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Fristlose Kündigung bei eigenmächtigem Urlaubsantritt ohne Abmahnung?

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg – Aktenzeichen: 21 Sa 28/18 – Urteil vom 15.08.2018

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 23.02.2018 – Az: 1 Ca 314/17 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Soweit die Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger eine Verzugspauschale iHv Euro 40,00 zu zahlen, wird die Revision für die Beklagte zugelassen.

Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten ihr Arbeitsverhältnis beendet hat und darüber, ob die Beklagte dem Kläger restliche Vergütung für Oktober 2017 und im Hinblick darauf auch eine Verzugspauschale im Sinne des § 288 Abs. 5 BGB schuldet.

Der am 00.00.1957 geborene Kläger ist seit 01.10.2008 bei der Beklagten, die einen Personentransport insbesondere für Schüler und behinderte Schüler betreibt, als Fahrer und Sachbearbeiter im Büro in Teilzeit (18 bis 20 Stunden/Woche) zu einem Monatsgehalt in Höhe von € 1.350,00 brutto beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis der Parteien liegt ein schriftlicher Arbeitsvertrag (datiert) vom 15.10.2008 zugrunde, bezüglich dessen Einzelheiten vollinhaltlich auf Bl. 3 – 5 d. Akten-ArbG verwiesen wird.

Mit Schreiben vom 02.10.2017, bezüglich dessen Einzelheiten vollinhaltlich auf Bl. 6 d. Akten-ArbG verwiesen wird, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis gegenüber dem Kläger fristlos, vorsorglich ordentlich zum „nächstmöglichen Termin“. Der Kläger erhielt dieses Schreiben am 04. oder 05.10.2017. Die Beklagte zahlte an den Kläger am 06.11.2017 ein Gehalt für Oktober 2017 in Höhe von € 204,27 netto aus. Welchen Zeitraum sie damit vergüten wollte ist ebenso unklar wie die Frage, ob eine schriftliche Lohnabrechnung für diesen Zahlungsbetrag von der Beklagten gefertigt und dem Kläger zur Verfügung gestellt wurde. Am 24.11.2017 erhielt der Kläger von der Agentur für Arbeit auf seinen Antrag hin Arbeitslosengeld für Oktober 2017 in Höhe von € 984,53.

Hinsichtlich des weitergehenden unstreitigen und streitigen Tatsachenvortrags der Parteien wird gemäß § 69 Abs. 3 Satz 2 ArbGG auf den nicht angegriffenen Tatbestand des mit der Berufung angegriffenen Urteils des Arbeitsgerichts vom 23.02.2018 (Seiten 2-5 dieses Urteils, Bl. 82-85 d. Akten-ArbG) einschließlich des darin enthaltenen Verweises auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat den vom Kläger zuletzt gestellten Anträgen,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die schriftliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 02.10.2017, zugegangen am 04. oder 05.10.2017, nicht aufgelöst worden sei,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die in der fristlosen Kündigung vom 02.10.2017 „vorsorglich“ erklärte ordentliche „Kündigung zum nächstmöglichen Termin“ beendet worden sei, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbestehe,

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Gehalt für den Monat Oktober 2017 in Höhe von € 1.350,00 brutto abzüglich bereits bezahlter € 204,27 netto und abzüglich erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von € 161,20 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus € 1.145,73 seit 07.11.2017 und aus € 984,53 seit 24.11.2017 zu zahlen,

4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere € 40,00 zu bezahlen, vollumfänglich stattgegeben und ist den insoweit von der Beklagten gestellten Klagabweisungsanträgen nicht gefolgt.

Zur Begründung führt das Arbeitsgericht aus, für die außerordentliche Kündigung fehle es an einem wichtigen Grund. Betreffend den Vorwurf eines unentschuldigten Fehlens für einen Arbeitstag fehle es bereits an einer vorausgegangenen einschlägigen Abmahnung. Die von ihr behauptete Abmahnung vom 04.06.2012 habe sie weder inhaltlich substanziiert darlegen noch deren Zugang beim Kläger nachweisen können. Gleiches gelte für das von ihr angeführte (frühere) Kündigungsschreiben der Beklagten an den Kläger vom 01.03.2017, das, unabhängig vom Nachweis des Zugangs beim Kläger, keinen Hinweis auf konkrete Pflichtverletzungen des Klägers enthalte und damit die notwendige Rügefunktion einer Abmahnung nicht erfüllen könne. Im Übrigen sei die Berufung der Beklagten auf Ermahnungen und Abmahnungen des Klägers nicht hinreichend konkretisiert dargelegt. Eine Abmahnung vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung sei auch nicht überflüssig, da ein eventuell unentschuldigtes Fehlen für einen Tag nicht so schwerwiegend sei, dass auf eine Abmahnung verzichtet werden könne. Ein von der Beklagten behauptetes unentschuldigtes Fernbleiben des Klägers für einen Tag rechtfertige auch keine ordentliche Kündigung ohne vorangegangene einschlägige Abmahnung. Gleiches gelte, soweit die Beklagte die Kündigung darauf stütze, dass der Kläger sich gegenüber Kunden als „Dödel vom Dienst“ am Telefon gemeldet habe. Soweit die Beklagte die Kündigung auf eine Äußerung des Klägers gegenüber Mitarbeiterinnen der Beklagten stütze, er würde für den gesetzlichen Mindestlohn nicht arbeiten, stelle dies zum einen eine Meinungsäußerung dar, die nicht automatisch ein Aufhetzen der anderen Mitarbeiter bewirke. Unabhängig davon wäre auch hier eine der Kündigung vorausgehende Abmahnung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit als milderes Mittel erforderlich gewesen. Letztlich habe die Beklagte ihre Behauptung, der Kläger habe in erheblichem Umfang während seiner Arbeitszeit Dienstleistungen für Dritte erbracht, nicht näher konkretisiert. Aus der von der Beklagten vorgelegten E-Mail vom 22.05.2017 lasse sich nicht erkennen, welche Arbeitsleistung in welchem zeitlichen Umfang der Kläger während der Arbeitszeit für Dritte erbracht habe. Auch hier fehle es im Übrigen an einer einschlägigen Abmahnung vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung.

