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Fristlose Kündigung bei ausländerfeindlichen Äußerungen eines Arbeitnehmers

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 3 Sa 249/20 – Urteil vom 01.02.2021

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen – Auswärtige Kammer Landau – vom 29.06.2020, Az.: 6 Ca 315/19, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer außerordentlichen Arbeitgeberkündigung, hilfsweise außerordentlichen Arbeitgeberkündigung mit sozialer Auslauffrist zum 31.10.2019 sein Ende gefunden hat, oder aber nicht, sowie darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen, sowie darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen.

Der 1956 geborene, verheiratete Kläger ist einer Person unterhaltspflichtig. Er ist seit dem 01.06.2000 bei der Beklagten in der Niederlassung L. aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 23.05.2000, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 7 ff. d. A. Bezug genommen wird, sodann nach Ablauf der insoweit zunächst vereinbarten Befristung bis zum 31.05.2001 ab dem 01.06. 2001 aufgrund weiteren schriftlichen Arbeitsvertrages vom 15.05.2001 ab dem 01.06.2001, hinsichtlich dessen Inhalts auf Bl. 11 ff. d. A. Bezug genommen wird, als KFZ-Meister und Teammeister (Nutzfahrzeuge) gegen ein durchschnittliches, monatliches Bruttoentgelt in Höhe von 3.910,50 € beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden nach Maßgabe des schriftlichen Arbeitsvertrages die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Anwendung; aufgrund dessen ist das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich nicht (mehr) kündbar.

Am 25.04.2019 hat die Beklagte dem Kläger gegenüber eine außerordentliche Tat- hilfsweise außerordentliche Verdachtskündigung erklärt, hilfsweise des Weiteren eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist zum 31.10.2019. Die Beklagte hat die Kündigungen ausweislich des Kündigungsschreibens vom 25.04.2019, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 18 d. A. Bezug genommen wird, sowohl als Tat- als auch als Verdachtskündigung erklärt; dies gilt sowohl für die außerordentliche Kündigung, als auch für die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist.

Mit E-Mail vom 10.04.2019, hinsichtlich deren weiteren Inhalts auf Bl. 163 d. A. Bezug genommen wird, hatte sich der Auszubildende St. an die Beklagte gewandt und folgendes mitgeteilt:

„Guten Tag Herr M.,

ich melde mich bei Ihnen weil es in meinem Werkeinsatz (Niederlassung L., Abteilung LKWs) zu mehreren rassistischen Aussagen der Mitarbeiter kam. Zwei Mitarbeiter bekennen sich sogar stolz zum Faschismus.

Innerhalb der ersten Tage war von Volksverhetzung bis zum Hitlergruß fast alles dabei, die restlichen Mitarbeiter sagen nichts dagegen. Sie beteiligen sich zum Teil sogar mit Zustimmung an den Gesprächen die sich zum Großteil gegen „die Araber“ richten. Um einen der beiden bekennenden Faschisten zu zitieren: „man sollte die alle erschießen!“ Außerdem freut sich dieser Mitarbeiter sehr auf den 20. April, den Geburtstag von Adolf Hitler. Das erwähnt er mehrmals am Tag.

Ich will mir nicht vorstellen was wäre, wenn Auszubildende mit türkischer Herkunft mit solchen Rassisten zusammenarbeiten müssten. Ich selbst habe dabei ein sehr komisches Gefühl.

Ich hoffe Sie verstehen meinen Standpunkt und damit auch, dass ich möglichst versuche Gespräche mit diesen Personen zu vermeiden.“

Nach dieser E-Mail des Zeugen St. an seinen Ausbilder, Herrn M., hat die Beklagte Ermittlungen angestellt durch Befragung der Zeugen S., Z. und Y.; auch der Kläger wurde zu den insoweit erhobenen Vorwürfen befragt.

Hinsichtlich der weiteren Darstellung der Gesprächsprotokolle der Beklagten, die insoweit gefertigt wurden, wird auf Bl. 77 ff. d. A. Bezug genommen. Des Weiteren fanden am 17. und 18.04.2019 wegen der streitgegenständlichen Äußerungen Befragungen des Auszubildenden Herrn Y., des Werkstudenten Herrn Z. und am 18.04.2019 des Herrn St. statt. Insoweit wird auf Bl. 151 ff. d. A. zur weiteren Darstellung Bezug genommen. Mit E-Mail vom 17.04.2019 erbat die Beklagte vom Kläger eine Beantwortung des von ihr erarbeiteten Fragenkatalogs insoweit und fordert ihn auf, eine Stellungnahme am nächsten Tag (18.04.2019) zu übersenden, nachdem der Kläger sich zuvor betriebsintern nicht hatte äußern wollen unter Hinweis auf eine notwendige Rücksprache mit seinem Rechtsanwalt (s. Bl. 20 ff. d. A.). Mit E-Mail vom 18.04.2019 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers der Beklagten mit, man sei bemüht, die aufgeworfenen Fragen kurzfristig zu beantworten und kündige dies spätestens für den 24.04.2019 an (s. Bl. 24 d. A.). Am 24.04.2019 ging die Stellungnahme des Klägervertreters bei der Beklagten ein; hinsichtlich des Inhalts wird auf Bl. 25 ff. d. A. Bezug genommen.

Nachdem am 18.04.2019 eine Stellungnahme des Klägers nicht eingegangen war, hörte die Beklagte mit Schreiben vom 18.04.2019 den Betriebsrat zu den beabsichtigten Kündigungen (außerordentliche Tatkündigung, hilfsweise außerordentliche Verdachtskündigung, hilfsweise als außerordentliche Tatkündigung mit sozialer Auslauffrist zum 31.10.2019, hilfsweise als außerordentliche Verdachtskündigung mit sozialer Auslauffrist zum 31.10.2019). Hinsichtlich des weiteren Inhalts des Anhörungsschreibens wird auf Bl. 69 ff. d. A. Bezug genommen. Der Betriebstat teilte mit Schreiben vom 23.04.2019, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 180 d. A. Bezug genommen wird, der Beklagten mit, dass er weder der außerordentlichen fristlosen Kündigung, noch der außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist zum 31.10.2019 widerspreche. Nach Eingang der Stellungnahme des Klägerprozessbevollmächtigten bei der Beklagten hat diese eine ergänzende Mitteilung an den Betriebsrat übermittelt, unter Beifügung der Stellungnahme vom 24.04.2019; zur weiteren Darstellung wird insoweit auf Bl. 181, 182 d. A. Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 25.04.2019, dem Kläger am gleichen Tage zugegangen, hat die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, vorsorglich außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 31.10.2019 gekündigt.

Zusammengefasst beruft sich die Beklagte insoweit darauf, dass Kündigungsgrund rassistische und menschenverachtende Äußerungen des Klägers gegenüber dem Auszubildenden St., dem Werksstudenten Z. und dem Auszubildenden Y. am 08., 09. und 10.04. 2019 sein sollen. U. a. soll der Kläger den Auszubildenden und dem Studenten gegenüber gesagt haben, dass die Flüchtlinge „alles in den Arsch geschoben“ bekommen und er „sie alle (Araber) in einer Reihe aufstellen und erschießen würde.“ Dabei soll er eine eindeutige Körperbewegung gemacht haben, die so gewirkt haben soll, als ob er ein Gewehr in der Hand hätte.

Der Kläger hat vorgetragen, die von der Beklagten behaupteten rassistischen und menschenverachtenden Äußerungen habe er nicht gegenüber den Auszubildenden St. und Y. sowie dem Werksstudenten Z. getätigt. Er habe über Adolf Hitler zu keinem Zeitpunkt gesprochen, sondern sich vielmehr über den 10.04. als Unabhängigkeitstag Kroatiens ausgelassen. Er habe selbst einen Migrationshintergrund und seine Familie habe viel Leid erfahren müssen. Er sei kein Nazi, er sei nur ein konservativer Mensch. Er habe auch nicht über ein Gewehr aus dem zweiten Weltkrieg berichtet und einschlägige Bewegungen zur Benutzung eines solchen gemacht. Über das Thema Rente habe er zwar mit Kollegen gesprochen. Das sei aber häufig ein Thema, daher sei insoweit der Rassismusvorwurf unzutreffend.

Der Kläger hat beantragt,

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die arbeitgeberseitige außerordentliche Kündigung vom 25.04.2019, zugegangen am 25.04.2019, nicht aufgelöst wurde.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens im Betrieb in L. als KFZ-Meister (Teammeister NFZ) weiter zu beschäftigen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen;

4. hilfsweise für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses:

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein qualifiziertes Endzeugnis zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger sei für die Beklagten auch nicht bis zu dem Datum, zu dem eine ordentliche Kündigung ausgesprochen werden könne, beziehungsweise der entsprechenden sozialen Auslauffrist zumutbar. Bei der Beklagten arbeiteten eine Vielzahl von Nationalitäten zusammen, sodass ausländerfeindliche Meinungsäußerungen nicht akzeptiert werden könnten, da sie den Betriebsfrieden erheblich störten. Die Aussage, alle Ausländer beziehungsweise Flüchtlinge sollten erschossen werden, habe zudem strafrechtliche Relevanz; allein schon deswegen sei vorliegend eine Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist und auch ohne vorherige Abmahnung geboten. Die Bemerkungen des Klägers hinsichtlich der Tötung von Menschen ließen jede weitere Zusammenarbeit als unzumutbar erscheinen.

Das Arbeitsgericht hat daraufhin Beweis erhoben aufgrund Beweisbeschlusses vom 20.08.2019. Der Beweisbeschluss u. a. folgenden Wortlaut:

Fristlose Kündigung bei ausländerfeindlichen Äußerungen eines Arbeitnehmers
(Symbolfoto: fizkes/Shutterstock.com)

„Es soll Beweis erhoben werden über die Behauptung der Beklagten

a) der Kläger habe gegenüber Herrn St. und Herrn Z. am 09.04.2019 gesagt, „ich würde alle Araber in einer Reihe aufstellen und sie alle erschießen“,

b) der Kläger habe gegenüber Herrn Z. am 09.04.2019 gesagt, „ich würde alle (gemeint: Flüchtlinge) umlegen,

c) der Kläger habe gegenüber Herrn Y. am 10.04.2019 nach Zeigen eines Videos über eine Wohnung, die der Staat angeblich Flüchtlingen angeboten habe, „ich würde alle (Flüchtlinge) erschießen, die gehören erschossen.“

durch Vernehmung der von ihr angebotenen Zeugen

zu a) St., zu laden über die Beklagte

zu b) Z., zu laden über den Beklagten

zu c) Y., zu laden über die Beklagte

gegenbeweislich durch Vernehmung der von dem Kläger benannten Zeugen

zu a – c)  G., zu laden über die Beklagte

Gn., zu laden über die Beklagte

Ky., zu laden über die Beklagte

X., H.straße, L.“

Hinsichtlich des weiteren Inhalts des Beweisbeschlusses wird auf Bl. 302, 303 d. A. Bezug genommen. In der mündlichen Verhandlung vom 14.01.2020 hat das Arbeitsgericht sodann die Zeugen St., Y., G., Gn. und X. vernommen; hinsichtlich des Inhalts der Aussagen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 14.01.2020 (Bl. 393-402 d. A.) Bezug genommen. Sodann hat es den Zeugen Z. in der mündlichen Verhandlung vom 29.06.2020 vernommen; hinsichtlich des Inhalts der Aussage wird auf die Sitzungsniederschrift vom 29.06.2020 (Bl. 450-454 d. A.) Bezug genommen.

Im Anschluss daran hat das Arbeitsgericht durch Urteil vom 29.06.2020 – 6 Ca 315/19 – die Beklagte verurteilt, dem Kläger ein qualifiziertes Endzeugnis zu erteilen um im Übrigen die Klage abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 474/3 bis 474/18 d. A. Bezug genommen.

Gegen das ihm am 30.07.2020 sowie in korrigierter Fassung am 13.08.2020 zugestellte Urteil hat der Kläger durch am 27.08.2020 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung durch am 30.11.2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf seinen begründeten Antrag hin durch Beschluss vom 29.09.2020 die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 30.11.2020 einschließlich verlängert worden war.

Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, ein wichtiger Grund zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung sei vorliegend nicht gegeben. Zwar möge sich nach den Sachverhaltsdarstellungen der Zeugen das Bild ergeben, dass der Kläger die ihm allerdings sehr undifferenziert unterstellten Äußerungen getätigt habe. Es werde im streitgegenständlichen Urteil auch nicht genau herausgearbeitet, welche Äußerung genau der Kläger wann getätigt haben soll. Es sei keinesfalls eindeutig, von welchem Sachverhalt insoweit ausgegangen werde. Es bestünden hinsichtlich des Zeugen St. und seiner Bekundungen Widersprüche, insbesondere wegen zeitlicher Abläufe und wegen vermeintlich unterstellter Äußerungen, die jeweils voneinander abwichen. Gleiches gelte für den jeweiligen Ort der Unterhaltungen, an denen die Begegnungen stattgefunden haben sollen. Der Kläger sei nie mit den Zeugen alleine zugegen gewesen; stets seien vielmehr weitere Kollegen anwesend gewesen. Der Kläger habe den Zeugen, wie in derartigen Fällen bei ihm üblich, Rechenaufgaben gestellt, die diese nicht hätten beantworten können. Danach habe er sie gefragt, ob denn jemand wisse, was in elf Tagen, am 20.04., stattfinde. Nachdem er insoweit keine Antwort erhalten habe, habe er, der Kläger, die Frage selbst mit den Worten beantwortet: „Da hat Adolf Hitler, der sogenannte Führer, Geburtstag“. Er, der Kläger, habe nicht gesagt, „sein Führer“ noch „unser Führer“. Das Video aus einer Spiegel-TV-Reportage habe er seinen Arbeitskollegen gezeigt, nicht den Zeugen. In diesem Zusammenhang habe er keineswegs geäußert: „Die kriegen alles in den Arsch geschoben. Ich würde die Araber alle abknallen“. Er habe lediglich gesagt, dass sich die Führer gegenseitig abschießen. Auch eine Körperbewegung in Form einer Erschießungsgeste habe es nicht gegeben. Zutreffend sei, dass er, der Kläger sich über eine geringe Rente beschwert habe, im Vergleich zu den möglichen Leistungen eines Asylsuchenden in Deutschland. Von einer Waffe aus dem zweiten Weltkrieg habe er, der Kläger, nicht berichtet. Er habe ein WhatsApp-Video gezeigt, dass ihn bei einer Baumfäll-Aktion zeige. Er selbst habe eine bereits sehr alte Kettensäge bedient. Er habe dazu erklärt, dass dies klingt, wie ein Maschinengewehr aus dem zweiten Weltkrieg. Er habe nicht geäußert, der 10. April sei ein wichtiger Tag für den Faschismus. Vielmehr habe er erklärt, dass am 10.04. mit Hilfe der Nazis Kroatien gegründet worden sei und die Faschisten diesen Tag feiern würden. Er habe die Zeugen auch nicht gefragt, ob sie Ausländer sind.

Der Personalleiter P. habe die von ihm am 12.04.2019 erstellten Gesprächsprotokolle erst einen Tag nach der Anhörung der jeweiligen Zeugen verfasst. Damit erscheine ausgeschlossen, dass er sich an die einzelnen Fragen, die er an den Zeugen gestellt habe, noch erinnern könne. Widersprüche bestünden auch zwischen den Bekundungen des Zeugen St. einerseits (Maschinengewehr, Araber) und Z. andererseits. Letzterer habe ausdrücklich bekundet, dass er die Verallgemeinerung, dass alle Flüchtlinge umgelegt werden sollten, so nicht verstanden habe. Auch der Zeuge Y. könne sich nicht genau an den Wortlaut erinnern, den der Kläger verwendet haben solle. Vielmehr beschrieben die Zeugen offensichtliche Situationen.

Vorliegend sei allenfalls, unterstellt ein Fehlverhalten habe überhaupt vorgelegen, ein Augenblicksversagen, ein einmaliger Fehltritt gegeben. Berücksichtigt werden müsse auch, dass dem Kläger in dem Gespräch vom 11.04.2019 ein Vorwurf bezüglich des Einsatzes einer Waffe oder dem Abschießen von Flüchtlingen oder Arabern nicht gemacht worden sei. Warum darauf verzichtet worden sei, erschließe sich nicht. Insoweit werde bestritten, dass der Mitarbeiter P. die in den Protokollen vom 11.04.2019 festgehaltenen Gespräche mit den Zeugen St., Z. und Y. mit dem dargestellten Inhalt geführt habe.

Die Anhörung des Betriebsrats sei rechtsunwirksam. Denn die Beklagte habe diesem lediglich das Protokoll der Anhörung des Klägers vom 12.04.2019 vorgelegt, das keine Erklärung des Klägers zu den Vorwürfen enthalte. Erst nach Ausspruch der Kündigung habe sie den Betriebsrat aufgrund der Stellungnahme vom 24.04.2019 ergänzend angehört. Die zuvor ausgesprochene gegenständliche Kündigung rechtfertige dies jedoch nicht. Eine weitere Kündigung nach der umfassenden Anhörung des Betriebsrats nach Stellungnahme des Klägers sei nicht erfolgt.

Schließlich habe die Beklagte den Kläger vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung abmahnen müssen. Zudem müsse der besondere tarifliche Kündigungsschutz des Klägers berücksichtigt werden, wonach eine ordentliche Kündigung vorliegend ausgeschlossen sei. Weiterhin müsse zugunsten des Klägers das Grundrecht der Meinungsfreiheit berücksichtigt werden. Anhaltspunkte dafür, dass der Betriebsfrieden gestört worden sei, bestünden auch hinsichtlich des Zeugen St. nicht. Denn der habe sich keineswegs hilfesuchend an die Betriebsleitung gewandt, sondern an seinen Vorgesetzten und insoweit zu erkennen gegeben, dass er von weiteren Gesprächen mit dem Kläger und dessen Kollegen Abstand nehmen wolle. Der Kläger habe keinen der Anwesenden jeweils attackiert, angegriffen oder beleidigt. Als mildere Mittel seien auch z. B. grundlegende verständliche Schulungen für die Arbeitnehmer und konkrete Ansprachen in Betracht zu ziehen.

Letztlich müsse im Rahmen der abschließenden Interessenabwägung das besondere Alter des Klägers, dem auch die Tarifvertragsparteien durch Einräumung einer Alterssicherung einen besonderen Stellenwert eingeräumt hätten, berücksichtigt werden. Durch eine mögliche Befragung des Klägers lasse sich hinsichtlich seiner Persönlichkeit feststellen, dass es sich allenfalls um Äußerungen gehandelt habe, die als populistischer Tabubruch in Zeiten von vergifteten Flüchtlingsdebatten als unreflektiertes dummes Zeug zu qualifizieren seien. Den menschenverachtenden Kern der Aussage vermöge in seiner Tiefe nicht jeder zu erkennen. Auch habe es im Betrieb der Beklagten bereits parallel Fälle von ausländerfeindlichen Äußerungen gegeben. Die streitgegenständlichen Äußerungen seien bezüglich des dem Kläger unterstellten Verhaltens auch nicht unmittelbar gegenüber Kollegen erfolgt und bezögen sich auch nicht auf eine bestimmte Ausländergruppe. Vielmehr handele es sich um einen äußerst unreflektierten Umgang mit der Flüchtlingsdebatte auf dem Niveau von extremistischen Parteien. Für die Beurteilung der Frage, ob dem Kläger noch eine zweite Chance gegeben werden müsse oder ob wegen einer einmaligen Verfehlung das langjährig bestehende Arbeitsverhältnis beendet werde, obwohl der Kläger mit seinem Alter keine Anstellung mehr finden werde, müsse dies ohne Einfluss bleiben.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 30.11.2020 (Bl. 506-527 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein, Auswärtige Kammern Landau, vom 29.06.2020 – 6 Ca 315/19 – in der Fassung des Urteils vom 11.08.2020, zugestellt am 11.08.2020, abzuändern und der Klage stattzugeben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen – Auswärtige Kammern Landau – vom 29.06.2020 – 6 Ca 315/19 – zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, gerade die Tatsache, dass der Kläger offenbar immer noch der Auffassung sei, sein Verhalten und seine Äußerungen seien nicht so gravierend, um den Bestand des Arbeitsverhältnisses zu beeinflussen, zeige, dass bei ihm nach wie vor keinerlei Einsicht vorhanden sei. Auch dies rechtfertige die außerordentliche fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Das gravierende Fehlverhalten des Klägers sei offenkundig. Bei der Beklagten seien tausende Arbeitnehmer*innen mit ausländischen Wurzeln beschäftigt, sodass die Beklagte weder eine Art „Hitler-Verehrung“ noch die Androhung von Gewalt gegen Menschen dulden könne. Im Kern hätten entgegen dem Vorbringen des Klägers, das sich auf Einzelheiten beziehe, die drei Auszubildenden das belastende Vorbringen der Beklagten bestätigt. Nach der Beweisaufnahme, die im erstinstanzlichen Rechtszug durchgeführt worden sei, stehe fest, dass der Kläger sinngemäß gesagt habe, er würde, das Problem (entweder mit den Ausländern, Arabern oder Flüchtlingen) so lösen, dass man alle in einer Reihe aufstelle und erschieße. Dass die Zeugen insoweit keine vollständig identischen Aussagen gemacht hätten, spreche für ihre Glaubwürdigkeit, zumal die Vorfälle zum Zeitpunkt der Zeugenaussage bereits Monate zurückgelegen hätten. Auch seien die drei Auszubildenden in einer für sie ungewohnten Umgebung befindlich gewesen, sie hätten weder Räumlichkeiten, noch die dort arbeitenden Personen gekannt und seien von den Äußerungen des Klägers erheblich geschockt gewesen. So, wie der Kläger, dürfe sich niemand äußern. Kein Mitarbeiter der Beklagten dürfe im Betrieb während der Arbeitszeit gegenüber Kollegen bzw. Auszubildenden die Auffassung vertreten, alle Ausländer, Araber, Flüchtlinge sollten erschossen werden, wobei es völlig gleichgültig sei, welche Personengruppe konkret genannt/gemeint gewesen sei. Ferner habe der Kläger erklärt, der 10. April sei ein besonders wichtiger und guter Tag, da es der Geburtstag von Adolf Hitler gewesen sei. Wer einen der größten Schlächter der Menschheit auf diese Weise verkläre und gutheiße, gefährde den Betriebsfrieden und beleidige all diejenigen Gruppen, die im dritten Reich unter Adolf Hitler verfolgt worden seien. Zudem habe der Kläger seine Auffassung vom „Erschießen“ von Menschen auch dadurch kundgetan, dass er eine Haltung von Körper und Armen angenommen habe, die nur so interpretiert werden könne, dass er eine automatische Waffe haltend eine Reihe von Menschen erschießen möchte. Es sei kein Wunder, dass die Auszubildenden ob einer solchen Haltung und Einstellung eines Menschen zutiefst erschrocken seien und diesen Vorfall auch gleich ihrem Vorgesetzten gemeldet hätten. Noch menschenverachtender könne man sich eigentlich nicht verhalten. Dass die Zeugen sich hinsichtlich der Daten nicht mehr ganz sicher gewesen seien, spreche für ihre Glaubwürdigkeit. Maßgeblich sei allein, dass die Äußerungen vom Kläger stammten und sie in den ersten ein bis zwei Tagen ihrer Anwesenheit im Betrieb L. gefallen seien.

