arbeitgeber meint, ihm sei die Einhaltung der Kündigungsfrist nicht zuzumuten, und ob er weiterhin hinreichendes Vertrauen in einen Arbeitnehmer hat. Es kommt darauf an, ob die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist dem Kündigenden aus der Sicht eines objektiven und verständigen Betrachters unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zumutbar ist oder nicht (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09. Oktober 2019 – 7 Sa 62/19).

a. Im vorliegenden Fall fehlt es an diesen Voraussetzungen. Selbst wenn man annimmt, dass ein an sich geeigneter Grund gegeben ist, so fehlt es jedenfalls an einem nach objektiven Maßstäben überwiegenden Interesse der Beklagten an der Beendigung der Zusammenarbeit.

aa. Eine Pflichtverletzung des Klägers und ein „an sich geeigneter Grund“ kann mit der Beklagten daraus abgeleitet werden, dass der Kläger sich nicht aus dem Zeiterfassungssystem abmeldete, als die Jahresabschlussbesprechung im Umfang von etwa eineinhalb Stunden einen privaten Charakter annahm, der Kläger in dieser Zeit somit keine Arbeitsleistungen für die Beklagte erbrachte. Die Nichteinhaltung von vorgegebenen Arbeitszeiten oder auch die Verrichtung von Privattätigkeiten während der Arbeitszeit können an sich einen wichtigen Grund im Sinn des § 626 Abs. 1 BGB darstellen (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Februar 2018 – 7 Sa 406/17 –, Rn. 77)

Auch mag zugunsten der Beklagten davon ausgegangen werden, dass die Versendung des Blumenstraußes von Ziffer 9 der Repräsentations- und Bewirtungsrichtlinie nicht erfasst ist, da ein „gesetzlicher“ oder „tariflicher“ Anlass nicht bestand bzw. auch nicht vom Kläger dargelegt wurde.

Einen auch nur „an sich“ geeigneten Kündigungsgrund sah die Kammer jedoch nicht in der Buchung der Gebäckkosten für die Veranstaltung im Dezember 2019. Das Speisenangebot hielt sich im Rahmen dessen, was Ziffer 8 der Richtlinie für interne Veranstaltungen, wie etwa Dienstberatungen, vorsieht. Wenn sich das Zusammentreffen auch im Verlauf zu einem privaten Austausch entwickelte und selbst dann, wenn der Kläger dies bei der Planung der Veranstaltung auch billigte – er reservierte den Raum für drei Stunden- so fand jedoch zunächst eine dienstliche Besprechung im Umfang von mindestens 15 Minuten statt. Die Richtlinie sieht keine Mindestzeitrahmen der Veranstaltungen vor. Es ist nicht vollkommen ungewöhnlich, auch für eine kürzere Veranstaltung am Vormittag Gebäck und Getränke anzubieten. Dies liegt im Ermessen des Organisierenden. Bei 17 Mitarbeitern der Abteilung ergibt sich bei einem Einsatz von 100,- EUR ein Betrag von etwa 6,- EUR pro Teilnehmer, der nicht vollkommen unangemessen erscheint. Da die Richtlinie diese Vorgehensweise jedenfalls nicht eindeutig ausschließt und, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, die Beklagte keine vor Dezember 2019 erfolgte klare Anweisung zur Ausgestaltung der Jahresabschlussversammlung dargelegt hat, liegt in dem Erwerb des Gebäcks auf Kosten der Beklagten bereits keine Pflichtverletzung. Gerade als Abteilungsleiter oblag dem Kläger nicht nur eine besondere Integritätspflicht, sondern üblicherweise steht einer Führungsposition andererseits gerade auch ein Spielraum bei der Organisation der Führung der Abteilung zu, der sich vorliegend nicht als überschritten darstellt.

b. Der Beklagten war die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar.

aa. Die bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Umstände lassen sich nicht abschließend für alle Fälle festlegen. Zunächst kommt der Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen beanstandungsfreiem Bestand ein besonderes Gewicht zu. Ferner können das Bestehen einer Wiederholungsgefahr, das Maß der dem Arbeitgeber entstandenen Schädigung und auch die Frage in Betracht zu ziehen sein, ob dem Verhalten des Arbeitnehmers eine besondere Verwerflichkeit innewohnt. Auch Unterhaltspflichten und der Familienstand können Bedeutung gewinnen (BAG, Urteil vom 27. April 2006 – 2 AZR 415/05 –, Rn. 19).

Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Einer entsprechenden Abmahnung bedarf es nur dann nicht, wenn erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG, Urteil vom 19. April 2012 – 2 AZR 186/11; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Februar 2018 – 7 Sa 406/17).

bb. Es ist nachvollziehbar, dass die Beklagte Interesse an einem korrekten Verhalten des Leiters der Finanzabteilung bezüglich jeglicher Abrechnungen und an einem zurückhaltenden Umgang mit den Haushaltsmitteln der Klinik hat. Hierzu gehört, dass Ausgaben nicht leichtfertigt getätigt werden und im Interesse der Beklagten investiert werden. Auch muss vergütete Arbeitszeit im Sinne einer Erbringung von der Beklagten dienlichen Leistungen verbracht werden, grundsätzlich nicht mit Angelegenheiten, die im Privatbereich der Mitarbeiter stehen.