Da das Arbeitsverhältnis aufgrund der außerordentlichen Kündigung nicht geendet habe, sei die Beklagte mit der Lohnzahlung an den Kläger in Annahmeverzug geraten. Der Kläger müsse sich lediglich das darauf anrechnen lassen, was er von der Beklagten und an öffentlich-rechtlichen Leistungen bereits erhalten habe. Außerdem steht dem Kläger gemäß § 288 Abs. 5 BGB eine Verzugspauschale zu, die auch auf arbeitsrechtliche Forderungen trotz Vorhandenseins der Norm des § 12a ArbGG anwendbar sei.

Gegen diese der Beklagten am 09.03.2018 zugestellte Entscheidung (vgl. Empfangsbekenntnis Bl. 93 d. Akten-ArbG) richtet sich ihre am 22.03.2018 per Telekopie und am 26.03.2018 im Original mit Schriftsatz eines Rechtsanwalts beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg – Kammern Mannheim – eingegangene Berufung (vgl. gerichtliche Eingangsstempel Bl. 16 und 30 d. Akten), die sie mit am 06.04.2018 in Telekopie und am 09.04.2018 im Original beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg – Kammern Stuttgart – eingegangenem anwaltlichen Schriftsatz (vgl. gerichtliche Eingangsstempel Bl. 45 und 60 d. Akten) begründet hat.

Die Beklagte trägt nunmehr vor, das unentschuldigte Fehlen des Klägers am Arbeitsplatz am 02.10.2017 rechtfertige allein die außerordentliche, jedenfalls aber die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung. Betreffend das unentschuldigte Fehlen des Klägers am 02.10.2017 entfalle die Erforderlichkeit der Abmahnung, weil erkennbar sei, dass der Kläger überhaupt nicht gewillt gewesen sei, sich vertragsgerecht zu verhalten. Zudem stelle das unentschuldigte Fehlen des Klägers nur die Spitze des gegenüber der Beklagten weitgehend willkürlichen Entscheidens über sein Erscheinen am Arbeitsplatz dar. Alleine 2017 bis zur streitgegenständlichen Kündigung habe der Kläger an 32 Arbeitstagen bereits nach seinen eigenen Darlegungen im Rechtsstreit der Parteien vor dem Arbeitsgericht Karlsruhe (Az: 1 Ca 384/17) Urlaub genommen, während der Arbeitsvertrag der Parteien nur Urlaubsansprüche des Klägers im Umfang von insgesamt 24 Arbeitstagen jährlich vorsehe.

Darüber hinaus habe der Kläger sich Ende September 2017 nicht nur gegenüber Fahrern, sondern auch gegenüber Auftraggebern der Beklagten mehrfach als „der Dödel vom Dienst“ bezeichnet.

Hinzu käme, dass der Kläger die beiden im Büro der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmerinnen, die lediglich den Mindestlohn in Höhe von € 8,84 verdienten, mit den Worten angestachelt habe, dass er dafür nie arbeiten würde. Dies sei, zumindest sinngemäß, mehrfach erfolgt. Diese mehrfachen Pflichtverletzungen, die jeweils für sich alleine, jedenfalls aber in ihrer Gesamtheit die außerordentliche, jedenfalls aber die ordentliche Kündigung trügen, machten zuvor einschlägige Abmahnungen nicht notwendig. Bei der Eigenbenennung als „der Dödel vom Dienst“ handele es sich um eine geschäftsschädigende Verletzung der Loyalitätspflicht des Klägers ihr, der Beklagten, gegenüber, die so schwer wiege, dass eine Hinnahme des Verhaltens durch die Beklagte für den Kläger erkennbar von vornherein ausgeschlossen gewesen sei. Dasselbe gelte für die Aufstachelung der beiden im selben Büroraum der Beklagten tätigen Arbeitnehmerinnen, die der Kläger offen zur Arbeitsverweigerung beziehungsweise zumindest zum Bummelstreik aufgefordert habe. Bei diesen Äußerungen handele es sich nicht um eine neutrale Meinungsäußerung; vielmehr hätten diese mehrfachen Aussagen des Klägers dazu geführt, dass die beiden Büromitarbeiterinnen in ihrer Arbeitskraft stark nachgelassen hätten, solange der Kläger sich mit diesen zeitgleich im Büro aufgehalten habe.

Der Kläger habe sich als der der Beklagten juristisch weit Überlegene häufig und hartnäckig den auch konkreten und dezidierten Anweisungen der Beklagten hinsichtlich juristischer Aufgaben widersetzt.

Aus der E-Mail vom 22.05.2007 ergebe sich sehr wohl, dass der Kläger in nicht unerheblichem Umfang während seiner Arbeitszeit für die Beklagte Rechtsdienstleistungen für Dritte erbracht habe. Diese gravierende Pflichtverletzung mache eine Abmahnung ebenfalls entbehrlich. Aufgrund der mündlichen Hinweise der Beklagten gegenüber dem Kläger, er möge die Arbeit für die Anwälte während der Arbeitszeit unterlassen, sei ausweislich der fehlenden Verhaltensänderung des Klägers deutlich, dass dieser überhaupt nicht gewillt gewesen sei, sich vertragsrechtlich zu verhalten.

Darüber hinaus sei erst nach der streitgegenständlichen Kündigung für sie, die Beklagte, erkennbar geworden, dass der Kläger Pflichtverletzungen bei der Ausführung seiner Arbeit begangen habe. So habe er eine Rechnung für eine bestimmte Tour (Werkstätten der Lebenshilfe) fehlerhaft mehrfach vergeben. Die Rechnung an einen anderen Kunden für Fahrten im Monat Oktober 2014 habe der Kläger erst am 03.06.2016 gestellt, wobei der Geldeingang auch nur auf Nachhaken einer anderen Büroangestellten der Beklagten am 28.03.2018 erfolgt sei. Andere Kunden hätten die Buchhaltung des Klägers für die Beklagte aufgrund der Reklamation des Kunden vom 17.01.2018 zutreffend als unüberschaubar qualifiziert. Sie, die Beklagte, habe den Kläger stets angewiesen, sämtliche Rechnungen zeitnah zu stellen und ihn auch immer wieder mündlich abgemahnt, wenn er mit Rechnungsstellungen in Verzug geraten sei.