Bedenken hinsichtlich der inhaltlichen Richtigkeit der von der Beklagten erstellten Protokolle der Anhörung der drei Zeugen seien nicht berechtigt. Bei der Befragung seien jeweils mehrere Personen anwesend gewesen, der Personalleiter, Herr P., habe handschriftliche Notizen noch im Verlaufe der jeweiligen Anhörung gemacht und sodann am Folgetag in die IT übernommen.

Der vom Kläger angesprochene weitere Mitarbeiter, Herr K., der sich in eindeutig rechtsradikaler Weise geäußert habe, habe das Unternehmen als Folge seiner Äußerung zwischenzeitlich verlassen müssen.

Die Äußerungen des Klägers seien insgesamt ganz offenkundig das Ergebnis einer politischen, menschlichen Einstellung, keinesfalls dagegen als ein „Augenblicksversagen“ zu qualifizieren. Es sei unerheblich, ob die Äußerungen bei einer oder zwei Gelegenheiten gefallen seien.

Die Anhörung des Betriebsrats sei ordnungsgemäß erfolgt. Die Beklagte habe dem Kläger eine Frist zur Abgabe einer evtl. weiteren Stellungnahme gesetzt, die dieser – unstreitig – nicht eingehalten habe. Darüber hinaus gebe es keine inhaltlich über die Erklärung des Klägers zum 11.04.2019 hinausgehende Stellungnahme, auch nicht aus der Zeit nach dem 18.04.2019.

Einer Abmahnung habe es vorliegend nicht bedurft. Die Interessenabwägung müsse aufgrund der vorliegend zu berücksichtigenden Gesamtumstände zugunsten der Beklagten enden. Eine auch nur einstweilige Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei ihr unzumutbar. Wer meine, andere Menschen müssten erschossen werden, gleichgültig, ob damit Ausländer, Araber, Flüchtlinge o. ä. gemeint sein sollten, habe jeden Kündigungsschutz verwirkt. Auch könne die Beklagte keineswegs sicher sein, dass es in Zukunft nicht weiterhin zu solchen oder ähnlichen Äußerungen des Klägers komme. Die Handlungen und Erklärungen des Klägers seien unentschuldbar. Schulungen oder Ansprachen seien als milderes Mittel nicht in Betracht zu ziehen. Insgesamt handele es sich keineswegs um einen populistischen Tabubruch bzw. unreflektiertes dummes Zeug, sondern um ein strafrechtlich relevantes Verhalten, dass kein Arbeitgeber dulden oder auch nur mit einer Abmahnung sanktionieren dürfe.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 04.01.2021 (Bl. 544-551 d. A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 01.02.2021.

Entscheidungsgründe

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die streitgegenständliche außerordentliche fristlose Arbeitgeberkündigung vom 25.04.2019 das zuvor zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit ihrem Zugang am 25.04.2019 beendet hat.

Denn entgegen der Auffassung des Klägers sind vorliegend die gesetzlichen Voraussetzungen des § 626 Abs. 1, 2 BGB gegeben. Auch bestehen entgegen der Auffassung des Klägers keine Anhaltspunkte für das Vorliegen weiterer, sogenannter sonstiger Unwirksamkeitsgründe, die ein abweichendes Ergebnis rechtfertigen könnten.

Ein wichtiger Grund im Sinne der Generalklausel der § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung liegt dann vor, wenn Tatsachen gegeben sind, auf-grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und in der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung nicht zugemutet werden kann (vgl. BAG 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38; 21.06.2012 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 63 = NZA 2013, 199; 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013 Seite 6 LS). Damit wird der wichtige Grund zunächst durch die objektiv vorliegenden Tatsachen bestimmt, die an sich geeignet sind, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar zu machen. Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist deshalb jeder Sachverhalt, der objektiv das Arbeitsverhältnis mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes belastet (vgl. BAG 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38). Entscheidend ist nicht der subjektive Kenntnisstand des Kündigenden, sondern der objektiv vorliegende Sachverhalt, der objektive Anlass. Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind (Ascheid/Preis/Schmidt Großkommentar Kündigungsrecht 4. Auflage 2012 (APS- Dörner/Vossen), § 626 BGB Rz. 42 ff.; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Arbeitsrechts, DLW/Dörner, 15. Auflage 2020, Kap. 4. Rn. 1121 ff.).

Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen. Nachträglich eingetretene Umstände können für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen. Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde. Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch eine Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden. Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen gilt nichts Anderes (BAG 15.12.1955 NJW 1956, 807; 28.10.1971 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 9; 3.7.2003 EzA § 626 BGB 202 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 2; 24.11.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 12, 484; 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32).

Die danach zu berücksichtigenden Umstände müssen nach verständigem Ermessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar erscheinen lassen (BAG AP-Nr. 4 zu § 626 BGB). Bei der Bewertung des Kündigungsgrundes und bei der nachfolgenden Interessenabwägung ist ein objektiver Maßstab anzulegen, so dass subjektive Umstände, die sich aus den Verhältnissen der Beteiligten ergeben, nur aufgrund einer objektiven Betrachtung zu berücksichtigen sind. Dabei ist insbes. nicht auf die subjektive Befindlichkeit des Arbeitgebers abzustellen; vielmehr ist ein objektiver Maßstab („verständiger Arbeitgeber“) entscheidend, also ob der Arbeitgeber aus der Sicht eines objektiven Betrachters weiterhin hinreichendes Vertrauen in den Arbeitnehmer haben müsste, nicht aber, ob er es tatsächlich hat (BAG 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32). Die danach maßgeblichen Umstände müssen sich konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken; da der Kündigungsgrund zukunftsbezogen ist und die Kündigung keine Sanktion für das Verhalten in der Vergangenheit darstellt, kommt es auf seine Auswirkungen auf die Zukunft an, die vergangene Pflichtverletzung muss sich noch in Zukunft belastend auswirken (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 23.10.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 25; 12.1.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67; 12.1.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68; LAG BW 25.3.2009 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 20; LAG RhPf 26.2.2010 NZA-RR 2010, 297). Da es um den zukünftigen Bestand des Arbeitsverhältnisses geht, muss dessen Fortsetzung durch objektive Umstände oder die Einstellung oder das Verhalten des Gekündigten im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im persönlichen Vertrauensbereich (der Vertragspartner) oder im Unternehmensbereich konkret beeinträchtigt sein.

Das kann dann der Fall sein, wenn auch zukünftige Vertragsverstöße zu besorgen sind, d. h. wenn davon ausgegangen werden muss, der Arbeitnehmer werde auch künftig den Arbeitsvertrag nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen oder sonst von einer fortwirkenden Belastung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen werden muss (LAG BW 25.3.2009 § 626 2002 Nr. 20; LAG RhPf 26.2.2010 NZA-RR 2010, 297).

Die erforderliche Überprüfung gem. § 626 Abs. 1 BGB vollzieht sich folglich zweistufig (vgl. z. B. BAG 24.3.2011 2 AZR 282/10 EzA-SD 16/2011 S. 3 LS. = NZA 2011, 1029; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35).

Zum einen muss ein Grund vorliegen, der unter Berücksichtigung der oben skizzierten Kriterien überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Insoweit handelt es sich um einen Negativfilter, d. h., dass bestimmte Kündigungsgründe eine außerordentliche Kündigung von vornherein nicht rechtfertigen können.

Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der – in der Regel – vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (vgl. ausführlich APS-Dörner/Vossen, § 626 BGB a. a. O.; DLW-Dörner a. a. O.). In einer Gesamtwürdigung ist das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 24.3.2011 – 2 AZR 282/10- EzA-SD 16/2011 S. 3 LS. = NZA 2011, 1029; 27.09.2012 -2 AZR 646/11 – EzA-SD 9/2013, Seite 6 LS).

Entscheidend ist die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung bzw. bis zum Ende der vereinbarten Befristung (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; 27.09.2012 – 2 AZR 646/11 – EzA-SD 9/2013, Seite 6 LS; LAG Bl. 5.1.2005 – 17 Sa 1308/04 – EzA-SD 8/05, Seite 12 LS; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a. a. O.).

Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegen seiner erheblichen Pflichtverletzung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung des Interesses des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen – einstweiligen – Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung der Umstände des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013, Seite 6 LS).

Nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ist die außerordentliche Kündigung „Ultima Ratio“, so dass sie dann nicht gerechtfertigt ist, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar ist, weil dann die ordentliche Kündigung ein milderes Mittel als die außerordentliche Kündigung darstellt (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013 Seite 6 LS; krit. Stückmann/Kohlepp RdA 2000, 331 ff.).

Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus; sie dient der Objektivierung der Prognose (BAG 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67: 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Sie ist nur dann entbehrlich, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht Erfolg versprechend angesehen werden kann. Das ist insbes. dann anzunehmen, wenn erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten. Nur besonders schwere Vorwürfe bedürfen keiner Abmahnung, wenn und weil der Arbeitnehmer dann von vornherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann (LAG RhPf 26.02.2010 – 6 Sa 682/09, NZA-RR 2010, 297; LAG Nds. 12.02.2010 – 10 Sa 1977/08, EzA-SD 8/2010 S. 6 LS).

Einer Abmahnung bedarf es danach bei einem steuerbaren Verhalten des Arbeit-nehmers in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes also nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG 24.03.2011 – 2 AZR 282/10, EzA-SD 16/2011 S. 3 LS = NZA 2011, 1029; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 36; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 39 = NZA-RR 2012, 567;25.10.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 41 = NZA 2013, 319; LAG Hessen 27.02.2012 NZA-RR 2012, 471), denn dann ist grds. davon auszugehen, dass das künftige Verhalten des Arbeitnehmers schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann; die Abmahnung dient insoweit der Objektivierung der negativen Prognose: Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen. Das gilt grds. uneingeschränkt selbst bei Störungen des Vertrauensbereichs durch Straftaten gegen Vermögen oder Eigentum des Arbeitgebers (BAG 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; LAG Bln.-Bra. 30.03.2012 LAGE § 611 BGB 2002 Abmahnung Nr. 9 = NZA -RR 2012, 353; LAG Köln 20.01.2012 NZA-RR 2012, 356), denn auch in diesem Bereich gibt es keine „absoluten“ Kündigungsgründe. Stets ist konkret zu prüfen, ob nicht objektiv die Prognose berechtigt ist, der Arbeitnehmer werde sich jedenfalls nach einer Abmahnung künftig wieder vertragstreu verhalten (BAG 10.06.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32; Preis AuR 2010, 242; Schlachter NZA 2005, 433 ff.; Schrader NJW 2012, 342 ff.; s. LAG Bln.-Bra. 30.03.2012 LAGE § 611 BGB 2002 Abmahnung Nr. 9 = NZA-RR 2012, 353; Arbeitszeitbetrug; LAG Köln 20.01.2012 NZA-RR 2012, 356: vorzeitiges Arbeitsende ohne betriebliche Auswirkungen).

Entscheidender Zeitpunkt für die Beurteilung ist grundsätzlich (ebenso wie bei der ordentlichen Kündigung) der Zeitpunkt des Ausspruchs bzw. Zugangs der Kündigung. Die Wirksamkeit einer Kündigung ist grundsätzlich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zugangs zu beurteilen. Dieser Zeitpunkt ist im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB sowohl für die Prüfung des Kündigungsgrundes als auch für die Interessenabwägung maßgebend. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen (BAG 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32 = NZA 2010, 1227; 28.10.1971 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 9; 15.12.1955 BAGE 2, 245).

Nachträglich eingetretene Umstände können für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen (BAG 10.6.2010; a. a. O.; 28.10.1971 a. a. O.). Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde (BAG 10.6.2010 a. a. O; 15.12.1955 a. a. O.). Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch die Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden (BAG 15.12.1955 a. a. O). Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen (BAG 10.6.2010; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 202 Nr. 4 a. a. O.; 24.11.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 12; 3.7.2003 EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 2) gilt nichts Anderes.

Die in den aufgehobenen gesetzlichen Vorschriften der §§ 123, 124 Gewerbeordnung, 71, 72 HGB nach altem Recht genannten Beispiele für wechselseitige wichtige Gründe (z. B. Arbeitsvertragsbruch, beharrliche Arbeitsverweigerung) sind als wichtige Hinweise für typische Sachverhalte anzuerkennen, die an sich geeignet sind, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu bilden und die Kündigung in der Regel auch zu rechtfertigen, wenn keine besonderen Umstände zugunsten des Gekündigten sprechen (vgl. BAG AP-Nr. 99 zu § 626 BGB). „Absolute Kündigungsgründe“, die ohne eine besondere Interessenabwägung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, bestehen andererseits jedoch nicht (BAG 15.11.1984 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 95; 10.6.2010; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 40 = NZA 2013, 27).

Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast gilt Folgendes:

Der Kündigende ist darlegungs- und beweispflichtig für die Umstände, die als wichtige Gründe geeignet sein können. Die Bewertung eines Fehlverhaltens als vorsätzlich liegt insoweit im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und ist Gegenstand der tatrichterlichen Beweiswürdigung i.S.v. § 286 ZPO (BAG 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027).

Im Rahmen der ihr obliegenden Darlegungslast trifft jede Prozesspartei eine vollständige Substantiierungspflicht; sie hat sich eingehend und im Einzelnen nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiiert zu äußern. Andererseits darf von keiner Prozesspartei von Verfassungs wegen etwas Unmögliches verlangt werden. Der Konflikt zwischen diesen beiden Positionen wird gelöst durch das Prinzip der Sachnähe, d. h., je näher eine Prozesspartei an dem fraglichen tatsächlichen Geschehen selbst unmittelbar und persönlich beteiligt ist, desto eingehender hat sie substantiiert vorzutragen. Das kann so weit gehen, dass sie auch verpflichtet sein kann, durch tatsächliches Vorbringen oder Vorlage von Unterlagen die Gegenpartei überhaupt erst in die Lage zu versetzen, der ihr obliegenden Darlegungslast nachzukommen. Schließlich muss das tatsächliche Vorbringen wahrheitsgemäß sein (vgl. BAG 26.06.2008, 23.10.2008 EzA § 23 KSchG Nr. 32, Nr. 33).

Zu den die Kündigung begründen Tatsachen, die der Kündigende vortragen und gegebenenfalls beweisen muss, gehören auch diejenigen, die Rechtfertigungs-und Entschuldigungsgründe (z.B. eine vereinbarte Arbeitsbefreiung, die Einwilligung des Arbeitgebers in eine Wettbewerbstätigkeit; eine „Notwehrsituation“, vgl. LAG Köln 20.12.2000 ARST 2001, 187) für das Verhalten des gekündigten Arbeitnehmers ausschließen (BAG 06.08.1987 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 109; 18.09.2008 – 2 AZR 1039/06, EzA-SD 8/2009 S. 9: Notwehr bei tätlicher Auseinandersetzung; 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607).

Der Umfang der Darlegungs- und Beweislast richtet sich danach, wie substantiiert der Gekündigte sich auf die Kündigungsgründe einlässt. Der Kündigende muss daher nicht von vornherein alle nur denkbare Rechtfertigungsgründe widerlegen.

Es reicht insoweit nicht aus, dass der Gekündigte pauschal und ohne nachprüfbare Angaben Rechtfertigungsgründe geltend macht. Er muss deshalb unter substantiierter Angabe der Gründe, die ihn gehindert haben, seine Arbeitsleistung, so wie an sich vorgesehen, zu erbringen, den Sachvortrag des Kündigenden nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen bestreiten. Gleiches gilt dann, wenn sich der Gekündigte anders als an sich vorgesehen verhalten hat (s. BAG 18.09.2008 – 2 AZR 1039/06, FA 2009, 221 LS).

Nur dann ist es dem Kündigenden möglich, diese Angaben zu überprüfen und ggf. die erforderlichen Beweise anzutreten (BAG 06.08.1987 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 109). Wenn der gekündigte Arbeitnehmer sich allerdings gegen die Kündigung wehrt und i.S.d. § 138 Abs. 2 ZPO ausführlich Tatsachen vorträgt, die einen Rechtfertigungsgrund für sein Handeln darstellen oder sonst das Verhalten in einem milderen Licht erscheinen lassen können, muss der Arbeitgeber seinerseits Tatsachen vorbringen und ggf. beweisen, die die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Rechtfertigungsgründe erschüttern (LAG Köln 21.04.2004 LAG Report 2005, 64 LS). Will der Arbeitgeber bspw. die außerordentliche Kündigung auf die Behauptung stützen, der Arbeitnehmer habe Beträge aus der Einlösung von Schecks unterschlagen, muss er im Einzelnen diese Unterschlagung darlegen und unter Beweis stellen. Wenn der Arbeitnehmer nachvollziehbar darlegt, wann und wenn er die Beträge abgeliefert hat, kann sich der Arbeitgeber nicht mit Erfolg auf den Standpunkt stellen, der Arbeitnehmer müsse die Ablieferung der Beträge beweisen (LAG Köln 26.06.2006 – 14 Sa 21/06, EzA-SD 19/06, S. 10 LS).

Die dem kündigenden Arbeitgeber obliegende Beweislast geht auch dann nicht auf den gekündigten Arbeitnehmer über, wenn dieser sich auf eine angeblich mit dem Arbeitgeber persönlich vereinbarte Arbeitsbefreiung beruft und er einer Parteivernehmung des Arbeitgebers zu der streitigen Zusage widerspricht.

In diesem Fall sind allerdings an das Bestreiten einer rechtswidrigen Vertragsverletzung hinsichtlich des Zeitpunkts, des Ortes und des Anlasses der behaupteten Vereinbarung, die das Verhalten des Arbeitnehmers rechtfertigen oder entschuldigen sollen, strenge Anforderungen zu stellen (BAG 24.11.1983 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 88; APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 173 ff.).

Gelingt es dem Arbeitgeber nicht, den Kündigungsvorwurf in tatsächlicher Hinsicht zu beweisen, ist die streitgegenständliche Kündigung mangels eines wichtigen Grundes i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB unwirksam (LAG RhPf 21.05.2010 NZA-RR 2011, 80).

Der Arbeitnehmer ist gem. § 241 Abs. 2 BGB bspw. verpflichtet, Störungen des Betriebsfriedens oder Betriebsablaufs zu vermeiden. Verhält sich ein Arbeitnehmer bewusst illoyal gegenüber Vorgesetzten und führt dies zu einer gewichtigen Störung des Betriebsfriedens, kann eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses, ggf. auch ohne Abmahnung, gerechtfertigt sein (BAG 01.06.2017 – 6 AZR 720/15, EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist 7 = NZA 2017, 1332). Zu beachten ist allerdings, dass auch auf den Erhalt des „Betriebsfriedens“ gerichteten Verhaltenspflichten i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB einer Konkretisierung unter Berücksichtigung der wechselseitigen Interessen und grundrechtlichen Gewährleistungen bedürfen. Allein der Umstand, dass eine Störung eingetreten ist, genügt nicht für die Annahme, ein Arbeitnehmer, der dazu beigetragen hat, habe auch seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers verletzt (BAG 30.07.2020 – 2 AZR 43/20, NZA 2020, 1427; s. LAG Bln.-Bra. 07.11.2019 – 5 Sa 134/19, NZA-RR 2020, 183, Möllenkamp NZA-RR 2020, 599).

Beleidigt ein Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber, einen Vorgesetzten oder seine Arbeitskollegen grob, d.h. wenn die Beleidigung nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betreffenden bedeutet, stellt dies einen erheblichen Verstoß gegen seine vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) aus dem Arbeitsverhältnis dar und kann einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung an sich bilden (BAG 05.12.2019 – 2 AZR 240/19, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 87 = NZA 2020, 646; 18.12.2014 EzA Art. 5 GG Nr. 29 = NZA 2015, 797; 27.09.2012 – 2 AZR 646/11, JurionRS 2012, 36815 = NZA 2013, 808). Was als grobe Beleidigung anzusehen ist, muss unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles entschieden werden. Zu berücksichtigen hierbei ist, ob und inwieweit die Auseinandersetzung vom Arbeitgeber mitverursacht wurde. Von Bedeutung sind weiterhin der betriebliche bzw. der branchenübliche Umgangston und die Gesprächssituation. Bei Vorliegen einer groben Beleidigung des Arbeitgebers und/oder seiner Vertreter oder Repräsentanten, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den bzw. die Betroffenen bedeuten, kann sich der Arbeitnehmer nicht erfolgreich auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG berufen (LAG SchlH 24.01.2017 – 3 Sa 244/16, LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 67; s.a. LAG MV 11.07.2017 – 5 TaBV 13/16, LAGE § 103 BetrVG 2001 Nr. 22).