Dass der Kläger sich im Zuge der Veranstaltung am 18.12.2019 nicht ausgeloggt hat, bedeutet keinen derart schweren Pflichtenverstoß, dass dieser eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen würde. Es handelt sich um ein einmaliges Vorkommnis am Jahresende, nicht um eine ständige Handhabung, die offensichtlich nicht von der Beklagten geduldet werden könnte. In gewissem Umfang ist es üblich, dass auch im Rahmen der bezahlten Arbeitszeit ein privater Austausch zwischen Mitarbeitern stattfindet, etwa bei „Tür- und Angel-Gesprächen“ oder auch im Anschluss an dienstliche Treffen. Das zeitliche Ausmaß war vorliegend nicht derart ausgeprägt, dass eine Duldung ausgeschlossen erscheinen musste. Auch der Kontext zu dem Jahresabschluss und der Weihnachtszeit ergibt, dass die einmalige Versammlung der Mitarbeiter innerhalb der Arbeitszeit Ausnahmecharakter hatte und kein regelmäßiges Missachten der Arbeitspflichten innerhalb der vergüteten Zeit bedeutete. Eine klassische Weihnachtsfeier, die mehrere Stunden dauert und die dem rein privaten Austausch dient, fand in den beiden Vormittagsstunden des 18.12.2019 nicht statt. Der Kläger hat auch nicht „heimlich“ seine Arbeitszeit mit privaten Dingen verbracht, sondern transparent eine Raumreservierung vorgenommen. Dies zeigt, dass er nicht davon ausging, dass sein Verhalten nicht geduldet würde.

Die Beklagte hätte deshalb mit einer Abmahnung reagieren können um dem Kläger zu verdeutlichen, dass sie das fehlende Ausloggen als Pflichtenverstoß einordnet und ein erneutes Vorkommnis dieser Art nicht akzeptieren möchte.

Die Versendung des Blumenstraußes stellt einen Verstoß mit solch geringer Tragweite dar, dass hieraus keine Kündigung hergeleitet werden kann. Eine Bereicherungsabsicht, auch für dritte Personen, kann bereits nicht angenommen werden, da nicht der materielle Wert des Blumenstraußes im Vordergrund der Versendung des Genesungsgrußes stand, sondern der ideelle Wert der Geste. Der Preis verhielt sich im Umfang dessen, was die Repräsentations- und Bewirtungsrichtlinie jedenfalls für „gesetzliche und tarifliche Anlässe“ vorsieht und war nicht ausufernd hoch. Auch hier lag kein auf Heimlichkeit angelegtes Verhalten vor. Ein Genesungsgruß stellt im Allgemeinen ein freundliches Verhalten gegenüber dem erkrankten Mitarbeiter dar. Sofern die Beklagte dies nicht finanzieren möchte, muss sie es nicht tun, kann aber aus dem einmaligen abweichenden Verhalten des Klägers keine Beendigung dessen Arbeitsverhältnisses ableiten. Auch hier hätte eine Abmahnung ausgereicht, um dem Kläger zu zeigen, dass die Handhabung nicht geduldet wird.

Auch in der Zusammenschau sind die einzelnen Vorwürfe nicht geeignet, den Pflichtenverstoß so schwer erscheinen zu lassen, dass der Beklagten eine Fortführung der Zusammenarbeit nicht zugemutet werden könnte. Sie lassen keinen fortgesetzten, die Beklagte schädigenden, in hohem Maße unredlichen Charakter der Handlungen erkennen.

Dabei gilt zudem zu berücksichtigen, dass das Arbeitsverhältnis über viele Jahre unbelastet verlief, das erteilte Zeugnis keinen Hinweis auf eine Problematik erkennen lässt und auch keine Abmahnungen ausgesprochen wurden. Die Unterhaltspflicht für vier Kinder ist ebenfalls zu bedenken. Eine Beendigung der Zusammenarbeit aufgrund der Vorfälle stellt sich als unangemessen dar.

2. Aus dem gleichen Grund erweisen sich auch die ordentlichen Kündigungen nicht als rechtswirksam.

Eine Kündigung ist im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit nicht sozial ungerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar ist (BAG, Urteil vom 07. Mai 2020 – 2 AZR 619/19; Urteil vom 05. Dezember 2019 – 2 AZR 240/19; Urteil vom 15. Dezember 2016 – 2 AZR 42/16).

Eben diese Voraussetzungen sind, wie oben dargelegt, nicht erfüllt.

3. Das Arbeitsverhältnis wurde somit, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, durch die streitgegenständlichen Kündigungen nicht beendet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben und die Berufung war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorlagen.

Berichtigungsbeschluss vom 15. Dezember 2021:

In dem Rechtsstreit

Seite drei des Urteils des LAG Rheinland-Pfalz vom 03.08.2021, 8 Sa 361/20, wird wie folgt berichtigt:

Anstatt von „Am 30.03.2020 sprach die Beklagte drei fristlose Kündigungen aus, am 16.04.2020 weitere drei außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigungen zum 30.09.2020“.,

heißt es:

„Am 30.03.2020 sprach die Beklagte drei fristlose Kündigungen aus, am 16.04.2020 weitere drei ordentliche Kündigungen zum 30.09.2020.“

Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben.

Gründe:

Es handelt sich um einen Schreibfehler, der versehentlich beim Abfassen des Urteils unterlaufen ist. Der Fehler ist als offenbar anzusehen, da sich der Zusatz der „außerordentlichen“ Kündigung nicht aus der Akte ergibt und auch ansonsten im Urteil nicht gegenständlich war. Dass der Zusatz falsch ist, ist für das Gericht, aber auch für Dritte ohne Weiteres erkennbar (hierzu BeckOK ZPO/Elzer, 42. Ed. 1.9.2021, ZPO § 319).

Die Berichtigung erfolgte wegen offensichtlicher Unrichtigkeit gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. §§ 525 Satz 1, 319 ZPO und gemäß §§ 64 Abs. 7, 53 Abs. 1 Satz 1 ArbGG nach schriftlicher Anhörung der Parteien ohne mündliche Verhandlung durch die Vorsitzende allein. Da die Voraussetzungen des § 78 Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen, war die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen. Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel folglich nicht gegeben.

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