Die Beklagte beantragt, auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 23.02.2018, Az: 1 Ca 314/17, zugestellt am 09.03.2018 im Kostenpunkt aufzuheben und wie folgt abzuändern:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er trägt zweitinstanzlich noch vor, jedenfalls die ordentliche Kündigung sei bereits nicht hinreichend bestimmt, da er, der Kläger, als Kündigungsadressat nicht habe erkennen können, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis aus Sicht der Beklagten beendet sein solle. Die Beklagte habe gegenüber dem Kläger und der Bundesagentur erklärt, dass die Kündigungsfrist für das Arbeitsverhältnis der Parteien, entgegen den tatsächlichen Gegebenheiten, vier Wochen betrage. Darüber hinaus bestünden Zweifel über den richtigen Kündigungstermin vorliegend noch dadurch, dass im streitgegenständlichen Arbeitsverhältnis völlig offenstehe, ob und wenn ja in welcher Höhe dem Kläger noch Urlaubs- beziehungsweise Freizeitausgleichsansprüche zustünden und wie sich diese, wenn sie dem Kläger zuerkannt würden, auf die Bestimmung des Beendigungszeitpunkts auswirkten.

Er bestreite auch weiterhin, am 02.10.2017 unentschuldigt gefehlt zu haben.

Nicht richtig sei, dass sich aus seinem eigenen Vortrag im Rechtsstreit der Parteien vor dem Arbeitsgericht Karlsruhe (1 Ca 384/17) bereits ergebe, dass er, der Kläger, bereits vor dem 02.10.2017 in 2017 acht Arbeitstage unentschuldigt die Arbeit bei der Beklagten verweigert habe. Richtig sei, dass er sich seine freigenommenen Tage, die nicht nur aus Urlaubstagen, sondern auch aus Freizeitausgleichstagen bestünden, nicht nur in 2017, von der Beklagten habe regelmäßig genehmigen lassen. Dies gelte auch für die acht Arbeitstage, an denen er aus Sicht der Beklagten unentschuldigt gefehlt haben solle. Die Beklagte möge anhand eigener Aufzeichnungen mit Datum benennen, an welchen Tagen sie dem Kläger Urlaub beziehungsweise Freizeitausgleich gewährt haben wolle und an welchen Tagen der Kläger ihrer Auffassung nach unentschuldigt gefehlt habe. Seit Beginn des Arbeitsverhältnisses sei nicht nur dem Kläger die Aufgabe übertragen worden, seine tatsächlich gearbeiteten Stunden eigenverantwortlich aufzuzeichnen. Die mehrfach geäußerte Bitte des Klägers, die Beklagte möge die Richtigkeit seiner Aufzeichnungen in seinem Jahreskalender unterschriftlich bestätigen oder eine andere Bürokraft mit der Aufzeichnung beziehungsweise mit der Überprüfung der vom Kläger geleisteten aufgeschriebenen Arbeitsstunden beauftragen, habe die Beklagte bis zum 15.11.2017 stets mit den Hinweisen abgelehnt, sie könne die vom Kläger aufnotierten Arbeitszeiten sowieso nicht überprüfen; sie vertraue darauf, dass diese stimmen würden. Zudem habe die Beklagte mehrfach erklärt, dass gearbeitete Überzeiten und Urlaubstage in ihrem Betrieb nicht verfallen würden.

Richtig sei, dass er sich Ende September 2017 wenige Male als Hommage an Loriot am Telefon mit „hier spricht der Dödel vom Dienst“ gemeldet habe. Seine nunmehr neunjährige Beschäftigungszeit im Betrieb der Beklagten bringe es mit sich, dass sich zwischen den Personen, die regelmäßig miteinander telefonierten, Sympathien entwickelt hätten oder auch nicht. Er habe die Telefonanlage so programmiert, dass bei einem Anruf seitens der eingespeicherten Kollegen und Behördenmitarbeiter auf dem Display deren Namen angezeigt werde, weshalb er immer sofort sehen könne, wer mit ihm telefonieren wolle. Bei Personen, mit denen er ein ausgesprochen gutes Verhältnis entwickelt habe sei es insoweit immer wieder zu telefonischen Albernheiten, im Rahmen derer er sich „hier spricht der Dödel vom Dienst“ gemeldet habe, gekommen. Sofern man insoweit von einer Vertragsverletzung ausgehen sollte, wiege diese jedenfalls nicht so schwer, dass eine Hinnahme des Verhaltens für den Kündigenden von vornherein ausgeschlossen gewesen sei.

In der Tat würde er für den gesetzlichen Mindestlohn von € 8,48/Stunde nicht arbeiten. Dies habe er auch im Beisein der beiden Büromitarbeiterinnen der Beklagten gesagt. Daran, ob er dabei das Wort „nie“ oder „nicht“ gebraucht habe beziehungsweise wie oft dies zumindest sinngemäß geschehen sei, habe er keine Erinnerung. Diese offene Diskussion zwischen allen Beteiligten über gezahlte Gehälter sei nicht als arbeitsvertragswidriges Aufstacheln mit Sabotagequalität zu bewerten. Eine Gehaltsdifferenz zwischen ihm und den beiden Zeuginnen liege schon wegen des unterschiedlichen Ausbildungsstandes eher nahe. Er habe die beiden Mitarbeiterinnen auch weder offen zur Arbeitsverweigerung noch zumindest zum Bummelstreik aufgefordert. Auch insoweit wäre jedenfalls zuvor eine einschlägige Abmahnung als milderes Mittel vor Ausspruch einer Kündigung notwendig gewesen. Es treffe auch nicht zu, dass die Beklagte stets gegen seinen juristisch unterfütterten Willen nicht angekommen sei. Das Gegenteil sei der Fall gewesen. Die Beklagte habe sich trotz den entsprechend nachteiligen Konsequenzen häufig geweigert, den Empfehlungen des Klägers zu entsprechen, wenn diese nicht mit ihren ausgesprochen individuellen Vorstellungen von Recht und Gerechtigkeit konformgegangen seien. Er bestreite ausdrücklich, während seiner Arbeitszeit Dienstleistungen für Dritte erbracht zu haben. Ebenso wenig stimme die Behauptung der Beklagten, diese habe ihn, den Kläger, häufig mündlich darauf hingewiesen, er möge die Arbeit für Anwälte während der Arbeitszeit unterlassen. Daran ändere auch die Vorlage des E-Mail-Ausdrucks vom 22.05.2017 nichts.