Auch in einem Betrieb ist allerdings gleichwohl die Meinungsfreiheit geschützt und sachbezogene Auseinandersetzungen dürfen durchaus scharf geführt werden. Schmähkritik genießt freilich nicht den Schutz von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG. Eine Schmähung ist eine Äußerung – unter Berücksichtigung von Anlass und Kontext – allerdings nur dann, wenn jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern allein die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (BAG 05.12.2019 – 2 AZR 240/19, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 87 = NZA 2020, 646).

Tragendes Merkmal des Schutzbereiches der Meinungsfreiheit ist die persönliche Meinung. Kennzeichnend ist ihre Subjektivität: Das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens und Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung (ErfK/Schmidt Art. 5 GG Rn. 5). Unerheblich sind die Bedeutsamkeit, die Richtigkeit oder gar die Vernünftigkeit einer Äußerung (BVerfG 04.11.2009 – 1 BvR 2150/08, NJW 2010, 47). Geschützt ist auch die Freiheit, die persönliche Wahrnehmung von Ungerechtigkeiten in subjektiver Emotionalität zu äußern (BVerfG 10.03.2016 – 1 BvR 2844/13, NV wZ 2016, 761). Selbst polemische und beleidigende Werturteile oder rechtsextremistische Äußerungen fallen in den Schutzbereich, soweit sie als Teil des Meinungskampfes verstanden werden müssen (BVerfG 08.12.2010 – 1 BvR 1106/08; EuGRZ 2011, 88; ErFK/Schmidt Art. 5 GG Rn.5) Diese Grenze überschreitet erst die sog. Schmähkritik, die nur noch auf die Verunglimpfung einer Person abzielt, für die also Meinungsbildung – und sei es in noch so polemischer und zugespitzter Form – keine Rolle mehr spielt. Ihr fehlt der Sachbezug. Schmähkritik genießt nicht den Schutz von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG. Eine Schmähung ist eine Äußerung unter Berücksichtigung von Anlass und Kontext – jedoch nur dann, wenn jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern allein Diffamierung der Person im Vordergrund steht (BAG 05.12.2019 – 2 AZR 240/19, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 87 = NZA 2020, 646). Diese Ausnahme ist eng auszulegen (BVerfG 02.07.2013 – 1 BvR 1751/12, JurionRS 2013. 42027 = NJW 2013, 3021; 28.07.2014 – 1 BvR 482/13, JurionRS 2014, 21977 = NJW 2014, 3357) Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind insoweit schon dann verkannt, wenn eine Äußerung unzutreffend als Formalbeleidigung oder Schmähkritik eingestuft wird mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind (BVerfG 14.06.2019 – 1 BvR 2433/17, EzA Art. 5 GG Nr. 33 = NJW 2019, 2600).

Auch Werturteile fallen in den Schutzbereich des Rechts auf Meinungsfreiheit. Dasselbe gilt für Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen, sofern sie durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind (BAG 05.12.2019 – 2 AZR 240/19, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 87 = NZA 2020, 646). Auseinandersetzungen dürfen durchaus scharf geführt werden. Allein in dem sinngemäßen Vorwurf an einen Vorgesetzten, ein Ausbeuter zu sein, liegt daher keine Schmähkritik. Ein Sachbezug ist nicht von vornherein zu verneinen, wenn im Betrieb eine Rücksichtslosigkeit vor Diskriminierung, etwa von befristet Beschäftigten oder im Wege der Arbeitnehmerüberlassung prekär Beschäftigten, kritisiert wird, und die im Zusammenhang mit Beratungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über eine Gesundheitsprämie und zur betrieblichen Praxis der Übernahme zeitweilig Beschäftigter in ein Dauerarbeitsverhältnis steht (BVerfG 30.05.2018 – 1 BvR 1149/17, NZA 2018, 924).

Auch fallen Werturteile in den Schutzbereich des Rechts auf Meinungsfreiheit. Dasselbe gilt für Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen, sofern sie durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind (BAG 05.12.2019 – 2 AZR 240/19, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 87 = NZA 2020, 646). Werturteile sind über Art. 5 Abs. 1 GG in weiterem Umfang geschützt als (unrichtige) Tatsachenbehauptungen. Sie sind nicht schon dann unzulässig, wenn es sich um überzogene, ungerechte oder auffällige Kritik handelt, sondern erst dann, wenn sie den Charakter einer Schmähung (s. BAG 05.12.2019 – 2 AZR 240/19, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 87 = NZA 2020, 646) annehmen. Das ist der Fall, wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, die jenseits polemischer und zugespitzter Kritik diffamiert und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll (BAG 05.12.2019 – 2 AZR 240/19, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 87 = NZA 2020, 646; LAG Düsseld. 04.03.2016 LAGE Art. 5 GG Nr. 10; s.a. LAG Bln.-Bra. 02.10.2014 NZA-RR 2015, 125; BVerfG 30.05.2018 – 1 BvR 1149/17, NZA 2018, 924: Ausbeuter). Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind insoweit dann verkannt, wenn eine Äußerung unzutreffend als Formalbeleidigung oder Schmähkritik eingestuft wird mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind (BVerfG 14.06.2019 – 1 BvR 2433/17, EzA Art. 5 GG Nr. 33 = NJW 2019, 2600). In einer zugespitzten innerbetrieblichen Situation ist es dem Arbeitnehmer erlaubt, für den eigenen Sachstandpunkt auch mit scharfer Polemik zu werben, soweit dabei nicht andere Personen beleidigt oder in vergleichbar schwerer Weise unsachlich angegriffen werden (LAG MV 14.08.2012 NZA-RR 2013, 20).

Selbst dann, wenn in einer zugespitzten innerbetrieblichen Situation eine schriftliche Beschwerde des Arbeitnehmers wegen der darin enthaltenen persönlich herabsetzenden Angriffe gegen den Arbeitgeber als pflichtwidrig eingestuft wird, muss bei der Gesamtbewertung des Ausmaßes des Fehlverhaltens des Arbeitnehmers zu seinen Gunsten die entstandene innerbetriebliche Spannung berücksichtigt werden. Denn wenn beide – Arbeitgeber und Arbeitnehmer – zu dem Aufbau der Spannungen beigetragen haben, hat ein in diesem Rahmen feststellbares Fehlverhalten des Arbeitnehmers ein geringeres Gewicht, als wenn er sich ohne jede Veranlassung in pflichtwidriger Weise in einer Beschwerde abfällig über seinen Arbeitgeber äußert (LAG MV 14.08.2012 NZA -RR 2013, 20; s.a. BAG 11.07.2013 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 6 = NZA 2014, 250).

Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung der Umstände des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Beruhen falsche Tatsachenbehauptungen auf einem Missverständnis des Arbeitnehmers, ist der Irrtum für die Interessenabwägung selbst dann nicht völlig bedeutungslos, wenn er für den Arbeitnehmer vermeidbar war (BAG 27.09.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 43 = NZA 2013, 808; s.a. BAG 18.12.2014 EzA Art. 5 GG Nr. 29 = NZA 2015, 797).

Das BAG (24.11.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 13; 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38= NZA 2011, 1413; s.a. BVerfG 30.05.2018 – 1 BvR 1149/17; NZA 2018, 924: Ausbeuter; BAG 31.07.2014 EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 73 = NZA 2015, 245; EGMR 12.09.2011 NZA 2012, 1421: Spanien) hat insoweit folgende Grundsätze aufgestellt:

Vergleicht ein Arbeitnehmer die betrieblichen Verhältnisse und Vorgehensweisen des Arbeitgebers durch einen Arbeitnehmer (Betriebsratsmitglied) mit dem nationalsozialistischen Terrorsystem (s. BAG 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38 = NZA 2011, 1413) oder gar mit den in Konzentrationslagern begangenen Verbrechen ist dies an sich geeignet, einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden (ebenso LAG SchlH 29.08.2006 – 6 Sa 72/06, EzA – SD 23/06 S. 8 LS; LAG Düsseld. 04.03.2016 LAGE Art. 5 GG Nr. 10). Gleiches gilt, wenn die Zustände im Betrieb als „schlimmer als in einem KZ“ bezeichnet werden (LAG Köln 01.08.2008 LAGE § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 101 a; Hess. LAG 27.03.2009 – 8 TaBV 10/08, AuR 2009, 184 LS; die Interessenabwägung endete aber zugunsten des 55jährigen, schwer behinderten Arbeitnehmers mit einer 35jährigen Betriebszugehörigkeit, der sich glaubhaft entschuldigt hatte). Demgegenüber ist davon auszugehen, dass auch ein möglicher Vergleich der Arbeitsbedingungen im Betrieb mit denen im KZ vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt ist. Schmähkritik liegt nur dann vor, wenn es nicht um Sachkritik (s. ArbG Freiburg 12.06.2018 – 4 Ca 79/18, NZA-RR 2018, 535) geht, sondern eine Person ohne Tatsachenkern herabgewürdigt werden soll (LAG Bln.-Bra. 02.10.2014 – 10 TaBV 1134/14, LAGE § 103 BetrVG 2001 Nr. 17 = NZA-RR 2015, 125; s. BVerfG 30.05.2018 – 1 BvR 1149/17, NZA 2018, 924; 14.06.2019 – 1 BvR 2433/17, EzA Art. 5 GG Nr. 33 = NJW 2019, 2600; BAG 05.12.2019 – 2 AZR 240/19, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 87 = NZA 2020, 646; Rauch/Schwarzer DB 2020, 1518). Denn die Gleichsetzung noch so umstrittener betrieblicher Vorgänge und der Vergleich des Arbeitgebers oder der für ihn handelnde Personen mit den vom Nationalsozialismus geförderten Verbrechen und den Menschen, die diese Verbrechen begingen, stellt zwar eine grobe Beleidigung der damit angesprochenen und zugleich eine Verharmlosung des begangenen Unrechts und eine Verhöhnung seiner Opfer dar. Ob eine Meinungsäußerung allerdings tatsächlich einen derartigen Vergleich enthält, ist durch eine sorgfältige, den Wertgehalt des Art. 5 Abs. 1 GG berücksichtigende Sinnermittlung zu klären, die durch das Revisionsgericht in vollem Umfang nachprüfbar ist. Insoweit darf einer Äußerung kein Sinn beigelegt werden, den sie nicht besitzt. Bei mehrdeutigen Äußerungen muss eine ebenfalls mögliche Deutung mit überzeugenden Gründen ausgeschlossen werden. Bei Aussagen, die bildlich eingekleidet sind, müssen sowohl die Aussage der Einkleidung selbst als auch die Kernaussage je für sich dahin überprüft werden, ob sie die gesetzlichen Grenzen überschreiten.

Die Grenze zwischen einer lediglich überspitzten oder polemischen Kritik und einer nicht mehr vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) gedeckten Schmähung ist nämlich erst dann überschritten, wenn bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (BAG 05.12.2019 – 2 AZR 240/19, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 87 = NZA 2020, 6467.7.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38 = NZA 2011, 1413; LAG Bln.-Bra. 02.10.2014 – 10 TaBV 1134/14, LAGE § 103 BetrVG 2001 Nr. 17; s.a. BVerfG 30.05.2018 – 1 BvR 1149/17, NZA 2018, 924; 14.06.2019 – 1 BvR 2433/17, EzA Art. 5 GG Nr. 33 = NJW 2019, 2600). Die Äußerung „beweg selbst deinen Arsch, du faules Schwein“ eines Hausarbeiters/Hilfspflegers in einem evangelischen Krankenhaus gegenüber einem Gruppenleiter rechtfertigt nach LAG Düsseld. (10.12.2008 – 12 Sa 1190/08; AuR 2009, 144 LS) keine Kündigung, wenn dem Arbeitgeber dadurch keine wesentlichen Nachteile entstanden sind.

Beleidigt ein bereits einschlägig abgemahnter Arbeitnehmer einen Kollegen mit dunklerer Hautfarbe in Anwesenheit mehrerer anderer Kollegen durch den Ausstoß von Affenlauten wie „Ugah Ugah“, so kann darin ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB erkannt werden. Eine Beharrlichkeit des Pflichtverstoßes und damit eine nachhaltig negative Verhaltensprognose ist in einem solchen Fall insbesondere dann begründet, wenn nach Einschaltung der AGG-Beschwerdestelle der Beleidigende in der Anhörung durch den Arbeitgeber uneinsichtig äußert, sein Verhalten habe „der Auflockerung der Gesprächsatmosphäre“ gedient und gehöre zum „gepflegten Umgang“ (LAG Köln 06.06.2019 – 4 Sa 18/19, LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 82 = BeckRS 2019, 24767). Mit dieser Entscheidung wurden alle grundrechtlichen Wertungen in Anwendung des Kündigungsschutzrechts nicht verkannt. Sie stützt sich auf die Regelung der §§ 104, 75 BetrVG, §§ 1, 7, 12 AGG, in denen die verfassungsrechtlichen Wertungen der Unantastbarkeit der Menschenwürde und des Diskriminierungsverbots ihren Niederschlag finden, hinter denen die Meinungsfreiheit zurücktritt. BVerfG 02.11.2020 – 1 BvR 2727/19, NZA 2020, 1704). Rassistische Äußerungen und entsprechendes Verhalten sind dem Grunde nach geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (LAG BW 15.01.2020 – 4 Sa 19/19, LAGE § 138 ZPO 2002 Nr. 3 = NZA-RR 2020 253). Der Kl. hatte im Umkleideraum beim Eintreten mehrerer dunkelhäutiger Mitarbeiter einer Fremdfirma geäußert: „Die elendigen Stinker, die stinken wie ein Tier, dieses Dreckspack würde ich vom Boot treten und wenn sie mir zu nahe kommen die Knarre ziehen“. Dabei ahmte er gestisch das Durchladen einer Waffe nach. Als wenige Minuten später der Kl. nach dem Umziehen an der Stempeluhr stand und wiederum eine Gruppe dunkelhäutiger Mitarbeiter einer Fremdfirma passierte, äußerte der Kl.: „Hier muss ja ein Nest sein von diesen Scheiß-Negern. Die sollte man im Meer versenken, die stinken ja schon von weitem“. Gleichwohl hat das LAG BW (15.01.2020 – 4 Sa 19/19, LAGE § 138 ZPO 2002 Nr. 3 = NZA-RR 2020, 253) die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung der gebotenen umfassenden Interessenabwägung als nicht gerechtfertigt, weil unverhältnismäßig, angesehen. Eine ordentliche Kündigung (wenn sie nicht tariflich ausgeschlossen gewesen wäre) wäre danach als milderes Mittel vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung ausreichend gewesen. Das Stanzen eines Blechschildes mit der Inschrift – Arbeit macht frei – Türkei schönes Land – und das Anbringen dieses Schildes an der Werkbank eines türkischen Auszubildenden rechtfertigt, nachdem in Gegenwart des entlassenen Auszubildenden von einer Gruppe Auszubildender im Betrieb Lieder mit überaus massiven und rassistischen Tendenzen, wie u.a., das sog. Auschwitzlied, das von dem Konzentrationslager Auschwitz und den dorthin verbrachten Juden handelt, gesungen worden ist, ohne Weiteres die außerordentliche Kündigung des Ausbildungsverhältnisses. Einer vorherigen Abmahnung bedarf es unter diesen Umständen nicht (LAG Bln. 22.10.1997 LAGE § 626 BGB Nr. 118; zw.: von BAG 01.07.1999 EzA § 15 BBiG Nr. 13 aufgehoben und zurückverwiesen). Auch ein möglicher Vergleich der Arbeitsbedingungen im Betrieb mit denen im KZ ist demgegenüber vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Schmähkritik liegt nur dann vor, wenn es nicht um Sachkritik (s. BAG 05.12.2019 – 2 AZR 240/19, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 87 = NZA 2020, 646; ArbG Freiburg 12.06.2018, NZA-RR 2018, 535 geht, sondern eine Person ohne Tatsachenkern herabgewürdigt werden soll (LAG Bln.-Bra. 02.10.2014 NZA-RR 2015, 125; s.a. BVerfG 30.05.2018 – 1 BvR 1149/17, NZA 2018, 924; 14.06.2019 – 1 BvR 2433/17, EzA Art. 5 GG Nr. 33 = NJW 2019, 2600; LAG BW 15.01.2020 – 4 Sa 19/19, NZA-RR 2020; 253; ArbG Stuttgart 14.03.2019 – 11 Ca 3737/18; LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 82).

Die Abgabe ausländerfeindlicher Äußerungen durch einen Arbeitnehmer im Betrieb ist an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen (LAG Hamm 11.11.1994 LAGE § 626 BGB Nr. 82; vgl. auch LAG RhPf 10.06.1997 BB 1998, 163; ArbG Bln. 05.09.2006 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 9; LAG Nbg. 13.01.2004 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 4; ArbG Stuttgart 14.03.2019 – 11 Ca 3737/18, LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 82).

Ein Kündigungsgrund wird i.d.R. dann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer den Straftatbestand der §§ 185, 223, 130, 131, 86, 86 a StGB erfüllt. Darüber hinaus bedarf es im Einzelfall einer Abwägung des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 GG mit den beeinträchtigten Arbeitnehmerinteressen BAG 31.07.2014 EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 73; 18.12.2014 EzA Art. 5 GG Nr. 29 = NZA 2015, 797; BVerfG 30.05.2018 – 1 BvR 1149/17, NZA 2018, 924). Hierbei muss die Meinungsfreiheit hinter einer Verletzung der Ehre des Arbeitgebers oder der Arbeitskollegen des Arbeitnehmers, dem Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs des Arbeitgebers vor gezielten Angriffen oder Angriffen auf den Ruf des Arbeitgebers in der Öffentlichkeit zurückstehen. Gleiches gilt, wenn es aufgrund der Meinungskundgabe zu Störungen des Betriebsablaufs oder des Betriebsfriedens kommt und Belegschaftsangehörige belästigt oder bei der Erfüllung ihrer Arbeitspflichten beeinträchtigt werden. Dies gilt ebenfalls für den Fall, dass das Verhalten des Arbeitnehmers das für das Arbeitsverhältnis erforderliche Vertrauen des Arbeitgebers in ihn unrettbar zerstört. Einen eigenen Kündigungsgrund – Ausländerfeindlichkeit – oder – Antisemitismus – gibt es nicht; vielmehr ist jeder Einzelfall nach den allgemeinen Grundsätzen des Kündigungsschutzrechts zu beurteilen (Krummel/Küttner NZA 1996, 67 ff.: s.a. BAG 01.06.2017 – 6 AZR 720/15, EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 7 = NZA 2017, 1332; ArbG Stuttgart 145.03.2019 – 11 Ca 3737/18, LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 82; BVerfG 30.05.2018 – 1 BvR 1149/17, NZA 2018, 924). Zu berücksichtigen ist, dass (auch) auf den Erhalt des „Betriebsfriedens“ gerichtete Verhaltenspflichten i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB einer Konkretisierung unter Berücksichtigung der wechselseitigen Interessen und grundrechtlichen Gewährleistungen bedürfen. Allein der Umstand, dass eine Störung eingetreten ist, genügt nicht für die Annahme, ein Arbeitnehmer, der dazu beigetragen hat, habe auch seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers verletzt (BAG 30.07.2020 – 2 AZR 43/20, NZA 2020, 1427; s. LAG Bln.-Bra. 07.11.2019 – 5 Sa 134/19, NZA-RR 2020; 183).

Wird freilich z. B. ein Arbeitskollege regelmäßig über mehrere Jahre nahezu täglich mit diskriminierenden ausländerfeindlichen Äußerungen wie Polensau, -fotze, -schwein oder Polacke herabgewürdigt, so stellt dies einen an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneten Umstand dar (ArbG Bln. 05.09.2006 – 96 Ca 23 147/05, AuR 2007, 183 LS; s.a. Sächs. LAG 27.02.2018 – 1 Sa 515/17; LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 74 = NZA-RR 2018, 244: Facebook; ArbG Hmb. 19.12.2006 – 20 Ca 157/06; AuR 2007, 183 LS zu antisemitistischen Äußerungen. Die Bezeichnung zweier polnischer Kollegen in einem Streitgespräch mit dem Vorgesetzten als – Polacken – kann als fremdenfeindliche Äußerung einen Kündigungsgrund an sich darstellen; die Kündigung kommt dann aber nicht ohne vorherige einschlägige Abmahnung in Betracht (LAG Nbg. 07.11.2017 – 7 Sa 400/16, BeckRS 1017, 143389; s. Nebeling/Karcher DB 2018, 898).

Für das erforderliche Beweismaß der vollen Überzeugung im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO gelten nachfolgende Grundsätze:

Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist.

Auf der Basis der abgeschlossenen Beweisaufnahme stellt die richterliche Würdigung einen internen Vorgang in der Person der Richter zur Prüfung der Frage dar, ob ein Beweis gelungen ist. Im Rahmen dieses internen Vorgangs verweist § 286 ZPO ganz bewusst auf das subjektive Kriterium der freien Überzeugung des Richters und schließt damit objektive Kriterien – insbesondere die naturwissenschaftliche Wahrheit – als Zielpunkt aus. Die gesetzliche Regelung befreit den Richter bzw. das richterliche Kollegium von jedem Zwang bei seiner Würdigung und schließt es damit auch aus, dass das Gesetz dem Richter vorschreibt, wie er Beweise einzuschätzen und zu bewerten hat. Dabei ist Bezugspunkt der richterlichen Würdigung nicht nur das Ergebnis der Beweisaufnahme, sondern der gesamte Inhalt der mündlichen Verhandlung (vgl. Münchner Kommentar zur ZPO – Prütting, 4. Auflage 2013, § 286 Rn. 1 ff.).