Er bestreite, dass ihm bei der Rechnungsnummer 3186 der von der Beklagten behauptete Fehler unterlaufen sei. Tatsächlich sei es die Stadtkasse B., der bei der Überweisung der Beträge ein Fehler unterlaufen sei. Er habe im Jahre 2016 viele Rechnungen für 2014 gestellt. Es sei zu bestreiten, dass er von der Beklagten immer wieder mündlich abgemahnt worden sei, wenn er mit Rechnungsstellungen in Verzug geraten sei. Er sei weder mit der Buchhaltung noch mit der Überwachung der Zahlungseingänge betraut. Die Überwachung der Zahlungseingänge obliege der Beklagten selbst. Er arbeitete betriebsintern der Buchhaltung lediglich hin und wieder zu und das nur dann, wenn er von Frau Sch. gebeten werde. Die Kundin der Beklagten habe die Buchhaltung des Klägers daher zu keinem Zeitpunkt zutreffend als unüberschaubar qualifiziert. Die Buchhaltung werde eben von der Zeugin Sch. geführt, nicht von ihm.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß den §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 520, 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle über die mündlichen Verhandlungen in erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

A. Zulässigkeit der Berufung

1. Die Berufung der Beklagten bezüglich der Streitgegenstände ist gemäß den §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b und c ArbGG statthaft. Sie ist auch gemäß den §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519 Abs. 1 und 2, 520 Abs. 1 und 3 ZPO in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und nach noch innerhalb der gesetzlichen Berufungsbegründungsfrist bei Gericht formgerecht eingegangenem Fristverlängerungsantrag im Rahmen der daraufhin gemäß gerichtlicher Verfügung verlängerten Frist mit Schriftsatz eines Rechtsanwalts begründet worden. Die Berufung der Beklagten setzt sich insbesondere auch mit den Argumenten auseinander, mit denen das Arbeitsgericht die Rechtsunwirksamkeit der außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung begründet hat. Soweit die Beklagte zu den vom Arbeitsgericht beschiedenen Zahlungsanträgen des Klägers keine Ausführungen gemacht hat, ist die Berufung ebenfalls zulässig. Zwar setzt die Beklagte sich mit den Begründungen des Arbeitsgerichts nicht ausdrücklich auseinander. Hingegen begründet das Arbeitsgericht die Zahlungsansprüche allein damit, dass sie durch den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses begründet seien. Die vom Kläger gestellten Zahlungsanträge, die in seinem wohlverstandenen Interesse als Hilfsanträge für den Fall des Obsiegens mit der Kündigungsschutzklage auszulegen sind (vgl. hierzu BAG 21. November 2013 2 AZR 474/12 – juris Rn. 17 und vom 13. August 2014 2 AZR 871/12 juris Rn. 3 und 4), sind zuvorderst abhängig vom Bestand des Arbeitsverhältnisses der Parteien und danach von der Unwirksamkeit der Kündigung. Weitere Einwände hatte die Beklagte gegen die vom Kläger zuletzt zur Entscheidung gestellten Zahlungsanträge bereits erstinstanzlich nicht erhoben. Im Hinblick darauf bedurfte es keiner weiteren Auseinandersetzung der Berufung mit den Urteilsgründen des Arbeitsgerichts.

2. Anderweitige Bedenken an der Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht.

B. Begründetheit der Berufung

Die zulässige Kündigungsschutzklage des Klägers ist begründet. Ebenso sind seine Zahlungsklagen zulässig und begründet. Im Hinblick darauf ist die Berufung der Beklagten unbegründet.

I. Zulässigkeit der Klaganträge

1. Der Streitgegenstand der Feststellungsklagen im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist hinreichend bestimmt. Der Kläger greift mit seinen Feststellungsklagen eine konkrete Kündigungserklärung der Beklagten an (außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 02.10.2017) und formuliert seine Klaganträge wie gemäß den §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 4 Satz 1 KSchG für jede Art von Kündigung vorgesehen.

2. Auch die Streitgegenstände der Vergütungsklage und der Klage auf Verzugspauschale sind im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO jeweils hinreichend bestimmt. Aus der Klagebegründung und den vom Kläger mitgeteilten Zeiträumen ist ersichtlich, für welche konkreten Monate er welche konkreten (Differenz) Ansprüche geltend macht und auf welche konkrete Lebenssachverhalte er diese stützt.

II. Begründetheit der Kündigungsschutzklagen

1. Der Kläger hat innerhalb der von ihm gemäß den §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 4 Satz 1 KSchG für jede Art von Kündigung zu beachtenden Frist von drei Wochen gegen die streitgegenständliche Kündigung Klage erhoben, nachdem er das Kündigungsschreiben der Beklagten frühestens am 04.10.2017 erhalten hat, seine Klage gegen diese Kündigung beim Arbeitsgericht Karlsruhe am 19.10.2017 einging (vgl. gerichtlicher Eingangsstempel Bl. 1 d. Akten-ArbG) und diese Klage der Beklagten auch demnächst im Sinne des § 167 ZPO zugestellt werden konnte.

2. Das Arbeitsgericht hat, unter Mitteilung und Zugrundelegung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den Voraussetzungen der Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen und ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung, die streitgegenständliche außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten zu Recht für rechtsunwirksam erachtet. Zur Vermeidung bloßer Wiederholungen in bloß anderen Worten wird auf die zutreffenden Ausführungen des Urteils des Arbeitsgerichts unter I.3 und II.1 bis 4 der Entscheidungsgründe des mit der Berufung angefochtenen Urteils (Seiten 5 unten bis 8 dieses Urteils; Bl. 85-88 d. Akten-ArbG) Bezug genommen. Das Berufungsgericht schließt sich diesen Ausführungen an. Ob die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Wirksamkeit/Unwirksamkeit der Befristungen zutreffend sind (vgl. hierzu BAG 4. Mai 2011 7 AZR 252/10) kann deshalb dahingestellt bleiben.

3. Im Hinblick auf die Berufungsangriffe der Beklagten ist dem noch Folgendes hinzuzufügen:

a) Richtig ist zwar, dass der Kläger am 02.10.2017 unentschuldigt seine Arbeitsleistung für die Beklagte nicht erbracht hat, damit seiner Hauptpflicht gemäß § 611 Abs. 1 1. Alt. BGB im Arbeitsverhältnis nicht nachgekommen ist und ein unentschuldigtes Fehlen des Arbeitnehmers für die Dauer eines ganzen Arbeitstages ohne ausreichende Information des Arbeitgebers im Wiederholungsfall nach einschlägiger Abmahnung je nach den Umständen an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu begründen (BAG 15. März 2001 – 2 AZR 177/00 – juris Rn. 15 mwN.). Ein unentschuldigtes und nicht gerechtfertigtes Fehlen des Klägers am 02.10.2017 liegt auch nahe, nachdem der Kläger nicht konkret vorträgt, dass er der Beklagten mitgeteilt hat, ab wann im Oktober 2017 er für welchen konkreten Zeitraum Urlaub nehmen wollte, nachdem ihm sein ursprünglicher Urlaubswunsch, über die tatsächlichen Urlaubstage 04. und 05.09.2017 hinaus im weiteren September 2017, wegen hohem Arbeitsanfall durch die Beklagte verweigert worden war. Auf das, was der Kläger dachte, wann er im Oktober 2017 Urlaub nehmen will (vgl. Schriftsatz des Klägers vom 09.01.2018 Seite 20 dritter Absatz, Bl. 34 d. Akten-ArbG) kommt es insoweit nicht an. Vielmehr kommt es darauf an, für welchen konkreten Zeitraum im Oktober 2017 der Kläger bei der Beklagten Urlaub beantragt hat. Insoweit ist es auch nicht erheblich, wenn die Beklagte den Kläger bereits am Freitag der Vorwoche einen schönen Feiertag (03.10.2017) wünschte, der erst in der darauffolgenden Woche am Dienstag lag. Die Frage, ob tatsächlich von einem unentschuldigten Fehlen des Klägers am 02.10.2017 ausgegangen werden kann oder ob der Kläger entschuldbar davon ausgehen durfte, am 02.10.2017 nicht bei der Beklagten zur Arbeit erscheinen zu müssen, kann vorliegend jedoch dahingestellt bleiben. Betreffend die außerordentliche Kündigung wäre es der Beklagten jedenfalls nicht unzumutbar gewesen, die ordentliche Kündigungsfrist abzuwarten, nachdem das Fehlen des Klägers nicht dauerhaft oder von einem hartnäckigen Verhalten des Klägers auszugehen war. Auch die ordentliche Kündigung ist sozial nicht gerechtfertigt, nachdem eine einschlägige Abmahnung dem – unterstellten – unentschuldigten Fehlen des Klägers am 02.10.2017 nicht vorausgegangen ist. Wie das Arbeitsgericht zu Recht ausführt, war die ordentliche Kündigung wegen fehlender einschlägiger vorausgehender Abmahnung nicht verhältnismäßig. Beruht die Arbeitsvertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche (und außerordentliche) Kündigungen wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen daher regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 3 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG 25. Oktober 2012 – 2 AZR 495/11 – juris Rn. 16 mwN.). Vorliegend führt das Arbeitsgericht zunächst zu Recht aus, dass die Beklagte, als für die Abmahnung darlegungs- und beweisbelastete Partei, weder die von ihr behauptete Abmahnung vom 04.06.2012 inhaltlich substanziiert dargelegt hat, noch den Zugang dieser Abmahnung beim Kläger nachgewiesen hat. Dasselbe gilt für das Kündigungsschreiben der Beklagten gegenüber dem Kläger vom 01.03.2017, da dieses Schreiben, unabhängig vom Nachweis des Zugangs beim Kläger, keinen Hinweis auf konkrete Pflichtverletzungen enthält und damit die notwendige Rügefunktion einer Abmahnung nicht erfüllen konnte. Ein Verzicht auf eine einschlägige Abmahnung ist beim vorliegend – unterstellten – Pflichtverstoß des Klägers auch nicht entbehrlich. Der Kläger hat an einem einzigen Tag gefehlt. Er hat seine Arbeitsleistung für einen Tag für die Beklagte nicht erbracht. Weder ist darin ein längerer Zeitraum zu sehen, noch wiegt diese erstmalige Pflichtverletzung so schwer, dass der Kläger davon ausgehen musste, dies mache seiner Arbeitgeberin ein Fortsetzen des Arbeitsverhältnisses mit ihm unzumutbar. Besondere Anhaltspunkte dafür, dass die Anwesenheit des Klägers an diesem Tag für die Beklagte außergewöhnlich wichtig war und so sein Fehlen erkennbar eine Unzumutbarkeit für die Beklagte hätte auslösen können, sind weder offensichtlich, noch von der Beklagten vorgetragen. Das Fehlen an einem einzigen Tag ist auch (noch) nicht als beharrlich zu werten, nachdem durch keine anderen Tatsachen zum Ausdruck kommt, dass der Kläger auch dann auf seinem Standpunkt verharrt hätte, wenn ihm die Unrechtmäßigkeit seines Handelns vor Ausspruch der Kündigung vor Augen geführt worden wäre. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Kläger bis zum 02.10.2017 bereits an acht Arbeitstagen im Jahr 2017 unentschuldigt nicht zur Arbeit bei der Beklagten erschienen ist. Die Beklagte, als für die verhaltensbedingte Kündigung darlegungs- und beweispflichtige Partei (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG), ist gehalten, die Tage zu benennen, an denen der Kläger aus ihrer Sicht unentschuldigt im Jahre 2017 gefehlt hat. Es genügt insoweit nicht, zu behaupten, der Kläger habe seinen Urlaubsanspruch 2017 schon aufgebraucht und sei trotzdem in 2017 in Summe schon an mehr Arbeitstagen nicht zur Arbeit erschienen, als ihm Urlaubstage zustünden. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, als der Kläger im Rechtsstreit der Parteien vor dem Arbeitsgericht Karlsruhe (Az: 1 Ca 384/17) jedenfalls erkennbar nicht nur die Gewährung von Urlaub, sondern auch von Freizeitausgleichsansprüchen gegenüber der Beklagten geltend macht und für beide Streitgegenstände bereits von ihm freigenommene Tage verrechnet. Damit ist völlig unklar, für welche konkreten Tage sein Fehlen in 2017 in der Zeit bis zum 02.10.2017 aus Sicht der Beklagten ein unentschuldigtes Fehlen darstellt, weil ihm von ihr weder Urlaub noch Freizeitausgleich bewilligt worden war.