Hinsichtlich der Anforderungen an die richterliche Überzeugung ist von Folgendem auszugehen: Die richterliche Überzeugung ist nicht gleichzusetzen mit persönlicher Gewissheit. Der Begriff der Gewissheit stellt nämlich absolute Anforderungen an eine Person. Er lässt für – auch nur geringe – Zweifel keinen Raum. Dies wird gesetzlich aber nicht verlangt; die gesetzliche Regelung geht vielmehr davon aus, das Gericht müsse etwas für wahr „erachten“. Bei dem Begriff der richterlichen Überzeugung geht es also nicht um ein rein personales Element der subjektiven Gewissheit eines Menschen, sondern darum, dass der Richter in seiner prozessordnungsgemäßen Stellung bzw. das Gericht in seiner Funktion als Streit entscheidendes Kollegialorgan eine prozessual ausreichende Überzeugung durch Würdigung und Abstimmung erzielt. Daraus folgt, dass es der richterlichen Überzeugung keinesfalls im Weg steht, wenn dem Gericht aufgrund gewisser Umstände Unsicherheiten in der Tatsachengrundlage bewusst sind. Unerheblich für die Beweiswürdigung und die Überzeugungsbildung ist auch die Frage der Beweislast. Richterliche Überzeugung ist vielmehr die prozessordnungsgemäß gewonnene Erkenntnis des einzelnen Richters oder der Mehrheit des Kollegiums, dass die vorhandenen Eigen- und Fremdwahrnehmungen sowie Schlüsse ausreichen, die Erfüllung des vom Gesetz vorgesehenen Beweis-maßes zu bejahen. Es darf also weder der besonders leichtgläubige Richter noch der generelle Skeptiker ein rein subjektives Empfinden als Maß der Überzeugung setzen, sondern jeder Richter muss sich bemühen, unter Beachtung der Prozessgesetze, Ausschöpfung der gegebenen Erkenntnisquellen und Würdigung aller Verfahrensergebnisse in gewissenhafter und vernünftigerweise eine Entscheidung nach seiner Lebenserfahrung darüber zu treffen, ob im Urteil von der Wahrheit einer Tatsachenbehauptung auszugehen ist. Dabei muss sich das Gericht allerdings der Gefahren für jede Wahrheitsfindung bewusst sein.

Dabei ist letzten Endes ausschlaggebend, dass das Gesetz eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraussetzt. Vielmehr kommt es auf die eigene Überzeugung des entscheidenden Richters an, auch wenn andere zweifeln oder eine andere Auffassung erlangt haben würden. Der Richter darf und muss sich aber in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGHZ 53, 245 = NJW 1970, 946; vgl. Münchner Kommentar zur ZPO – Prütting a. a. O., Rn. 28 ff). Vom Richter wird letztlich verlangt, dass er die volle Überzeugung erlangt, dass er eine streitige Tatsachenbehauptung für wahr erachtet. Diese Überzeugung kann und darf er nicht gewinnen, wenn für die streitige Behauptung nur die überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht, vielmehr muss für die behauptete Tatsache eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit sprechen, damit der Richter die Tatsache für wahr erachtet.

Die Tatsachengerichte haben nach § 286 Abs. 1 S. 2 ZPO die wesentlichen Grundlagen ihrer Überzeugungsbildung nachvollziehbar darzulegen (BAG 21.09.2017 – 2 AZR 57/17, EzA § 4 KSchG n.F. Nr. 101 = NZA 2017, 1524). Für die volle richterliche Überzeugungsbildung nach § 286 Abs. 1 ZPO ist dabei, wie dargelegt, ausreichend, dass ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit erreicht ist, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig ausschließen zu müssen (BAG 25.04.2018 – 2 AZR 611/17, EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 17 = NZA 2018, 1405). Eine Überzeugungsbildung im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO setzt nicht immer eine mathematisch lückenlose Gewissheit voraus. Vielmehr genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der verbleibenden Zweifeln schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Das Gericht darf das Nichterreichen eines ausreichenden Grades an Gewissheit nicht allein darauf stützen, es seien andere Erklärungen theoretisch denkbar (BAG 11.06.2020 – 2 AZR 442/19, NZA 2020, 1326; 31.01.2019 – 2 AZR 426/18, NZA 2019, 893; BGH 01.10.2019 – VI ZR 164/18, NJW 2020, 1072).

Soll ein Vortrag mittels Indizien bewiesen werden, hat das Gericht zu prüfen, ob es die vorgetragenen Hilfstatsachen – deren Richtigkeit unterstellt – von der Wahrheit der Haupttatsache überzeugen. Es hat die insoweit maßgebenden Umstände vollständig und verfahrensrechtlich einwandfrei zu ermitteln und alle Beweisanzeichen erschöpfend zu würdigen. Die wesentlichen Grundlagen der Überzeugungsbildung sind nach § 286 Abs. 1 S. 2 ZPO nachvollziehbar darzulegen. Dies erfordert keine ausdrückliche Auseinandersetzung mit allen denkbaren Gesichtspunkten. Die Urteilsgründe müssen aber erkennen lassen, dass überhaupt eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat. Es genügt nicht, allein durch formelhafte Wendungen ohne Bezug zu den konkreten Fallumständen zum Ausdruck zu bringen, das Gericht sei von der Wahrheit einer Tatsache überzeugt oder nicht überzeugt (BAG 25.04.2018 – 2 AZR 611/17, EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 17 = NZA 2018, 1405).

Dem Tatrichter ist es nach § 286 ZPO grundsätzlich auch erlaubt, allein aufgrund des Vortrags der Parteien und ohne Beweiserhebung festzustellen, was für wahr und was für nicht wahr zu erachten ist. Er kann im Rahmen der freien Würdigung des Verhandlungsergebnisses den Behauptungen und Angaben (vgl. § 141 ZPO) einer Partei unter Umständen auch dann glauben, wenn diese ihre Richtigkeit sonst nicht – auch nicht mittels Parteivernehmung, weil es an der erforderlichen Anfangswahrscheinlichkeit fehlt – beweisen kann. Hat die erste Instanz ihre freie Überzeugung nach § 286 ZPO auf eine Parteianhörung gestützt, muss das Berufungsgericht sich im Rahmen seiner Überzeugungsbildung mit dem Ergebnis dieser Parteianhörung auseinandersetzen und die informatorische Anhörung nach § 141 ZPO ggf. selbst durchführen (BGH 27.09.2017 – XII ZR 48/17, NJW-RR 2018, 249).

Die Beurteilung der Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage ist ureigene Aufgabe des Tatgerichts, das sich dabei nur ausnahmsweise sachverständiger Hilfe zu bedienen hat, d. h. das Gericht kann und muss die Glaubhaftigkeit von Zeugen selbst in schwierigen Beweissituationen i. d. R. ohne sachverständige Hilfe beurteilen (so für das strafgerichtliche Verfahren Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung – Ott, 8. Aufl. 2019, § 261 StPO Rn. 126). Die wissenschaftlichen Anforderungen an aussagepsychologische Begutachtungen spiegeln sich allerdings insoweit in den Anforderungen an die tatrichterliche Beweiswürdigung der Zeugenaussage wider. Das Tatgericht selbst hat die Glaubhaftigkeit von Aussagen grundsätzlich, „wenn auch auf niedrigerem Niveau“, nach derselben wissenschaftlichen Methode zu beurteilen, wie der Sachverständige, wenn es ähnlich zuverlässige Ergebnisse erzielen will wie mit sachverständiger Hilfe; es hat, auch wenn es sich nicht der Hilfe eines Sachverständigen bedient, jedenfalls die allgemein anerkannten Grundsätze der Aussagepsychologie heranzuziehen (Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, a. a. O.).

Allerdings ist die beweisrechtliche Relevanz einschlägiger wissenschaftlicher Befunde von vornherein dadurch eingeschränkt, dass Merkmale der Glaubhaftigkeit bzw. Nichtglaubhaftigkeit stets nur Anzeichen oder Hinweise dafür sind, dass Zweifel an der Glaubhaftigkeit abgeschwächt bzw. verstärkt werden. Eine stringente wissenschaftliche Begründung für die Auswahl der Merkmale fehlt. Die vorliegenden Zusammenstellungen sind nicht zu einer Art von Checklisten-diagnostik oder als Quantifizierungsinstrument im Sinne der Festlegung von klaren Grenzwerten geeignet (BGH NStZ 2000, 102; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 10. Aufl. 2017 Rn. 1429). Es bleibt nämlich offen, welche Anzahl der jeweiligen Merkmale gegeben sein müssen und welches Gewicht diesem oder jenem Merkmal zukommt. Vielmehr gewinnen die Merkmale erst durch ein Zusammenwirken in Annäherung an das Prinzip der Aggregation an Bedeutung, jedoch sind auch dann allenfalls Wahrscheinlichkeitsaussagen zulässig. Nach den Regeln der psychologischen Testtheorie setzt Aggregation zu einem Gesamtwert die Homogenität der einzelnen Merkmale voraus, was bei den in Betracht kommenden Prüfmerkmalen, auch bei den Realkennzeichen, allenfalls eingeschränkt der Fall ist (Eisenberg, a. a. O., Rn. 1429 Fn. 178.).

Der Zeuge St. hat im Kammertermin am 14.01.2020 im erstinstanzlichen Rechtszug ausgesagt, dass der Kläger zur Pause am ersten Arbeitstag im Rahmen seines, des Zeugen Betriebseinsatzes im Betrieb der Beklagten in L. zur Pause gegen 9:00 und 10:00 Uhr auf ihn und den Zeugen Y. zukam und die beiden ohne jeden Zusammenhang gefragt hat, ob sie Ausländer seien. Der Zeuge sagte danach dazu nichts, sondern war zunächst mal erschrocken, weil er danach gefragt wurde. In der Mittagspause ist danach der Kläger zu dem Zeugen St. und dem Zeugen Y. gekommen und hat offen gesagt, in zwei Wochen ist es soweit, da hat der Führer Geburtstag. Am nächsten Tag, während der Arbeit, stand der Kläger danach jedenfalls so, dass er, der Zeuge St., es hören konnte und hat danach in etwa gesagt, dass es bald soweit ist mit dem Führer Geburtstag. Als der Zeuge vor der Frühstückspause noch mit dem Zeugen Z. zusammenstand, kam der Kläger danach zu den beiden und fing an zu erzählen, dass er wenig Rente bekommen würde. Danach geriet das Gespräch aber, so der Zeuge, in eine völlig andere Richtung, als der Kläger nämlich sagte, so der Zeuge, dass die Araber hierherkommen und alles in den Arsch geschoben bekommen, während er so wenig Rente bekommt, wobei er schon so lange arbeiten würde. Zu dieser Äußerung hat der Zeuge, so seine Aussage, nichts gesagt, er war einfach erschrocken. Der Kläger hat die beiden Zeugen sodann gefragt, ob sie wüssten, was eine Hitlersense sei. Er hat danach sodann gesagt, dass das ein Maschinengewehr ist und, dass man alle Araber aufstellen müsse und erschießen. Er hat dann zugleich eine Bewegung gemacht, der Zeuge glaubt, er hat diese Bewegung mit zwei Händen gemacht. Danach war er, der Zeuge St., in diesem Moment schockiert. Im Nachgang hat der Zeuge St. mit niemandem in der Werkstatt wegen dieser Äußerungen des Klägers gesprochen, so der Zeuge, weil er Angst hatte, dass die Äußerung des Klägers Zustimmung erfährt.

Um zu zeigen, wie die Bewegung des Klägers mit dem Maschinengewehr aussah, hat der Zeuge sich im Rahmen der Vernehmung hingestellt und beide Hände gehalten, also voreinander und angedeutet, dass es sich dabei um ein Maschinengewehr handelt und die linke und rechte Hand von links nach rechts und zurückbewegt. Dabei, so der Zeuge, hat der Kläger den beiden Zeugen ins Gesicht geschaut. Nach weiterer Aussage des Zeugen ist sodann der Wechsel von LKW- in die PKW-Werkstatt auf seinen Wunsch hin erfolgt. Den Mitarbeiter J. der Beklagten, der so der Zeuge, den Wechsel von LKW- in die PKW-Werkstatt vollzogen hat, hat er auf diese Äußerung nicht angesprochen, da er, so der Zeuge, nicht sicher war, ob der nicht wisse, wie es da in der Werkstatt zugeht, denn die Räumlichkeiten sind offen. Danach hatte der Zeuge schlichtweg Angst. Der Zeuge hat im Rahmen der Vernehmung nochmals erklärt, dass der Kläger explizit gesagt hat, alle Araber sollen erschossen werden.

Nach einer Aktennotiz betreffend ein Telefonat mit dem Zeugen St. vom 18.04.2019, hinsichtlich deren weiteren Inhalts auf Blatt 161 ff. der Akte Bezug genommen wird, dass die Mitarbeiterin R. der Beklagten geführt und die Mitarbeiterin Q. protokolliert hat, hat der Zeuge St. auf Nachfrage bestätigt, dass der Kläger am 08.04.2019 tatsächlich die Aussage „seid ihr Ausländer?“ wörtlich so getroffen hat. Ferner hat der Zeuge bestätigt, dass der Kläger die Aussage „in zwei Wochen ist es soweit, da hat der Führer Geburtstag“, so gesagt hat. Ferner hat er, der Kläger, den Zeugen gefragt, ob das auch sein Führer sei, was der Zeuge mit „nein“ beantwortet habe. Der Kläger habe dann gelacht und Namen weitere Führer aufgezählt, die der Zeuge aber nicht kenne. Zu Herrn Z. hat der Zeuge danach gesagt, dass das politisch sehr inkorrekt war. Die Aussage sei für ihn, den Zeugen, sehr verwunderlich und verstörend gewesen. Ferner hat der Zeuge bestätigt, dass der Kläger am nächsten Tag um ca. 8:00 Uhr von einer Waffe aus dem zweiten Weltkrieg sprach. Der Kläger habe von einem Spitznamen der Waffe wie „Hitlersgruß“ gesprochen, den genauen Spitznamen wusste der Zeuge aber nicht mehr. Allerdings war der Zeuge sich in diesem Zusammenhang sicher, dass der Kläger gesagt hat „ich würde alle Araber in eine Reihe aufstellen und sie alle erschießen“. Nach der Bekundung des Zeugen St. ist dann ein anderer Kollege dazu gekommen und hat gesagt, dass jetzt gearbeitet wird. Weiter hat der Zeuge angegeben, dass der Kläger jeden Tag mehrfach erwähnt hat, dass Hitler in Kürze Geburtstag hätte. Er habe hin und wieder beobachtet, wie der Kläger über Faschismus in verherrlichender Weise gesprochen habe. Am 10.04.2019 zwischen 10:00 und 12:00 Uhr habe der Kläger gesagt, „der 10. April ist ein sehr wichtiger Tag für den Faschismus“.

Der Zeuge Y. hat in der mündlichen Verhandlung vom 14.01.2020 ausgesagt, dass ihn der Kläger gefragt hat, ob er ein Video sehen möchte. Anschließend hat der Kläger ihm danach ein Video gezeigt, in dem ein Flüchtling mit mehreren Frauen verheiratet war, der in Deutschland gelebt hat, wobei es in dem Video darum ging, dass der Flüchtling auch Geld vom Staat erhalten hat und alles. Im Laufe dessen hat, so der Zeuge, der Kläger am Schluss des Videos gesagt, dass er es nicht versteht, dass die Deutschen hart arbeiten müssen für ihr Geld und dass dann sowas das ganze Geld vom Staat bekommt und dass er die dann so erschießen würde. Er würde sie in einer Reihe aufstellen und dann erschießen. Ob der Kläger dabei eine Gestik gemacht hat, wusste der Zeuge nicht mehr zu sagen. Danach war von diesen Leuten, die aus dem Video zu sehen waren, die Rede, also von den Flüchtlingen. Nach einer Befragungsniederschrift vom 17.04.2019, das von der Mitarbeiterin R. der Beklagten geführt wurde, hat der Zeuge Y. bekundet, dass der Kläger ihm ein Video gezeigt hat von einer Art Doku. Da, so der Zeuge, war ein Kerl, der drei Frauen hat und in Deutschland eine Wohnung bezahlt bekommt vom Staat. Im Nachhinein hat der Kläger danach, so der Zeuge, gesagt, dass er das nicht okay findet wie die das so ausleben. Der Kläger meinte danach auch, dass unsere alten Leute kaum von der Rente leben könnten. Beleidigungen, so der Zeuge, hat der Kläger in diesem Zusammenhang nicht gesagt, an die genauen Worte des Klägers in diesem Zusammenhang konnte er sich allerdings nicht mehr erinnern. Auf Nachfrage, ob der Kläger etwas von „erschießen“ gesagt habe, hat der Zeuge bekundet, dass der Kläger direkt nachdem er das Video gezeigt hatte, meinte: „Meiner Meinung nach gehören die alle erschossen.“ Für ihn, den Zeugen, war klar, dass er die Flüchtlinge in dem Video meint. Ferner hat der Kläger danach irgendetwas von einem Feiertag in Kroatien gesagt, am 20.04., so meinte der Zeuge. Der Kläger hat danach in die Runde gefragt, in der noch mehrere Leute dabeistanden, ob sie wüssten, was am 20. April ist. Weil niemand antworten konnte, so der Zeuge, hat der Kläger selbst darauf geantwortet und gesagt „das ist ein wichtiger Feiertag, da wird der Führer gefeiert.“ Ferner, so der Zeuge, hat der Kläger ihn gefragt, ob er Deutscher sei. Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Befragungsniederschrift wird auf Blatt 167 ff. der Akte Bezug genommen.

Der Zeuge Z. hat in der Kammersitzung im erstinstanzlichen Rechtszug vom 29.06.2020 ausgesagt, der Kläger habe gesagt, dass die Rente ein Problem sei. Durch das Rententhema ist der Kläger danach auch auf die Flüchtlinge zu sprechen gekommen, die würden recht viel Geld bekommen, wobei er sich an den genauen Wortlaut nicht erinnern konnte. Irgendwie, so der Zeuge, wurde in dem Gespräch aber deutlich, dass er, der Kläger, das Problem mit Flüchtlingen und Grenze anders lösen würde, als es derzeit geschieht. Dann kam es darauf zu sprechen, ob er genau gesagt hat, ob er die Leute umlegen würde. So in etwa, so der Zeuge, ging es auch tatsächlich darum. Ob er, der Kläger, das genauso gesagt hat, also ob er, der Kläger, alle Flüchtlinge umlegen würde, konnte der Zeuge allerdings nicht sagen. Weiter hat der Zeuge ausgesagt, dass der Kläger einen kleinen Radius mit einer Handbewegung gemacht hat, wobei er, der Zeuge nicht gedacht hat, dass er schießen würde, als er ihm die Bewegung so zeigte. Die Bewegung hat seine, des Klägers, Aussage bekräftigt. Die Aussage selbst, so der Zeuge, konnte er wörtlich nicht mehr wiedergeben. Sinngemäß schon. Im Rahmen der Anhörung vom 11.04.2019 habe er sich in jedem Fall besser daran erinnern können, weil die Anhörung zwei Tage nach dem angeblichen Vorfall gewesen sei. Er habe damals nicht die Unwahrheit gesagt. Die Verallgemeinerung, dass alle Flüchtlinge umgelegt werden sollen, habe er so nicht verstanden, sondern er habe es so verstanden, dass ein Depp irgendetwas komisches sagt. Das was der Kläger gesagt habe, sei recht wirr gewesen, es sei ein bisschen unverständlich gewesen, irgendwie blöd gesagt.

Nach einem Gesprächsprotokoll der Anhörung des Zeugen Z. am 11.04.2019, erstellt von dem Leiter Personalmanagement P. der Beklagten, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Blatt 165 der Akte Bezug genommen wird, hat der Zeuge Z. am 11.04.2019 auf Nachfrage bestätigt, dass der Kläger am 09.04.2019 laut und vernehmlich geäußert habe: „In 11 Tagen ist was zu feiern; der Geburtstag des Führers“. Er, der Zeuge habe sich dann überlegt, dass wohl Adolf Hitler mit dem Führer gemeint sei. Ihm sei aufgefallen, er sei überrascht gewesen, so der Zeuge, das andere Monteure, die die Aussage gehört hätten, den Kopf schüttelten, sich abwendeten und nicht auf den Kläger eingegangen seien. Der Zeuge bestätigte ausweislich dieses Gesprächsprotokolls des Weiteren, dass der Kläger mit ihm und dem Zeugen St. über das Thema Rente gesprochen habe. Er habe ihm vorgerechnet, dass er 800,00 EUR bekäme und die Flüchtlinge hätten mehr als er. Ferner habe der Kläger gesagt, er würde die „alle umlegen“. Dies habe der Monteur durch eine eindeutige Körperdrehbewegung unterstrichen, die so wirkte, als habe er ein Gewehr in der Hand.

Nach einer Befragungsniederschrift der Beklagten vom 17.04.2019 unter Gesprächsführung von Frau R. hat der Zeuge bekundet, dass der Kläger am 09.04.2019 gesagt hat, dass es in 11 Tagen etwas zu feiern gäbe. Er, der Zeuge, hat sich daraufhin daran erinnert, dass der 20.04. der Geburtstag von Adolf Hitler sein muss. Andere Mitarbeiter, so der Zeuge, haben sich daraufhin von ihm abgewendet und begonnen, aus Verlegenheit zu schmunzeln oder den Kopf zu schütteln. Keiner hat dazu etwas gesagt. Zum Begriff „Waffe aus dem zweiten Weltkrieg“ hat der Zeuge erklärt, dass ihm das im Zusammenhang mit dem Geschichtsunterricht in der Schule etwas sagt, aber nicht im Zusammenhang mit dem Kläger. Allerdings, so der Zeuge, hat der Kläger danach im Zusammenhang mit dem Thema Flüchtlinge mal sinngemäß gesagt, dass er das mit den Flüchtlingen anders machen würde. An den genauen Wortlaut, so der Zeuge, kann er sich nicht mehr erinnern, aber sinngemäß hat er das so gesagt. Er, der Zeuge, glaubt, er, der Kläger meinte damit die Flüchtlinge umzubringen oder abzuknallen, aber, so der Zeuge, das sind seine Worte, er, der Kläger, selbst hat diese Worte nicht benutzt. In diesem Zusammenhang, so der Zeuge, hat der Kläger eine Handbewegung gemacht, beide Hände vor dem Körper, und hat eine Körperdrehung gemacht. Das sah für den Zeugen so aus wie eine Geste, die zu seinem Gesagten passt. Das hat für den Zeugen in dem Moment deutlich gemacht, was der Kläger mit der Aussage „anders machen“ meint. Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Befragungsniederschrift vom 17.04.2019 wird auf Blatt 156 ff. der Akte Bezug genommen.

In einer Gesamtschau dieser Aussagen besteht zur vollen Überzeugung der Kammer gemäß § 286 Abs. 1 ZPO bei verbleibenden Randunschärfen, denen freilich angesichts der gewonnenen Überzeugung Schweigen geboten ist, fest, dass der Kläger ab dem 08.04.2019 Zeugen danach gefragt hat, ob sie Ausländer sind, was bereits dafür spricht, dass ihm sehr wohl bewusst war, dass seine Meinungsäußerung andernfalls möglicherweise unliebsame Reaktionen hervorrufen konnten. Ferner hat er eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass er wenig Rente bekommen wird, dass die Araber hierherkommen und „alles in den Arsch“ geschoben bekommen, während er so wenig Rente bekommt, obwohl er schon so lange arbeitet. Flüchtlinge bekämen danach 380,00 EUR und die Wohnung bezahlt, am Ende wäre bei ihnen mehr übrig als bei ihm. Ferner hat er geäußert, dass man alle Araber aufstellen und erschießen müsse. Dabei hat er eine Bewegung mit zwei Händen gemacht und gefragt, ob die Zeugen wissen, was eine Hitlersense ist. Ferner hat er offen gesagt, in zwei Wochen ist es soweit, da hat der Führer Geburtstag. Ferner hat der Kläger ein Video gezeigt, in dem ein Flüchtling mit mehreren Frauen verheiratet war, der in Deutschland gelebt hat. Dazu hat der Kläger erklärt, dass er es nicht versteht, dass die Deutschen hart arbeiten müssen für ihr Geld und dass dann sowas das ganze Geld vom Staat bekommt und dass er sie dann so erschießen würde. Er würde sie in einer Reihe aufstellen und dann erschießen.

Diese Äußerungen des Klägers gegenüber den Zeugen dokumentieren Ausländerhass und Menschenverachtung. Danach soll das „Flüchtlingsproblem durch die Vernichtung menschlichen Lebens“ gelöst werden. Mit der dazu vorgetragenen Gestik und den Hinweis auf die „Hitlersense“ wird die praktische Vorgehensweise verdeutlicht; dies bezieht sich ganz konkret zumindest auch auf die in dem vom Kläger vorgeführten Video dargestellten Personen. Der mehrfache Hinweis auf den „Führergeburtstag“ verdeutlicht, dass es sich insoweit um eine ganz bewusste Bezugnahme auf die hiesige nationale Geschichte verbunden mit der millionenfachen Tötung von Menschen handelt.

Die Vernehmung der vom Kläger benannten Zeugen im Kammertermin vom 14.01.2020 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des insoweit maßgeblichen Lebenssachverhaltes.

Der Zeuge Gn. hat nach seinen Bekundungen von den im Beweisbeschluss aufgeführten Vorfällen nichts mitbekommen. Er konnte dazu gar nichts sagen. Ihm gegenüber, so der Zeuge, ist der Kläger allerdings noch nicht mit rechten Sprüchen aufgefallen. Der Zeuge G. hat ausgesagt, dass er in unmittelbarer Nähe, also etwa zwei bis drei Meter vom Kläger und den Zeugen St. und Y. saß und ab und zu etwas aufgeschnappt hat. Er hat, so der Zeuge, gehört, wie der Kläger sich mit den Zeugen unterhalten hat und ihnen Fragen gestellt hat, z. B. wieviel Millimeter ein Meter hat und was am 20.04. für ein Datum ist. Er hat dann die Zeugen aufgeklärt, dass am 20.04. Führergeburtstag ist. Mehr, so der Zeuge, hat er nicht mitbekommen. Auf die Frage, ob der Kläger ihm gegenüber durch rechte Sprüche aufgefallen ist, hat der Zeuge geantwortet „mir gegenüber nicht.“ Der Zeuge X. schließlich hat ausgesagt, dass der Kläger ein netter, lieber Kerl ist. Er konnte nur sagen, dass der Kläger, als der Mitarbeiter K., dessen Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich mit der Beklagten beendet worden ist, seine rechte Hand streckte und sagte: „Heil Hitler“, Herrn K. zurückgezogen hat. Angaben zu den streitgegenständlichen Vorfällen konnte der Zeuge nicht machen und er wusste auch nicht, wo er gearbeitet oder gestanden hat zum fraglichen Zeitpunkt.

Damit werden auch im Ansatz keinerlei Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussagen und der Glaubwürdigkeit der Zeugen begründet.

Etwas Anderes folgt auch weder aus dem Vorbringen des Klägers in beiden Rechtszügen, noch aus der Berücksichtigung Aussage psychologischer Gesichtspunkte.

Das gilt selbst dann, wenn man vorliegend eine Aussageanalyse als geboten ansieht.

Erforderlich sind insbesondere eine sorgfältige Inhaltsanalyse der Angaben, eine möglichst genaue Prüfung der Entstehungsgeschichte der belastenden Aussage, eine Bewertung des feststellbaren Aussagemotivs sowie eine Prüfung von Konstanz, Detailliertheit und Plausibilität der Angaben (BGH 07.03.2012 – 2 StR 565/11; BGH NStZ-RR 2011, 51; s. BGH NStZ 2012, 110). Das Tatgericht ist dabei nicht an die strikten methodischen Vorgaben gebunden, die für den aussagepsychologischen Sachverständigen und seine von Hypothesen geleitete Begutachtung als Standard gelten. Es gilt vielmehr der Grundsatz freier Beweiswürdigung und es gelten im Rahmen dessen die in der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Regeln, dass eine Beweiswürdigung je nach der Beweislage im Übrigen erschöpfend ist und keine erörterungsbedürftigen Möglichkeiten unerwogen lässt; auch darf sie den anerkannten Erfahrungssätzen der Aussagepsychologie nicht widerstreiten (BGH NStZ-RR 2003, 206). Insoweit müssen die Tatgerichte im Grundsatz die Realkennzeichenanalyse beherrschen und anwenden, wenn sie z.B. in der Beweiskonstellation „Aussage gegen Aussage“ in der keiner Gesamtwürdigung verschiedenartiger Beweismittel erforderlich ist, den einzigen Belastungszeugen einer besonderen Glaubhaftigkeitsprüfung unterziehen müssen (s. BGH NStZ 2000, 496; Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, a. a. O., Rn. 127). Jedenfalls muss im Rahmen einer Beweiswürdigung bei „Aussage gegen Aussage“ die Aussage des mutmaßlichen Opfers einer besonderen Glaubhaftigkeitsprüfung unterzogen werden, zumal – im strafgerichtlichen Verfahren – der Angeklagte in solchen Fällen weniger Verteidigungsmöglichkeiten besitzt (BGH 25.04.2018 – 2 StR 194/17, NStZ 2019, 42; 16.12.2015 – 1 StR 503/15, Beck RS 2016, 3125).

Daraus folgt zunächst, dass die zuvor dargestellten Grundsätze vorliegend im Rahmen der Beweiswürdigung uneingeschränkt schon deshalb so nicht maßgeblich sind, weil nach dem tatsächlichen Vorbringen des Klägers in beiden Rechtszügen die Situation einer Beweiswürdigung bei „Aussage gegen Aussage“ vorliegend nicht gegeben ist. Der Kläger hat insoweit vorgetragen, dass die von ihm in erster Linie als ohnehin nicht getätigten Äußerungen jedenfalls nicht in vier- oder sechs Augen-Konstellationen mit den Zeugen gefallen sind. Er hat demzufolge auch drei Arbeitskollegen ausdrücklich als Zeugen dafür benannt, dass er die streitgegenständlichen Äußerungen nicht getätigt hat.

Soweit der Kläger die Glaubwürdigkeit der Zeugen in Zweifel zieht, besteht Aussagepsychologisch Einigkeit, dass sich die Lüge durch das Fehlen von mehreren Realitätskriterien auszeichnet (s. Geipel, Handbuch der Beweiswürdigung, 2. Auflage, S. 418). Ungeklärt ist allerdings insoweit, welche Realitätskriterien für glaubhafte Aussagen vorhanden sein müssen, wobei jedenfalls das Kriterium des Detailreichtums als eine Mindestvoraussetzung angesehen werden kann, bzw. das Fehlen welcher Kriterien auf eine Lüge hindeutet. Einigkeit besteht danach weiter, dass sich Glaubwürdigkeitskriterien auch in falschen Aussagen und Phantasiesignale auch in wahren Aussagen finden lassen. Insofern bleibt letztlich die Frage nach der Gewichtung der einzelnen Merkmale bei der Beurteilung von Aussagen offen. In der wissenschaftlichen Aussagepsychologie stellen das Kriterium der Konstanz, des Detailreichtums und der logischen Konsistenz der Aussage lediglich Mindestvoraussetzungen dar. Zugleich wird insoweit (Geipel, a. a. O.) aber auch darauf hingewiesen, dass in der Praxis bei Zeugenaussagen weder die Konstanz überprüft werden kann, da die gerichtliche Zeugenaussage meist die erste und einzige Zeugenaussage ist, noch der Detailreichtum, da nur Detailreichtum in Nebensächlichkeiten ein Kriterium wäre, der Zeuge jedoch regelmäßig – nicht lege artis – angehalten wird, zur Sache zu kommen und nicht abzuschweifen. Hinzukommt, dass viele Zeugenschilderungen über Vorkommnisse gehen, die zu reizarm sind (d. h. zu kurz und/oder uninteressant), als dass Realitätskriterien entwickelt werden könnten. Da auch die meisten Lügner über genügend Intellekt verfügen, eine logische Geschichte zu erzählen, verbleibt in der Praxis wenig Raum, die Realitätskriterien zu gewichten (s. Geipel, a. a. O.).

Zu berücksichtigen ist also, dass auch unter Zuhilfenahme aussagepsychologischer Erkenntnisse Aussagen von geringer Komplexität mit der Aussageanalyse meist nicht aufgeklärt werden können, das gilt z.B. für einfache Negationen, sehr knappe, inhaltlich nicht näher konkretisierbare Sachverhaltsschilderungen usw. Denn der Aussagende kann zum weit überwiegenden Teil die Wahrheit sprechen, sodass dessen Aussage eine Vielzahl an Realitätskriterien aufweisen wird. Nur in einem eng begrenzten Fall muss er lügen. Insofern wird die Lüge meist nicht aufgedeckt werden können (s. Geipel, a. a. O., S. 730). Da es sich vorliegend bei den dem Kläger gegenüber erhobenen Vorwürfen weitestgehend um Aussagen von geringer Komplexität handelt, sind folglich die Möglichkeiten eines Erkenntnisgewinns durch Aussageanalyse a priori sehr zurückhaltend zu beurteilen.

Soweit Geipel (a. a. O., S. 417) darauf hinweist, dass in der Praxis der Aussageumfang oftmals zu gering, d. h. die Befragung zu gering oder der Vorgang zu reizarm ist, um der Aussageperson genug Möglichkeit zu geben, die Realitätskriterien zu entwickeln, was mit § 396 Abs. 1 ZPO nicht vereinbar ist, wonach der Zeuge einen (nicht unterbrochenen) Bericht geben können, muss, weil es andernfalls kaum möglich ist, die Glaubhaftigkeit einer Aussage zu beurteilen, trifft dies nur eingeschränkt und insbesondere vorliegend jedenfalls im Hinblick auf den Aussageumfang der vom ArbG im erstinstanzlichen Rechtszug durchgeführten umfassenden Einvernahme der Zeugen nicht zu.

Zum einen kann § 396 Abs. 1 ZPO nicht isoliert betrachtet werden; die Norm steht in einem Spannungsverhältnis zu § 377 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wonach die Zeugenladung den Gegenstand der Vernehmung enthalten muss. Danach ist der Streitgegenstand insoweit zu beweisen, dass der Zeuge auch insoweit seiner Vorbereitungspflicht nachkommen kann und überhaupt in die Lage versetzt wird, sich schon vor Beginn seiner Vernehmung zu gegenwärtigen, zu welchem Streitfall er befragt werden wird. Keinesfalls darf dabei einerseits der Parteivortrag unkommentiert wiedergegeben werden, andererseits die Angabe des Vernehmungsgegenstandes nicht gänzlich unterbleiben, weil sonst eine ordnungsgemäße Ladung nicht vorliegt. Vorliegend wurde im Beweisbeschluss der Kammer im erstinstanzlichen Rechtszug der Parteivortrag der Beklagten nicht unkommentiert wiedergegeben, sondern unmissverständlich als Parteivortrag der Beklagten tituliert.

Auch § 377 ZPO muss zudem im arbeitsgerichtlichen Verfahren vor dem Hintergrund gesehen werden, dass eine Beweiserhebung nur über entscheidungserhebliche Tatsachen stattfindet. Entscheidungserhebliches Vorbringen insbesondere im Kündigungsschutzprozess liegt aber nur dann vor, wenn es nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiiert von der darlegungs- und beweisbelasteten Partei vorgetragen und entsprechend vom Prozessgegner bestritten worden ist, es sei denn, dass ausnahmsweise die Voraussetzungen für ein Bestreiten mit Nichtwissen gegeben sind. Vor diesem Hintergrund sind die einzelnen Beweisziffern unter Verzicht auf Einzelheiten, bezogen auf die Kernaussagen des Beklagtenvorbringens doch möglichst präzise gefasst, um den Zeugen die Möglichkeit eines – weitestgehend – nicht unterbrochenen Berichts im Rahmen ihrer Einvernahme zu geben.

Das Arbeitsgericht hat in der streitgegenständlichen Entscheidung sodann zur Begründung der von ihm aufgrund der Beweisaufnahme vorgenommenen Beweiswürdigung ausgeführt:

„Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass sich der Kläger diskriminierend, herabwürdigend, ausländerfeindlich und rassistisch gegenüber den Auszubildenden St., Y. und dem Studenten Z. geäußert hat, in dem er zunächst auf den Geburtstag des Kriegsverbrechers Adolf Hitler hingewiesen hat, um dann seinen Hass auf Flüchtlinge zu richten, in dem er darauf hinwies, dass er die Flüchtlingsproblematik in der Weise lösen würde, dass er alle in einer Reihe aufstellt und umlegt. Auch wenn der Kläger beharrlich bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung diese Äußerung gegenüber den Auszubildenden und dem Werkstudenten bestritten hat, ist dennoch die Kammer aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger tatsächlich diese Äußerungen im Zeitraum vom 09.04.2019 bis 11.04.2019 getätigt hat. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme hat die erkennende Kammer nicht den geringsten Zweifel daran, dass der Kläger gegenüber jungen Mitarbeitern, die ihm nicht zur Ausbildung zugewiesen waren, sein menschenverachtendes und lebensvernichtendes Weltbild ungefragt weitergab und damit zumindest die Auszubildenden St. und Y. in ihrem Glauben an eine weltoffene, tolerante Beklagte erschütterte, was noch näher dargestellt wird. Sämtliche Zeugen bestätigten in ihrer Vernehmung, dass die seitens der Beklagten zur Gerichtsakte gereichten Gesprächsprotokolle betreffend Anhörung Herrn St., Herrn Z. und Herrn Y. im Ergebnis mit dem Inhalt am 12.04.2019 zutreffend und wahrheitsgemäß gefertigt wurden. Auch die Aussagen in den Befragungsniederschriften vom 17.04.2019 wurden inhaltlich bestätigt.

Der Zeuge St. gab anlässlich seiner Vernehmung am 14.01.2020 an, dass der Kläger bereits am 08.04.2019 auf den Geburtstag des Kriegsverbrechers Adolf Hitler, nämlich auf den „Führergeburtstag“ hinwies und am 09.04.2019 ungebeten und ungefragt darauf hinwies, dass Araber, die hier nach Deutschland kommen, alles „in den Arsch geschoben bekommen“ während er, der Kläger, so wenig Rente bekomme. Nach der Frage, was eine „Hitlersense“ sei, habe der Kläger dann gesagt, dass dies ein Maschinengewehr ist und man alle Araber aufstellen und erschießen müsse. Dies habe er auch noch mit einer Bewegung mit zwei Händen verdeutlicht. Diese Aussage deckt sich mit dem Gesprächsprotokoll vom 12.04.2019, welches die Anhörung des Zeugen St. vom 11.04.2019 in der Zeit von 14:00 Uhr bis 14:35 Uhr dokumentiert. In diesem Protokoll bestätigte Herr St., dass der Kläger sich am 10.04.2019 dahingehend geäußert habe, dass der 10. April der beste Tag für den Faschismus sei. Diese Aussage bestätigte der Zeuge St. auch anlässlich seiner Anhörung am 18.04.2019. Das Gericht hat nicht den geringsten Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieser Aussage des Zeugen, zumal er über die Aussage des Klägers sehr schockiert war und zunächst daran zweifelte, ob nicht dieses menschenverachtende, faschistische Gedankengut auch von den anderen Mitarbeitern mitgetragen wird. Der Zeuge St. wendete sich auch am 10.04.2019 um 12:30 Uhr an die Beklagte mit dem Betreff „Rassismus im Fachbereichseinsatz“ mit den vorgenannten Detailangaben, um sein Unverständnis auszudrücken. Der Zeuge St. erschien auch besonders glaubwürdig. Seine Aussage war nicht von Belastungstendenzen getrieben, sondern einfach nur von seiner Erschütterung, dass die Beklagte überhaupt solche Mitarbeiter in ihrem Unternehmen toleriert.

Auch der Zeuge Y. hat in sich widerspruchsfrei sowohl im Gesprächsprotokoll vom 12.04.2019 wie auch in seinen Befragungen vom 17.04.2019 sowie seiner Vernehmung am 14.01.2020 geschildert, dass der Kläger ihm auf seinem Handy ein Video zeigte, in dem es darum ging, dass Flüchtlinge Wohnungen beziehungsweise Geld vom Staat erhalten, welches sich Deutsche hart erarbeiten müssten, und dass er das Problem in der Weise lösen würden, indem er sie alle erschießen würde. Dieses Gespräch habe am Mittwochmittag, den 10.04.2019 stattgefunden. Diese Aussage ist für die erkennende Kammer absolut glaubhaft, auch wenn sich der Zeuge nicht mehr an die genaue Uhrzeit der Äußerung des Klägers am 10.04.2019 erinnert. Zweifel an der dargestellten Äußerung des Zeugen ergeben sich insbesondere deswegen nicht, da der Zeuge sowohl im Gesprächsprotokoll als auch in seiner Befragungsniederschrift erwähnte, dass der Kläger sich über den Nationalfeiertag Kroatiens sowie über den Führergeburtstag äußerte und dies auch an den Folgetagen tat. An der Glaubwürdigkeit dieses Zeugen und an der Glaubhaftigkeit seiner Aussage bestehen aus Sicht der Kammer insoweit keine Zweifel. Irgendeine Geneigtheit der Zeugenaussage zu Gunsten einer der Parteien lässt sich ebenfalls nicht feststellen. Die Aussage ist in sich schlüssig und lebensnah. Zudem steht diese Aussage im Einklang mit der Aussage des Zeugen St..

Die Aussagen der Auszubildenden St. und Y. werden im Ergebnis auch durch die Aussage des am 29.06.2020 vernommenen Zeugen Z. bestätigt. In dem Gesprächsprotokoll betreffend die Anhörung des Herrn Z. vom 11.04.2019 bestätigte dieser, dass der Kläger am 09.04.2019 laut und vernehmlich geäußert habe, „In elf Tagen ist was zu feiern, der Geburtstag des Führers.“ Er bestätigte auch, dass der Kläger mit ihm und dem Auszubildenden Herrn St. über das Thema Rente gesprochen habe und ihnen vorgerechnet habe, dass er 800,00 € bekäme und die Flüchtlinge mehr hätten als er. Daraufhin habe der Kläger gesagt, er würde die alle umlegen und dies durch eine eindeutige Körperdrehung unterstrichen. Anlässlich seiner Vernehmungsbefragungsniederschrift am 17.04.2019 konnte der Zeuge zwar den genauen Wortlaut der Äußerung des Klägers nicht mehr wiedergeben, erklärte aber, der Kläger habe mit seiner Äußerung gemeint, Flüchtlinge umzubringen oder abzuknallen. Auch wenn er diese Worte nicht benutzt habe. In diesem Zusammenhang habe er eine Handbewegung gemacht, beide Hände vor den Körper gestreckt und eine Körperdrehung gemacht, die zu dem Gesagten gepasst habe. Damit sei ihm klar gewesen, was er mit der Aussage „anders machen“ meine. Auch anlässlich seiner Zeugeneinvernahme am 29.06.2020 konnte sich der Zeuge nicht mehr an die genaue Wortwahl des Klägers erinnern, gab aber zu verstehen, dass die von ihm gegebenen Erklärungen am 11.04.2019 und 17.04.2019 der Wahrheit entsprachen. Der Zeuge bestätigte auch durch körperliche Darstellung, indem er die beiden Unterarme zu den Oberarmen in einem 90-Grad-Winkel versetzte, wie der Kläger durch Darstellung verdeutlichte, was er darunter versteht, was er anders machen würde in Bezug auf die Flüchtlinge. Auch der Zeuge Z. hat verstanden, dass der Kläger die Flüchtlingsproblematik durch Umlegen der Flüchtlinge lösen würde. Auch wenn die Aussagen des Zeugen Z. in der Vernehmung am 29.06.2020 nicht mehr in der Deutlichkeit wiedergegeben wurden wie in dem Gesprächsprotokoll und der Befragungsniederschrift, ändert dies in keiner Weise etwas an der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen sowie seiner Glaubwürdigkeit. Es liegt in der Natur der Sache, dass Erinnerungen an einen Geschehensablauf, der über ein Jahr zurückliegt, verblassen und nicht in der Deutlichkeit wiederzuerkennen sind, wie aktuell wahrgenommene Geschehensabläufe.“

Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer vollinhaltlich an und stellt dies hiermit ausdrücklich gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest.