b) Auch soweit der Kläger sich beim Anruf bestimmter Kunden diesen gegenüber als „der Dödel vom Dienst“ gemeldet hat, rechtfertigt dies die streitgegenständliche außerordentliche und hilfsweise ordentliche Kündigung nicht. Insoweit handelte es sich um eine – zugegebenermaßen – flapsige Ausdrucksweise, die zumindest Kunden gegenüber aus Sicht des Gerichts nicht unbedingt angebracht erscheint. Durch diese Meldung ist aber weder ohne Weiteres eine Verächtlichmachung der Beklagten oder gar des Kunden verbunden. Damit kann zwar möglicherweise zum Ausdruck kommen, dass der Kläger insoweit dazu neigt, sein eigenes Befinden den geschäftlichen Interessen der Beklagten überzuordnen. Hingegen kann damit mindestens genauso zum Ausdruck kommen, dass der Kläger selbstkritisch zum Ausdruck bringen will, bei seiner Arbeit für die Beklagte zu gutmütig zu sein oder die Person zu sein, bei der all die Arbeit hängenbleibt, die andere nicht erledigen können oder wollen. Wenn die Beklagte hingegen gegenüber Kunden derartig missverständliche Äußerungen nicht wünscht, hat sie dies dem Kläger gegenüber vor Ausspruch einer Kündigung aus diesem Grunde zum Ausdruck zu bringen und ihm klarzumachen, dass er bei derartig missverständlichen und/oder flapsigen Äußerungen gegenüber Kunden im Wiederholungsfalle sein Arbeitsverhältnis aufs Spiel setzt. Soweit die Beklagte insoweit von geschäftsschädigendem Verhalten des Klägers spricht, kann dem von Seiten des Gerichts aus den oben genannten Gründen nicht gefolgt werden, insbesondere nicht, weil aus den Äußerungen des Klägers gerade nicht eindeutig ersichtlich ist, ob er Kritik an der Beklagten oder seiner Person selbst übt oder ob darin (bittere) Ironie liegen soll, die sich auf seine Person oder die der Beklagten bezieht.

c) Auch wenn man unterstellt, dass der Kläger gegenüber den zwei Büromitarbeiterinnen der Beklagten mehrfach geäußert haben soll, dass er für den gesetzlichen Mindestlohn „nicht“ oder „nie“ arbeiten würde und dies im Zusammenhang damit, dass diese beiden Mitarbeiterinnen von der Beklagten den gesetzlichen Mindestlohn erhalten, rechtfertigt dies – ohne vorausgegangene einschlägige Abmahnung – ebenfalls keine außerordentliche oder ordentliche Kündigung. In derartigen Äußerungen kann man zwar eine von der Beklagten unerwünschte Äußerung des Klägers gegenüber anderen Arbeitnehmern der Beklagten sehen. Darin liegt jedoch keine Untergrabung der Arbeitsmoral oder gar die Aufforderung gegenüber diesen beiden Mitarbeiterinnen, die Arbeit gegenüber der Beklagten zu verweigern oder einen Bummelstreik durchzuführen. Anders könnte der Fall dann liegen, wenn der Kläger gegenüber den Mitarbeiterinnen etwa geäußert hätte, dass diese für den Mindestlohn für die Beklagte nicht arbeiten sollen. Soweit der Kläger aus Sicht der Beklagten geäußert hat „dafür würde ich nie arbeiten“ kommt hingegen nur zum Ausdruck, dass er selbst für den Mindestlohn bei der Beklagten nicht arbeiten würde. Solange dem – bezogen auf die weitere Tätigkeit der beiden Arbeitnehmerinnen bei der Beklagten – nichts ausdrücklich oder konkludent hinzugefügt worden ist, ist nicht vom Versuch einer Aufforderung zur Arbeitsverweigerung oder gar zu einem Bummelstreik auszugehen. Soweit die Beklagte eine derartige Diskussion unter ihren Arbeitnehmern über die Bezahlung der Arbeitnehmer durch die Beklagte vermeiden will, hat sie dies gegenüber ihren Arbeitnehmern, so auch dem Kläger gegenüber, ausdrücklich zu erklären oder vertraglich zu vereinbaren. Solange sie dies nicht macht, kann eine Unterhaltung über die Höhe der Entgeltzahlung der Beklagten an ihre Arbeitnehmer nicht als (Neben)Pflichtverletzung bewertet werden. Ob ein derartiges Untersagen oder eine derartige vertragliche Vereinbarung rechtlich überhaupt wirksam wären, kann vorliegend dahingestellt bleiben, nachdem die Beklagte dies dem Kläger gegenüber nicht zuvor bereits untersagt hatte, auch nicht in Form einer Abmahnung, und aus dem Arbeitsvertrag der Parteien nicht ersichtlich ist, dass der Kläger hierzu nicht berechtigt gewesen ist. Es kann deshalb auch dahingestellt bleiben, was die Beklagte darunter versteht, wenn sie vorträgt, dass diese Aussage des Klägers dazu geführt habe, dass die anderen beiden Mitarbeiterinnen in ihrer Arbeitskraft stark nachgelassen hätten, solange der Kläger sich mit diesen zeitgleich im Büro aufgehalten hat. Irgendwelchen konkreten einlassungsfähigen Tatsachenvortrag hat sie hierzu im Übrigen nicht ansatzweise gehalten.

d) Soweit die Beklagte als Kündigungsgrund geltend macht, der Kläger habe in nicht unerheblichem Umfang während seiner Arbeitszeit bei der Beklagten Rechtsdienstleistungen für Dritte erbracht, führt dies ebenfalls nicht zur Wirksamkeit der beiden Kündigungen. Schon das Arbeitsgericht hat in dem mit der Berufung angegriffenen Urteil zu Recht ausgeführt, die Beklagte habe ihre Behauptung anhand von Tatsachen nicht näher konkretisiert. Die von der Beklagten vorgelegte E-Mail des Klägers vom 22.05.2017 (Bl. 32 d. Akten-ArbG) beweist auch nur, dass der Kläger auf seinen dienstlichen E-Mail-Account bei der Beklagten eine E-Mail eines Herrn E. über eine E-Mail dessen Rechtsanwalt erhalten hat. Darin ist jedoch – ohne das Vorliegen weiterer tatsächlicher Anhaltspunkte – keine geschäftliche Tätigkeit des Klägers für Dritte während seiner Arbeitszeit bei der Beklagten zu sehen. Es handelt sich objektiv um eine bloße Information des Herrn E. gegenüber dem Kläger. Soweit der Kläger diese Benachrichtigung nach eigenem Bekunden während seiner Arbeitszeit geöffnet und gelesen hat, handelt es sich um keine schwerwiegende Pflichtverletzung des Arbeitsvertrags der Parteien durch den Kläger, die eine ordentliche oder gar außerordentliche Kündigung ohne vorausgegangene einschlägige Abmahnung als wirksam beziehungsweise sozial gerechtfertigt erscheinen lässt.

e) Soweit die Beklagte zweitinstanzlich erstmals vermeintliche Fehler des Klägers bei der von ihm erbrachten Arbeitsleistung zur Begründung ihrer Kündigung einführt, rechtfertigen diese behaupteten Fehlleistungen des Klägers die streitgegenständlichen Kündigungen nicht. Unterstellt man die von der Beklagten unter Ziff. 4. ihres Berufungsbegründungsschriftsatzes vom 06.04.2018 (Seite 5 der Berufungsbegründung, Bl. 64 d. Akten) vorgetragenen Umstände als zutreffend und lässt die konkreten Einwände des Klägers dagegen außer Betracht, führen auch diese – unterstellten – fehlerhaften Arbeitsleistungen des Klägers ohne vorausgehende einschlägige Abmahnung nicht zur Wirksamkeit der Kündigungen. Es hätte gegenüber dem Kläger zunächst klar mitgeteilt werden müssen, was man von ihm fordert, beziehungsweise wie er einen Vorgang hätte richtig bearbeiten müssen und darüber hinaus hätte es des Hinweises bedurft, dass er im Falle einer weiteren fehlerhaften Arbeitsleistung und Nichterfüllung der an ihn gestellten Aufgaben, mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu rechnen hat. Soweit die Beklagte hierzu bei einem behaupteten Pflichtverstoß ausführt, dass sie den Kläger stets angewiesen habe, sämtliche Rechnungen zeitnah zu stellen und ihn auch immer wieder mündlich abgemahnt habe, wenn er mit Rechnungsstellungen in Verzug geraten sei – was der Kläger ausdrücklich bestreitet – ist insoweit weder Zeit, Ort noch konkreter Anlass vorgetragen, an dem dies geschehen sein soll. Eine Vernehmung der als Zeugin hierzu benannten Frau Sch. hätte einen reinen Ausforschungsbeweis dargestellt.

f) Auch soweit die Beklagte im Rahmen der Berufung vorträgt, der Kläger habe sich als juristisch weit Überlegener häufig und hartnäckig ihren, der Beklagten, konkreten und dezidierten Anweisungen widersetzt, sind dazu konkrete Sachverhalte weder in zeitlicher, räumlicher noch inhaltlicher Hinsicht ansatzweise vorgetragen. Eine Vernehmung der Beklagten hierzu als Partei, sofern überhaupt die Voraussetzungen der Vernehmung der Beklagten als Partei vorlägen (vgl. §§ 447, 448 ZPO), hätte auch insoweit einen reinen Ausforschungsbeweis dargestellt.

g) Auch die Gesamtheit der – teilweise unterstellten – Pflichtverletzungen des Klägers führen nicht zur Wirksamkeit der streitgegenständlichen außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung. Auch in der Gesamtschau der behaupteten Pflichtverletzungen des Klägers wiegen diese in ihrer Gesamtheit nicht so schwer, dass jedenfalls ohne eine entsprechende vorherige einschlägige Abmahnung ein wichtiger Grund oder diese soziale Rechtfertigung der Kündigung anzunehmen wäre. Beide Kündigungen sind auch insoweit als unverhältnismäßig zu betrachten.

4. Zahlungsanspruch des Klägers

Insoweit ist, nachdem die Beklagte sich in der Berufung gegen die Ausführungen des Arbeitsgerichts nicht mit (weiteren) Argumenten wendet, den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts nichts hinzuzufügen. Klarstellend hinzuweisen ist lediglich darauf, dass die Zinszahlungsverpflichtung der Beklagten im Rahmen der in Ziffer 3 des Urteilstenors des Arbeitsgerichts ausgesprochene Vergütungspflicht für die zu zahlende Vergütung in Höhe von € 1.145,73 nur für die Zeit vom 07.11.2017 bis einschließlich 23.11.2017 zu berechnen ist und ab 24.11.2017 lediglich noch aus dem Betrag von € 984,53.