Soweit der Kläger in der Berufungsbegründungsschrift vom 30.11.2020 (Bl. 506 ff. d. A., 512 f. d. A.) ausführt, es sei nicht genau herausgearbeitet worden, welche Äußerung genau dem Kläger unterstellt werde, ebenso wenig an welchen Tagen dies der Kläger geäußert haben solle, auf einen genauen Wortlaut hätten sich weder die Zeugen noch das Gericht festlegen können, so dass keinesfalls eindeutig sei, auf welchen Sachverhalt die Entscheidung maßgeblich zu stützen sei, folgt die Kammer dem nicht. Die Kammer hat insoweit die gemäß § 286 Abs. 1 ZPO als bewiesen angesehenen Äußerungen des Klägers ausführlich wiedergegeben; maßgeblich sind insoweit in erster Linie die Zeugenaussagen im Rahmen der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme, ergänzend die von der Beklagten gefertigten Gesprächsprotokolle und Befragungsniederschriften. Entgegen der Auffassung des Klägers steht der Glaubhaftigkeit der Aussagen und der Glaubwürdigkeit der Zeugen nicht entgegen, das betreffend Einzelheiten der räumlichen Gegebenheiten und der benannten Zeitpunkte des Geschehens Unklarheiten bestehen, wobei es sich aber letztlich nur um Randunschärfen handelt. Denn bei den von den Zeugen bereits der Beklagten mitgeteilten Vorkommnissen handelt es sich um Äußerungen, bei denen davon auszugehen ist, dass sie die Zeugen zutiefst betroffen haben. Insbesondere der Zeuge St. hat dies nachvollziehbar so beschrieben, dass er erschrocken war. Er hat danach lediglich zu dem Zeugen Z. gesagt, dass das nicht geht. In der Werkstatt hat er niemanden wegen dieser Äußerungen des Klägers angesprochen, weil er Angst hatte, dass die Äußerung des Klägers Zustimmung erfährt. Den Mitarbeiter der Beklagten, der den Wechsel des Zeugen von der LKW- in die PKW-Werkstatt vollzogen hat, hat er nicht angesprochen auf diese Äußerungen, weil er sich nicht sicher war, ob er nicht weiß, wie es da in der Werkstatt zugeht, denn die Räumlichkeiten sind offen. Ferner hat der Zeuge ausdrücklich ausgesagt, dass er schlichtweg Angst hatte. Dem entspricht auch die E-Mail des Zeugen, die er am 10.04.2019 an den Mitarbeiter der Beklagten, Herrn M. (s. Bl. 163 d. A.) gesandt hat. Dort hat er mitgeteilt, dass es in seinem Werkseinsatz in der Niederlassung Landau, Abteilung LKWs zu mehreren rassistischen Aussagen der Mitarbeiter kam. Zwei Mitarbeiter bekennen sich danach sogar stolz zu Faschismus. Innerhalb der ersten Tage war von Volksverhetzung bis zum Hitlergruß fast alles dabei, die restlichen Mitarbeiter sagen nichts dagegen. Sie beteiligen sich sogar zum Teil mit Zustimmung an den Gesprächen, die sich zum Großteil gegen die „Araber“ richten. Um einen der bekennenden Faschisten zu zitieren: „Man sollte die alle erschießen!“ Außerdem freut sich dieser Mitarbeiter sehr auf den 20. April, den Geburtstag von Adolf Hitler. Das erwähnt er mehrmals am Tag. Ich will mir nicht vorstellen was wäre, wenn Auszubildende mit türkischer Herkunft mit solchen Rassisten zusammenarbeiten müssten. Ich selbst habe dabei ein sehr komisches Gefühl. Ich hoffe sie verstehen meinen Standpunkt und damit auch, dass ich möglichst versuche Gespräche mit diesen Personen zu vermeiden.

In einer solchen konkreten Situation, die die Zeugen in einem neuen Abschnitt ihres Berufslebens, in einer ihnen noch fremden räumlichen Umgebung, in Zusammenarbeit mit ihnen noch unbekannten Mitarbeitern völlig unvorbereitet trifft, kann nicht erwartet werden, dass die Zeugen mittels Terminkalender und Stift entsprechende Aufzeichnungen bezüglich der Einzelheiten von Ort, Datum, Uhrzeit und beteiligten Personen fertigen. Hinzu kommt des Weiteren vor allem, dass die Zeugen Y. und Z. sich nicht initiativ beschwerdeführend an ihren Arbeitgeber gewandt haben, so dass sie schon vor diesem Hintergrund auch keinerlei Veranlassung für etwaige Aufzeichnungen hatten. Bei dem Zeugen St. ist zu berücksichtigen, dass er den Kern dessen was ihn zutiefst bewegt hat, unverzüglich per Mail an die Beklagte übermittelt hat, allerdings in erster Linie zum Zwecke des Selbstschutzes, um derartigen Äußerungen nicht weiterhin ausgesetzt zu sein, was auch den von ihm betriebenen Wechsel des Arbeitsplatzes erklärt. Bei keinem der Zeugen kann davon ausgegangen werden, dass sie Veranlassung hatten, davon auszugehen, über die Äußerungen des Klägers und räumliche, örtliche, zeitliche Einzelheiten im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens im Detail aussagen zu müssen. Vor diesem Hintergrund sind die Äußerungen des Klägers, was ihren Inhalt betrifft und ihren Wesentlichen Sinngehalt, maßgeblich, nicht aber die unterschiedlichen Verläufe, was den Ort der Unterhaltung betrifft, an den die jeweiligen Begegnungen stattgefunden haben sollen.

Soweit der Kläger des Weiteren vorträgt, er sei nie alleine mit den Zeugen zugegen gewesen, sondern stets seien weitere Zeugen anwesend, ergibt sich daraus zum einen das vorliegend keine „Aussage – gegen – Aussage“ Situation gegeben ist, wie bereits dargelegt, zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass die von dem Kläger benannten Kollegen im Rahmen der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme, wie dargelegt, das Vorbringen des Klägers so nicht bestätigt haben. Ihre Aussagen haben lediglich vermittelt, dass sie die streitgegenständlichen Äußerungen nicht gehört haben, sie haben aber auch deutlich gemacht, dass sie im Grunde genommen von den Gesprächen entweder nur bruchstückhaft etwas, oder aber gar nichts mitbekommen habe. Soweit der Kläger (Bl. 514 d. A.) darauf hinweist, es müsse berücksichtigt werden, dass sämtliche Zeugen noch einige Jahre an Beschäftigungsdauer bei der Beklagten vor sich hätten, zum Teil mit bereits jetzt erkennbarer solider Karriere, bleibt unklar, was damit zum Ausdruck gebracht werden soll, bezogen auf den vorliegenden Rechtsstreit. Eine Motivation, einen den Zeugen völlig unbekannten Mitarbeiter, der langjährig bei der Beklagten beschäftigt ist, mit frei erfundenen Vorwürfen und der damit verbundenen Gefahr des Verlustes des Arbeitsplatzes zu beschuldigen, lässt sich daraus sicherlich nicht ableiten. Insgesamt ist festzustellen, dass das Vorbringen des Klägers widersprüchlich ist. Einerseits werden die ihm vorgeworfenen Äußerungen vollumfänglich in Abrede gestellt, andererseits in Einzelheiten durchaus eingeräumt, dann aber mit einem völlig anderen inhaltlichen und situativen Kontext versehen, der freilich in der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme keinerlei Bestätigung gefunden hat. So behauptet der Kläger (Bl. 514 d. A.), im Hinblick auf die Frage nach Hitler habe er den Kollegen eine Sequenz aus einer Spiegel-TV Reportage gezeigt, in der es um eine nach Deutschland geflüchtete syrische Familie gegangen sei; dieses Video habe der Kläger den Kollegen gezeigt, aber nicht den Azubis. Inhalt des Videos sei die provokante Aussage gewesen, dass die syrische Familie mittels Leistungen aus der Flüchtlingshilfe über mehr Geld verfüge als ein deutscher Rentner nach lebenslanger Arbeit. Des Weiteren sei ein Teil der Sequenz eine Rückblende auf kriegerische Handlungen und vor allem Schusswechsel in Aleppo. Gesagt habe er, der Kläger lediglich, dass sich die Syrer gegenseitig abschießen (Bl. 282 – 284 d. A.). Der Zeuge St. hat ausdrücklich erklärt, dass ihm kein Video vorgespielt worden sei, der Zeuge Y. hat diesen Vorgang vielmehr gegenteilig so geschildert, wie von der Kammer als bewiesen angesehen und ausdrücklich erklärt, dass er sich an Kriegsszenen aus einem arabischen Land insoweit nicht erinnern kann, während die Vernehmung des Zeugen Z. die Ausführungen des Klägers ebenso wenig bestätigt. Dass der Kläger, wie von ihm behauptet, auch ein Handyvideo gezeigt haben will, das die Verwendung einer Kettensäge durch den Kläger zeigt, wozu er bemerkt haben will, diese Klinge wie ein Maschinengewähr aus dem zweiten Weltkrieg (Bl. 284 d. A.) findet in der im erstinstanzlichen Rechtszug durchgeführten Beweisaufnahme keinerlei Bestätigung. Warum vor diesem Hintergrund die Zeugen St., Y. und Z. (Bl. 514 d. A.) erneut vernommen werden sollen, erschließt sich nicht. Gleiches gilt im Hinblick auf die von dem Mitarbeiter der Beklagten gefertigten Gesprächsprotokolle (Bl. 515 d. A.), die vorliegend Teil des Parteivortrags der Beklagten sind, während für die Entscheidung der Kammer maßgeblich die Zeugenaussagen in der im erstinstanzlichen Rechtszug durchgeführten Beweisaufnahme sind, allenfalls ergänzt durch die Anhörung der Zeugen und deren im Anschluss daran erfolgte Befragung durch die Beklagte vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung. Soweit der Kläger Widersprüchlichkeiten in den Formulierungen des Zeugen St. aufzeigt, bleibt unklar, welche Relevanz dem zukommen soll. Hinsichtlich des Zeugen Z. weist der Kläger zwar zutreffend darauf hin, dass dieser im Rahmen seiner Zeugenvernehmung am 29.06.2020 deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass er die Verallgemeinerung, dass alle Flüchtlinge umgelegt werden sollen, so nicht verstanden und auch nicht in die Worte des Klägers reininterpretiert hat, sondern es so verstanden hat, dass ein Depp irgendetwas komisches sagt. Damit wird der Inhalt der Äußerung des Klägers keineswegs relativiert, vielmehr lediglich die Bedeutung, die diese Äußerung für den Zeugen hatte. Denn der Zeuge Z. hat ebenfalls ausgesagt, dass die von ihm gemachten Angaben im Rahmen der Befragung durch die Beklagte zutreffend waren. Vor diesem Hintergrund kann entgegen der Auffassung des Klägers durchaus ausgeschlossen werden, dass der Kläger erklärt hat, auch nicht sinngemäß, „die schießen sich schon selber ab“. Dass sich bei der Schilderung von Äußerungen Zeugen nach Monaten an die genaue Wortwahl nicht mehr erinnern können, ist Folge des menschlichen Erinnerungsvermögens; dieses Eingeständnis spricht im Übrigen für die Glaubwürdigkeit der Zeugen. An dem zentralen Sinngehalt der Äußerung des Klägers ändert dies nichts. Warum es für die vorliegend maßgebliche Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen St. und die Glaubwürdigkeit seiner Aussage von Belang sein soll, dass es sich bei der von ihm übersandten Email, die im vorliegenden Rechtsstreit vorgelegt wurde, um einen Ausdruck aus dem Email-Account des Zeugen handelt, und die Werkszugehörigkeit des Herrn M. in der Adressatenzeile ausgewiesen ist, erschließt sich nicht. Warum es insoweit von Belang sein soll, wie es zu der Befragung des Zeugen durch die Beklagte am 11.04.2019 gekommen ist (Bl. 520, 521 d. A.) erschließt sich ebensowenig.

Damit ist insgesamt, entgegen der Auffassung des Klägers, maßgeblich davon auszugehen, dass im Kern die drei Auszubildenden, gegenüber denen der Kläger seine Aussagen gemacht hat, das Vorbringen der Beklagten bestätigt haben. Zwar hat nicht jeder Zeuge alles gehört, in Einzelheiten war sich der eine oder andere Zeuge unsicher. Gleichwohl steht als Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass der Kläger sinngemäß gesagt hat, er würde das Problem (entweder mit den Ausländern, Arabern oder mit Flüchtlingen) so lösen, dass man alle in einer Reihe aufstelle und erschieße. Die Tatsache, dass die Zeugen keine vollumfänglich identischen Aussagen gemacht haben, spricht für ihre Glaubwürdigkeit, zumal die streitgegenständlichen Vorfälle zum Zeitpunkt der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme bereist Monate zurücklag. Ferner waren, wie bereits dargelegt, alle drei Auszubildenden in einer für sie ungewohnten Umgebung, sie kannten weder die Räumlichkeiten, noch die dort arbeitenden Personen und waren von den Äußerungen des Klägers geschockt.

Die Gesamtheit der nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nachgewiesenen im besonderen Maße ausländerfeindlichen und menschenverachtenden Äußerungen des Klägers im Betrieb der Beklagten sind an sich geeignet, die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien zu rechtfertigen. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit muss insbesondere im Hinblick auf den menschenverachtenden Sinngehalt der Äußerungen, die geeignet sind, den Betriebsfrieden zu stören, zurückstehen. Dass eine derartige Störung tatsächlich eingetreten ist, belegt allein die Wirkung der Äußerungen des Klägers auf die Zeugen.

Umstände, die die Äußerungen des Klägers in einem milderen Licht erscheinen lassen könnten, oder sogenannte Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe lassen sich dem Vorbringen des Klägers in beiden Rechtszügen nicht entnehmen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Weder wurde der Kläger im Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Äußerungen provoziert, noch fielen sie im Rahmen einer erregten, emotionalen verbalen Auseinandersetzung, noch überhaupt in einem dem Kläger aufgedrängten Gespräch. Vielmehr hat sich der Kläger jeweils geäußert, ohne irgendeine betriebliche Veranlassung, er ist mit seinen Äußerungen auf die Gesprächspartner zugegangen, ein etwaiges Augenblicksversagen ausgeschlossen und ferner sind diese Äußerungen auch, so dass dahinstehen kann, inwieweit dies überhaupt eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnte, nicht im Rahmen eines ausdrücklich als vertraulich gekennzeichneten Gesprächs erfolgt, sondern, jedenfalls nach der Darstellung des Klägers, jeweils gegenüber allen in der konkreten Situation anwesenden Arbeitskollegen und den Zeugen. Inwieweit deshalb auch die gesetzlichen Voraussetzungen des Straftatbestandes der Volksverhetzung (§ 130 StGB) erfüllt sind, bedarf keiner Entscheidung, da die strafrechtliche Beurteilung arbeitsrechtlich nicht maßgeblich ist.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die streitgegenständliche außerordentliche Kündigung der Beklagten nicht unverhältnismäßig.

Zwar ist dann, wenn eine Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers wie vorliegend beruht, grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen durch das Arbeitsverhältnis positiv beeinflusst werden kann. Einer Abmahnung (s. § 314 Abs. 2 i.V.m. § 323 Abs. 2 BGB) bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aber dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich auch für den Arbeitnehmer erkennbar ausgeschlossen ist (BAG 20.11.2014, EzA § 626 BGB, 2002, Nr. 47).

Von letzterem ist vorliegend auszugehen; der Kläger konnte, darauf hat die Beklagte zutreffend hingewiesen, nicht ernsthaft annehmen, die Beklagte werde das nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im erstinstanzlichen Rechtszug feststehende Verhalten hinnehmen. Dies ist auch für den Kläger nach Auffassung der Kammer erkennbar ausgeschlossen.

Soweit der Kläger demgegenüber (Bl. 522 ff. d. A.) ausgeführt hat, er habe keinen der Anwesenden attackiert, angegriffen oder beleidigt, neben einer Abmahnung kämen weitere Mittel, wie z.B. grundlegende verständliche Schulungen für die Arbeitnehmer und konkrete Ansprachen in Betracht, denkbar seien auch regelmäßige, rollierende Versetzungen, einerseits um Eintönigkeit, andererseits auch zu vermeiden, dass sich Arbeitsgruppen und kollegiale Beziehungen zu sehr verfestigten und unentwegte Leistungsverdichtung durch die Beklagte vor Ort sei jedenfalls keine geeignete Grundlage, um Entspannung unter den Kollegen zu vermeiden, folgt die Kammer dem nicht.

Zwar hat der Kläger keinen Arbeitskollegen oder Vorgesetzten attackiert, angegriffen oder beleidigt. Er hat aber durch seine Äußerungen den Betriebsfrieden konkret gestört. Durch die Kundgabe der in besonderem Maße ausländerfeindlichen und menschenverachtenden Erklärungen, die vom Grundrecht der Meinungsfreiheit nicht mehr gedeckt sind und die ein Arbeitgeber generell, aber auch im Besonderen dann, wenn er Mitarbeiter einer Vielzahl von Nationen angehörig beschäftigt, nicht hinnehmen kann, schon deshalb, weil der Kläger seine Meinungsinhalte ungefragt offensiv ihm völlig unbekannten neuen Arbeitskollegen mehr oder weniger aufgedrängt hat, ohne dass dazu eine betriebliche oder sonstige Veranlassung bestand, so dass davon auszugehen ist, dass sich vergleichbares Verhalten zukünftig fortsetzen wird. Zudem ist das Fehlverhalten des Klägers als so schwerwiegend anzusehen, dass auch eine erstmalige Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich auch für den Arbeitnehmer erkennbar ausgeschlossen ist. Warum der Beklagten im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsprinzips insoweit grundlegende verständliche Schulungen für die Arbeitnehmer zugemutet werden sollen, erschließt sich nicht. Für die Erkenntnis, dass das Töten von Menschen verboten ist, bedarf es weder Schulungen, noch konkreter Ansprachen. Ebenso erweisen sich die Hinweise des Klägers auf unentwegte Leistungsverdichtung und regelmäßige rollierende Versetzungen als in besonderem Maße unbehelflich, weil der Kläger weder durch Leistungsverdichtung gehindert war, Zeit zu finden, sich, wie streitgegenständlich, zu äußern und rollierende Versetzungen eher zu einer Vergrößerung des möglichen Adressatenkreises der ausländerfeindlichen und menschenverachtenden Äußerungen des Klägers zukünftig führen würde.

Die abschließend durchzuführende Interessenabwägung führt entgegen der Auffassung des Klägers zum überwiegenden Interesses der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Klägers an der hilfsweise auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist befristeten Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Zwar ist zugunsten des Klägers das Lebensalter, schwerwiegend die langjährige beanstandungsfreie Dauer des Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen (s. BAG 07.07.2011, EzA, § 626 BGB 2002, Nr. 38; 16.04.2004 EzA, § 626 BGB 2002, Nr. 7; 10.06.2010 EzA, § 626 BGB 2002, Nr. 32). Auch kann zugunsten des Klägers berücksichtigt werden, dass er angesichts seines Lebensalters Schwierigkeiten haben wird, auf dem Arbeitsmarkt neu Fuß zu fassen. Zudem kann zugunsten des Klägers vorliegend auch die Unterhaltspflicht berücksichtigt werden, wobei sie allerdings aufgrund der besonderen Umstände des hier zu entscheidenden Lebenssachverhalts und des dem Kläger nach dem Ergebnis der im erstinstanzlichen Rechtszug durchgeführten Beweisaufnahme nachgewiesenen erheblichen Fehlverhaltens in den Hintergrund tritt. Gleichwohl überwiegt das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dafür spricht einmal das erhebliche nachgewiesene Fehlverhalten des Klägers und zudem die gesetzliche Schutzpflicht, die die Beklagte gemäß § 241 Abs. 2 BGB gegenüber ihren Mitarbeitern hat. Eine andere Möglichkeit als der Ausspruch der außerordentlichen fristlosen Kündigung besteht nach Auffassung der Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht, um dem angemessen nachzukommen.

Etwas Anderes folgt entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht daraus, dass vorliegend aufgrund der Anwendbarkeit tarifvertraglicher Vorschriften die ordentliche Kündigung des zwischen den Parteien vormals bestehende Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen ist.

Besonderheiten bestehen allerdings in den Fällen, in denen aufgrund einer Tarifnorm (s. BAG 23.02.2012 EzA § 4 TVG Metallindustrie Nr. 147 = NZA 2012, 992, 22.08.2018 – 6 AZR 137/17 – NZA-RR 2018, 384, § 34 TVÖD) eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist, was insbesondere eine längere Beschäftigungsdauer bei demselben Arbeitgeber (s. BAG 22.02.2018 – 6 AZR 137/17, NZA-RR 2018, 384) voraussetzt. Sind die (z.B.) tariflichen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt, so sind bei der Anwendung des § 626 Abs. 1 BGB grundsätzlich strenge Maßstäbe anzulegen (BAG 18.03.2010 EzA § 626 BGB 2002 Unkündbarkeit Nr. 17, 11.03.1999 EzA § 626 n.F. Nr. 177, LAG Köln, 30.10.2006 – 14 Sa 158/06 – EzA-SD 1/2007, S. 5 LS). Eine derartige außerordentliche Kündigung ist zum einen unter Umständen nur mit notwendiger – der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechender – Auslauffrist möglich (BAG 24.01.2013 – 2 AZR 453/11, JurionRS 2013, 37327 = NZA 2013, 959, 26.03.2015 EzA § 613a BGB, 2002, Nr. 161 = NZA 2015, 866, 13.05.2015 EzA, § 626 BGB, 2002, Nr. 50). Zum anderen ist der Arbeitgeber in besonderem Maße verpflichtet, die Kündigung durch geeignete Maßnahmen zu verhindern (BAG 18.03.2010, EzA, § 626 BGB, 2002 Unkündbarkeit Nr. 17, 26.03.2015, EzA, § 613a BGB, 2002, Nr. 161 = NZA 2015, 866). Bereits nach dem Gesetzeswortlaut wird als Voraussetzung für eine außerordentliche Kündigung gefordert, dass die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses unzumutbar ist. Es ist danach allgemein für die Interessenabwägung wesentlich, wie lange die Parteien noch an das Arbeitsverhältnis gebunden wären, wenn die außerordentliche Kündigung nicht durchgreifen würde (BAG 21.06.2001, EzA, § 626 BGB Unkündbarkeit Nr. 7, SPV/Preis, Rn. 546,556).

Daraus folgt andererseits aber nicht als feste Regel, dass eine außerordentliche Kündigung bei einer langfristigen Bindung (längere Dauer der Kündigungsfrist oder der Befristung oder Ausschluss der ordentlichen Kündigung) stets erleichtert ist, während dann, wenn eine kurzfristige Beendigung durch eine ordentliche Kündigung möglich ist oder infolge der Befristung demnächst eintritt, an eine außerordentliche Kündigung besonders strenge Anforderungen zu stellen sind.

Ob sich die Länge der Kündigungsfrist oder die Dauer eines befristeten Vertrages erleichternd oder erschwerend für die Anerkennung eines wichtigen Grundes auswirkt, kann sachgerecht nur unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles entschieden werden (KR/Fischermeier § 626 BGB, Rn. 314).

Der tarifliche Ausschluss oder ordentlichen Kündigung und die dadurch bedingte langfristige Vertragsbindung stellen aber jedenfalls Umstände dar, die bei einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers im Rahmen der einzelfallbezogenen Interessenabwägung entweder zugunsten oder zu Ungunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind. Ist die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses kraft Tarifvertrages ausgeschlossen, wirkt sich dies jedenfalls bei der Interessenabwägung nicht zulasten des Arbeitnehmers im Vergleich zu einem Arbeitnehmer aus, bei dem das nicht der Fall ist (LAG Baden-Württemberg 29.05.2018 – 19 Sa 61/17, LAGE §626 BGB, 2002, Nr. 74).

Dabei ist danach zu differenzieren, ob die Kündigung aufgrund eines einmaligen Vorfalles oder aus einem sich ständig neu aktualisierenden Grund erfolgen soll. Handelt es sich um einen einmaligen Vorfall, dann ist zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, dass er durch die Entlassung eine besonders gesicherte Rechtsposition verlieren würde, so dass ein besonders strenger Maßstab anzulegen ist (BAG 03.11.1955, AP Nr. 4 zu § 626 BGB). Bei einer dauerhaft geminderten oder entfallenden Leistungsfähigkeit (oder bei einer Betriebsstilllegung) kann sich die lange Dauer der weiteren künftigen Belastung des Arbeitgebers hingegen dahin auswirken, dass die lange Bindung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht (BAG 28.03.1985, EzA, § 626 BGB n.F., Nr. 96).

Durch die Vereinbarung langer Kündigungsfristen oder den Ausschluss der ordentlichen Kündigung soll einerseits eine verstärkte Bindung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer geschaffen werden. Das spricht an sich dafür, an die Gründe für die außerordentliche Kündigung einen strengeren Maßstab anzulegen. Diese schematische Betrachtung steht andererseits im schwer lösbaren Widerspruch zu der Erwägung, dass dem Arbeitgeber die kurzfristige Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers i.d.R. eher zuzumuten ist, als die Fortsetzung eines langfristigen Vertrages (BAG 18.11.1986, EzA, § 611 BGB Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 26). Auch dieser Grundsatz gilt nur eingeschränkt. Der Kündigungsberechtigte kann auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis ohnehin demnächst endet, ein zu billigendes besonderes Interesse an einer sofortigen Auflösung haben und zwar z.B. dann, wenn die außerordentliche Kündigung zum Wegfall von Ansprüchen führt, die bei einer fristgerechten Vertragsbeendigung erhalten bleiben würden (KR/Fischermeier, § 626 BGB, Rn. 315). Die Dauer der an sich beabsichtigten Bindung ist deshalb nur ein – wenn auch wesentlicher – Umstand, der bei der erschöpfenden Interessenabwägung zu berücksichtigen ist (KR/Fischermeier, § 626 BGB, Rn. 315).

In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend davon auszugehen, dass sich im Rahmen der erschöpfenden Interessenabwägung die Dauer der Vertragsbindung für den Kläger nicht als nachteilig erweist; die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fiktiv, weil die ordentliche Kündigung gerade ausgeschlossen ist, ist auch bei Anlegung eines strengeren Maßstabes zu bejahen. Hinzu kommt, dass im Hinblick auf das Lebensalter des Klägers die Rechtsunwirksamkeit der streitgegenständlichen außerordentlichen Kündigung nicht zu einer sehr langen weiteren Bindungsdauer führen würde. Soweit der Kläger insoweit (Bl. 526 f. d. A.) darauf hinweist, der menschenverachtende Kern, der ihm vorgeworfenen Aussagen vermöge in seiner Tiefe nicht von jedem erkannt zu werden, es habe bereits Parallelfälle von ausländerfeindlichen Äußerungen nach Maßgabe des Vortrags der Beklagten gegeben, sein Verhalten sei nicht unmittelbar gegenüber Kollegen zu verstehen und auch nicht auf eine bestimmte Arbeitnehmergruppe bezogen, vielmehr handele es sich um einen äußerst unreflektierten Umgang mit der Flüchtlingsdebatte auf dem Niveau extremistischer Parteien, bleibt unklar, wie, wenn, so der Kläger selbst (Bl. 527 d. A.), derartige Äußerungen für vernünftig denkende gesunde Menschen unerträglich sind, dies zu einer anderen Beurteilung führen soll, als derjenigen, dass der Beklagten nach Maßgabe aller Umstände des Einzelfalls auch nur die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar ist.

Entgegen der Auffassung des Klägers folgt die Rechtsunwirksamkeit der streitgegenständlichen außerordentlichen Kündigung der Beklagten auch nicht aus § 626 Abs. 2 BGB.

Dies hat der Kläger allerdings im erstinstanzlichen Rechtszug, freilich ohne nähere inhaltliche Begründung geltend gemacht; im Berufungsverfahren (Bl. 525 ff. d. A.) benennt der Kläger einzelne Zeitpunkte, beginnend mit dem 10.04.2019 um 12:30 Uhr, der Kenntniserlangung der Mitarbeiter der Beklagten, wobei allerdings unklar bleibt, ob es sich insoweit um Ausführungen im Rahmen des § 626 Abs. 2 BGB handeln soll, oder aber nur um Ausführungen, die sich auf das nach Auffassung des Klägers, die die Kammer nicht teilt, Zustandekommen der von der Beklagten vor Ausspruch der Kündigung gefertigten Aktennotizen und Protokolle der Befragung der Zeugen handelt.

Die außerordentliche Kündigung kann gemäß § 626 Abs. 2 BGB nur innerhalb einer zweiwöchigen Frist erfolgen (s. BAG 22.11.2012 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 2; 26.09.2013 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 3 = NZA 2014, 529; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, DLW/Dörner, Handbuch des Arbeitsrechts, 15. Aufl. 2020, Kap. 4 Rdnr. 1086 ff.).

Zweck dieser Regelung ist es, den Kündigenden möglichst schnell zur Entscheid-dung über die Kündigung aus einem bestimmten Grund zu veranlassen. Denn ansonsten könnte die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung fraglich sein.

Zudem soll der Kündigungsgegner frühzeitig die Konsequenzen des Vorliegens eines wichtigen Grundes für sein Arbeitsverhältnis erfahren (APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 116 f.); dem betroffenen Arbeitnehmer soll rasch Klarheit darüber verschafft werden, ob der Kündigungsberechtigte einen Sachverhalt zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung nimmt (BAG 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3; 17.03.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 9).

Ist dem Kündigungsgegner mit Ablauf der Zweiwochenfrist keine Kündigung zugegangen, so wird unwiderleglich vermutet, dass dem Kündigungsberechtigten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist. Die Ausschlussfrist kann daher als gesetzliche (bzw. tarifliche, vgl. z. B. § 34 Abs. 2 TVöD) Konkretisierung der Verwirkung des Kündigungsgrundes angesehen werden (BAG 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3; 17.03.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 9; 02.02.2006 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 1). Ohne Kenntnis des Kündigungsberechtigten vom Kündigungssachverhalt kann das Kündigungsrecht folglich nicht verwirken (BAG 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3).

Sie ist eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, ihr Versäumung führt zur Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung (BAG 06.07.1972 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 15). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ausgeschlossen.

Die Frist gem. § 626 Abs. 2 BGB beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt (s. BAG 22.11.2012 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 2). Erforderlich ist eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen (BAG 22.11.2012 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 2; 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10 = NZA 2011, 798; 26.06.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 21; 05.06.2008 – 2 AZR 25/07 , JurionRS 2008, 21755 = NZA-RR 2009, 69; 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3; 02.02.2006 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 1), die ihm die fundierte Entscheidung ermöglicht, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (BAG 25.11.2010 EzA § 108 BPersVG Nr. 5; 23.10.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 21; 26.06.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 21; 02.03.2006 EzA § 91 SGB IX Nr. 3).

Dazu gehören sowohl die für als auch gegen die Kündigung sprechenden Umstände sowie die Beschaffung und Sicherung möglicher Beweismittel für die ermittelte Pflichtverletzung (BAG 17.03.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 9; LAG SchlH 17.12.2008 NZA-RR 2009, 397); Aspekte, die für den Arbeitnehmer sprechen, lassen sich regelmäßig nicht ohne eine Anhörung des Arbeitnehmers erfassen (BAG 25.11.2010 EzA § 108 BPersVG Nr. 5). Die Kenntnisnahme von ersten Anhaltspunkten für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes genügt nicht (BAG 25.11.2010 EzA § 108 BPersVG Nr. 5); selbst grob fahrlässige Unkenntnis schadet nicht (BAG 05.12.2002 EzA § 123 BGB 2002 Nr. 1; vgl. auch LAG Bln.-Bra. 18.11.2009 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 25; OLG Karlsruhe 28.04.2004 NZA 2005, 301); ohne die umfassende Kenntnis des Kündigungsberechtigten vom Kündigungssachverhalt kann sein Kündigungsrecht nicht verwirken (BAG 01.02.2007 § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3).

Die Kündigungsberechtigte, die bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen beginnt (BAG 25.11.2010 EzA § 108 BPersVG Nr. 5; 20.03.2014 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 6 = NZA 2014, 1015). Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen. Bei Vorliegen besonderer Umstände kann sie allerdings überschritten werden (BAG 20.03.2014 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 6 = NZA 2014, 1015). Im Regelfall darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch noch zu dem Ermittlungsbericht einer Detektei befragen (BAG 25.11.2010 EzA § 108 BPersVG Nr. 5). Ist die Frist bereits angelaufen, kann sie gleichwohl gehemmt werden (BAG 05.06.2008 – 2 AZR 25/07, JurionRS 2008, 21755 = NZA-RR 2009, 69). Denn zur Erlangung dieser Kenntnis kann der Kündigungsberechtigte zunächst Ermittlungen anstellen, insbesondere den Betroffenen anhören (BAG 02.02.2006 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 1, 02.03.2006 EzA § 91 SGB IX Nr. 3). Da das Ziel der gesetzlichen Regelung auch darin besteht, eine hektische Eile bei der Kündigung und insbesondere eine vor-schnelle außerordentliche Kündigung zu verhindern, ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Sachverhalt und die Beweismittel zu überprüfen und sich angesichts der Schwere der gegen den Arbeitnehmer erhobenen Vorwürfe auch einen persönlichen Eindruck von Belastungszeugen zu verschaffen (BAG 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3; 17.03.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 9; s. a. LAG BW 28.01.2015 – 13 TaBV 6/14, LAGE § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 5).

Die Hemmung des Fristablaufs setzt aber voraus, dass die vom Arbeitgeber ergriffenen Maßnahmen vom Standpunkt eines verständigen Vertragspartners her zur genaueren Sachverhaltsermittlung erforderlich waren (APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 127 ff.); die Ermittlungen sind zudem unverzüglich und zeitnah mit der gebotenen Eile anzustellen, andernfalls ist die außerordentliche Kündigung ausgeschlossen. Denn der Arbeitgeber weiß nunmehr, dass – aus seiner Sicht – ein Kündigungsgrund vorliegt und dass er kündigen kann. Innerhalb der Frist muss er dann entscheiden, ob er kündigen will und die Kündigung gegenüber dem Arbeitnehmer erklären (BAG 05.06.2008 – 2 AZR 25/07 JurionsRS 2008, 21755 = NZA-RR 2009, 69; 02.02.2006 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 1; 02.03.2006 EzA § 91 SGB IC Nr. 3; LAG RhPf 27.05.2004 LAG Report 2005, 40). Eine Hemmung tritt z.B. dann nicht ein, wenn von vornherein damit zu rechnen ist, dass die Ermittlungen keine zusätzlichen Erkenntnisse bringen. Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer nach seiner telefonischen Anhörung angeregt hatte, sich noch einmal im Betrieb zusammenzusetzen, führt dann zudem auch nicht dazu, dass er rechtsmissbräuchlich handelt, wenn er sich auf die Nichteinhaltung der Frist nach § 626 Abs. 2 BGB beruft (LAG Köln 12.08.2008 – 9 Sa 480/08, ZTR 2009, 225 LS).

Es spielt andererseits insoweit keine Rolle, ob die zunächst nicht aussichtlos erscheinenden Ermittlungsmaßnamen tatsächlich etwas zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder im Ergebnis letztlich überflüssig waren (BAG 20.03.2014 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 6 = NZA 2014, 1015). Kein Anlass für Ermittlungen besteht andererseits dann nicht (mehr), wenn der Sachverhalt geklärt oder vom Arbeitnehmer sogar zugestanden worden ist (BAG 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3; 05.12.2002 EzA § 123 BGB 2002 Nr. 1). Allerdings ist die Ausschlussfrist nur so lange gehemmt, wie der Kündigungsberechtigte die notwendig erscheinenden Aufklärungsmaßnahmen mit der gebotenen Eile aus tatsächlich durchführt (BAG 31.03.1993 EzA § 626 Ausschlussfrist Nr. 5; 05.12.2002 EzA § 123 BGB 2002 Nr. 1). Ein Zeitraum von über zwei Monaten ist insoweit regelmäßig zu lang, soweit nicht besondere Umstände vorliegen (LAG Nds. 16.09.2005 LAGE § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 1a). Hat der Kündigungsberechtigte dagegen dennoch weitere Ermittlungen durchgeführt, muss er darlegen, welche Tatsachenbehauptungen unklar und daher ermittlungsbedürftig waren und welche weiteren Ermittlungen – zumindest aus damaliger Sicht – zur Klärung von Zweifeln angestellt worden sind; der Vortrag des Arbeitgebers, es seien insgesamt mehr als 12.000 Rechnungen und Sammelrechnungen mit mehreren Lieferscheinen zu prüfen gewesen, lässt insoweit ausnahmsweise bereits aufgrund des Umfangs der Unterlagen einen Überprüfungszeitraum von gut zwei Monaten plausibel erscheinen (BAG 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3).

Der mit der beabsichtigten Anhörung verbundene Fristaufschub i. S. v. § 626 Abs. 2 BGB entfällt nicht nachträglich, wenn der Arbeitgeber das ergebnislose Verstreichen der Frist zur Stellungnahme für den Arbeitnehmer zum Anlass nimmt, nunmehr auf dessen Anhörung zu verzichten. Ein solcher nachträgliche Wegfall des ursprünglichen Aufschubs käme nur infrage, wenn der betreffende Entschluss des Arbeitgebers auf Willkür beruhte. Das ist nicht der Fall, wenn Anlass für den neuen Entschluss der Umstand ist, dass sich der Arbeitnehmer innerhalb der ihm gesetzten, angemessenen Frist nicht geäußert hat (BAG 20.03.2014 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 6 = NZA 2014, 1015).

Auch die sachdienliche Anhörung des Arbeitnehmers hemmt den Fristablauf, möglicherweise ist auch eine Mehrfachanhörung erforderlich. Denn die Anhörung ist zwar – de lege lata – keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Tatkündigung (BAG 10.04.2014 EzA § 622 BGB 2002 Nr. 10 = NZA 2015, 162; s. Rdn. 1515), sie gehört aber regelmäßig zu den erforderlichen Aufklärungsmaßnahmen, damit der Arbeitnehmer Gelegenheit erhält, entlastende Umstände vorzutragen (LAG Hamm 07.06.2005 LAG Report 2005, 384 LS; LAG Sachsen 23.04.2007 – 3 Sa 301/06, FA 2007, 358 LS; LAG SchlH 06.05.2015 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 55 = NZA-RR 2015, 526). Um den Schutz des Kündigungsgegners durch die Ausschlusswirkung nicht mittels einer Hinauszögerung der Anhörung umgehen zu können, muss sie innerhalb einer kurzen Frist erfolgen, die regelmäßig nicht länger als eine Woche sein darf (BAG 02.03.2006 EzA § 91 SGB IX Nr. 3), berechnet ab dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt (APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 130). Allerdings kann die Frist bei Vorliegen besonderer Umstände auch überschritten werden (BAG 02.03.2006 EzA § 91 SGB IX Nr. 3 = NZA 2006, 2011).

Entscheidend ist die Kenntnis des zur Kündigung des Berechtigten, das ist jeder, der zur Kündigung des konkreten Arbeitnehmers befugt ist (BAG 22.11.2012 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 2). Handelt es sich bei dem Arbeitgeber um eine juristische Person, ist grds. die Kenntnis des gesetzlich oder satzungsgemäß für die Kündigung zuständigen Organs maßgeblich (BAG 18.06.2015 EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 33 = NZA 2016, 287; s. a. LAG Saarland 04.05.2016 LA-GE § 626 BGB 2002 Nr. 64 = NZA-RR 2016, 473: Cheftrainer Profifußball). Nach hessischem Gemeinderecht kommt es für den Beginn des Laufs der Ausschlussfrist auf die Kenntnis des Gemeindevorstands als Gremium an. Kenntnisse eines nicht kündigungsbefugten Personalamtes sind der Gemeinde nur zuzurechnen, wenn deren Nichtweitergabe an den Gemeindevorstand auf einem Organisationsmangel beruhte (Hess. LAG 04.04.2003 NZA 2004, 1160).

Grundsätzlich reicht die Kenntnis dritter Personen ohne Entlassungsbefugnis für den Beginn der Ausschlussfrist nicht aus (BAG 28.10.1971 AP Nr. 1 zu § 626 BGB Ausschlussfrist).

Hat der Dritte im Betrieb allerdings eine Stellung, die nach den Umständen des Einzelfalles erwarten lässt, dass er den Kündigungsberechtigten von dem Kündigungssachverhalt unterrichtet, so ist trotz unterlassener oder verzögerter Unterrichtung dem Kündigungsberechtigten die Kenntnis nach Treu und Glauben zu-zurechnen, wenn die Information des Arbeitgebers durch eine mangelhafte Organisation des Betriebes verhindert wurde, obwohl eine andere Organisation sachgemäß gewesen wäre und dem Arbeitgeber zumutbar war (BAG 05.05.1977 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 57; APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 131 f.).

Im Einzelnen gilt insoweit Folgendes (BAG 23.10.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 23):

Nur der Arbeitgeber ist nach der gesetzlichen Regelung zur Kündigung berechtigt. Zu den Kündigungsberechtigten gehören aber auch die Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung übertragen hat. Die Kenntnis anderer Personen ist für die Zwei-Wochen-Frist grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt selbst dann, wenn den Mitarbeitern Aufsichtsfunktionen übertragen worden sind. Nur ausnahmsweise muss sich der Arbeitgeber die Kenntnis anderer Personen nach Treu und Glauben zurechnen lassen. Diese Personen müssen allerdings eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb oder der Verwaltung haben und tatsächlich sowie rechtlich in der Lage sein, einen Sachverhalt, der Anhaltspunkt für eine außerordentliche Kündigung bietet, so umfassend klären zu können, dass mit ihrer Meldung der Kündigungsberechtigte ohne weitere Erhebungen und Ermittlungen seine (Kündigungs-) Entscheidung treffen kann. Dementsprechend muss der Mitarbeiter zum einen in einer ähnlich selbständigen Stellung sein, wie ein gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Stellvertreter des Arbeitgebers. Zum anderen muss die verspätet erlangte Kenntnis des Kündigungsberechtigten in diesen Fällen auf einer unsachgemäßen Organisation des Betriebs oder der Verwaltung beruhen, obwohl eine andere betriebliche Organisation sachgemäß und zumutbar gewesen wäre. Beide Voraussetzungen – ähnlich selbständige Stellung und schuldhafter Organisationsmangel – müssen kumulativ vorliegen.

In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend davon auszugehen, dass nach einem ersten Gespräch mit dem Kläger am 11.04.2019 und Fertigung eines Gesprächsprotokolls (Bl. 132 d. A.) durch den Mitarbeiter P. der Beklagten der Kläger am 17.04.2019 befragt worden ist (s. Bl. 20 ff. d. A.). Zu Beginn der Befragung erklärte danach der Kläger, dass er nach Rücksprache mit seinem Rechtsanwalt keine Äußerung treffen möchte. Dem Kläger wurde die Möglichkeit eingeräumt, zu den in der Niederschrift schriftlich festgehaltenen Fragen mit seinem Rechtsanwalt Stellung zu nehmen und dies anschließend – bis zum 18.04.2019 – schriftlich zur Verfügung zu stellen. Durch Email vom 18.04.2019 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit, dass eine Stellungnahme bis zum 24.04.2019 erfolgen werde, eine kurzfristigere Bearbeitung könne nicht erfolgen (Bl. 24 d. A.). Per Email

ging die angekündigte Stellungnahme am 24.04.2019 sodann auch tatsächlich ein (Bl. 25 ff. d. A.). Berücksichtigt man, dass die Anhörung des Arbeitnehmers, dann, wenn sie sachdienlich ist, den Fristablauf hemmt und üblicherweise auch eine mehrfache Anhörung erforderlich ist, dann ist vorliegend ohne Weiteres davon auszugehen, dass die Zwei-Wochen-Frist durch den Zugang der außerordentlichen Kündigung am 25.04.2019 gewahrt worden ist.

Schließlich folgt die Rechtsunwirksamkeit der streitgegenständlichen außerordentlichen Kündigung auch entgegen der Auffassung des Klägers nicht daraus, dass der Betriebsrat der Beklagten vor Ausspruch der streitgegenständlichen außerordentlichen Kündigung entgegen § 102 Betriebsverfassungsgesetz nicht ordnungsgemäß angehört worden ist.