5. Die vom Kläger geltend gemachte Verzugspauschale im Sinne des § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB für seine restlichen Vergütungsansprüche für Oktober 2017 ist ebenfalls begründet. Die 3. Kammer des Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat in ihrer Entscheidung vom 13.10.2016 (Az: 3 Sa 34/16) zur Anwendbarkeit des § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB im Arbeitsrecht ausgeführt:

„b) Die Neuregelung zur Verzugsschadenpauschale in § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB, die zum Allgemeinen Teil des Schuldrechts zählt, ist auch im Arbeitsrecht anwendbar, da keine Bereichsausnahme vorliegt (zutreffend Lembke FA 2014, 357, 358; Richter ArbRAktuell 2016, 229, 230; aA ArbG Düsseldorf 12. Mai 2016 – 2 Ca 5416/15 – juris; Diller NZA 2015, 1095, 1096; Palandt/Grüneberg BGB 75. Aufl. § 288 Rn. 15).

aa) Der deutsche Gesetzgeber hat in Abweichung von der Zahlungsverzugsrichtlinie, die in ihrem Erwägungsgrund acht bestimmt, dass die Richtlinie nicht für Geschäfte mit Verbrauchern gelten „sollte“, den Anwendungsbereich des § 288 Abs. 5 BGB nicht auf Verträge zwischen Unternehmern beschränkt, sondern auch Verbraucher in der Rolle des Gläubigers miterfasst (Korch NJW 2015, 2212, 2213). Die überschießende Umsetzung der Richtlinie begründet der Gesetzgeber (BT-Drucks. 18/1309, Seite 19) damit, es solle vermieden werden, dass Verbraucher, die Gläubiger von Nichtverbrauchern sind, gegenüber Nichtverbrauchern schlechter gestellt werden. Das ist europarechtlich zulässig, weil die Richtlinie keine Vollharmonisierung bewirken soll (Korch NJW 2015, 2212, 2213; Richter ArbRAktuell 2016, 229, 230).

Schon dies spricht im Gegensatz zur Auffassung von Diller, der ausführt, dass sich der Gesetzgeber über die Anwendbarkeit des § 288 Abs. 5 BGB im Arbeitsrecht „keine besonderen Gedanken gemacht“ habe (NZA 2015, 1095), dafür, dass der Gesetzgeber die Anwendbarkeit von § 288 Abs. 5 BGB im Arbeitsrecht beabsichtigt hat. Für die Konstellation von Verbrauchern, die einen Entgeltanspruch gegen ein Unternehmen haben, dürften Ansprüche auf Arbeitsentgelt den Hauptanwendungsfall bilden. Es spricht viel dafür, dass der Gesetzgeber mit der Übererfüllung der Zahlungsverzugsrichtlinie gezielt den Schutz von Arbeitnehmern im Blick hatte (Richter ArbRAktuell 2016, 229, 230).

bb) Die von Diller (NZA 2015, 1095, 1096) vertretene Auffassung, wonach § 12a ArbGG eine spezialgesetzliche Ausnahmeregelung beinhalte, die in ihrem Anwendungsbereich § 288 Abs. 5 BGB verdränge, ist abzulehnen. Seiner Auffassung nach wäre es systemwidrig, wenn der Arbeitnehmer bei außergerichtlicher Geltendmachung die 40,– €-Pauschale erhielte, aber auf den höheren Kosten bei Einschaltung eines Rechtsanwalts im Hinblick auf § 12a ArbGG sitzenbliebe.

Zweck der Verzugskostenpauschale gemäß § 288 Abs. 5 BGB sowie des der Norm zugrundeliegenden Art. 6 Abs. 1 der Zahlungsverzugsrichtlinie ist die pauschale Entschädigung des Gläubigers für seine internen Beitreibungs- und Mahnkosten (Freitag ZIP 2015, 1805, 1806). Der pauschale Anspruch auf 40,– € entsteht unabhängig von einem tatsächlichen Verzugsschaden (BT-Drucks. 18/1309, Seiten 11 u. 19). Auch wenn der Arbeitnehmer im erstinstanzlichen arbeitsgerichtlichen Verfahren grundsätzlich keine Erstattung seiner Rechtsverfolgungskosten verlangen kann, soll er gemäß § 288 Abs. 5 BGB im Verzugsfall wenigstens eine geringere (pauschale) Entschädigung erhalten (Richter ArbRAktuell 2016, 229, 231). Deshalb kann nach hiesiger Auffassung keinem Zweifel unterliegen, dass die Regelung des § 12a ArbGG nicht den Geltungsbereich von § 10288 Abs. 5 BGB einschränkt sondern allenfalls umgekehrt (vgl. Richter ArbRAktuell 2016, 229, 231). Eine planwidrige, unbeabsichtigte Gesetzeslücke ist nicht ersichtlich (so aber ArbG Düsseldorf 12. Mai 2016 – 2 Ca 5416/15 – juris).

cc) Entgegen Diller (NZA 2015, 1095, 1096) muss das Berufungsgericht eine in erster Instanz zuerkannte 40,– €-Pauschale nicht gegebenenfalls wieder aberkennen. Allenfalls könnte eine Anrechnung der Verzugspauschale im Kostenfestsetzungsverfahren erwogen werden (Richter ArbRAktuell 2016, 229, 231).

dd) Ob die Erstreckung des § 288 Abs. 5 BGB auf Arbeitsverhältnisse rechtspolitisch verfehlt ist (so Diller NZA 2015, 1095), kann hier dahinstehen, da die Gerichte auch zur Anwendung einer Gesetzesnorm verpflichtet sind, deren rechtspolitische Sinnhaftigkeit zweifelhaft erscheinen mag.“

Diesen Ausführungen schließt sich die erkennende Kammer in vollem Umfang an und verzichtet im Hinblick auf die ausführliche und überzeugende Argumentation der 3. Kammer auf die Wiedergabe diese Argumente in bloß anderen Worten. Die übrigen Voraussetzungen liegen vor, nachdem die Beklagte mit der Lohnzahlung (teilweise) in Verzug geraten ist und es im Hinblick auf den im Arbeitsvertrag genannten Zahlungszeitpunkt keiner vorherigen Inverzugsetzung der Beklagten durch den Kläger bedurfte (§§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 614 Satz 2 BGB iVm. § 6 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 15.10.2008).

C. Nebenentscheidungen

1. Nachdem die Berufung der Beklagten keinen Erfolg hat trägt sie gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres Rechtsmittels in vollem Umfang.

2. Die Zulassung der Revision für die Beklagte im Hinblick auf die von ihr zu zahlende Verzugspauschale im Sinne des § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Im Übrigen war die Revision nicht zuzulassen, da die entscheidungserheblichen Rechtsfragen nicht von grundsätzlicher Bedeutung sind und das Urteil nicht von den Entscheidungen der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG aufgeführten Gerichte abweicht.

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