Gemäß § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG, § 79 Abs. 4 BPersVG ist die ohne Beteiligung des Betriebs- oder Personalrats erfolgte Kündigung unwirksam (vgl. BAG 16.03.2000 EzA § 108 BPersVG Nr. 2). Das gilt aufgrund einer ausdehnenden Auslegung dieser Vorschrift auch dann, wenn das Anhörungsverfahren nicht wirksam eingeleitet oder durchgeführt oder abgeschlossen worden ist (BAG 04.06.2003 EzA § 209 InsO Nr. 1; 06.10.2005 EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 16; Landesarbeitsgericht BW 11.08.2006 LAGE § 102 BetrVG 2001 Nr. V; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht; DLW/Dörner, 15. Aufl. 2020, Kap. 4 Rz. 354 ff.).

Wegen der einschneidenden Bedeutung der Kündigung sieht das BetrVG eine verstärkte Rechtsstellung des Betriebsrats und damit seiner kollektiven Schutzfunktion vor und verknüpft zugleich den kollektiven Schutz (vgl. § 1 Abs. 2 S. S KSchG). Der Arbeitgeber kann folglich die Kündigung erst dann aussprechen, wenn das Mitbestimmungsverfahren abgeschlossen ist.

Das Anhörungsverfahren ist dann abgeschlossen, wenn die Äußerungsfrist gemäß § 102 Abs. 2 BetrVG (eine Woche für die ordentliche, drei Tage für die außerordentliche Kündigung) abgelaufen ist oder der Betriebsrat bereits vorher eine sachlich-inhaltliche Stellungnahme abgegeben hat (vgl. Landesarbeitsgericht Berlin 12.07.1999 NUA-RR 1999, 485). Der Arbeitgeber kann nach einer abschließenden Stellungnahme die Kündigung auch dann vor Ablauf der Frist des § 102 BetrVG aussprechen, wenn die Stellungnahme fehlerhaft zustande gekommen ist (BAG 24.06.2004 EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 9).

Erklärt der Betriebsrat die Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung eines Arbeitnehmers, so ist das Verfahren gem. § 102 Abs. 1, 2 BetrVG abgeschlossen. Des Abwartens der Wochenfrist des § 102 Abs. 2 S. 1 BetrVG bedarf es in diesem Fall selbst dann nicht, wenn der die Zustimmung beinhaltende Beschluss des Betriebsrats im Beisein des Arbeitgebers unter irrtümlicher Beteiligung eines Arbeitnehmers erfolgt ist, der bereits aus dem Betriebsrat ausgeschieden war (Landesarbeitsgericht Düsseldorf 15.04.2011 NZA-RR 2011, 531 LS).

Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitteilen (§ 102 Abs. 1 S. BetrVG). Dabei ist zu beachten, dass die Substantiierungspflicht im Kündigungsschutzprozess nicht das Maß für die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers nach § 102 BetrVG ist (Landesarbeitsgericht Hamm 20.10.2005 – 8 Sa 205/05, FA 2006, 189 LS). Der Umfang der Unterrichtungspflicht orientiert sich an dem vom Zweck des Kündigungsschutzprozesses zu unterscheidenden Zweck des Anhörungsverfahrens. Es zielt nicht darauf ab, die selbstständige Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung zu gewähren. Der Betriebsrat ist kein „Gericht“, dass über Anträge des Arbeitgebers entscheidet, sondern er soll Partner des Arbeitgebers in einem zwar institutionalisierten, aber vertrauensvoll zu führenden betrieblichen Gespräch sein (BAG 28.08.2003 EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 4).

Mit Kündigungsgründen sind folglich nicht nur die wichtigsten Kündigungsgründe gemeint, vielmehr hat der Arbeitgeber den Betriebsrat über alle Tatsachen und subjektiven Vorstellungen zu unterrichten, die ihn zu der Kündigung veranlassen (BAG 24.11.1983, EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 54). Bei einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung gegenüber einem angestellten Arzt wegen sexuellen Missbrauchs von Patientinnen gehören zur notwendigen ausreichenden Information über die Tatvorwürfe z. B. Angaben über die äußeren Umstände der Untersuchungen, über die konkreten Beschwerden der Patientinnen sowie über die Art und Weise der dem Arbeitnehmer vorgeworfenen Untersuchungshandlungen (Landesarbeitsgericht Köln 29.11.2005 NZA-RR 2006, 443).

Denn § 102 BetrVG soll dem Betriebsrat die Möglichkeit geben, durch seine Stellungnahme auf den Willen des Arbeitgebers einzuwirken und ihn durch Darlegung von Gegengründen u.U. von seiner Planung, den Arbeitnehmer zu entlassen, abzubringen (vgl. BAG 28.02.1974 EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 8). Andererseits muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat nur diejenigen Gründe mitteilen, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und für seinen Kündigungsentschluss maßgebend sind (BAG 13.05.2004 EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 7; 5.07.2004 EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 54; 26.09.2004 EzA § 102 BetrVG 201 Nr. 10). Das ist auch dann der Fall, wenn er kündigungsrechtlich objektiv erhebliche Tatsachen nicht mitteilt, weil er darauf die Kündigung zunächst nicht stützen will, denn eine nur bei objektiver Würdigung unvollständige Mitteilung führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 BetrVG (BAG 11.12.2003 EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 5). Demgegenüber genügt die Mitteilung von Scheingründen oder die unvollständige Mitteilung von Kündigungsgründen – insbes. unter bewusster Verschweigung der wahren Kündigungsgründe – nicht (BAG 13.05.2004 EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 7; Landesarbeitsgericht Köln 27.01.2010 LAGE § 102 BetrVG 2001 Nr. 9). Kommen andererseits aus der Sicht des Arbeitgebers mehrere Kündigungssachverhalte und Kündigungsgründe in Betracht, so führt ein bewusstes Verschweigen eines – von mehreren – Sachverhalten nicht zur Unwirksamkeit der Anhörung (BAG 16.09.2004 EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 10; Landesarbeitsgericht BW 11.08.2006 LAGE § 102 BetrVG 2001 Nr. 5; s.a. Landesarbeitsgericht Hamm 20.10.2005 – 8 Sa 205/05, FA 2006, 189 LS).

Wenn dem Betriebsrat insoweit Gelegenheit gegeben werden soll, sich zu der beabsichtigten Kündigung zu äußern, dann muss er die Wirksamkeit dieser Kündigung auch beurteilen können. Das ist aber nur möglich, wenn er alle Tatsachen kennt, auf die der Arbeitgeber seine Kündigung stützt. Dazu gehören auch dem Arbeitgeber bekannte, seinen Kündigungsgründen widerstreitende Umstände (Landesarbeitsgericht SA 05.11.1996 NZA-RR 1997, 325; vgl. ausf. KR/Etzel § 102 BetrVG Rz. 62), z. B. Entlastungszeugen für Fehlverhalten des Arbeitnehmers (Landesarbeitsgericht Köln 30.09.1993 LAGE § 102 BetrVG 1972 Nr. 36), allgemein entlastende, bekannte Umstände (Landesarbeitsgericht Nbg. 22.06.2010 – 5 Sa 820/08, AuR 2010, 443; Verdachtskündigung; ArbG Düsseldorf 06.04.2011 – 14 Ca 8029/10, AuR 2011, 314 LS; MAVO Kath. Kirche) oder eine Gegendarstellung des Arbeitnehmers (BAG 31.08.1989 EzA § 102 BetrVG 1972 NR. 75; vgl. dazu Landesarbeitsgericht Köln 05.06.2000 NZA-RR 2001, 168 LS zu § 72 a NWPersVG).

Die maßgeblichen Tatsachen muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat substantiiert mitteilen. Die pauschale Angabe von Kündigungsgründen oder die Angabe eines Werturteils allein genügen nicht (vgl. BAG 27.06.1985 EzA § 102 BetrVG 1972 NR. 60). Angaben wie „Arbeitsverweigerung“, „hohe Krankheitszeiten“, „ungenügende Arbeitsleistung“, „fehlende Führungsqualitäten“ sind folglich nicht ausreichend (Landesarbeitsgericht SchlH 30.10.2002 NZA-RR 2003, 310).

Folglich muss der Arbeitgeber die aus seiner Sicht die Kündigung begründenden Umstände (BAG 15.07.2004 EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 54; 16.09.2004 EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 10) so genau und umfassend darlegen, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in der Lage ist, selbst die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über seine Stellungnahme schlüssig zu werden (vgl. BAG 13.07.1978 EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 35; Landesarbeitsgericht Hamm 11.01.2006 – 3 Sa 9/05 – FA 2006, 189 LS).

Zu berücksichtigen ist aber, dass der Arbeitgeber im Rahmen des § 102 BetrVG nur die aus seiner Sicht tragenden Umstände mitteilen muss (BAG 15.07.2004 EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 54; 16.09.2004 EzA § 102 2001 Nr. 10; 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607). Erst eine bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung führt zu einer fehlerhaften Anhörung. Zu einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Information des Betriebsrats gehört auch die Unterrichtung über dem Arbeitgeber bekannte und für eine Stellungnahme des Betriebsrats möglicherweise bedeutsame Tatsachen, die den Arbeitnehmer entlasten und deshalb gegen den Ausspruch einer Kündigung sprechen können (BAG 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607).

Eine Verletzung der Mitteilungspflicht liegt insgesamt nur dann vor, wenn er dem Betriebsrat bewusst ihm bekannte und seinen Kündigungsentschluss (mit)bestimmende Tatsachen vorenthält, die nicht nur eine Ergänzung oder Konkretisierung des mitgeteilten Sachverhalts darstellen, sondern diesem erst das Gewicht eines Kündigungsgrundes geben oder weitere eigenständige Kündigungsgründe beinhalten (APS/Koch § 102 BetrVG Rz. 88ff.). Das ist nicht der Fall, wenn er kündigungsrechtlich objektiv erhebliche Tatsachen nicht mitteilt, weil er darauf die Kündigung zunächst nicht stützen will, denn eine nur bei objektiver Würdigung unvollständige Mitteilung führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 BetrVG (BAG 11.12.2003 EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 5). Demgegenüber genügt die Mitteilung von Scheingründen oder die unvollständige Mitteilung von Kündigungsgründen – insbes. unter bewusster Verschweigung der wahren Kündigungsgründe – nicht. Kommen andererseits aus der Sicht des Arbeitgebers mehrere Kündigungssachverhalte und Kündigungsgründe in Betracht, so führt ein bewusstes Verschweigen einer – von mehreren – Sachverhalten nicht zur Unwirksamkeit der Anhörung (BAG 16.09.2004 EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 10). Allerdings führt die subjektive Determination nicht dazu, dass der Arbeitgeber auf eine Mitteilung persönlicher Gründe ganz verzichten darf, auch wenn er sie nicht berücksichtigt. Der Arbeitgeber muss deshalb im Allgemeinen das Lebensalter und die Dauer der Betriebszugehörigkeit sowie einen eventuellen Sonderkündigungsschutz als unverzichtbare Daten für die Beurteilung der Kündigung dem Betriebsrat mitteilen. Das gilt auch für einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund, da dem Betriebsrat keine persönlichen Umstände vorenthalten werden dürfen, die sich im Rahmen der Interessenabwägung zu Gunsten des Arbeitnehmers auswirken können (BAG 06.10.2005 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 66).

Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber aus seiner Sicht unrichtige oder unvollständige Sachdarstellungen unterbreitet (BAG 18.05.1994, 22.09.1994 EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 85, 86). Damit wird es dem Arbeitgeber insbes. verwehrt, dem Betriebsrat den Sachverhalt irreführend zu schildern, damit sich die Kündigungsgründe als möglichst überzeugend darstellen (ArbG Bln. 25.01.2002 NZA-RR 2003, 85). Beabsichtigt ein Arbeitgeber, ein Arbeitsverhältnis wegen Diebstahls oder des Verdachts auf des Diebstahls zu kündigen, hat er nach z. T. vertretener Auffassung den in seinem Betrieb gebildeten Betriebsrat auch über den Verlauf des Arbeitsverhältnisses und die von ihm vorgenommene Interessenabwägung zu unterrichten (Landesarbeitsgericht SchlH 10.01.2012 LAGE § 102 BetrVG 2001 Nr. 15).

Dies führt mittelbar zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn der verwertbare Sachverhalt die Kündigung nicht trägt, d. h. wenn es der sachlichen Rechtfertigung der Kündigung nach § 1 KSchG oder § 626 BGB bedarf und dazu der (zu-vor dem Betriebsrat) mitgeteilten Kündigungssachverhalt nicht ausreicht (sog. subjektive Determinierung der Mitteilungspflicht des Arbeitgebers; vgl. BAG 22.09.1994 EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 86; 11.12.2003 EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 5; 22.04.2010 – 6 AZR 828/08, EzA-SD 12/2010 S. 3; Landesarbeitsgericht SchlH 30.10.2002 NZA-RR 203, 310). Der Arbeitgeber kann sich auch nicht auf den Kündigungsgrund der dauernden Unmöglichkeit der Erbringung der Arbeitsleistung berufen, wenn er der MAV nur Gründe aus dem Bereich häufiger Kurzerkrankungen mitgeteilt hat (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg. 03.11.2010 – 15 Sa 1738/10; ZTR 2011, 181 LS).

Unterrichtet der Arbeitgeber deshalb z.B. den Betriebsrat von einer beabsichtigten betriebsbedingten Änderungskündigung mit dem Ziel, eine unselbstständige Betriebsabteilung wegen hoher Kostenbelastung zu sanieren, nur über die wirtschaftlichen Verhältnisse des unselbstständigen Betriebsteils, nicht aber zu-gleich über die Ertragslage des gesamten Betriebes, dann kann er sich im Kündigungsschutzprozess jedenfalls nicht auf ein dringendes Sanierungsbedürfnis des Betriebes berufen (BAG 11.10.1989 EzA § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 64).

Informiert der Arbeitgeber gem. § 102 BetrVG nicht auch über Begleitumstände, die dem an sich eine Kündigung tragenden Sachverhalt ein besonderes Gewicht verleihen und für die Interessenabwägung erhebliche Bedeutung haben (können), so sind diese Begleitumstände bei der Prüfung der Berechtigung der Kündigung nicht verwertbar. Ohne wenigstens einen Hinweis auf das Vorliegen solcher Begleitumstände ist der Betriebsrat mit diesen nicht befasst und braucht insbes. nicht von sich aus solche Umstände zu ermitteln, in dem er die ihm übergebenen Unterlagen auf solche Umstände hin prüft und auswertet (Hess. Landesarbeitsgericht 15.09.1998 NZA 1999, 269 LS).

Darüber hinaus ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass es für die Wirksamkeit der Anhörung insbesondere unerheblich ist, ob der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung widerspricht, ob ein derartiger Widerspruch erheblich ist oder nicht und ob der Betriebsrat, wenn er die gegebenen Informationen nicht für ausreichend gehalten hat, keine weitere Angaben ausdrücklich angefordert hat. Denn der Arbeitgeber ist verpflichtet, den maßgeblichen Sachverhalt näher so zu umschreiben, dass der Betriebsrat ohne eigene Nachforschungen oder Rückfragen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe überprüfen kann. Unterlässt es der Arbeitgeber aber, den Betriebsrat über die Gründe der Kündigung zu unterrichten, z. B. in der irrigen oder vermeintlichen Annahme, dass dieser bereits über den erforderlichen und aktuellen Kenntnisstand verfügt, so liegt keine ordnungsgemäße Einleitung des Anhörungsverfahrens vor (BAG 25.06.1985, EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 60).

In Anwendung dieser Grundsätze ist die vorliegend von der Beklagten durchgeführte Anhörung des Betriebsrats (Bl. 180, 138 ff., 181 f. d. A) entgegen der Auffassung nicht zu beanstanden und führt insbesondere nicht zur Rechtsunwirksamkeit der streitgegenständlichen außerordentlichen fristlosen Kündigung der Beklagten.

Soweit der Kläger beanstandet, die Beklagte habe dem Betriebsrat nicht mitgeteilt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich unkündbar sei, begründet dies keinen Mangel des Anhörungsverfahrens. Zum einen hat die Beklagte den Betriebsrat ausdrücklich auch zu einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist angehört, was gerade nur für den Fall des Ausschlusses einer außerordentlichen Kündigung in Betracht zu ziehen ist. Zum anderen ist davon auszugehen, dass dem Betriebsrat der Inhalt der betrieblich angewandten tarifvertraglichen Regelungen aufgrund seiner Amtstätigkeit bekannt sind. Schließlich muss ein Arbeitgeber, der das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos kündigen will, dem Betriebsrat nicht mitteilen, dass dem betroffenen Arbeitnehmer ein tariflicher Sonderkündigungsschutz zukommt (BAG 07.05.2020 – 2 AZR 678/19, EzA § 102 BetrVG 2001, Nr. 41). Hat der Arbeitgeber erfolgreich die zuständige Mitarbeitervertretung zur beabsichtigten Kündigung eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers mit der Angabe angehört, dem Arbeitnehmer solle außerordentlich gekündigt werden, hilfsweise solle ihm außerordentlich aus wichtigem Grund unter Gewährung der ordentlichen Kündigung entsprechenden Auslauffrist gekündigt werden, und spricht der Arbeitgeber im Anschluss daran entsprechende außerordentliche Kündigung aus, ist es unschädlich, wenn die Mitarbeitervertretung nicht zusätzlich ausdrücklich über die ordentliche Unkündbarkeit des Arbeitnehmers informiert worden ist (LAG Baden-Württemberg 16.06.2020 – 15 Sa 93/18 -, Beck RS 2020, 31002).

Soweit der Kläger drauf hingewiesen hat, dass dem Betriebsrat lediglich das Gesprächsprotokoll vom 12.04.2019 mit dem Kläger vorgelegt wurde, wonach sich der Kläger an sein Vorbringen „denklogisch aufgrund des fehlenden Vorhaltes“ auch nicht zu den wesentlichen Vorwürfen habe äußern können, folgt daraus nichts Anderes. Die Annahme, die Beklagte habe offensichtlich kein Interesse daran gehabt (s. Bl. 521 f. d. A.), den Betriebsrat über die Äußerungen des Klägers zu informieren, trifft nicht zu. Vielmehr hat die Beklagte im Rahmen der Anhörung dem Betriebsrat die insoweit ihr zur Verfügung stehenden Informationen vollumfänglich mitgeteilt. Das Vorbringen des Klägers insoweit ist schon deshalb widersprüchlich, weil er selbst im Rahmen der Anhörung ausdrücklich zu den ihm gestellten Fragen im Betrieb der Beklagten keine Stellungnahme abgegeben hatte, sondern auf eine nachfolgende schriftliche Stellungnahme seines Prozessbevollmächtigten verwiesen hat. Diese lag der Beklagten zum Zeitpunkt der Anhörung des Betriebsrats nicht vor, so dass sie diesem auch nicht vorenthalten wurde. Nach der Stellungnahme des Betriebsrats hat die Beklagte sodann unverzüglich den Betriebsrat unter Vorlage der Stellungnahme des Prozessbevollmächtigten des Klägers nebst eigener Kommentierung nachträglich informiert; dies ist nicht zu beanstanden. Insbesondere bedurfte es nicht einer erneuten Anhörung des Betriebsrats, denn insoweit geht es nicht um die Information des Betriebsrats über neue tatsächliche Umstände, die einen abweichenden oder weiteren Kündigungssachverhalt begründen, auf die die Beklagte die Kündigung – auch – stützen möchte. Die Stellungnahme des Klägers enthält insoweit keine grundlegend neuen, beachtlichen Umstände, die über seine bisherige Stellungnahme des Abstreitens der ihm unterstellten Äußerung hinausgeht. Insofern bedurfte es einer weiteren Anhörung des Betriebsrates nicht, weil die „neuen“ Tatsachen allenfalls der Erläuterung und Konkretisierung der bisherigen, dem Betriebsrat bereits mitgeteilten, Kündigungsgründe bzw. der Einlassung des Klägers dazu dienen. Keinesfalls handelt es sich insoweit um neue Tatsachen, die dem mitgeteilten Kündigungssachverhalt erstmals das Gewicht eines Kündigungsgrundes geben oder weitere, selbständig zu würdigende Kündigungssachverhalte betreffen (BAG 10.04.2014, EzA § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung Nr. 33; s. DLW/Dörner, a.a.O., Kap. 4, Rn. 1683).

Schließlich ist insoweit zwar zu berücksichtigen, dass die Betriebsratsanhörung – ausgehend vom subjektiven Kenntnisstand des Arbeitgebers – auch objektiv, d. h. durch Sinn und Zweck der Anhörung determiniert ist (BAG 16.07.2015, EzA 2016, 99; 05.12.2019, NZA 2020, 646). Bei der verhaltensbedingten Kündigung kann deshalb auf die Mitteilung der „Sozialdaten“ des Arbeitnehmers nicht deshalb verzichtet werden, weil sie für den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers ohne Bedeutung waren (BAG 05.12.2019, a.a.O.). Der Wirksamkeit der auf Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers gestützten Kündigung steht das Unterlassen der Angabe von dessen genauen „Sozialdaten“ bei der Betriebsratsanhörung aber dann nicht entgegen, wenn es dem Arbeitgeber auf diese ersichtlich nicht ankommt und der Betriebsrat jedenfalls die ungefähren Daten kennt; er kann dann die Kündigungsabsicht des Arbeitgebers auch so ausreichend beurteilen (BAG 05.12.2019, a.a.O.; 23.10.2014, NZA 2015, 476).

Vorliegend ist dem Betriebsrat insoweit nichts vorenthalten worden, so dass Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit der Betriebsratsanhörung nicht bestehen.

Folglich ist mit dem Arbeitsgericht davon auszugehen, dass die streitgegenständliche außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 25.04.2019 das vormals zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit ihrem Zugang am 25.04.2019 aufgelöst hat. Folglich hat das Arbeitsgericht zu Recht die Klage des Klägers abgewiesen; seine Berufung war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

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